Modernisierung des Computerstrafrechts

Gesetzentwürfe: 

 

Am 4. November 2024 hat das BMJ einen Referentenentwurf zur Modernisierung des Computerstrafrechts auf den Weg gebracht. Infolge fortschreitender Digitalisierung, müsse der Gesetzgeber darauf achten, das Computerstrafrecht entsprechend zu modernisieren, um den angestrebten Rechtsgüterschutz aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Die IT-Sicherheit sei „die Achillesferse der Informationsgesellschaft“, so der Entwurf. Daher habe es größte Bedeutung, Sicherheitslücken zu schließen, um Cyberangriffe abzuwehren. Problematisch sei aber insofern, dass die IT-Sicherheitsforschung beim Aufspüren von Sicherheitslücken regelmäßig den Zugriff auf fremde Informationssysteme und Daten notwendig mache, die sich bereits im praktischen Einsatz befinden würden. Dies berge Strafbarkeitsrisiken, da solche Zugriffshandlungen Straftatbestände erfüllen könnten, die dem Schutz des formellen Datengeheimnisses oder der Unversehrtheit von Daten und IT-Systemen dienten (§§ 202a ff., 303a f. StGB). Des Weiteren bilde das aktuelle Strafrecht die Gefährlichkeit und das hohe Schadenspotential von Computerdelikten nicht mehr ab. Der Entwurf sieht daher vor, eine klare Abgrenzung zwischen nicht zu missbilligendem Handeln der IT-Sicherheitsforschung und strafwürdigem Verhalten zu treffen. So soll bei der Beeinträchtigung kritischer Infrastruktur ein entsprechend höherer Strafrahmen angesetzt und im Rahmen der §§ 202a und 202b StGB Regelbeispiele für besonders schwere Fälle eingefügt werden. 

§ 202a werden die folgenden Absätze 3 und 4 angefügt:

(3) „ Die Handlung ist nicht unbefugt im Sinne des Absatzes 1, wenn

1. sie in der Absicht erfolgt, eine Schwachstelle oder ein anderes Sicherheitsrisiko eines informationstechnischen Systems (Sicherheitslücke) festzustellen und die für das informationstechnische System Verantwortlichen, den betreibenden Dienstleister des jeweiligen Systems, den Hersteller der betroffenen IT-Anwendung oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik über die festgestellte Sicherheitslücke zu unterrichten und

2. sie zur Feststellung der Sicherheitslücke erforderlich ist.

(4) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,

2. aus Gewinnsucht oder gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von solchen Taten verbunden hat oder

3. durch die Tat die Verfügbarkeit, Funktionsfähigkeit, Integrität, Authentizität oder Vertraulichkeit einer kritischen Infrastruktur*) oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder beeinträchtigt.“

 

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:
„Wer IT-Sicherheitslücken schließen möchte, hat Anerkennung verdient – nicht Post vom Staatsanwalt. Denn Sicherheitslücken in IT-Systemen können in unserer vernetzten Welt dramatische Folgen haben. Cyberkriminelle und fremde Mächte können IT-Sicherheitslücken als Einfallstore nutzen. Krankenhäuser, Verkehrsunternehmen oder Kraftwerke können so lahmgelegt werden; persönliche Daten können ausspioniert, Unternehmen können ruiniert werden. Es ist deshalb im gesamtgesellschaftlichen Interesse, dass IT-Sicherheitslücken aufgedeckt und geschlossen werden. Mit dem Gesetzentwurf werden wir Strafbarkeitsrisiken für Personen ausschließen, die sich dieser wichtigen Aufgabe annehmen. Gleichzeitig werden wir die Strafen für besonders gefährliche Fälle des Ausspähens und Abfangens von Daten anheben.“

 

 

 

 

 

 

 

Bedrohungen von Zeuginnen und Zeugen und Gerichtspersonen

Gesetzentwürfe: 

 

Das Land Berlin hat am 13. September 2024 einen Gesetzesantrag zur Änderung des StGB und der StPO – Bedrohung von Zeuginnen und Zeugen und Gerichtspersonen auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf beabsichtigt, insbesondere die Organisierte Kriminalität in dem Phänomenbereich intensiver zu bekämpfen. Aus der medialen Berichterstattung seien vermehrt Bedrohungshandlungen gegenüber Zeug:innen und Gerichtspersonen bekannt geworden. Sie seien durch Angeklagte eingeschüchtert oder von Angehörigen von Großfamilien aufgesucht und bedroht worden. Auch Richter:innen und Staatsanwält:innen seien mit dem Tod bedroht worden, so dass für die besagten Personen sogar ein polizeilicher Personenschutz erforderlich wurde. Um die Hemmschwelle für die Begehung von Straftaten in diesem Kontext zu reduzieren, soll dem Tatbestand der Nötigung in § 240 Abs. 4 Nr. 3 StGB ein weiteres Regelbeispiel hinzuzufügen. Flankierend sollen die Taten dem Katalog der §§ 100a Abs. 2 und 100g Abs. 2 StPO hinzugefügt werden. 

„§ 240 Abs. 4 wird wie folgt geändert:

1. Am Ende von Nummer 2 das Wort „oder“ ergänzt und das Komma gestrichen.
2. Nach Nummer 2 wird folgende Nummer 3 eingefügt:

3. einen Verfahrensbeteiligten oder eine Beweisperson in einem Strafverfahren nötigt, seine oder ihre Rechte und Pflichten nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben.“

 

 

Änderung des Europol-Gesetzes

Gesetzesentwürfe:

Die Bundesregierung hat am 30. September 2024 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Europol-Gesetzes vorgelegt. Es soll durch die Änderungen an neue europarechtliche Vorgaben, insbesondere der Europol-Verordnung (EU) 2022/991, die am 28. Juni 2022 in Kraft getreten ist, angepasst werden. Diese sieht neue Regelungen zur Zusammenarbeit von Europol mit privaten Parteien, der Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Europol und die Rolle von Europol in der Forschung vor. 

Zwar muss die Verordnung (EU) 2022/991 nicht umgesetzt werden, jedoch sind die innerstaatlichen Regelungen zur Zuständigkeit beteiligter Behörden von Bund und Länder bei der Zusammenarbeit mit Europol teilweise von dem bisherigen Europol-Gesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBI. 1997 II S. 2150) abhängig. Es müsse demnach überprüft werden, inwiefern das Europol-Gesetz dahingehend Vorschriften beinhaltet, die anzupassen sind, weil einzelne Bestimmungen durch das Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2022/991 einer Modifizierung bedürfen. Insoweit ist wesentlicher Inhalt des Entwurfs „die Anpassung des Europol-Gesetzes an die geänderte Europol-Verordnung“.

Strafbarkeit des Sexkaufs

Gesetzentwürfe:

Die CDU/CSU-Fraktion hat am 20. Februar 2024 einen Gesetzesantrag zur Einführung einer Strafbarkeit des Sexkaufs (BT-Drs. 20/10384) in den Bundestag eingebracht. Die Vorlage wurde am 23. Februar 2024 erstmals beraten und anschließend an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen. Der Antrag erachtet das Prostitutionsgesetz von 2002 als gescheitert und bemängelt, dass die (versuchte) Legalisierung das Schutzniveau der betroffenen Personen nicht verbessert hat; vielmehr habe sich die tatsächliche Situation in der Prostitution erheblich verschlechtert. Der Antrag kritisiert, dass ein Großteil der betroffenen Personen unfreiwillig in die Armut abrutschen und täglich sexueller Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch ausgeliefert sind. Auch das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 habe an dieser Lage nichts geändert. 

Der Antrag zielt insoweit darauf ab, eine allgemeine Freierstrafbarkeit einzuführen. Der Kauf sexueller Dienstleistungen soll zukünftig pönalisiert werden und als Vergehen einzustufen sein. Allerdings sollen Prostituierte selbst nicht aufgrund der Ausübung der Tätigkeit kriminalisiert werden; vielmehr sollen allein die Kunden der Dienstleistung strafrechtlich erfasst werden. Zudem soll auch der Betrieb von Prostitutionsstätten (Bordelle, Laufhäuser, etc.) verboten werden. Die Unionsfraktion fordert insoweit die Durchsetzung eines „Nordischen Modells“. 

Am 23. September 2024 haben sich zahlreiche Sachverständige im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages zu den geplanten Änderungen geäußert. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Johanna Weber, politische Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen, sehe den Mehrwert eines Sexkaufsverbots als gering an; vielmehr würde ein Verbot die Sexarbeitenden in eine noch unsichere Lage zwingen – und teilweise auch vollständig in die Illegalität. Es gebe vielmehr keine wissenschaftlichen Nachweise, dass die meisten Sexarbeitenden zur Tätigkeit gezwungen werden. Ähnlich äußert sich Erika Krause-Schöne (GdP), wonach ein Sexkaufverbot die Prostitution zunehmend in das Dunkelfeld verlagere – und die Verfolgung von schwersten Straftaten (z.B. Zwangsprostitution) deutlich erschwere. Stefanie Kohlmorgen, Vorständin beim Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufas), kritisiert die (unüberlegte) Vermischung von Sexarbeit mit Zwangsprostitution und Menschenhandel. Ein Sexkaufverbot verstärke viel eher das Stigma gegen Sexarbeitende und verstoße gegen deren Berufsfreiheit. Auch Andrea Hitze vom bundesweiten Koordinierungskreis Menschenhandel (KOK) lehne ein Sexkaufverbot ab. Durch das nordische Modell wird die Sexarbeit erneut in eine rechtliche Grauzone gedrängt; insbesondere werden Sexarbeitende mit einem Verbot in ihrer Selbstbestimmung untergraben. Hitze fordere vielmehr Respekt und Anerkennung für die Autonomie der Beschäftigten. Auch Margarete Gräfin von Galen, Fachanwältin für Strafrecht, betont den verfassungsrechtlichen Schutz der Sexarbeit durch die Berufsfreiheit. Letztlich sah Alexandra Sußmann, Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Stuttgart und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Deutschen Städtetages, die aktuelle Gesetzgebung zur Prostitution nicht als gescheitert an. Vielmehr müsse die laufende Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes abgewartet – und dann ggf. nachjustiert werden.

Huschke Mau, Gründerin des Netzwerks Ella, konstatiert, dass Deutschland als das Bordell Europas gelte. Insgesamt sei eine Trennung zwischen erzwungener und freier Prostitution oftmals unmöglich – das nordische Modell sei daher als guter Ansatz zu bewerten. In eine ähnliche Richtung geht die Stellungnahme von Claire Quitte, Präsidentin der Nid-Bewegung (Mouvement du Nid) in Frankreich, die den Vergleich zur französischen Lage bemüht. In Frankreich gelte seit 2016 ein Sexkaufverbot, wodurch klar signalisiert werde, dass eine sexuelle Handlung nicht käuflich erworben werden könne. Ähnlich äußert sich Gerhard Schönborn, Vorsitzender des Vereins Neustart – Christliche Lebenshilfe. Schönborn kritisiert die aktuellen Regelungen und befürchtet mit diesen eine Verschlimmerung der (derzeitigen) menschenverachtenden Zustände. Zwar könne das nordische Modell die Prostitution nicht vollständig beseitigen, allerdings überwiegen die Vorteile einer neuen Gesetzgebung. Alexander Dierselhuis, Polizeipräsident in Duisburg, sprach sich auch für ein Sexkaufverbot aus und sah dies als wichtiges Element zur Bekämpfung der Rotlichtkriminalität an. Durch die Verkleinerung des Marktes könnten sich die Strafverfolgungsbehörden auf die schweren Fälle der Rotlichtkriminalität konzentrieren.

Gesetzentwurf zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung

Gesetzentwürfe:

Am 10.9.2024 haben die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP einen Gesetzentwurf „zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung“ in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 12806). Der Entwurf wurde anlässlich des Anschlages in Solingen vom 23. August 2024 eingebracht und soll das von der Koalition beschlossene Sicherheitspaket gesetzgeberisch umsetzen. Das Paket betrifft insbesondere drei Gebiete: das Waffenrecht, die Extremismus- und Terrorismusbekämpfung sowie das Aufenthaltsrecht.

Hierbei sollen insbesondere die Befugnisse der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden  – angepasst an die Herausforderungen in einer digitalisierten Welt –  erheblich ausgeweitet  werden: Hierzu gehören unter anderem der biometrische Internetabgleich, die automatisierte Datenanalyse sowie Anfragen des BKA bei Banken. Zudem soll die Festsetzung von Waffenverbotszonen erleichtert werden. 

Die Befugnis zum biometrischen Abgleich von öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet sei erforderlich, damit die Strafverfolgungs- sowie Sicherheitsbehörden biometrische Daten von Gesichtern und Stimmen mittels automatisierter Daten mit Internetdaten (z.B. Auftritten auf sozialen Medien) abgleichen können. Dadurch sollen mutmaßliche Terroristen und Tatverdächtige identifiziert und lokalisiert werden können.

Zugleich soll es dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei ermöglicht werden, automatisierte Datananalysen durchzuführen. Hierdurch könne gewährleistet werden, dass diese Behörden große Datenmengen effektiv auswerten und ggf. Verbindungen/Beziehungen zwischen Informationen herstellen können. Zum Zwecke der Rechtssicherheit bedarf es hierzu einer entsprechenden Rechtsgrundlage.

Die Bundespolizei soll zukünftig auch dazu befugt sein, anlassbezogen im Bereich von Waffenverbotszonen oder im Geltungsbereich von bundespolizeilichen Allgemeinverfügungen stichprobenartige Befragungen, Identitätskontrollen sowie Durchsuchungen von Personen durchzuführen, die diese Bereiche betreten möchten oder sich darin befinden.

Am 23. September 2024 haben sich zahlreiche Sachverständige im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat zu den zahlreichen Gesetzesentwürfen des „Sicherheitspakets“ – hierzu zählt auch der Entwurf „zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung“ – geäußert. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Sachverständigen erachteten die Vorschläge überwiegend kritisch.

Finn-Christopher Brüning (Deutscher Städte- und Gemeindebund) bemängelte, dass die vorgeschlagenen Änderungen die Sicherheitslage in Deutschland nicht verbessern könnten; vielmehr müssten die Sicherheitsbehörden personell besser aufgestellt und relevante Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen vorgenommen werden. Eine ähnliche Stoßrichtung wiesen die Stellungnahmen von Jörg-Henning Gerdemann (Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg) und Niels Heinrich (Fachliche Leitstelle Nationales Waffenregister [NWR], Hamburg) auf. Gerdemann konstatierte, dass neue Waffenverbotszonen bzw. Verbotsgebiete schon aufgrund des Umfangs dazu führten, dass effektive polizeiliche Kontrollen nicht möglich seien. Heinrich sah in den geplanten Änderungen des Waffenrechts eine erhebliche und weitgehend folgenlose (Mehr-)Bürokratisierung; selbst die vorgeschlagenen waffenrechtlichen Maßnahmen hätten Taten wie Mannheim und Solingen nicht verhindern können. Neben der Kritik an der Effektivität der gesetzlichen Änderungen wurde auch vor einer unangemessenen Beeinträchtigung von (datenbezogenen) Grundrechten gewarnt. Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker von der Universität Bremen sprach von einem „sicherheitsbehördlichen Daten-Supergau“ und sah mit der geplanten Vorfelderfassung von persönlichen Daten den Weg zum „gläsernen Bürger“ geebnet. Sarah Lincoln (Gesellschaft für Freiheitsrechte) konstatierte, dass die Verschärfungen an zahlreichen Stellen die Rechtsprechung des BVerfG sowie höherrangiges Recht nicht hinreichend beachteten und eine Abwägung von Grundrechten vermissen ließen; sie plädierte für weniger populistische Maßnahmen und mehr Bildung, Prävention und psychosoziale Unterstützung. Auch Dr. Stephan Schindler von der Universität Kassel wies auf die erheblichen Grundrechtseingriffe hin, die mit den vorgeschlagenen Ermächtigungen zum nachträglichen Datenabgleich einhergehen. Vielmehr seien Regelungen notwendig, die das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitprinzip wahrten (z.B. Überprüfung der Ergebnisse durch qualifizierte Personen). Prof. Dr.-Ing. Christoph Sorge (Universität des Saarlandes) sowie Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider (Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) bemängelten ebenfalls, dass die Vorschläge bezüglich einer Regelung zur Verarbeitung biometrischer Daten nicht konkret genug seien. Specht-Riemenschneider erachtete die Tatbestandsmerkmale geplanten Eingriffsermächtigungen zur Gesichtserkennung als zu unscharf; blieben diese Mängel bestehen, drohen Eingriffe in die (Grund-)Rechte unbeteiligter Personen.  Sorge bezweifelte die Vereinbarkeit des Vorhabens mit höherrangigem europäischem Recht. Hingegen sahen manche Sachverständigen durchaus positive Ansätze in den Gesetzesvorschläge. Die Einführung einer Regelung zum biometrischen Internetabgleich wurde von Martina Link (BKA) befürwortet; dadurch werde es deutlich einfacher, Attentäter und Gefährder, die noch nicht polizeilich registriert sind, zu identifizieren. Gerade für die zeitgemäße Polizeiarbeit sei eine Rechtsgrundlage für eine automatisierte Datenanalyse wichtig. Auch für Dr. Klaus Ritgen (Deutscher Landkreistag) gingen die Gesetzesvorschläge in die richtige Richtung; dieser betonte, dass die Gesetzesentwürfe der Begrenzung der hohen irregulären Migration angemessen dienen. Auch Andre Schuster des Deutschen Städtetages unterstützte grundsätzlich die sicherheitsbezogenen Maßnahmen; allerdings merkte Schuster auch an, dass trotzdem ein rechtsstaatliches und faires Verfahren im Umgang mit Asylsuchenden und Schutzberechtigten gewährleistet werden müsse. Abschließend äußerten sich einzelne Sachverständige zu dem Potenzial einer stärkeren Einbindung der Bundespolizei im Rahmen der Kontrolle illegaler Migration. Heiko Teggatz (DPolG, Bundespolizeigewerkschaft) bemängelte die fehlende Zuständigkeit der Bundespolizei für die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und sah hierzu Verbesserungsbedarf. Dr. Philipp Wittmann, Richter am VGH Baden-Württemberg, stellte klar, dass eine intensivere Beteiligung der Bundespolizei bei Abschiebeprozessen zwar zweckmäßig sein könnte, aber die verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisungen berücksichtigt werden müssten. 

Am 18. Oktober 2024 wurde der Entwurf erstmalig im Bundesrat zur Abstimmung gestellt und erreichte nicht die erforderlich Mindeststimmenzahl von 35 Mitgliedern. Die Bundesregierung und der Bundestag haben nun die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen. 

 

 

Änderung des Sprengstoffgesetzes

Gesetzentwürfe:

Am 19. Juli 2024 hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf  zur Änderung des Sprengstoffgesetzes und weiterer Gesetze auf den Weg gebracht. Die Anzahl von Fällen der missbräuchlichen Verwendung von explosionsgefährlichen Stoffen habe zugenommen. Es sei insbesondere ein erheblicher Anstieg an Fällen zu bemerken, bei denen Geldautomaten gesprengt werden. In 2022 sei diesbezüglich im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von 26,5% zu verzeichnen gewesen. Hierdurch entstünden mitunter auch erhebliche finanzielle Schäden. Die derzeitige Ausgestaltung des § 308 StGB müsse angesichts dieser Faktenlage modifiziert werden, um das spezifische Unrecht hinreichend abzudecken.

Hierzu sieht der Entwurf Änderungen im StGB, in der StPO und im Nebenstrafrecht (insbes. dem SprengG und dem AusgStG) vor. Insbesondere soll der Tatbestand des § 308 StGB um einen Qualifikationstatbestand ergänzt werden, der das spezifische Unrecht von Sprengstoffexplosionen zur Begehung von Diebstahlstaten hinreichend erfasst: 

Nach § 308 Abs. 2 StGB wird folgender Abs. 3 eingefügt: 

(3) „ Wer die Sprengstoffexplosion zur Begehung eines Diebstahls (§ 242), eines Bandendiebstahls (§ 244 Absatz 1 Nummer 2) oder eines schweren Bandendiebstahls (§ 244a) herbeiführt, wird in den Fällen des Absatzes 1 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in den Fällen des Absatzes 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.“ 

Zudem soll auch der Straftatenkatalog für die Telekommunikationsüberwachung gem. § 100a StPO angepasst werden, um eine effektive Strafverfolgung zu ermöglichen.

Am 2. Oktober 2024 hat das Bundeskabinett den vorgelegten Entwurf beschlossen. Erste Stellungnahmen finden Sie hier. Der Gesetzesentwurf wurde am 11. Oktober 2024 dem Bundesrat zugeleitet (BR-Drs. 493/24). Dieser beschäftigte sich am 22. November mit dem Regierungsentwurf. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Rechtsausschuss empfahlen dem Bundesrat zu dem Gesetzentwurf entsprechend Stellung zu nehmen (BR-Drs. 493/1/24). Der Länderkammer gehen die im Regierungsentwurf vorgesehenen Strafschärfungen nicht weit genug. Sie fordert bei Geldautomatensprengungen eine grundsätzliche Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren. Grund hierfür sei die Vergleichbarkeit mit einem besonders schweren Fall des Raubes. Im Falle einer Explosion in einem Wohngebäude bewege sich die Tat sogar nah am versuchten Mord. Auf eine reine Gesundheitsgefährdung könne es dabei nicht ankommen. Des Weiteren sieht der Bundesrat einen Regelungsbedarf im Sprengstoffgesetz für Sprengstoffe, die im Nachlass eines Verstorbenen gefunden werden. Hier sollten die Erben zeitnah verpflichtet werden, die Stoffe durch einen Berechtigten abholen zu lassen. 

 

 

 

 

 

 

Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen

Gesetzentwürfe:

Die Fraktion CDU/CSU hat einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen in den Bundestag eingebracht. Er wurde am 4. Juli 2024 in erster Lesung debattiert und im Anschluss an den federführenden Rechtsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Nach Ansicht der Fraktion habe der Staat die Verpflichtung, verletzliche Personen besonders zu schützen. In den vergangenen Jahren nahm die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt immer mehr zu. Sie betrifft alle Formen körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt – also beispielsweise Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung – und umfasst familiäre sowie partnerschaftliche Gewalt, bei der am häufigsten Frauen betroffen sind. Die Dunkelziffer sei hoch, weil viele Betroffenen eine Anzeige scheuten. Dies zeige eine Dunkelfeldbefragung des LKA Niedersachsen zu verschiedenen Kriminalitätsformen mit Schwerpunktsetzung von Paarbeziehungen. Es sei davon auszugehen, dass jede dritte Frau in Deutschland „mindestens einmal imLeben Opfer von Gewalt wird und jede vierte Frau Gewalt im Zusammenhang mit ihrer Partnerschaft erlebt.“ Viele Fälle seien von einer Eskalationsspirale gekennzeichnet. Zu ihrer Durchbrechung sei eine bessere Durchsetzung und „Überwachung von Näherungsverboten durch den Einsatz einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung“ nötig. Auf diese Wiese möchte die Fraktion Täter häuslicher Gewalt sowie Stalker stoppen. Sich an Schwachen, Hilflosen und Wehrlosen zu vergreifen, sei niederträchtig und feige, werde aber gerade nicht bei Mord, beim schweren Raub und der gefährlichen Körperverletzung berücksichtigt. Daher sieht der Gesetzentwurf vor, bei der gefährlichen Körperverletzung, dem schweren Raub und bei Mord als neues Qualifikations- bzw. Mordmerkmal „unter Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ einzufügen, um Gewalttaten zum Nachteil von Kindern, Frauen, Senioren und Menschen mit Behinderungen angemessen zu bestrafen. Flankierend soll § 211 StGB sprachlich angepasst werden.

Außerdem soll angepasst werden:

  • Strafrahmen für Gruppenvergewaltigungen: die gemeinschaftliche Tatbegehung soll in § 177 Abs. 8 StGB verschoben werden, womit sie eine Mindeststrafe von 3 bis 5 Jahre Freiheitsstrafe erhält
  • ungewollte Schwangerschaft soll als Tatfolge zur Qualifikation in § 177 Abs. 7 StGB hinzugefügt werden
  • § 223 StGB soll eine Mindeststrafe von 3 Monaten erhalten (für geringfügige Taten soll ein minder schwerer Fall eingefügt werden)
  • Ahndung von Körperverletzungen mittels einer Waffe oder eines Messers als Verbrechen, gleichzeitige Anhebung des Strafrahmens auf ein Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe 
  • die Höchststrafe der Nachstellung soll auf 5 Jahre erhöht und der Katalog der besonders schweren Fälle erweitert werden, so dass gegen Täter, die zugleich einer in § 4 S. 1 GewSchG bezeichneten (vollstreckbaren) Anordnung oder Verpflichtung zuwiderhandeln, auch die Anordnung der Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr (§ 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO) möglich wird
  • Einführung der „elektronischen Fußfessel“ im GewSchG
  • Erhöhung der Höchststrafe nach dem GewSchG von 2 auf 5 Jahre
  • Angleichung der Voraussetzungen für die Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung nach § 247a StPO für minderjährige Zeugen an die Voraussetzungen der Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal nach § 247 StPO 

Am 4. Dezember 2024 fand im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Der Fraktionsentwurf stieß bei den Expert:innen überwiegend auf Kritik. Dilken Çelebi vom Deutschen Juristinnenbund hielt den Gesetzentwurf für ineffektiv und symbolhaft und bezeichnete ihn „in Teilen für verfassungsrechtlich bedenklich“. Sie erläuterte, dass Strafschärfungen kriminologisch betrachtet nicht den gewünschten generalpräventiven Effekt hätten. Insbesondere das neue Mordmerkmal sei verfassungsrechtlich bedenklich und verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot. Ähnlich sah dies Prof. Dr. Jörg Kinzig von der Universität Tübingen. Auch er kritisierte, dass der Entwurf keine evidenzbasierte Kriminalpolitik im Sinn habe. „Wie eine derart repressive Vorgehensweise zu einem besseren Opferschutz beitragen kann, wird leider nicht begründet“, so Kinzig. Die Gleichung „höhere Strafen gleich weniger Strafen“ gehe nicht auf. Dem schloss sich Holger-C. Rohde vom Deutschen Anwaltverein an und erinnerte an das Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts. Aus seiner Sicht müssten erst einmal Vollzugsdefizite gestoppt werden. Prof. Dr. Jörg Eisele von der Universität Tübingen begrüßte hingegen den Vorschlag, die Körperverletzung mit gefährlichen Gegenständen als Verbrechen zu ahnden und bei der Nachstellung eine Strafschärfung vorzunehmen. Um das Mordmerkmal „unter Ausnutzung einer körperlichen Überlegenheit“ zielgenauer und auf das Opfer auszurichten, schlug er vor, stattdessen die Formulierung „Ausnutzung einer Schutzlosigkeit des Opfers“ zu nutzen. Für Undine Segebarth von der Gewerkschaft der Polizei ging der Entwurf nicht weit genug. Eine elektronische Aufenthaltsüberwachung sei nur dann effektiv, wenn das Opfer auch über einen Näherungsalarm gewarnt werden könne. Sie sprach sich dafür aus, das vorgeschlagene Gewaltschutzgesetz noch vor Ende der Legislaturperiode zu verabschieden. Für die Wichtigkeit von Prävention und Täterarbeit warb Isabella Spiesberger von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit HG e.V. Die zur Verfügung stehenden Strafrahmen würden schon jetzt nicht ausgeschöpft, weshalb eine Strafrahmenerhöhung nicht zielführend sei. Dies sah Dorothea Hecht von der Frauenhauskoordinierung e.V. ähnlich. „Strafverschärfungen sind nicht die Antwort auf Femizide und Gewalt an Frauen. Das Strafrecht setzt viel zu spät an. Die Verurteilung zum Mord macht eine getötete Frau nicht wieder lebendig“, so Hecht. Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft betonte ebenfalls die Wichtigkeit von Opferschutz und Prävention. Er verwies auf die steigenden Opferzahlen und begrüßte daher die vorgeschlagenen Strafschärfungen. Er kritisierte, dass man jahrzehntelang „Verständnis und Nachsicht“ mit Tätern gehabt habe. Die Beauftragte für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Barbara Havliza sprach sich für eine Stärkung der Hilfe- und Beratungsangebote für Opfer aus. Sie sah zudem Bedarf in der Ausweitung der psychosozialen Prozessbegleitung. 

 

 

 

Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten

Gesetzentwürfe: 

 

Am 5. Juli 2024 brachte das BMJ einen Referentenentwurf zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten auf den Weg. Angriffe auf diesen Personenkreis seien von Verrohungstendenzen geprägt, die gravierende Auswirkungen haben können. Dabei seien nicht nur die individuellen Folgen für die Opfer in den Blick zu nehmen, denn solche Angriffe beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens gravierend und erschüttern den gesellschaftlichen Zusammenhalt, so der Entwurf. Es sei zu befürchten, dass im Gemeinwohl tätige Personen sich von solchen Tätigkeiten zurückziehen oder solche Ämter per se gemieden werden. Über die bereits im StGB enthaltenen Einzeltatbestände hinaus, soll der erhöhte Unrechtsgehalt bei Taten gegen Personen, die sich für das Gemeinwohl engagieren, in den allgemeinen Vorschriften zur Strafzumessung berücksichtigt werden. Gezielt sieht der Entwurf auch die Verbesserung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten:innen und Personen, die Vollstreckungsbeamten:innen gleichstehen vor. Angriffe auf diesen Personenkreis seien nicht hinnehmbar und müssten konsequent strafrechtlich verfolgt werden. Zudem seien sie in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, was unterstreiche, dass es ein klares rechtspolitisches Signal bedürfe, das die besondere Verwerflichkeit verdeutliche und so den Schutz von Vollstreckungsbeamten:innen und Rettungskräften weiter stärke. Der Entwurf sieht daher vor, § 46 Abs. 2 S. 2 StGB dahingehend zu ergänzen, dass hinsichtlich der verschuldeten Auswirkungen der Tat auch solche von Belang sein können, die geeignet sind, „eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich“ zu beeinträchtigen. Zudem sollen die Regelbeispiele für besonders schwere Fälle in § 113 Abs. 2 S. 2 StGB ergänzt werden. „Ein besonders schwerer Fall soll regelmäßig auch dann vorliegen, wenn die Tat mittels eines hinterlistigen Überfalls begangen wird. Diese Begehungsweise ist als besonders gefährlich etwa für die angegriffenen Polizei- und Rettungskräfte und als besonders verwerflich zu bewerten.“ Daher soll künftig „unabhängig vom Vorliegen anderer Regelbeispiele regelmäßig der erhöhte Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe Anwendung finden.“ So komme der spezifische Unrechtsgehalt deutlicher zum Ausdruck. 

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann dazu: „Wer sich in den Dienst unserer Gesellschaft stellt, verdient unseren Schutz. Das gilt im Beruf, zum Beispiel als Rettungskraft oder Polizist, und auch im Ehrenamt, etwa beim Engagement in einer Partei oder Bürgerinitiative. Deshalb werden wir das Strafgesetzbuch anpassen, um Angriffe auf diese Personengruppen künftig noch effektiver sanktionieren zu können. So stärken wir den Schutz für die Menschen, die sich besonders für unsere Gesellschaft und ihre Mitmenschen einsetzen.“

Am 4. September 2024 veröffentlichte das BMJ einen Regierungsentwurf zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten. Der Regierungsentwurf orientiert sich weitgehend an dem Inhalt des Referentenentwurfs, beinhaltet aber einzelne Modifikationen.

Der Regierungsentwurf hält an der geplanten Ergänzung des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB fest. Danach sollen Gerichte bei der Strafzumessung auch die Auswirkungen der Tat auf eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit berücksichtigen. Diese Aspekte können de lege lata jedoch bereits von Gerichten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, wodurch die Ergänzung allein zur Klarstellung und Bekräftigung der geltenden Rechtslage diene. Vielmehr soll die Ergänzung die Gerichte und Ermittlungsbehörden tiefergehend für die konkreten Tatauswirkungen sensibilisieren. Zudem soll auch an der geplanten Ergänzung des § 113 Abs. 2 StGB festgehalten werden, wonach zukünftig ein neues Regelbeispiel in § 113 Abs. 2 S. 2 StGB eingefügt wird. Dadurch soll eine Tatbegehung mittels hinterlistigen Überfalls, die regelmäßig einen besonders schweren Fall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte darstelle, mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. Die Vorschrift ist trotz ihrer Verortung in § 113 Abs. 2 S. 2 StGB nicht nur auf Vollstreckungsbeamte anwendbar; vielmehr gelten gem. § 115 StGB die Vorschriften der §§ 113 f. für andere, den Vollstreckungsbeamten gleichgestellte Personengruppen entsprechend. Die Ergänzung soll unter anderem den Respekt und die Wertschätzung für die jeweiligen Personengruppen unterstreichen.

Eine im Referentenentwurf noch nicht enthaltene, jedoch im Regierungsentwurf postulierte Änderung ist die Erweiterung des Anwendungsbereiches der §§ 105 und 106 StGB auch die europäische und kommunale Ebene. Danach sollen auch europäische und kommunale Organe gesondert geschützt werden, um die Funktionsfähigkeit und -freiheit dieser Ebenen der Demokratie zu gewährleisten. Abschließend will der Regierungsentwurf nunmehr den Weg für den Einsatz von Tasern bei Ausübung öffentlicher Gewalt ebnen. Der Regierungsentwurf schlägt eine Ergänzung des § 2 Abs. 4 S. 1 UzwG vor, wonach Distanz-Elektroimpulsgeräte (DEIG) ausdrücklich in der genannten Rechtsvorschrift benannt werden sollen. Bisher wurde in der rechtswissenschaftlichen Forschung in Frage gestellt, inwiefern sich DEIG unter die bislang in § 2 Abs. 4 UZwG genannten Waffengruppen fassen lassen. Durch die Ergänzung soll eine rechtssichere Grundlage zur Nutzung von Tasern bereitgestellt werden.

Nunmehr hat der Bundesrat am 27. September 2024 zu den geplanten Änderungen durch den Regierungsentwurf Stellung bezogen (BR-Drs. 423/24[B]). Hierbei fordert der Bundesrat zahlreiche Ausweitungen des bisherigen Entwurfs. Dies gilt insbesondere für die erfassten Personengruppen sowie für die Ausgestaltung einzelner Straftatbestände. Auch Bezirksverordnetenvertreter in Berlin sollen hinreichend durch die Änderungen erfasst werden. Zudem soll der Straftatbestand der Nötigung des Bundespräsidenten oder von Mitgliedern von Verfassungsorganen erweitert werden. Künftig soll es auch strafbar sein, wenn Mitglieder von Verfassungsorganen dazu genötigt werden, teilweise oder ganz ihr Mandat aufzugeben. Der Bundesrat schlägt zudem einen neuen Straftatbestand vor, der das sog. politische Stalking erfassen soll. Dadurch solle eine Einflussnahme durch bedrohliche Übergriffe in das Privatleben von politischen Entscheidungsträgern verhindert werden. Die Bundesregierung soll sich nun mit der Stellungnahme des Bundesrates befassen. Der Gesetzentwurf wird von der Bundesregierung mit ihrer Antwort auf die Stellungnahme des Bundesrates dem Bundestag weitergeleitet.  

Am 27. September 2024 hat die Bundesregierung den Gesetzesentwurf dem Bundestag vorgelegt. Er wurde am 10. Oktober 2024 neben einem weiteren Entwurf der Faktion CDU/CSU in erster Lesung im Bundestag beraten. Der Entwurf der Oppositionsfraktion geht inhaltlich weiter als der vorgelegte Regierungsentwurf und sieht vor: 

  • den Strafrahmen von § 113 Abs. 1 StGB auf 3 Monate bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe und von § 113 Abs. 2 StGB auf bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe anzuheben 
  • in § 113 StGB einen neuen Abs. 3 einzufügen, der die Begehung „mittels eines hinterlistigen Überfalls bzw. bei Verwendung einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs oder wenn der Täter den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung
    bringt“ mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe bestraft
  • den Tatbestand des § 114 StGB auszuweiten, so dass der geschützte Personenkreis auch außerhalb des Dienstes erfasst wird und die Tat auch „in Beziehung auf den Dienst“ begangen werden kann 
  • die Mindeststrafe in § 114 StGB auf 6 Monate Freiheitsstrafe anzuheben
  • über eine Ergänzung in § 115 StGB den Schutzbereich des § 114 auf Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten sowie sonstige Angehörige der Gesundheitsberufe zu erweitern
  • in § 145 Abs. 3 StGB einen Qualifikationstatbestand für den Fall zu ergänzen, dass „der Täter sich bei der Tat bewusst ist, dass im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tat eine real bestehende Gefährdungslage gegeben ist“ und
  • den Strafrahmen des § 323c Abs. 2 StGB auf eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren anzuheben. 

Am 14. Oktober 2024 fand im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Die Sachverständigenliste bestand zur einer Hälfte aus Vertretern des geschützten Personenkreises und zur anderen Hälfte aus Jurist:innen. Letztere warnten eingehend vor einer Überregulierung. Prof. Dr. Anja Schiemann von der Universität zu Köln erklärte, dass eine Erhöhung des Strafrahmens für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nicht zielführend sei. Dies habe bereits die vergangene Strafschärfung gezeigt, die zu keinem Rückgang der Fallzahlen geführt habe. Zudem sei eine Klarstellung, dass im Rahmen der Strafzumessung die „Eignung der Tat, eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen“ zu berücksichtigen sei, nach aktueller Gesetzeslage nicht erforderlich. Auch Dr. Johannes Schrägle von der Neuen Richtervereinigung kritisierte die geplante Klarstellung. Die Formulierung „dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit“ sei zu unbestimmt, so dass Rechtsunsicherheiten entstehen könnten. Rechtsanwältin Dr. Lara Wolf fand noch klarere Worte und erklärte, dass eine solche Berücksichtigung in der Strafzumessung gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoße und „klar gesetzeswidrig“ sei. Dr. Rainer Spatscheck vom Deutschen Anwaltverein sprach sich für eine Erweiterung des Personenkreises auf europäische und kommunale Funktionsträger aus, sah aber keinen Grund für die Erweiterung der Tathandlungen, da bereits alle entsprechenden Handlungen mit „Strafe belegt“ seien. Wolf ergänzte, dass es sich bei Taten wie dem hinterlistigen Überfall um „Spontanreaktionen“ handle, denen eben kein planmäßiges Vorgehen zugrunde liege. Daher seien Strafschärfungen in diesem Zusammenhang ohne Wirkung. Richterin am BGH Dr. Angelika Allgayer überzeugte die Aufnahme des hinterlistigen Überfalls in den Straftatbestand. Dies sei gesetzessystematisch und zielgerichtet. Auch die Anhebung des Strafrahmens sei angemessen. Weitere Änderungen lehnte sie jedoch ebenfalls ab. Die Vertreter aus dem medizinischen Bereich berichteten von immer mehr gezielten Angriffen auf Rettungskräfte. René Burfeindt vom Deutschen Roten Kreuz betonte, dass es meist zu Verfahrenseinstellungen komme, da zunächst der Patient im Vordergrund stehe und es hinterher schwierig sei, den Beweis für den Angriff zu erbringen. Andreas Gassen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erläuterte, dass auch die Gewalt in Arztpraxen immer weiter zunehme und ähnliche Ausmaße angenommen habe, wie die Angriffe auf Rettungskräfte. Auch er beklagte häufige Verfahrenseinstellungen. Der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt ergänzte, dass die Drohungen in den häufigsten Fällen von Männern ausgingen und sich besonders gegen Mitarbeiterinnen richteten. Dies erfordere den Einsatz von Sicherheitsdiensten, was zum einen Kosten verursache und zum anderen eigentlich Aufgabe des Staates sei. Dr. Christoph Weltecke vom Deutschen Feuerwehrverband berichtete von einer zunehmenden Respektlosigkeit und Aggression gegenüber Rettungskräften und mahnte, dass die bestehenden Regelungen besser angewendet werden müssten. Sven Tetzlaff von der Körber-Stiftung erläuterte, dass nach einer Umfrage der Stiftung 40 % der ehrenamtlichen Bürgermeister:innen angaben, bereits einmal einen Angriff gegen sich oder eine nahestehende Person erlebt zu haben. Daher begrüßte er besonders die Einbeziehung von Kommunalpolitikern.

Am 22. November 2024 beschäftigte sich der Bundesrat mit einem Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg (BR-Drs. 456/24) zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften. Aufgrund eines zahlenmäßig kontinuierlichen Anstiegs von Gewalttaten gegen Polizeibeamt:innen innerhalb der letzten 10 Jahre mit besorgniserregenden Höchstwerten, sei dringend Handlung geboten. In jedem zweiten Fall handele es sich um einen tätlichen Angriff, der wiederum für zwei Drittel aller verletzter Polizeibeamte:innen im Land verantwortlich sei. Das dem tätlichen Angriff innewohnende erhöhte Gefährdungspotential sollte auf Vorschlag Baden-Württemberg stärker sanktioniert werden. Der Gesetzentwurf sah daher vor, die Strafandrohung des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gemäß § 114 Abs. 1 StGB auf eine Mindeststrafe von 6 Monaten Freiheitsstrafe anzuheben. Die Strafrahmenobergrenze von 5 Jahren Freiheitsstrafe sollte unangetastet bleiben. Zudem sollte die Mindeststrafe in besonders schweren Fällen (§ 113 Abs. 2 S. 1, ggf. i.V.m. § 114 Abs. 2 StGB) von 6 Monaten Freiheitsstrafe auf ein Jahr Freiheitsstrafe angehoben werden. Der Antrag erhielt jedoch nicht die erforderliche Mehrheit. 

 

 

 

Strafbarkeit des Werbens für terroristische Vereinigungen

Gesetzentwürfe: 

Das Land Baden-Württemberg hat am 5. Juli 2024 einen Gesetzesantrag zur Strafbarkeit des Werbens für terroristische Vereinigungen in den Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 320/24). Da Handlungen von terroristischen Vereinigungen gesellschaftliche Spannungen verstärken, soll zur Verteidigung der freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung der Straftatbestand des § 129 StGB geändert werden. So soll das Werben für terroristische Vereinigungen auch dann erfasst sein, wenn es nicht explizit auf die Gewinnung neuer Mitglieder gerichtet ist. Der Staat trage eine besondere Verantwortung den Gefahren der öffentlichen Sicherheit frühzeitig entgegenzutreten und zu bekämpfen. Die Länderinitiative nimmt Bezug auf den tödlichen Messerangriff in Mannheim vom 31. Mai 2024. Dies zeige, dass es staatlichen Maßnahmen bedürfe, um eine Radikalisierung der Gesellschaft einzudämmen. Auch Sympathiewerbung könne „zu erheblichen Gefahren für den öffentlichen Frieden und die innere Sicherheit führen“. Eine große Bedeutung komme dabei auch den sozialen Medien zu. Auf diese Weise würden besonders jugendliche Personen beeinflusst, die bei der Suche nach Orientierung dafür besonders anfällig seien. Es sei daher „erforderlich und geboten bereits die Verbreitung und Etablierung von Propaganda zugunsten terroristischer Vereinigungen zu verhindern, um die Bevölkerung vor diesen Ideologien zu schützen, bevor diese bei einzelnen Personen auf fruchtbaren Boden fallen und die Agitation“ verfange. Der Gesetzentwurf sieht daher vor, in § 129 Abs. 5 S. 2 StGB die Wörter „um Mitglieder und Unterstützer“ zu streichen und damit den Zustand vor der Gesetzesänderung im Jahr 2002 wiederherzustellen. 

 

 

 

Beschränkung der Laienverteidigung

Gesetzentwürfe: 

Der Freistaat Bayern hat am 14. Juni 2024 einen Gesetzesantrag zur Beschränkung der Laienverteidigung in den Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 206/24). Gem. § 138 Abs. 1 StPO ist es grundsätzlich nur Rechtsanwälten oder Hochschullehrern mit Befähigung zum Richteramt möglich, die Verteidigung in Strafsachen zu übernehmen. Ausnahmsweise kann durch das Gericht auch ein Laienverteidiger zugelassen werden (§ 138 Abs. 2 StPO), sofern die Person als Rechtsanwalt oder Volljurist tätig ist. Sie muss nach Ansicht des Gerichts hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Verteidigung sachkundig und vertrauenswürdig sein und es dürfen keine sonstigen Bedenken gegen die gewählte Person bestehen. Nach Ansicht des Freistaates Bayern berge dies aber die Gefahr, dass aus Unkenntnis Personen als Laienverteidiger zugelassen werden, die eine extremistische oder staatsfeindliche Weltanschauung vertreten und den Gerichtssaal als „Plattform für öffentlichkeitswirksame Propaganda“ nutzen wollen. „Extremisten – etwa aus dem Reichsbürgermilieu –, aber auch manchen Aktivisten geht es in manchen Fällen nicht um eine – zulässigerweise auch hart geführte – sachliche Auseinandersetzung mit der Anklage im Rahmen der Strafprozessordnung, sondern um ein ‚Sprengen‘ der Gerichtsverhandlung, um eine Verurteilung zu verhindern, oder um diese zumindest stark zu verzögern. Oder die Hauptverhandlung und das Rederecht der Verteidigung sollen als Bühne genutzt werden, um – möglichst vor den Augen der Öffentlichkeit – verfahrensfremden politischen Aktivismus darzubieten“, so der Entwurf. Zwar kann auch nachträglich die Zulassung des Verteidigers entzogen werden, allerdings ist dies für das Gericht mit einem hohen Aufwand und mit einem weiteren Eskalationsrisiko verbunden. Um der Gefahr gerecht zu werden, soll das Institut der Laienverteidigung beschränkt werden. Der Entwurf sieht daher vor, die Verteidigungsmöglichkeiten in § 138 Abs. 2 StPO auf geeignete Personen oder Berufsgruppen zu beschränken. 

In § 138 Abs. 2 wird nach Satz 1 folgender Satz 2 eingefügt:

„Eine Genehmigung nach Satz 1 kann nur folgenden Personen erteilt werden:

  1. Volljährigen Angehörigen des Beschuldigten,

  2. Personen mit Befähigung zum Richteramt, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit für den Beschuldigten steht,

  3. Vertretern von Berufsverbänden, Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Vertreter von Zusammenschlüssen mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder oder

  4. Vertretern von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 3 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit ihrer Vertreter haftet.“

 

 

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