Verurteilung einer ehemaligen Zivilangestellten des Konzentrationslagers Sutthof wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 Fällen

BGH, Urt. v. 20.8.2024 – 5 StR 326/23 / Volltext

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Gründe:

1      Das LG hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen und zum versuchten Mord in fünf Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer auf die ausgeführte Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

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Bemerkungen zu BGH, Urteil. v. 20.8.2024 – 5 StR 326/2

von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

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Abstract
Das Strafverfahren beim LG Itzehoe gegen eine zur Tatzeit 18 Jahre und zur Verfahrenszeit schon über 90 Jahre alte Frau hat in Juristenkreisen und in der Öffentlichkeit für großes Aufsehen gesorgt. Der Angeklagten war Beihilfe zu zehntausendfachem Mord vorgeworfen worden. Tatsächliche Grundlage dieses Vorwurfs war ihre in den 1940er Jahren ausgeübte Tätigkeit als Schreibkraft im Büro des Lagerkommandanten des Konzentrationslagers Stutthof. Die Jugendkammer hielt die Vorwürfe für begründet und verurteilte die Angeklagte am 20.12.2022 zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.[1] Die dagegen von der Angeklagten eingelegte Revision wurde vom 5. Strafsenat des BGH durch Urteil vom 20.8.2024 als unbegründet zurückgewiesen.[2] Der Verurteilung liegen strafrechtliche Überlegungen zugrunde, die man zum Teil kritisch kommentieren könnte. Das betrifft in erster Linie die Qualifizierung der verfahrensgegenständlichen Tätigkeiten als Beihilfe zum Mord. Dazu soll hier nicht Stellung genommen werden. Der Verurteilung liegt nämlich in beträchtlichem Umfang das Fehlen relevanter rechtlicher Überlegungen zugrunde. Allein darauf beziehen sich die folgenden Bemerkungen. 

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Alina Ehlers: Die strafbewehrte Missbilligung der Tötung auf Verlangen im Sinne des § 216 StGB. Zur Zukunft einer Strafvorschrift nach dem Urteil des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des § 217 StGB

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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2024, Verlag Duncker & Humblot, ISBN: 978-3-428-19136-9, S. 147, Euro 64,90.

 In der Tat ist § 216 StGB seit der Entscheidung des BVerfG und der Festschreibung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben in den Fokus der kriminalpolitischen Debatte gerückt. Spätestens seit dem „Zombie“-Beschluss des BGH, der ersichtlich weniger von dogmatischen Überlegungen getragen als vielmehr von dem Ringen um eine „billige“ Entscheidung bestimmt war (NJW 2022, 3021), muss man sich die Frage stellen, wie „gerecht“ die verschwommenen Grenzen zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe sind. In einem obiter dictum hält der 6. Strafsenat hierzu fest: „… es … (ist) naheliegend, dass § 216 Abs. 1 StGB einer verfassungskonformen Auslegung bedarf, wonach jedenfalls diejenigen Fälle vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen werden, in denen es einer sterbewilligen Person faktisch unmöglich ist, ihre frei von Willensmängeln getroffene Entscheidung selbst umzusetzen, aus dem Leben zu scheiden, sie vielmehr darauf angewiesen ist, dass eine andere Person die unmittelbar zum Tod führende Handlung ausführt“ (aaO, S. 3023). Warum nun aber verfassungskonform auslegen, wenn man auch neu regeln kann? Genau ersteres ist aber die Antwort der vorliegenden Dissertation, die an § 216 StGB in seiner jetzigen Form festhalten will.

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Janick Haas: Zur Notwendigkeit und Umsetzung einer eigenständigen Strafbarkeit des Betreibens von digitalen Handelsplattformen. Eine kritische Analyse von § 127 StGB n.F. im Lichte des Vorbereitungsstrafrechts

von Prof. Dr. Anja Schiemann 

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2024, Duncker & Humblot, ISBN: 978-3-428-19020-1, S. 364, Euro 99,90.

Die Vorschrift des § 127 StGB wurde bereits 2021 ins Strafgesetzbuch eingefügt (BGBl. I, 3544) und war Folge einer schon länger schwelenden Debatte und eines über zwei Jahre andauernden Gesetzgebungsprozesses. Schon einführend bringt es Haas auf den Punkt: politische Triebfeder für die Schaffung neuer digital geprägter Strafnormen sei der (veraltete) Zuschnitt des Strafrechts auf die analoge Welt, so dass es zur Erfassung von besonderen, digitalen, strafwürdigen Verhaltensweisen neuer Regelungen bedürfe (S. 19 f.). Dieses Narrativ macht sich die Dissertation nicht zu eigen, sondern untersucht vielmehr zum einen, ob die Vorschrift überhaupt notwendig war und zum anderen, welche Anforderungen an die Umsetzung einer solchen Verbotsnorm zu stellen sind (S. 20).

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Stärkung des strafrechtlichen Schutzes der Mitglieder von Verfassungsorganen sowie politischer und kommunaler Mandatsträger und ihren Unterstützungskräften vor tätlichen Angriffen

Gesetzentwürfe: 

 

Am 21. März 2025 hat sich der Bundesrat mit einem Antrag des Landes Berlin zur Stärkung des strafrechtlichen Schutzes der Mitglieder von Verfassungsorganen sowie politischer und kommunaler Mandatsträger und ihren Unterstützungskräften vor tätlichen Angriffen beschäftigt. Die Entschließung basiert auf gewaltsamen Vorfällen im Zusammenhang mit dem Wahlkampf vor den Europawahlen am 9. Juni 2024. Dabei wurden Personen körperlich attackiert, die entweder selbst zur Wahl standen oder den Wahlkampf durch das Anbringen von Plakaten oder die Mitarbeit an Wahlständen unterstützten. Einige der Betroffenen erlitten dabei erhebliche Verletzungen. Ähnliche Vorfälle wurden auch im Vorfeld der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Sommer 2024 registriert. Nach Ansicht Berlins fügen sich diese Ereignisse in das allgemeine Bild einer zunehmenden Verrohung des politischen Diskurses ein. Betroffen seien nicht nur prominente Bundespolitiker, sondern auch Personen, die sich auf kommunaler oder parteipolitischer Ebene für das Gemeinwesen engagieren. Die Hemmschwelle für gewalttätige Angriffe sei in Teilen der Gesellschaft merklich gesunken. Nach aktueller Rechtslage macht sich strafbar, wer ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes, einen seiner Ausschüsse, die Bundesversammlung, die Regierung oder das Verfassungsgericht des Bundes oder eines Landes (§ 105 StGB) bzw. den Bundespräsidenten oder ein Mitglied der genannten Verfassungsorgane (§ 106 StGB) rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt nötigt, ihre Befugnisse nicht oder in einer bestimmten Weise auszuüben. Es sei notwendig, diese Vorschriften auszuweiten, um auch Organe der Europäischen Union, der Kommunen sowie rechtlich unselbstständige Verwaltungseinheiten in Stadtstaaten und deren Mitglieder einzubeziehen. Diese seien vergleichbaren Bedrohungen ausgesetzt und sollten daher denselben rechtlichen Schutz genießen.

Neben dem Schutz vor Nötigungen zielt die vorliegende Entschließung zusätzlich darauf ab, die Mitglieder der genannten Verfassungsorgane vor tätlichen Angriffen zu schützen. Angelehnt an die Regelungen der §§ 114 und 115 StGB und mit entsprechendem Strafrahmen soll daher ein Tatbestand geschaffen werden, der die tätlichen Angriffe bei oder während der Wahrnehmung der Aufgaben des Bundespräsidenten oder eines Mitglieds der genannten Verfassungsorgane unter Strafe stellt. Ein tätlicher Angriff soll dabei sämtliche feindseligen Handlungen umfassen, die unmittelbar gegen den Körper gerichtet sind – unabhängig davon, ob sie den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen. Damit soll sichergestellt werden, dass auch solche Verhaltensweisen strafrechtlich sanktioniert werden, die nicht unmittelbar darauf abzielen, das Handeln des Betroffenen innerhalb seiner organschaftlichen Befugnisse zu beeinflussen oder zu verhindern. Der strafrechtliche Schutz vor tätlichen Angriffen soll auch auf ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer erweitert werden.

Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, „sich dieser Thematik anzunehmen und Vorschriften im StGB zu schaffen, die den genannten Problematiken gerecht werden.“

 

 

Sicherstellung einer schuldangemessenen Bestrafung bei Einsatz psychotroper Substanzen zur Ermöglichung einer Sexualstraftat

Gesetzentwürfe: 

 

Am 21. März 2025 hat sich der Bundesrat mit einem Antrag des Landes Berlin zur Sicherstellung einer schuldangemessenen Bestrafung bei Einsatz psychoproper Substanzen zur Ermöglichung einer Sexualstraftat beschäftigt. Die Entschließung basiert auf dem kürzlich veröffentlichten Beschluss des 5. Strafsenats des BGH (Beschl. v. 8.10.24, Az. 5 StR 382/24). Dieser stellte fest, dass das heimliche Verabreichen von K.O. Tropfen, um eine Person sexuell gefügig zu machen, zwar eine Gewaltanwendung darstelle, jedoch kein „gefährliches Werkzeug“ i.S.d. StGB verwendet werde. Diese Auslegung sei mit dem Wortlaut der Norm nicht vereinbar, da unter einem „Gegenstand“ nur feste Körper zu verstehen seien, weshalb Flüssigkeiten keine Werkzeugqualität besäßen. Der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB, der eine Mindeststrafe von fünf Jahren vorsieht, sei damit nicht verwirklicht. „Auch wenn man der Auffassung des BGH insoweit folgen kann, zeigt der geschilderte Sachverhalt, dass die Verwendung von K.O.-Tropfen dem Einsatz eines gefährlichen Werkzeuges in der Gefährlichkeit nicht nachsteht und daher in jedem Fall gleichwertig bestraft werden muss“, hieß es in dem Antrag Berlins. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, einen „Gesetzentwurf vorzulegen, welcher den Einsatz psychotroper Substanzen zur Ermöglichung einer Sexualstraftat einem schuldangemessenen Strafrahmen unterstellt“. Der federführende Rechtsausschuss sowie der Ausschuss für Innere Angelegenheiten hatten zuvor geraten, diese Entschließung zu fassen. 

Am 25. März 2025 hat das Land Nordrhein-Westfalen einen Entwurf zur strafrechtlichen Bekämpfung der Verabreichung sogenannter K.O.-Tropfen zur Begehung von Raub- und Sexualdelikten (BR-Drs. 128/25) in den Bundesrat eingebracht. Darin werden die Tatbestände der § 250 Abs. 2 und § 177 Abs. 8 StGB um das in § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB bereits bestehende Merkmal der Beibringung von gesundheitsschädlichen Stoffen ergänzt. Im Anschluss an die Plenarsitzung am 11. April 2025 wurde der Gesetzesantrag zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überweisen. 

 

 

 

Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

Öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss am 10. Februar 2025: 

 

 

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