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Nach der Reform ist vor der Reform – Zum Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht

von Prof. Dr. Joachim Renzikowski und Dr. Anja Schmidt

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Abstract
Wenige Bereiche des Besonderen Teils sind vom Gesetzgeber schon so häufig geändert worden wie der 13. Abschnitt über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Kritiker monieren seit der Entkriminalisierung durch die große Strafrechtsreform einen moralisierenden „roll back“. Davon abgesehen führen zumeist punktuelle Änderungen auf längere Sicht immer zu Verwerfungen. Umso erfreulicher ist es, dass sich in den letzten Jahren eine Expertenkommission im Auftrag des BMJV um eine kritische systematische Bestandsaufnahme bemüht hat.

I. Einleitung

Weniger als einen Monat nach dem 49. StÄG vom 21.1.2015[1] mit weitreichenden Änderungen im 13. Abschnitt setzte der Bundesjustizminister am 20. Februar eine Kommission mit zwölf Mitgliedern aus Wissenschaft und Praxis ein, die die (weitere) Reformbedürftigkeit des Sexualstrafrechts untersuchen sollte. Unter anderem sollte geklärt werden, ob es überkommene Vorschriften wie etwa die Straftatbestände der Erregung öffentlichen Ärgernisses oder der Verbreitung tierpornographischer Vorschriften gibt und ob das Sexualstrafrecht Schutzlücken enthält. Zu einzelnen Themen wurden externe Sachverständige angehört. Nach über zweieinhalb Jahren legte die Kommission am 19.7.2017 einen umfangreichen Abschlussbericht vor. Auf 1.399 Seiten finden sich 61 Empfehlungen, die Protokolle von 28 Sitzungen mit durchaus kontroversen Diskussionen sowie Impulsreferate und Präsentationen[2]– insgesamt ein eindrucksvolles Bild vom derzeitigen Stand des Sexualstrafrechts und seinen Brüchen, die sich im Lauf der Zeit angesammelt haben. Die Arbeit der Kommission wurde durch die völlige Umgestaltung des § 177 StGB durch das 50. StÄG vom 4.11.2016[3] mit seinem überstürzten Gesetzgebungsverfahren überholt, so dass zu befürchten ist, dass die Vorschläge der Reformkommission versanden. Erfreulicherweise hat dies die Kommission nicht daran gehindert, auch zum neuen § 177 StGB kritisch Stellung zu beziehen. Damit liegt mit dem Bericht eine umfassende Kritik des Sexualstrafrechts vor. Im Folgenden sollen vor allem die Empfehlungen der Kommission gewürdigt werden.

II. Reformbedarf bei § 177 StGB

Die Frage, ob das Sexualstrafrecht Schutzlücken enthält, wurde insbesondere im Hinblick darauf diskutiert, ob der Straftatbestand der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung (§ 177 StGB a.F.) den Anforderungen der Istanbul-Konvention genügt, wonach nicht einverständliche sexuelle Handlungen unter Strafe zu stellen sind (S. 10).[4] Die ersten 12 Empfehlungen des Berichts sind dementsprechend einer Überarbeitung der Strafrechtsnormen gegen sexuelle Nötigung / Vergewaltigung gewidmet. Wie schon angesprochen, wurde die Arbeit der Reformkommission durch die Gesetzgebung überholt. Das 50. StÄG verankerte mit dem neuen Tatbestand des „Sexuellen Übergriffs“ (§ 177 Abs. 1 und 2 StGB) nicht nur den Grundsatz „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht, sondern führte auch die Strafbarkeit der „Sexuellen Belästigung“ (§ 184i StGB) und den Straftatbestand der „Straftaten aus Gruppen“ (§ 184j StGB) ein. Der Bericht der Kommission enthält insoweit den Verlauf der Diskussion bis zum Erlass des 50. StÄG (S. 41–56), aber auch die Diskussion zur neuen Rechtslage (S. 56–92) und die diesbezüglichen Empfehlungen (S. 299–313).

Die Kommission war sich bis auf eine Gegenstimme und eine Enthaltung einig darin, dass § 177 StGB a.F. reformbedürftig war, hält die Norm in der Neufassung allerdings für überarbeitungsbedürftig und eine kritische Beobachtung der Rechtspraxis hinsichtlich Falschbeschuldigungen und Problemen der Beweisführung für geboten (Empfehlung Nr. 1, S. 299–301). Schutzlücken des alten Rechts sah die Kommission vor allem in folgenden Konstellationen: Fehlen eines finalen Zusammenhangs zwischen Gewalt oder Drohung und dem Sexualkontakt, insbesondere bei der Ausnutzung eines „Klimas der Gewalt“, Fälle, in denen mit etwas anderem als einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben gedroht wurde, Ausnutzung lediglich der subjektiv empfundenen Schutzlosigkeit, überraschende Sexualangriffe (S. 300).[5] Dabei sprach sich die Hälfte der Kommission vor dem Hintergrund von Art. 36 Istanbul-Konvention für einen punktuell-kasuistische Lösung, die andere Hälfte für die Beibehaltung des Grundsatzes „Nein heißt Nein“ aus (S. 300).[6] Dies zeigt, dass der durch die Neuregelung erfolgte Paradigmenwechsel hin zu einem Kommunikationsmodell[7] auch innerhalb der Kommission sehr umstritten war. Bemerkenswerterweise traf die „Nur Ja heißt Ja“-Lösung, die jüngst in Schweden Gesetz geworden ist und derzeit auch in Spanien diskutiert wird, auf keine Gegenliebe (S. 53 f., 55). Festzuhalten ist, dass die „Nein heißt Nein“ Lösung jedenfalls den Vorgaben von Art. 36 Istanbul-Konvention entspricht.

Die anschließende gesetzestechnisch-systematische Empfehlung 2 ist in jeder Hinsicht berechtigt. Die Kommission empfiehlt, die in § 177 StGB n.F. enthaltenen Übergriffs- und Nötigungstatbestände in getrennten Vorschriften zu regeln, um diese übersichtlicher zu gestalten und die einzelnen Tatbestände und Strafrahmen besser aufeinander abzustimmen (S. 301 f.).[8] Die in den Abs. 6–8 vorgesehenen Strafschärfungsgründe gelten für sexuelle Übergriffe nach Abs. 1 ebenso wie für die schwerere sexuelle Nötigung nach Abs. 5. Die damit verbundenen Strafrahmensprünge sind für Taten nach Abs. 1 wenig überzeugend (vgl. S. 73, 74 f.). Hinzu kommt, dass einige Qualifikationen der Abs. 7 und 8 nicht passen, soweit sie keine Nötigung mehr verlangen. Dies trifft vor allem auf die Alternativen des Beisichführens einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs zu. Nach der Gesetzesbegründung soll das gesteigerte Unrecht im „erhöhten Gefahrenpotential“ des Täters liegen,[9] aber das leuchtet für Taten nach Abs. 2 Nr. 1–4 nicht ein, denn in diesen Alternativen leistet das Opfer von vornherein keinen Widerstand.[10]

Empfehlung 3 bezieht sich auf § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der für sexuelle Handlungen mit Personen, die aufgrund ihres körperlichen oder psychischen Zustandes in der Bildung oder Äußerung ihres Willens eingeschränkt sind, die Strafbarkeit vorsieht, wenn sich der Täter nicht der Zustimmung dieser Person versichert hat. Hier wird also abweichend für körperlich oder psychisch in der Willensbildung oder -äußerung beeinträchtigte Personen der Grundsatz „Nur Ja heißt Ja“ verankert.[11] Die Kommission hält dies überwiegend für eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen, die ihnen das Leben von Sexualität erschwert. Denn auch behinderte Menschen könnten einen erkennbaren natürlichen Willen bilden, so dass sie keines weitergehenden Schutzes bedürfen. Daher wird mehrheitlich empfohlen, diese Alternative zu streichen. Dieser Empfehlung gingen intensive Beratungen auf der Basis der Anhörung von drei Sachverständigen voraus, deren Ergebnisse im Bericht auch referiert werden (vgl. S. 93–105). Diese empfahlen, die Sexualität von Menschen mit Behinderung nicht strafrechtlich zu unterbinden und zum Maßstab der Einverständlichkeit einen wenn auch nur rudimentären „natürlichen Willen“ zu nehmen. Sie wiesen außerdem daraufhin, dass die Willensentscheidung gegebenenfalls mit Hilfe von Dritten nachvollziehbar gemacht werden müsse (S. 97 f.). Man kann nicht genug betonen, dass Menschen mit geistiger Behinderung auch ein Recht auf Sexualität haben.[12] Zu bedenken ist allerdings, dass die ausschließliche Maßgeblichkeit eines „natürlichen Willens“ dazu führt, dass geistig behinderte Personen leichter manipuliert werden können, ohne dass die Tatbestandsfassung irgendein Korrektiv – wie etwa die Missbrauchsklausel in § 179 StGB – bereithält.[13] Ob man sich hier damit trösten kann, dass in jeder sexuellen Beziehung „schlechte Erfahrungen“ möglich sind (S. 97), erscheint fraglich. Ebenso ist nicht ausgemacht, dass die §§ 174a Abs. 2, 174 c StGB einen ausreichenden Schutz bieten. Eine sexualpädagogische Begleitung von Menschen mit Behinderung (S. 98) ist unbestreitbar sinnvoll, aber im Gesetz hat sie keinen Niederschlag gefunden. Das letzte Wort dürfte auf diesem äußerst komplexen und schwierigen Feld noch nicht gesprochen sein.

Die Kommission empfiehlt weiter mit zehn zu zwei Stimmen, die Qualifikation des § 177 Abs. 4 StGB zu streichen, Abs. 4 stuft den sexuellen Übergriff nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu einem Verbrechen herauf, wenn die absolute Unfähigkeit zur Willensbildung oder ‑äußerung auf einer Krankheit oder Behinderung beruht. Der Strafrahmensprung von sechsmonatiger bis fünfjähriger Freiheitsstrafe zu mindestens einem Jahr bis zu 15 Jahren ist nach Auffassung der Kommissionsmehrheit unberechtigt, weil der Täter kein schwerwiegenderes Unrecht verwirkliche und diese Alternative zu einer unberechtigten Diskriminierung innerhalb der Gruppe der Menschen mit Behinderungen führe (S. 69 f., 303 f.). Man kann aber fragen, ob ein sexueller Übergriff gegenüber einem Opfer, welches keinen Willen bilden oder äußern kann und daher konstitutionell schutzlos ist, nicht schwereres Unrecht verwirklicht als ein „gewöhnlicher“ sexueller Übergriff nach § 177 Abs. 1 StGB.[14]

§ 177 Abs. 5 StGB sieht ebenfalls den erhöhten Strafrahmen von einem Jahr bis 15 Jahren für Fälle vor, in denen der Täter gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet (Nr. 1), oder ihm gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht (Nr. 2) oder eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzt (Nr. 3). Die Kommission spricht sich mit zwei Gegenstimmen dafür aus, Nr. 3 zu streichen, denn die Schutzlücke, die von dieser Alternative geschlossen werden sollte, sei nun durch die Strafbarkeit nicht einverständlicher sexueller Handlungen gefüllt und das Unrecht der Tat wiege nicht schwerer als ein sexueller Übergriff (S. 304 f.). Diese Einschätzung ist zweifelhaft, denn die Ausnutzung der Furcht des Opfers vor Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit[15] ist etwas ganz anderes als die Befürchtung irgendwelcher sozialen Nachteile. Auf der anderen Seite handelt es sich in diesen Fällen immer um eine konkludente Drohung mit körperlicher Gewalt, die sich mit einigem guten Willen unter § 177 Abs. 5 Nr. 2 StGB subsumieren ließe.[16] Die Frage, ob in der Neufassung der Nötigungszusammenhang entfallen ist,[17] und wenn ja, ob zu Recht, spielte in den Beratungen eine gewisse Rolle (vgl. S. 70–72); diesbezüglich erfolgte aber keine Abstimmung.

Für § 177 Abs. 6 Nr. 2 StGB soll nach der Vorstellung der Kommission (Empfehlung Nr. 39) es künftig – ebenso wie für § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB – ausreichen, dass die Tat, dem Wortlaut von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB entsprechend, „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ begangen wird (S. 193, 344). Die aktuelle Formulierung („mit mehreren gemeinschaftlich“) wird von der Rechtspraxis und der h.L. abweichend von § 224 StGB so verstanden, dass sich die Strafschärfung auf Mittäterschaft i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB beschränkt.[18] Der Grund für die Strafschärfung bei den sog. „Konvergenzdelikten“ liegt in der gesteigerten Gefährlichkeit der Tat für das Opfer: Gegenüber mehreren zusammenwirkenden Angreifern sind seine Abwehrmöglichkeiten eingeschränkt und gruppendynamische Prozesse bergen immer eine Eskalationsgefahr in sich.[19] Diese Gesichtspunkte hängen nicht mit der Differenzierung der Beteiligungsformen zusammen. Leider hat sich die Kommission in diesem Zusammenhang nicht dafür ausgesprochen, den Wertungswiderspruch zwischen § 177 Abs. 6 StGB (Regelbeispiel) und § 176a Abs. 2 (Qualifikation) zu beheben.

Zuzustimmen ist der Empfehlung der Kommission, das Bei-sich-Führen eines gefährlichen Werkzeugs entgegen § 177 Abs. 7 Nr. 1 StGB auf die Fälle zu beschränken, in denen der Täter Gewalt anwendet oder androht (S. 305 f.). Ferner stimmten fast alle Kommissionsmitglieder dafür, die Qualifikationen des § 177 Abs. 7 Nr. 1, 2 und Abs. 8 Nr. 1 StGB auf Nötigungsfälle zu beschränken (S. 306 ff.).[20] Weiter schlägt die Kommission vor, den Strafrahmen von § 177 Abs. 7 Nr. 3 StGB an § 176a Abs. 2 Nr. 3 StGB anzupassen und einheitlich für die Herbeiführung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren vorzusehen (S. 344 f.). Schließlich soll der minder schwere Fall nach Abs. 9 auf die Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs nach Abs. 8 Nr. 1 begrenzt werden (S. 195 f., 345 f.). Eine Strafrahmenverschiebung in den anderen Alternativen des Abs. 8, bei schwerer körperlicher Misshandlung oder konkreter Lebensgefahr (Nr. 2), ist in der Tat schwerlich vorstellbar.

III. Reformbedarf bei §§ 184i, 184j StGB

Die Empfehlungen 8 bis 11 beziehen sich auf den neu eingeführten Straftatbestand der sexuellen Belästigung in § 184i StGB. Mit 10 zu 2 Stimmen empfiehlt die Kommission, diesen Straftatbestand beizubehalten, da auch sexuelle körperliche Berührungen unterhalb der Schwelle der sexuellen Handlung die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers beeinträchtigen können (S. 308 f.). Sie sind daher auch nicht sozialadäquat.[21] Derartige Übergriffe können mit erheblichen Konsequenzen für die Lebensgestaltung des Opfers verbunden sein, die von Verunsicherung über psychosomatische Beschwerden bis zum Rückzug von Berufstätigkeit und sozialen Kontakten verbunden sind. Auf den ersten Blick mag die Strafbarkeit einer „nicht erheblichen“ sexuellen Handlung irritieren. Die „Erheblichkeitsschwelle“ in § 184h Nr. 1 StGB soll jedoch das Erfolgsunrecht in Beziehung zu den Strafrahmen der §§ 174 ff. StGB setzen.[22] Der Strafrahmen des § 184i Abs. 1 StGB liegt darunter und entspricht der tätlichen Beleidigung nach § 185 StGB, ist mit einer Obergrenze von zwei Jahren Freiheitsstrafe allerdings deutlich höher als vergleichbare Regelungen in Österreich und der Schweiz.[23] Völlig überzogen und nicht mehr zu rechtfertigen ist der Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren für besonders schwere Fälle nach Abs. 2, namentlich die gemeinschaftliche Begehung[24] – auch  wenn man ihn mit den Strafdrohungen der §§ 174 bis 174c StGB vergleicht. Für die Berücksichtigung von solchen Übergriffen durch Gruppen reicht der Strafrahmen von Abs. 1 völlig aus, so dass dem Vorschlag, Abs. 2 zu streichen (S. 85 f., 311), zuzustimmen ist.

Das Merkmal der körperlichen Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ soll nach mehrheitlicher Auffassung der Kommission objektiviert werden, weil die Aufklärung der subjektiven Motivation schwierig sei und es Handlungen gebe, die zwar sexuell motiviert seien, aber die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers nicht verletzten, z.B. wenn jemand eine Hand auf das Knie lege (S. 83 f., 309 f.).[25] Die Diskussion erinnert ein wenig an den Streit bei § 184h StGB, ob objektiv neutrale Handlungen allein durch die Motivation des Handelnden zu einer sexuellen Handlung werden können.[26] Für eine subjektivierte Auslegung besteht auch bei § 184i StGB kein Anlass. Vielmehr ist die sexuelle Konnotation der Körperberührung aufgrund einer Würdigung der Beziehung zwischen den Beteiligten zu ermitteln.[27] Die weitere einstimmige Empfehlung der Kommission, die Subsidiaritätsklausel des § 184i Abs. 1 StGB auf Delikte des 13. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB zu beschränken (S. 310 f.), ist berechtigt, denn ein Taschendiebstahl ist kein vergleichbares Delikt wie die Missachtung der sexuellen Selbstbestimmung.[28]

Zehn Mitglieder der Kommission stimmten dafür, den ebenfalls neu eingeführten Straftatbestand der Straftaten aus Gruppen (§ 184j StGB) aufgrund handwerklicher Mängel und wegen Bedenken im Hinblick auf das Schuldprinzip zu streichen (S. 312 f.). Dem ist zuzustimmen. Zwar rückt die Norm Fälle in den Fokus, die ähnlich wie die sexuelle Belästigung, bisher nicht als Unrecht wahrgenommen wurden. Zu denken ist auch hier an den Zug voller Fußballfans, die aus der Gruppe heraus gegenüber Mitreisenden übergriffig werden. Allerdings bleibt der Verstoß gegen das Schuldprinzip, denn nach § 184j StGB kann auch bestraft werden, wer nichts davon wusste oder nicht damit rechnete, dass aus dieser Gruppe heraus eine Sexualstraftat begangen wird.[29]

IV. Reformbedarf bei den Kinder- und Jugendschutztatbeständen

1. Sexueller Missbrauch an Kindern

In wenigen Punkten war sich die Reformkommission so einig wie im Festhalten an der absoluten Schutzaltersgrenze von 14 Jahren, bis zu der jedweder Sexualkontakt bei Strafe verboten ist (S. 107 ff., 313 f.). Nun sind absolute Schutzaltersgrenzen grundsätzlich problematisch, weil sie die unterschiedliche Entwicklung der Sexualität – sowohl bei Jungen und Mädchen als auch individuell – nicht berücksichtigen.[30] Eine praktikable Alternative ist jedoch nicht ersichtlich. Kinder und Jugendliche müssten in jedem Einzelfall umfassend begutachtet werden; die Feststellung des Vorsatzes würde unlösbar. Um eine normative Festsetzung bestimmter Altersgrenzen kommt man also nicht herum.[31] Jedoch geht es viel zu weit, wenn altersgemäße „Knutschereien“ zwischen nahezu Gleichaltrigen vom geltenden Recht kriminalisiert werden. So verurteilte beispielsweise im Jahr 2011 das AG Arnstadt einen zum Tatzeitpunkt 14jährigen Schüler, der seine noch 13jährige Klassenkameradin mit ihrem Einverständnis am Halsgeküsst hatte, so dass ein „Knutschfleck“ sichtbar war. Außerdem hatte er mehrfach ihr bedecktes Geschlechtsteil berührt. Aufgrund der Verurteilung wegen sexuellen Kindesmissbrauchs ordnete das AG Erfurt gemäß § 81g StPO eine DNA-Analyse an, was erst vom BVerfG gestoppt wurde.[32] Und das soll laut Auskunft von verschiedenen Staatsanwälten kein Einzelfall sein! Die Konsequenz einer zwanzigjährigen Eintragung (§ 46 Abs. 1 Nr. 3 BZRG) ins erweiterte Führungszeugnis schließt solche Jugendliche von vielen Berufsmöglichkeiten von vornherein aus. Das ist absurd, da es sich in der Regel um altersgemäße Sexualität handelt. Diese Problematik wurde in der Kommission diskutiert (vgl. S. 109 f.), ohne dass man sich jedoch zu einem konkreten Vorschlag durchringen konnte. Immerhin wird mit knapper Mehrheit empfohlen, durch eine Regelung im StGB sicherzustellen, dass Sexualkontakte bei einem geringen Altersunterschied straflos bleiben sollen (S. 314 ff.). Ein Vorbild wären gleitende Schutzaltersgrenzen wie in Österreich oder der Schweiz.[33] Die Rückkehr zum minder schweren Fall bei § 176 StGB (S. 316)[34] ist dafür jedenfalls keine Lösung.

Wenn die Kommission gleichwohl mit deutlicher Mehrheit die Wiedereinführung eines minder schweren Falls bei § 176 Abs. 1 und 2 StGB vorschlägt, dann entspricht dies dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und trägt der großen Bandbreite möglicher sexueller Handlungen Rechnung. Taten, die die Erheblichkeitsschwelle des §  84h Nr. 1 StGB nur knapp überschreiten, müssen nicht mit mindestens sechs Monaten bestraft werden. Zu Recht weist die Kommission auf den Widerspruch hin, dass ein minder schwerer Fall des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176a Abs. 1 StGB gemäß Abs. 4 nur mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten bedroht ist (S. 112 f., 316 f.). Angesichts der ungebrochenen Beliebtheit der Verbrechenslösung im politischen Raum dürfte dieser Vorschlag es am schwierigsten haben.

Weitere Empfehlungen betreffen Einzelheiten der Ausgestaltung von § 176 StGB. So soll § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB künftig auf sexuelle Handlungen ausgedehnt werden, die der Täter von einem Dritten an sich selbst vornehmen lässt, denn hierbei handelt es sich nicht (immer) um eine sexuelle Handlung des Täters selbst (S. 113 f., 317 f.). Das Anbieten eines Kindes oder die Verabredung zum sexuellen Missbrauch nach § 176 Abs. 5 StGB soll sich künftig nicht mehr auf die Tatbestandsvarianten des Abs. 4 Nr. 3 („Grooming“) und 4 (Einwirken durch Pornographie) beziehen (S. 123 f., 318 ff.). Beiden Empfehlungen ist zuzustimmen, aber die Reformvorschläge greifen insgesamt zu kurz. Bei § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB hat die Kommission es verpasst, die von der Praxis geforderte Strafbarkeit des untauglichen Versuchs[35] einzuführen (vgl. S. 114 ff.), was allerdings eine Restriktion dieser zu weit gefassten Alternative auf die Vorgaben von Art. 23 der Lanzarote-Konvention und Art. 6 RL 2011/93/EU[36] erfordert hätte (die Kommissionsmehrheit hat dies abgelehnt, vgl. S. 130). Ein Vorbild für eine derartige Regelung wäre § 208a StGB-Österreich.[37] Irritierend ist auch die mehrheitliche Ansicht der Kommission, bei dem Vorbereitungstatbestand des § 176 Abs. 5 StGB solle es abweichend von § 30 StGB weiterhin nicht auf die Ernstlichkeit der Erklärung ankommen (vgl. S. 122 f., 129).[38] Diese Strafbarkeit von „Scheinerklärungen“ ist im deutschen Strafrecht einmalig und hat mit dem Rechtsgüterschutz nichts mehr zu tun.[39]

Auch § 176a StGB wird in mehrfacher Hinsicht als reformbedürftig angesehen. Bemerkenswert ist der mit deutlicher Mehrheit angenommene Vorschlag, die Qualifizierung von Wiederholungstaten als Verbrechen gem. § 176a Abs. 1 StGB zu streichen (S. 174, 322 f.). Diese bereichsspezifische Rückfallklausel ist ein Fremdkörper im StGB[40] und war ein Zugeständnis an die Anhänger einer Verbrechenslösung bei § 176 StGB.[41] Auf diesem kriminalpolitisch verseuchten Minenfeld müssen die Erfolgsaussichten dieser zu begrüßenden Empfehlung skeptisch beurteilt werden. Ansonsten geht es um Detailfragen. So soll 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB künftig auch Personen über 18 Jahre erfassen, die ein Kind zum Beischlaf mit einer Person unter 18 Jahren bestimmen (S. 124 ff., 320 f.). Weiterhin soll Abs. 3 (Kindesmissbrauch zu pornographischen Zwecken) einen minder schweren Fall erhalten (S. 127, 321 f.).

2. Sexueller Missbrauch an Schutzbefohlenen

Die Strafvorschriften gegen den sexuellen Missbrauch an Schutzbefohlenen sind bislang auf § 174 StGB und § 180 Abs. 3 StGB (als Überbleibsel der alten Vorschrift gegen Kuppelei) verteilt. Es wäre deshalb sinnvoll, sie in einer Vorschrift zusammenzuführen, wie die Kommission vorschlägt, wobei für sexuelle Handlungen ohne Körperkontakt einheitlich ein geringerer Strafrahmen (Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe) angeregt wird (S. 134 ff., 323 f.). Zugleich wird einstimmig empfohlen, § 174 StGB auf sexuelle Handlungen mit oder vor Dritten zu erweitern (S. 324 f.). Kontrovers wurde das Merkmal der Erregungsabsicht in Abs. 3 diskutiert, welches sich seit der Änderung von § 176 StGB durch das 6. StrRG in keinem anderen Sexualdelikt mehr findet. Um bei § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB sozialadäquate Handlungen der Eltern auszunehmen, verlangt die Rspr. bei sexuellen Handlungen voreinem Kind einschränkend die Absicht, es derart in die sexuelle Handlung einzubeziehen, dass es den Vorgang mitbekommt.[42] Aus diesem Grund empfiehlt die Kommission mehrheitlich, die Erregungsabsicht nur im Hinblick auf die Nr. 2 zu streichen, denn sie spielt keine Rolle für die Bestimmung des Schutzbefohlenen, sexuelle Handlungen vor dem Täter vorzunehmen (S. 326). Andererseits sind Umstände kaum vorstellbar, in denen Sexualkontakte zwischen Ausbildern oder Betreuern vordem Schutzbefohlenen sozialadäquat sind.

Die Empfehlungen Nr. 24 und 25 beziehen sich auf die Systematik des § 174 Abs. 1 und 2 StGB, die grundlegend umgestaltet werden soll. Bislang differenziert § 174 StGB folgendermaßen: Für Personen zu 16 Jahren, die dem Täter zur Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung anvertraut sind oder die einer entsprechenden Institution angehören, ergibt sich aus Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ein absolutes Abstinenzgebot. In Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 wird der Schutz bei Jugendlichen bis zu 18 Jahren insofern erweitert, als nunmehr auch Dienst- und Arbeitsverhältnisse erfasst sind, und zugleich auf den Missbrauch der Abhängigkeit beschränkt. Auf den „kleinen Inzest“ nach Abs. 1 Nr. 3 StGB soll hier nicht eingegangen werden.[43] Die Kommission sprach sich einstimmig dafür aus, die Abstufung nach zwei Schutzaltersgrenzen aufzugeben und die Norm einheitlich für alle Minderjährigen neu zu fassen und bei der Abhängigkeit durch ein Erziehungs- oder Betreuungsverhältnis jegliche Sexualkontakte zu verbieten, während bei es (für alle Jugendlichen einheitlich) bei Dienst-, Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse auf den Missbrauch der damit verbundenen Abhängigkeit ankommen soll (S. 132 f., 326 ff.). Umstritten war dagegen die Empfehlung Nr. 25 zu § 174 Abs. 2 StGB, die nur mit knapper Mehrheit beschlossen wurde: Die Alternative nach Nr. 1 StGB soll gestrichen werden und aus der verbleibenden Alternative nach Nr. 2 soll das Ausbildungsverhältnisse herausgenommen werden (S. 328 ff.). Damit werden Personen in Erziehungs- oder Betreuungsinstitutionen unabhängig von ihrem Alter einheitlich davor geschützt, dass pädagogisches Personal ihre Abhängigkeit zu Sexualkontakten missbräuchlich ausnutzt.[44]

3. Sexueller Missbrauch an Jugendlichen

Wenige Streichungsempfehlungen waren so eindeutig wie diese: Einstimmig empfiehlt die Kommission die Streichung von § 180 Abs. 1 StGB. Die Förderung an sich erlaubter Sexualkontakte sei nicht strafwürdig. Das Kuppeleiverbot sei ein Relikt aus früherer Zeit mit dem Anliegen, jungen Menschen keine Gelegenheit zu außerehelichen sexuellen Handlungen zu geben (S. 144 f., 330 f.). Tatsächlich geht es um den Schutz einer bestimmten Sexualmoral,[45] wie auch das problematische Erzieherprivileg nach S. 2[46] beweist. Dieser Empfehlung kann man nur zustimmen.[47]

Bei § 182 Abs. 3 StGB sprach sich die Kommission mehrheitlich für die Beibehaltung der Altersgrenzen auf Opfer- und Täterseite aus (S. 145 f., 331 f.). Dass die Altersvorgaben „in der Bevölkerung verinnerlicht“ seien (S. 332), ist angesichts der sehr geringen praktischen Bedeutung dieser Tatbestandsalternative nicht viel mehr als eine Floskel. Die Probleme liegen anderswo: Entweder jemand ist – aus welchen Gründen auch immer – (noch) nicht in der Lage, über seine Sexualität zu disponieren, dann leuchtet die Altersgrenze für den Täter nicht ein. Oder das Gesetz betrachtet das Altersgefälle von mindestens fünf Jahren als ein widerlegliches Indiz für die strafwürdige Ausnutzung eines Machtgefälles.[48] Diese Vorstellung lässt sich aber nicht mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang bringen.[49] Die Überlegung, § 182 Abs. 3 StGB verlange vom Rechtsanwender eine „kontextsensible Analyse der sozialen Interaktion“ in jedem Einzelfall[50] ist mit dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) nicht vereinbar: Jedes Sexualdelikt beruht darauf, dass das Opfer seine sexuelle Selbstbestimmung gegenüber dem Täter nicht durchsetzen konnte, was immer vom Kontext abhängt. Das Gesetz muss aber angeben, welcher Kontext für die Strafbarkeit relevant ist.[51]

Die Empfehlungen Nr. 28 und 29 beziehen sich auf entgeltliche Sexualkontakte mit Jugendlichen. Die Kommission schlägt einstimmig vor, § 180 Abs. 2 StGB (Vermittlung) und § 182 Abs. 2 StGB (eigene entgeltliche Sexualkontakte) in einer Vorschrift zusammenzufassen. Bei dieser Gelegenheit sollen verschiedene Wertungswidersprüche behoben werden, indem die Altersgrenze von über 18 Jahren für Täter in § 182 Abs. 2 StGB gestrichen und einheitlich auch entgeltliche sexuelle Handlungen ohne Körperkontakt (wie jetzt schon in § 180 Abs. 2 StGB) erfasst werden sollen (S. 146 ff., 332 ff.). Die unterschiedliche Schutzaltersgrenze von 21 Jahren bei § 232a Abs. 1 StGB ist nach Ansicht der Reformkommission kein Widerspruch (vgl. S. 334).[52]

V. Der Missbrauch institutioneller Abhängigkeit

Der Missbrauch institutioneller Abhängigkeit wird auf verschiedene Weise von den §§ 174a, 174b, 174c StGB erfasst. Kennzeichnend für diese Delikte ist eine asymmetrische Beziehung zwischen Täter und Opfer, in der Macht und Abhängigkeit ungleich verteilt sind. Da eine Partnerschaft zwischen Gleichberechtigten nicht möglich ist, bewertet das Gesetz die Entscheidung des unterlegenen Opfers nicht als frei.[53] Die Kommission sieht auch hier Änderungsbedarf (Empfehlungen Nr. 30–37):

So sollen die §§ 174a ff. StGB durchgehend um sexuelle Handlungen mit Dritten erweitert werden, um einen Gleichklang zu § 180 Abs. 3 StGB herzustellen, bei dem es auch um die Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses geht (S. 158, 335). Ferner soll § 174a Abs. 1 StGB auf Personen ausgedehnt werden, die stationär in einer Einrichtung der Jugendhilfe untergebracht sind (S. 162 f., 335 f.). Damit reagiert die Kommission auf die neuere Rspr. des BGH, wonach der Gesetzeswortlaut eine behördliche Unterbringungsanordnung voraussetzt.[54] Die von der Kommission angenommenen Schutzlücken[55] bestehen in diesem Fall jedoch nicht, weil die sexuelle Selbstbestimmung der Jugendlichen in diesen Einrichtungen nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 StGB umfassend geschützt wird.[56] § 174a Abs. 1 StGB soll weiterhin auf Anstaltspersonal erweitert werden, dem das Opfer nicht persönlich anvertraut ist (S. 164 f., 337). Eine entsprechende Schutzlücke wird schon länger beklagt.[57] Bedenken gegen eine Erweiterung[58] lassen sich dadurch entkräften, dass die Missbrauchsklausel die Strafbarkeit ausschließt, wenn für den Sexualkontakt jeder Einfluss des Abhängigkeitsverhältnisses ausgeschlossen werden kann.[59] Schließlich sollen die §§ 174a Abs. 1 und 174b Abs. 1 StGB auf Fälle erweitert werden, in denen es um die Unterbringung mit gerichtlicher Genehmigung geht (S. 163 ff., 337 f.). Hierbei handelt es sich vor allem um Personen, die von einem Betreuer untergebracht werden (vgl. §§ 1906 Abs. 2 BGB, 70 ff. FGG), denn die Entscheidung des Betreuungsgerichts gilt nicht als „behördliche Anordnung“.[60]

Auch bei § 174c StGB sieht die Kommission punktuellen Änderungsbedarf. So soll Abs. 1 tatbestandlich eingeschränkt werden, sofern es um Personen mit körperlicher Krankheit oder Behinderung geht (S. 169 ff., 339). Richtig ist, dass die Behandlung von körperlichen Leiden nicht von vornherein mit einverständlichen Sexualkontakten unvereinbar ist.[61] Eine geeignete Formulierung anstelle der jetzigen Missbrauchsklausel ist allerdings kaum zu sehen und auch die Kommission bietet keine entsprechende Formulierungshilfe an.[62] Daneben sollen in das tatbestandsmäßige Betreuungsverhältnis auch Vorsorge- und Nachsorgeuntersuchungen einbezogen werden (S. 340). Schließlich soll klargestellt werden, dass eine psychotherapeutische Behandlung i.S.v. § 174c Abs. 2 StGB weder voraussetzt, dass der Täter zugelassener Psychotherapeut nach dem PsychThG ist, noch dass er sich einer ärztlich anerkannten Methode bedient (S. 171 ff., 340 ff.). Der Widerspruch zur Rspr. des BGH ist nur zu berechtigt. Der 1. Senat hat den Täterkreis nach Abs. 2 auf Personen begrenzt, die die Qualifikation nach §§ 5, 6 PsychThG besitzen und darüber hinaus nach der Psychotherapie-Richtlinie anerkanntes Verfahren anwenden,[63] obwohl der Gesetzgeber mit dieser Alternative Außenseitermethoden bis hin zu reiner Scharlatanerie erfassen wollte, um gerade diejenigen strafrechtlich verfolgen zu können, die sexuelle Handlungen unter dem Deckmantel einer psychotherapeutischen Behandlung vornehmen.[64] Diese Rechtsprechung ist auf einhellige Kritik gestoßen und es ist zu hoffen, dass sie sich auch ohne gesetzliche Klarstellung nicht durchsetzen wird. Ein Aspekt wurde in der Kommission leider nicht diskutiert: Der Anwendungsbereich von § 174a Abs. 2 und § 174c StGB ist nahezu deckungsgleich.[65] Hier wäre eine bessere Abstimmung wünschenswert.

VI. Reformbedarf bei den Prostitutionsdelikten

Die Empfehlungen Nr. 42–48 haben Delikte, die die Prostitution betreffen, zum Gegenstand. Die Kommission empfiehlt mit großer Zustimmung, die Delikte zur Prostitution im 13. Abschnitt des Besonderen Teils des StGB und zum Menschenhandel im 18. Abschnitt des Besonderen Teils des StGB, soweit diese die Prostitution betreffen, im 13. Abschnitt zusammenzuführen. Letztere beträfen vorrangig die sexuelle Selbstbestimmung und nicht die persönliche Freiheit (S. 346 f.).[66] Zwar beeinträchtigt der Menschenhandel gem. § 232 StGB die Selbstbestimmung und körperliche Integrität, wenn auch in unterschiedlicher Hinsicht, so dass eine einheitliche Regelung insofern sinnvoll ist.[67] Allerdings reguliert § 232a StGB spezifisch die Zwangsprostitution und damit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung, so dass hier ein Zusammenführen mit den anderen Prostitutionsdelikten nahe liegt, zumal Widersprüche zu den Regelungen des Sexualstrafrechts bestehen. Beispielsweise enthalten auch §§ 180 Abs. 2, 182 StGB Straftatbestände zum Schutz von Minderjährigen vor der Prostitution mit zum Teil gleichen Tathandlungen, aber unterschiedlichen Schutzaltersgrenzen (hier 18 Jahre, bei §§ 232 ff. StGB 21 Jahre) und unterschiedlichen Strafrahmen. Die Strafuntergrenze für Freier von Zwangsprostituierten liegt mit drei Monaten unter der Mindestfreiheitsstrafe für sexuelle Übergriffe von 6 Monaten nach § 177 Abs. 1 StGB, was den Eindruck erweckt, dass Zwangsprostituierte weniger schützenswert seien.[68] In den Empfehlungen spiegeln sich derartige Bedenken nicht wider.

Die Straftatbestände der Ausbeutung (§ 180a StGB) und der Zuhälterei (§ 181a StGB) sollen nach einhelliger Auffassung der Kommission zusammengeführt werden, weil sie sich inhaltlich weitreichend überschneiden (S. 203 ff., 347 f.).[69] Dabei soll die dirigistische Zuhälterei gem. § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB auf Weisungen beschränkt werden, die nach dem ProstG und ProstSchG unzulässig sind (S. 348 f.). Dies entspricht schon jetzt der Praxis der Gerichte[70] und ist auch durch den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung geboten. Unter dieser Voraussetzung kann auf die schwer verständliche „Beziehungsklausel“ in § 181a StGB, wonach eine Strafbarkeit für die ausbeuterische, dirigistische und fördernde Zuhälterei davon abhängt, dass zum Tatopfer Beziehungen unterhalten werden, die über den Einzelfall hinausgehen, in der Tat verzichtet werden. zu streichen (S. 214, 349). Damit könnte außerdem das sog. „Vermieterprivileg“ nach § 180a Abs. 2 Nr. 2 StGB[71] abgeschafft werden, wonach ein Vermieter, der Prostituierte ausbeutet, derzeit milder bestraft als der „gewöhnliche“ Ausbeuter nach § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Mit zehn zu zwei Stimmen sprach sich die Kommission für die Freierstrafbarkeit bei Zwangsprostitution (vgl. § 232a Abs. 6 StGB),[72] aber gegen eine allgemeine Freierstrafbarkeit nach dem schwedischen Modell aus (S. 349 f.). Damit wird die durch das ProstG von 2001 getroffene Unterscheidung zwischen freiwilliger und daher erlaubter Prostitution einerseits und unfreiwilliger und daher rechtlich missbilligter Prostitution andererseits beibehalten.

Schließlich empfiehlt die Kommission, die Straftatbestände der Ausübung der verbotenen Prostitution (§ 184f StGB) und der jugendgefährdenden Prostitution (§ 184g StGB) aufgrund des Ultima-Ratio-Prinzips zu streichen (S. 217 ff., 351 f.). Der beharrliche Verstoß gegen das Verbot, Prostitution nicht an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten auszuüben, verletzt, wie auch die Kommission feststellt, nicht das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Für den Schutz der Allgemeinheit vor Belästigungen genügt die Einordnung als Ordnungswidrigkeit zumal das unerlaubte Betreiben eines Prostitutionsgewerbes gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 1 ProstSchG auch als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Auch um Minderjährige vor aufdringlicher kommerzialisierter Sexualität zu schützen, reicht eine Ordnungswidrigkeit aus.[73]

VII. Reformbedarf bei §§ 183, 183a StGB

Der Reformbedarf bei § 183 StGB (Exhibitionismus) wurde in der Kommission kontrovers diskutiert. Einerseits wurde geltend gemacht, dass es sich beim Exhibitionismus lediglich um eine soziale Lästigkeit handelt, andererseits wurde von einer Vorstufe zu einer weiteren Sexualstraftat gesprochen. Zudem war umstritten, ob auch Frauen als mögliche Täterinnen erfasst werden müssten (vgl. S. 236–239).[74] Letztendlich empfahl die Kommission mit acht zu vier Stimmen, § 183 StGB zu streichen oder, mit neun zu drei Stimmen, den Tatbestand zumindest auf Täterseite geschlechtsneutral zu fassen (vgl. S. 354 f.).[75] Bei § 183a StGB (Erregung öffentlichen Ärgernisses) sprachen sich hingegen fast alle Kommissionsmitglieder dafür aus, die Norm zu streichen, weil es sich lediglich um eine bloße Konfrontation mit sexuellen Handlungen handele, so dass eine Bestrafung aufgrund des Ultima-Ratio-Prinzips nicht gerechtfertigt sei (S. 239, 355 f.). Beide Empfehlungen sind insofern nachvollziehbar, als das Sexualstrafrecht nur Handlungen erfassen sollte, die die sexuelle Selbstbestimmung verletzen. Zudem dürften beide Normen noch im Kontext eines moralisierenden Sexualstrafrechts stehen, wie der Begriff „öffentliches Ärgernis“ zeigt.[76] Kinder sind vor den Täterinnen und Tätern eines Exhibitionismus und der Erregung eines öffentlichen Ärgernisses ohnehin durch 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB ausreichend geschützt. Man könnte allenfalls darüber diskutieren, ob das Zeigen von Geschlechtsorganen und öffentliche sexuelle Handlungen in ihrer Intensität und Aufdringlichkeit den Grad einer sexuellen Belästigung erreichen können, so dass von einer Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung gesprochen werden kann.[77]

VIII. Reformbedarf bei den Pornographiedelikten

Die Empfehlungen Nr. 55 bis 61 zum Pornographiestrafrecht in den §§ 184–184e StGB wurden entweder einstimmig oder mit nur ein bis zwei Gegenstimmen angenommen. Empfohlen wird, die Straftatbestände in Bezug auf einfache Pornographie zu modernisieren, weil die Verbreitung von Pornographie inzwischen weitgehend über das Internet erfolgt (Nr. 60, S. 356 f.). Dementsprechend sollen die Verbote des § 184d StGB, Pornographie über den Rundfunk oder Telemedien zu verbreiten, in die Regelungsgehalte der §§ 184–184c StGB integriert werden (S. 352 f.). Diesem redaktionellen Vorschlag ist zuzustimmen, insbesondere der unübersichtlich gefasste § 184 Abs. 1 StGB ist hinsichtlich der dort in den Blick genommen Verbreitungswege veraltet.

Die Kommission empfiehlt, Verbote in Bezug auf einfache Pornographie auf den Jugendschutz zu reduzieren (Nr. 55, S. 240 ff., 356 f.). Damit würde insbesondere das Verbot ungewollter Konfrontation gegenüber Erwachsenen (§ 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB) entfallen, weil sich Erwachsene ungewollten Inhalten leicht selbst entziehen können. Letzterem ist zuzustimmen[78] Auch § 184 Abs. 1 Nr. 9 StGB sollte gestrichen werden, allein schon weil die Auslandsbeziehungen der Bundesrepublik Deutschland kein Aspekt sexueller Selbstbestimmung sind. Zweifelhaft – und offenbar innerhalb der Kommission höchst umstritten (vgl. S. 246 f.) – ist allerdings, ob es des Schutzes Jugendlicher vor einfacher Pornographie bedarf. Denn mit den Ergebnissen der neuere Wirkungs- und Nutzungsforschung Pornographie lässt sich eine schädliche Wirkung des Konsums einfacher Pornographie nicht hinreichend belegen, wie auch der von der Kommission angehörte Sachverständige darlegte (vgl. S. 242–245). Hinzu kommt, dass der von § 184 Abs. 1 StGB normierte reine „Bewahrschutz“ weder faktisch funktioniert noch Jugendliche darin unterstützt, sich in der Auseinandersetzung mit Pornographie zu eigen- und sozialverantwortlichen Personen in Bezug auf die Pornographienutzung zu entwickeln.[79] Angezeigt ist vielmehr die Förderung von Kompetenzen im Umgang mit Pornographie.[80]

Einer kritischen Bewertung hätte auch der Begriff der Pornographie selbst unterzogen werden können. Es bestehen immerhin erhebliche Bedenken hinsichtlich dessen Bestimmtheit und dessen unzureichender Fokussierung auf eine Verletzung oder Gefährdung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung.[81]

Mit großer Mehrheit empfiehlt die Kommission, den Tatbestand der Verbreitung von Tierpornographie in § 184a StGB zu streichen, weil er keine Verhaltensweisen erfasst, die die sexuelle Selbstbestimmung gefährden (Nr. 56,       S. 248 ff., 357 f.). Diese Norm lässt sich nicht auf das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung zurückführen und ist ein Überbleibsel moralisierenden Strafrechts.[82]

Die Tatbestände der Kinder- und Jugendpornographie wurden in der Kommission in vielerlei Hinsicht diskutiert (vgl. S. 247–272). Letztendlich empfiehlt die Kommission, in den Begriff der Kinderpornographie in § 184b Abs. 1 Nr. 1 b StGB statt Darstellungen einer „unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung“ „aufreizende geschlechtsbetonte“ Haltungen einzubeziehen, weil Kinder derartige Haltungen auch unwillkürlich im Schlaf, also auf natürliche Weise einnehmen (S. 254 f., 358).[83] Das Strafmaß von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe für den Besitz von Kinderpornographie in § 184b Abs. 3 StGB wird als ausreichend erachtet, der Strafrahmen dürfe nicht zu Ermittlungszwecken angehoben werden (S. 256 ff., 358 f.). Die Definition der jugendpornographischen Schrift in § 184c Abs. 1 Nr. 1 StGB soll der der kinderpornographischen Schrift in § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB angepasst werden, da § 184c StGB anders seine Auffangfunktion nicht erfüllen könne (S. 359 f.).

Schließlich wird empfohlen, die Strafbarkeit für klar als solche erkennbare fiktive Kinder- und Jugendpornographie entfallen zu lassen, da eindeutig künstliche Darstellungen zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung nicht verboten werden müssen. Denn durch derartige Darstellungen würden weder Kinder noch Jugendliche in ihrer sexuellen Selbstbestimmung  verletzt  und  eine Nachahmung stehe nicht zu befürchten (Nr. 61, S. 260 ff., 361 f.).

Diese Empfehlung folgt dem Ansatz, die Pornographiedelikte auf den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zu fokussieren.[84] Dies entspricht auch den europarechtlichen Vorgaben. Art. 20 Abs. 3 der Lanzarote-Konvention lässt Ausnahmen von der Strafbarkeit nicht nur bei ausschließlich simulierten, sondern auch wirklichkeitsnahen kinderpornographischen Darstellungen zu. Die RL 2011/93/EU erfasst gem. Art. 2 lit. c) nur reale oder simulierte Darstellungen als Kinderpornographie.

IX. Fazit

Die von der Kommission einstimmig empfohlene grundlegende Neuordnung und Neusystematisierung der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (S. 180 ff., 343) ist eine hohe Herausforderung an den Gesetzgeber.[85] Die Reformkommission hat dazu in zweieinhalbjährigen Diskussionen wesentliche Vorarbeiten geleistet, die im vorliegenden Buch in kompakter Form dokumentiert sind. Der Bericht dokumentiert den Stand des Sexualstrafrechts auf einem sehr hohen Niveau. Es ist zu hoffen, dass er nicht in irgendwelchen Schubladen verschwindet, auch und gerade weil die Entrümpelung des Strafrechts und die Streichung von Straftatbeständen unpopulär sind und die Gerichte unter den ständigen Reformen des Sexualstrafrechts ohnehin zu leiden haben.

Wenn man unabhängig von den Einzelheiten, über die man immer streiten kann, etwas kritisieren möchte, dann dies: Es ist schade, dass man bei Handlungsempfehlungen an den Gesetzgeber so wenig rechtsvergleichend über den Tellerrand des deutschen Rechts blickt. Wie sich gezeigt hat, enthalten die Strafgesetzbücher Österreichs und der Schweiz eine Fülle von Anregungen, wie man es besser – oder vielleicht auch besser nicht so – machen könnte. Ungeachtet dessen lohnt sich die genaue Lektüre, denn der Bericht enthält eine umfassende Kritik des Sexualstrafrechts (und eben auch eine der ersten umfassenden kritischen Betrachtungen des 50. StÄG), die sich konsequent am strafrechtlich notwendigen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung orientiert. Zudem bleibt es bei gesetzgeberischem Handlungsbedarf. Dieser besteht insbesondere im Hinblick auf eine klare und systematische Fassung der Straftatbestände des sexuellen Übergriffs und der sexuellen Nötigung, eine Abschaffung des § 184j StGB, eine Vereinheitlichung der Regelungen zur Prostitution, eine Modernisierung des Pornographiestrafrechts und dessen Fokussierung auf den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung.

[1]     BGBl I 2015, 1255.
[2]      Abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/StudienUntersuchungenFachbuecher/Abschlussbericht_Reformkommission_Sexualstrafrecht.pdf;jsessionid=F4A392FDBD253F562DB336076A67387F.2_cid297?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 24.10.2018). In dem inzwischen erschienenen Band BMJV (Hrsg.), Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht, Baden-Baden, Nomos 2017, 362 S., sind die Sitzungsprotokolle und, bedauerlicherweise, die Impulsreferate der Kommissionsmitglieder und externer Sachverständiger nicht abgedruckt. Leider wird das Datum der Übergabe des Berichts im Vorwort nicht erwähnt. Die im Text angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf das Buch. Zum Abschlussbericht s. auch Bezjak, Reformüberlegungen für ein neues Sexualstrafrecht, ZStW 130 (2018), 303 ff. mit einem eigenen ausgearbeiteten Gesetzesvorschlag.
[3]                BGBl I 2017, 2460.
[4]      Vgl. Explanatory Report, abrufbar unter: https://rm.coe.int/16800d383a (zuletzt abgerufen am 24.7.2018), § 190: „all acts of a sexual nature whithout the freely given consent of one of the parties involved“, ebenso § 194. In der Diskussion war die Reformbedürftigkeit des § 177 StGB a.F. nicht unbestritten, s. dazu statt vieler die Kontroverse zwischen Hörnle, Warum § 177 Abs. 1 StGB durch einen neuen Tatbestand ergänzt werden sollte, ZIS 2015, 206 ff. und Fischer, Noch einmal – § 177 StGB und die Istanbul-Konvention, ZIS 2015, 312 ff.
[5]     So auch u.a. djb, Stellungnahmen 14-07 vom 9.5.2014, S. 3 f. und 14-14 vom 25.7.2014, S. 15 f.; Rabe/Normann, Schutzlücken bei der Strafverfolgung von Vergewaltigungen, Policy Paper des DIMR, 2014, S. 22; Hörnle, ZIS 2015, 206 (208 ff.).
[6]      Einschränkend schlägt allerdings Bezjak, ZStW 130 (2018), 313 f., 328, die Strafbarkeit nach § 177 Abs. 1 StGB nicht an den „erkennbaren“ Widerwillen, sondern an eine tatsächliche – auch konkludent mögliche – Erklärung anzuknüpfen.
[7]      Vgl. Hörnle, NStZ 2017, 13 (15); krit. etwa Fischer, StGB, 65. Aufl. (2018), § 177 Rn. 12 und 26.
[8]      S. dazu den Regelungsvorschlag von Bezjak, ZStW 130 (2018), 314 f., 328 f., die begrüßenswert klarstellt, dass auch eine (nur) subjektive empfundene Bedrohung die sexuelle Selbstbestimmung einschränken kann. Für § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. hat die h.L. eine subjektivierende Deutung der schutzlosen Lage abgelehnt, vgl. BGHSt 50, 359 (362); BGH, NStZ 2013, 466 mit abl. Anm. Renzikowski/Sick; Fischer(Fn. 7), § 177 Rn. 89 und 104. Auch die Gesetzesänderung hat diese Frage nicht abschließend geklärt; s. etwa BT-Drs. 18/9097, S. 26; a.A. Renzikowski, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. (2017), § 177 n.F. Rn. 89.
[9]      BT-Drs. 18/9097, S. 28 f.
[10]    Berechtigte Kritik bei Bezjak, KJ 2016, 557 (567) und Hoven/Weigend, JZ 2017, 182 (188); zu weiteren Wertungswidersprüchen s. Renzikowski (Fn. 8), § 177 n.F. Rn. 10 ff.
[11]    S. Hörnle, NStZ 2017, 17; krit. Fischer (Fn. 7), § 177 Rn. 29 f., 32 f.
[12]    S. etwa Walter, in: ders. (Hrsg.), Sexualität und geistige Behinderung, 6. Aufl. (2005), S. 29 (35); Trost, in: Clauß/Karle/Günther/Barth (Hrsg.), Sexuelle Entwicklung – sexuelle Gewalt, 2. Aufl. (2010), S. 22 ff.
[13]    Krit. Renzikowski (Fn. 8), § 177 n.F. Rn. 75. Damit soll nicht für eine Rückkehr zur ihrerseits problematischen Vorschrift des § 179 StGB plädiert werden.
[14]     So Bezjak, ZStW 130 (2018), 314, 329.
[15]    Vgl. BGHSt 50, 359 (366); 51, 280 (284).
[16]    Vgl. Renzikowski (Fn. 8), § 177 n.F. Rn. 133.
[17]    So BT-Drs. 18/9097, S. 26; Hörnle, NStZ 2017, 19; a.A. Renzikowski (Fn. 8), § 177 n.F. Rn. 101.
[18]    Vgl. BGH, NStZ 2017, 580 f.; s. auch BT-Drs. 18/9097, S. 28; Fischer (Fn. 7),§ 177 Rn. 157, wobei nach BGH, NJW 1999, 2910 auch sukzessive Mittäterschaft ausreichen soll.
[19]    Eingehend Küper, GA 1997, 301 ff.; ders., GA 2003, 363 ff.
[20]    Eine entsprechend zwischen sexuellem Übergriff und sexueller Nötigung differenzierende Regelung schlägt Bezjak, ZStW 130 (2018), 328 ff. vor.
[21]    Skeptisch Fischer (Rn. 7), § 184i Rn. 9 ff.; es herrscht jedoch eine überraschend hohe Übereinstimmung darüber, an welchen Körperzonen sich Personen von anderen gern berühren lassen und wo nicht, vgl. Suvilehto/Glerean/Dunbar/Hari/Nummenmaa, Topography of social touching depends on emotional bonds between humans, Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 112 (2015), 13811 ff., abrufbar unter: http://www.pnas.org/content/112/45/13811 (zuletzt abgerufen am 29.7.2018).
[22]    Vgl. Hörnle, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 3. Aufl. (2017), § 184h Rn. 20.
[23]    § 218 Abs. 1 StGB-Österreich sieht eine höchstens sechsmonatige Freiheitsstrafe vor; Art. 198 Abs. 2 StGB-Schweiz sogar nur eine Geldstrafe. Krit. auch Fischer (Fn. 7), § 184i Rn. 14.
[24]    Ebenso Fischer (Fn. 7), § 184i Rn. 15.
[25]    Zu einem entsprechenden Formulierungsvorschlag s. Bezjak, ZStW 130 (2018), 328, die zudem den Tatbestand als absolutes Antragsdelikt ausgestalten will. Die Reformkommission sah das anders (vgl. S. 88 f.).
[26]    S. dazu – zu Recht verneinend –Hörnle, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. (2017), § 184h Rn. 4 m.w.N.
[27]    Wobei man über die Bewertung des Beispiels durch die Reformkommission streiten kann; vgl. dazu Renzikowski (Fn. 8), § 184i Rn. 8 m.w.N.; auch der BGH, NJW 2018, 2655 (2656 f.) hat entschieden, dass es nicht allein auf die sexuelle Motivation des Täters ankommt, auch eine demütigende Berührung kann die sexuelle Selbstbestimmung missachten.
[28]    Das entspricht auch der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers, vgl. BT-Drs. 18/9097, S. 30, die sich allerdings im Gesetzeswortlaut nicht niedergeschlagen hat, wie es auch derBGH, NJW 2018, 2655 (2657 f.), sieht.
[29]    Zu den Problemen des § 184j StGB s. Fischer, „Straftaten aus Gruppen“ (§ 184j StGB) – Ein Lehrstück zwischen Horden, Dogmatik und deren Simulation, in: FS Neumann, 2017, S. 1089 ff.; dagegen hält Hörnle, BRJ 2017, 57 (61 f.) dieses Haftungsmodell für attraktiv und verallgemeinerbar. Die dahinter stehende Furcht vor Menschenmengen ist nicht neu, vgl. Le Bon, Psychologie der Massen, 1895, kann aber eine Kriminalisierung schwerlich tragen. Man müsste konsequenterweise schon jede Menschenansammlung verbieten.
[30]    Krit. deshalb Baurmann, Sexualität, Gewalt und psychische Folgen, 2. Aufl. (1996), S. 76; Schetsche, MschrKrim 1994, 201 (209).
[31]    Hörnle, in: LK-StGB, 12. Aufl. (2010), Vorb. § 174 Rn. 60 und 70.
[32]    BVerfG, StV 2014, 78 – freilich ohne die strafgerichtliche Verurteilung zu kritisieren.
[33]    S. §§ 206 Abs. 4, 207 Abs. 4 StGB-Österreich; Art. 187 Abs. 2 StGB-Schweiz. Bezjak, ZStW 130 (2018), 319 schlägt für Straflosigkeit vor, dass der Täter nicht mehr als zwei Jahre älter als das Opfer ist.
[34]    Gestrichen durch das SexualdelÄndG v. 27.12.2003 mit der hanebüchenen Begründung, es stelle für die Opfer eine nicht unerhebliche seelische Belastung dar, wenn die gegen ihre Person gerichtete Straftat als minder schwer eingestuft werde und wenn vor Gericht darüber verhandelt werden müsse (BT-Drs. 15/350, S. 17).
[35]    Vgl. BR-Drs. 422/1/14, S. 3.
[36]    Beide knüpfen die Strafbarkeit jeweils an eine konkrete Verabredung und nicht bereits an die erste Kontaktaufnahme wie § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB. Krit. zur weiten Vorverlagerung der Strafbarkeit Fischer (Rn. 7), § 176 Rn. 15.
[37]    Mit einer zudem viel präziseren Beschreibung der Tatmittel anstelle des unpassenden Schriftenbegriffs, vgl. Renzikowski (Fn. 8), § 176 Rn. 44, nämlich Telekommunikation, die Verwendung von Computersystemen sowie die Täuschung über die wahre Absicht. S. auch den Vorschlag von Bezjak, ZStW 130 (2018), 321 (332 f.).
[38]    Ebenso BT-Drs. 15/350, S. 18; BGH, NStZ 2013, 224.
[39]    S. Renzikowski (Fn. 8), § 176 Rn. 61; vgl. auch den Vorschlag von Bezjak, ZStW 130 (2018), 321 (333) – wenn man nicht überhaupt auf diese Vorschrift verzichten will, die sich etwa im Strafrecht unserer Nachbarländer nicht findet.
[40]    Zu den damit verbundenen Problemen s. Renzikowski (Fn. 8), § 176a Rn. 13 ff. m.w.N.
[41]    S. dazu Kreß, NJW 1998, 633 (639).
[42]    Vgl. BGHSt 49, 376 (380 f.); BGH, NStZ 2011, 633; abl. u.a. Bezjak, Grundlagen und Probleme des Straftatbestands des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB, 2015, S. 315 ff.
[43]    Vgl. dazu S. 136 f.; die Kommission lehnte eine Erweiterung auf alle in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen ab.
[44]    Vgl. dazu den Gesetzesvorschlag von Bezjak, ZStW 130 (2018), 321 (334).
[45]    So ausdrücklich Horstkotte, JZ 1974, 84 (85).
[46]    S. dazu  Renzikowski (Fn. 8), § 180 Rn. 40.
[47]    S. auch Weigend, ZStW 129 (2017), 523 f.
[48]    So die Deutung von Woltersin: SK-StGB, 9. Aufl. (2017), § 182 Rn. 20.
[49]    S. BT-Drs. 18/2601, S. 29; vgl. auch Hörnle, in: FS Schöch, 2010, S. 401 (406).
[50]    Vgl. BT-Drs. 18/2061, S. 29 nach einem Vorschlag von Hörnle/Klingbeil/Rothbart, Sexueller Missbrauch von Minderjährigen: Notwendige Reformen im Strafrecht, o.J., S. 136, abrufbar unter: http://hoernle.rewi.hu-berlin.de/Gutachten_Strafrecht_2.pdf (zuletzt abgerufen am 3.8.2018); dort findet sich das Zitat.
[51]    Renzikowski (Fn. 8), § 182 Rn. 57 f.
[52]    S. demgegenüber Renzikowski (Fn. 8), § 232a Rn. 3.
[53]    Hörnle (Fn. 31), Vor § 174 Rn. 41 und 72; vgl. auch Kommission (Fn. 2), S. 155 ff.
[54]    BGHSt 60, 233 (235 ff.).
[55]    Ebenso Hörnle (Fn. 31), § 174a Rn. 12.
[56]    Die Begründung der Kommission, § 174a StGB solle neben der sexuellen Selbstbestimmung auch die Integrität der Institution schützen, kann sich zwar auf die h.L. stützen, vgl. Fischer (Fn. 7), § 174a Rn. 2 m.w.N., ist aber nicht nur wegen dieses „Scheinrechtsguts“ fragwürdig, sondern passt auch nicht zum Gesetz, welches kein absolutes Verbot enthält. Zum „Missbrauch der Stellung“ s. etwa BGH, NStZ 1999, 29, 349.
[57]    Vgl. Hörnle (Fn. 31), § 174a Rn. 19.
[58]    S. etwa Bezjak, ZStW 130 (2018), 318.
[59]    S. Renzikowski (Fn. 8), § 174a Rn. 17 m.w.N.
[60]    Hörnle (Fn. 31), § 174a Rn. 13.
[61]    Was BGHSt 56, 226 (230 ff.) m. krit. Anm. Renzikowski, NStZ 2011, 696 ff. leider geflissentlich ignoriert.
[62]    Auch Bezjak, ZStW 130 (2018), 318, hält die Missbrauchsklausel für ausreichend.
[63]    BGHSt 54, 169 ff. mit abl. Anm. Renzikowski, NStZ 2010, 694 ff.; der Kritik von Fischer (Fn. 7),§ 174c Rn. 6b ff. ist nichts hinzuzufügen.
[64]    Sehr klar BT-Drs. 13/2003, S. 4; BT-Drs. 13/8267, S. 7.
[65]    Vgl.Renzikowski (Fn. 8), § 174a Rn. 35.
[66]    S. Renzikowski (Fn. 8), § 232a Rn. 1 m.w.N.; a.A. Bürger, ZIS 2017, 169 (177); Schroeder, NStZ 2017, 320 (321). Zu Vorschlägen für eine Neuregelung s. Renzikowski, Strafvorschriften gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution de lege lata und de lege ferenda, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht 132 (November 2014), S. 34 ff., 53 f., und – erheblich kürzer – Bezjak, ZStW 130 (2018), 325 f., 335.
[67]    Vgl. auch § 104a StGB-Österreich, Art. 182 StGB-Schweiz.
[68]    S. Renzikowski, KriPoZ 2017, 358 (363); zu weiteren Friktionen ders., in: MüKo-StGB, Bd. 4, 3. Aufl. (2017), § 232a Rn. 5 f.
[69]    Zur umstrittenen Abgrenzung zwischen §§ 180a und 181a StGB vgl. Renzikowski (Fn. 8), § 181a Rn. 36 ff. m.w.N.
[70]    Vgl. BGHSt 48, 314 (318 f.).
[71]    Dessen Handhabung in der Rechtspraxis ohnedies fragwürdig ist, s. Renzikowski (Fn. 8), § 180a Rn. 45.
[72]    Gegenüber § 177 Abs. 1 und 2 StGB ist § 232a Abs. 6 StGB freilich überflüssig, s. Renzikowski (Fn. 8), § 232a Rn. 7, was in der Kommission anscheinend nicht näher erörtert wurde.
[73]   Vgl. zum Ganzen auch Bezjak, ZStW 130 (2018), 306, die ein Bedürfnis zum Schutz von Minderjährigen aber gänzlich verneint.
[74]    Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes rügt bereits Sick, ZStW 103 (1991), 43 (89 ff.); das BVerfG, Urt. v. 22.3.1999 – 2 BvR 398/99, BeckRS 1999, 30052472 hatte indes keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 183 StGB.
[75]    Eine geschlechtsneutrale Fassung enthält etwa Art. 194 StGB-Schweiz. Gegen eine Streichung auch Bezjak, ZStW 130 (2018), 303 f., aber die Begründung einer Kriminalisierung mit der Notwendigkeit therapeutischer Betreuung beweist eigentlich schon, dass das Strafrecht das falsche Regelungsinstrument ist.
[76]    Vgl. auch Weigend, ZStW 129 (2017), 513 f., 519 ff.
[77]    Auch insoweit findet sich Anschauungsmaterial im schweizerischen Strafrecht, vgl. Art. 198 Alt. 1 StGB-Schweiz, dazu – krit. – Kummer, Sexuelle Belästigung aus strafrechtlicher Sicht, 2002, S. 41 ff., 64 ff.
[78]   Dies steht schon länger in der Kritik, vgl. nur Hörnle, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. (2017),§ 184 Rn. 8; § 184 Rn. 5; Schreibauer, Das Pornographieverbot des § 184 StGB, 1999, S. 266; Beisel, Die Kunstfreiheitsgarantie des Grundgesetzes und ihre strafrechtlichen Grenzen, 1997, S. 232.
[79]   Vgl. dazu Bezjak, ZStW 130 (2018), 308; Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, 2017, S. 305–325, 369; Schmidt, in: Lembke (Hrsg.), Regulierungen des Intimen, 2017, S. 333 (337–340).
[80]   Schmidt, in: dies. (Hrsg.), Pornographie, 2016, S. 149 (165–169).
[81]   Vgl. dazu Schmidt (Fn. 79), S. 342 f.; H. Schumann/A. Schumann, Sicherheitsdenken, in: FS Seebode, 2008, S. 351 (367); Marc Liesching, Jugendmedienschutz in Deutschland und Europa, 2002, S. 78, 81.
[82]   Vgl. dazu Eschelbach, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2013, § 184a Rn. 4; Greco, RW 2011, 275 (297, 301); Beisel, ZUM 1996, 859 (861).
[83]    Im Verhältnis zur Ausdrucksweise in Art. 20 Abs. 2 der Lanzarote-Konvention („jedes Material mit der bildlichen Darstellung eines Kindes bei wirklichen oder simulierten eindeutig sexuellen Handlungen oder jede Abbildung der Geschlechtsteile eines Kindes zu vorwiegend sexuellen Zwecken“), ähnlich Art. 2 lit. c RL 2011/93/EU, bleibt die Definition der Kinderpornographie in § 184b Abs. 1 StGB mit unklaren Wertungsprädikaten aufgeladen.
[84]   Vgl. Hörnle, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. (2017),§ 184b Rn. 5.
[85]    Bezjak, ZStW 130 (2018), 328 ff. zeigt, wie eine solche Neuordnung aussehen könnte.

 

 

 

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