Verbesserung des strafrechtlichen Opferschutzes in Fällen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener

Gesetzentwürfe: 

 

Die Länder Rheinland-Pfalz und Saarland haben am 8. März 2022 einen Gesetzesantrag zur Verbesserung des Opferschutzes in Fällen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in den Bundesrat eingebracht (BR Drs. 103/22). Ziel des Entwurfes ist es, die strafrechtliche Verfolgung der Verunglimpfung Verstorbener nicht mehr uneingeschränkt von einer Strafantragstellung der Angehörigen abhängig zu machen, so dass bei Bejahung eines öffentlichen Interesses auch eine Strafverfolgung von Amts wegen in Betracht kommt. Zudem soll ein Antragsrecht des letzten Dienstvorgesetzten ergänzt werden, wenn besonders verletzende Äußerungen getätigt werden, die im Zusammenhang mit der Dienstausübung des Verstorbenen in seiner Funktion als Amtsträger stehen. 

Hintergrund des Antrags ist das Tötungsdelikt vom 31. Januar 2022 zum Nachteil einer Polizeibeamtin und eines Polizeibeamten bei Kusel. Die zuständige Ermittlungsgruppe hat in dem Zusammenhang 736 Hasskommentare in den sozialen Medien gefiltert, von denen bei 509 Kommentaren eine strafrechtliche Relevanz zu bejahen ist. Auch Angehörige wurden in den Kommentaren nicht ausgenommen. Soziale Medien mit einer derart großen Reichweite und Schnelligkeit seien bei der damaligen Konzeption des § 189 StGB als absolutes Antragsdelikt noch unbekannt gewesen. Jedoch seien „(d)ie den Verlust betrauernden Angehörigen als Opfer von solchen, ihre nahen Angehörigen betreffenden Straftaten anzusehen. Sie treten quasi an deren Stelle. Durch die wiederkehrende Konfrontation mit den ehrverletzenden, herabwürdigenden Äußerungen werden deren belastende psychische Auswirkungen verstärkt und verlängert. Der Prozess der Konfrontation mit derartigen Äußerungen kann sich über Wochen hinziehen und den Angehörigen jedesmal erneut emotionale Wunden zufügen, die die Trauerbewältigung erschweren.“

Daher sieht der Gesetzentwurf die Ergänzung des § 194 Abs. 2 StGB vor, die eine strafrechtliche Verfolgung von Taten gemäß § 189 StGB auch ohne Strafantrag der Angehörigen und bei Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses vorsieht. Das Antragsrecht des Dienstvorgesetzten soll in § 194 Abs. 3 StGB ergänzt werden. 

Der federführende Rechtsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten haben bereits ihre Empfehlung zur Einbringung des Gesetzentwurfs in den Bundestag ausgesprochen (BR Drs. 103/1/22). Einen entsprechenden Entschluss fasste das Plenum in seiner Sitzung am 8. April 2022 und brachte den Entwurf am 27. Mai 2022 auf den Weg. 

Rauchverbot in geschlossenen Fahrzeugen – Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes

Gesetzentwürfe: 

 

Die Länder Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben am 22. Februar 2022 einen Gesetzesantrag zur Änderung des BNichtrSchG in den Bundesrat eingebracht.

Die Initiative ist wortgleich mit einem dem Grundsatz der Diskontinuität unterfallenen Entwurf aus der 19. Legislaturperiode (BR Drs. 435/19 (B)). Zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens soll bei Anwesenheit von Schwangeren oder Kindern in geschlossenen Fahrzeugen das Rauchen verboten werden. Die Erwartungen, dass auf freiwilliger Basis auf das Rauchen in ebendiesen Fällen verzichtet werde, hätten sich nicht erfüllt. Gemäß dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg seien in etwa eine Million Kinder in Deutschland dem Tabakrauch im Auto ausgesetzt, was zu einem „um 50 bis 100 Prozent erhöhtes Risiko für Infektionen der unteren Atemwege, für Asthma, Bronchitis oder Lungenentzündung“ führe. Die Kleinkinder hätten zudem ein erhöhtes Risiko für Mittelohrentzündungen sowie für Herz-Kreislauf Schädigungen. Daher seien „zur Bestrafung, zur Normbekräftigung und Aufrechterhaltung des Rechtsbewusstseins und präventiv zur Abschreckung deutliche Geldbußen notwendig.“ Diese sollen in Höhe von 500 bis 3.000 EUR drohen. 

Am 11. März 2022 hat der Bundesrat auf Antrag der Länder direkt und ohne vorherige Ausschussberatungen über die Länderinitiative entschieden und den Gesetzentwurf am 29. April 2022 in den Bundestag eingebracht. Die Bundesregierung äußerte in ihrer Stellungnahme (BT Drs. 20/1531) jedoch verfassungsrechtliche Bedenken und kündigte an, den gesetzgeberischen Handlungsbedarf prüfen zu lassen. Grundsätzlich begrüße sie aber einen Rauchverzicht im Auto bei Anwesenheit von Minderjährigen uneingeschränkt. 

 

Novellierung des Rechts der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB

Gesetzentwürfe: 

Bericht der Bund-Länder Arbeitsgruppe: 

Im Oktober 2020 wurde auf Initiative der Gesundheit- und Justizministerkonferenz durch das BMJV eine Bund-Länder Arbeitsgruppe zur Prüfung des Novellierungsbedarfs zum Recht zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB ins Leben gerufen. Am 13. Januar 2022 veröffentlichte das BMJV schließlich den Abschlussbericht. Dieser enthält einen Regelungsvorschlag, der sich stärker auf die Unterbringung von wirklich behandlungsbedürftigen und behandlungsfähigen Straftäter*innen beschränkt um die Entziehungsanstalten zu entlasten. Hierzu sollen insbesondere die Anordnungsvoraussetzungen enger gefasst werden. 

Dazu Justizminister Dr. Marco Buschmann

„(…) Die Behandlung der Straftäterinnen und Straftäter in den Entziehungsanstalten sollte sich daher wieder stärker auf diejenigen Personen konzentrieren, die wirklich eine Therapie brauchen. Nur so lassen sich gute Behandlungserfolge erreichen und eine weitere Überlastung der Kliniken vermeiden. Aus diesem Grund ist es gut, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe nun einen umfassenden Bericht mit konkreten Regelungsvorschlägen vorgelegt hat. Diese bieten eine sehr gute Grundlage für die Überarbeitung des Sanktionenrechts im Bereich des Maßregelvollzugs. Ich werde zeitnah einen Entwurf vorlegen, in den die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe einfließen werden.“

Am 11. Mai 2022 brachte die Fraktion CDU/CSU einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in den Bundestag ein (BT Drs. 20/1723). Um eine Entlastung des Maßregelvollzugs zu erreichen, soll zunächst die Orientierung der Reststrafaussetzung am Halbstrafenzeitpunkt abgeschafft werden. Damit soll in Zukunft die vorzeitige Aussetzung zur Bewährung nur noch ab dem Zweidrittelzeitpunkt möglich sein (§ 67d Abs. 5 S. 2 StGB-E). Bei den meist schon mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getretenen Personen bestünde ohne die Sonderregelung im Maßregelvollzug eine nur geringe Chance auf vorzeitige Haftentlassung und regelmäßig erst ab 2/3 der verbüßten Strafe. Aus den Belegungszahlen der Entziehungsanstalten, dem Wandel in der Struktur der Klientel und aus konkreten Erfahrungen aus der richterlichen und forensischen Praxis schließt die Fraktion, dass die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung bereits zum Halbstrafenzeitpunkt aus Sicht der Angeklagten einen sachwidrigen Anreiz bieten könne – gerade bei hohen Begleitstrafen – die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vorzuziehen. Dies sei mit dem Grundgedanken des Maßregelvollzugs nur schwer vereinbar. 

Des Weiteren sieht der Entwurf vor, die Anordnungsvoraussetzungen entsprechend dem Ergebnis der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu reformieren. Im Falle einer sofortigen Beschwerde durch den Verurteilten soll in § 67d Abs. 5 StGB-E eindeutig formuliert werden, dass es durch Einlegung der Beschwerde trotzdem bei der sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen Entscheidung bleibt (§ 307 Abs. 1 StPO). Schließlich soll auch eine Anhörung nur noch dann verpflichtend sein, wenn nach Einschätzung des Gerichts eine Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt tatsächlich konkret zu erwägen sei. Dies biete den Gerichten einen größeren Einschätzungsspielraum für die Frage der Anhörung eines Sachverständigen. 

Am Abend des 1. Dezember 2022 wurde der Entwurf der Fraktion CDU/CSU in 2. und 3. Lesung beraten und mit den Stimmen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Linke abgelehnt. Der Rechtsausschuss hatte zuvor eine entsprechende Beschlussempfehlung vorgelegt (BT Drs. 20/4726). Als Hauptgrund für die Ablehnung wurde der sich durch das BMJ in Vorbereitung befindende Gesetzentwurf zur Überarbeitung des Sanktionenrechts (nähere Informationen dazu finden Sie hier) angeführt. Er werde viele Punkte enthalten, die auf Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion stoßen würde. 

 

 

 

 

 

 

 

Verordnung zur Regelung der technischen und organisatorischen Umsetzung der Mitwirkungspflichten nach § 2 Absatz 1a Satz 1 Nummer 4 des Artikel 10-Gesetzes (G 10-Mitwirkungsverordnung – G 10-MitwV)

Verordnungsentwurf: 

  • Verordnung des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vom 12. Oktober 2021: BR Drs. 762/21

 

Am 9. Juli 2021 ist in weiten Teilen das Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts (BGBl. I 2021, S. 2274 ff.) in Kraft getreten. Es war Teil des von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmenpakets zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus. Das Gesetz beinhaltet unter anderem die Festschreibung einer ausdrücklichen Regelung zur Quellen-TKÜ. 

Zur Durchführung einer TKÜ wird eine Software auf das Endgerät der zu überwachenden Person installiert, wozu regelmäßig die Mitwirkung des Telekommunikationsunternehmens erforderlich ist. § 2 Abs. 1a S. 1 Nr. 4 des Art. 10-Gesetzes setzt hierfür bereits Unternehmenspflichten fest: 

(…) 
a) durch Mitteilung der zur Erbringung in den umgeleiteten Datenstrom erforderlichen Informationen über die Strukturen der von ihm betriebenen Telekommunikationsnetze und Telekommunikationsanlagen sowie die von ihm erbrachten Telekommunikationsdienste;

b) durch sonstige Unterstützung bei der Umleitung einschließlich der Gewährung des Zugangs zu seinen Einrichtungen während seiner üblichen Geschäftszeiten sowie der Ermöglichung der Aufstellung und des Betriebs von Geräten für die Durchführung der Maßnahme.“

Gemäß § 2 Abs. 1b des Art. 10-Gesetzes ist das BMI ermächtigt, „das Nähere zur technischen und organisatorischen Umsetzung der Mitwirkungspflichten nach Abs. 1a S. 1 Nr. 4 (durch Rechtsverordnung) zu bestimmen“. Hiervon hat es am 12. Oktober 2021 Gebrauch gemacht und einen Verordnungsentwurf zur Regelung der technischen und organisatorischen Umsetzung der Mitwirkungspflichten in den Bundestag eingebracht (BR Drs. 762/21). Am 17. Dezember 2021 beschäftigte sich der Bundesrat mit dem Verordnungsentwurf und stimmte entgegen der Empfehlung des Innen- und Wirtschaftsausschusses gegen den Vorschlag des BMI. 

 

 

 

Vorschlag der EU-Kommission zur Ausweitung der EU-Straftatbestände auf Hetze und Hasskriminalität

Gesetzentwürfe: 

 

Die EU-Kommission hat am 9. Dezember 2021 eine Initiative (COM(2021) 777 final) vorgelegt, Hetze und Hasskriminalität in die EU-Straftatbestände aufzunehmen. Hierzu muss der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) erweitert werden, denn derzeit gibt es dafür keine Rechtsgrundlage. 

Als Gründe für die Initiative nannte die EU-Kommission: 

    • „Grenzüberschreitende Dimension von Hetze und Hasskriminalität: Hetze im Internet verbreitet sich schnell und ist für alle überall zugänglich. Die Ideologien hinter Hetze und Hasskriminalität können international entwickelt und rasch online verbreitet werden. Hasskriminalität kann von Netzwerken mit Mitgliedern aus mehreren Ländern begangen werden.
    • Hetze und Hasskriminalität als Kriminalitätsbereich: Die Kommission ist der Auffassung, dass Hetze und Hasskriminalität ein Kriminalitätsbereich sind, da ihnen ein wesentliches Merkmal gemein ist, und zwar ,Hass‘ gegen Personen oder Gruppen von Personen, die ein geschütztes Merkmal teilen (oder als dieses teilend wahrgenommen werden).
    • Hetze und Hasskriminalität als ein Bereich besonders schwerer Kriminalität: Hetze und Hasskriminalität sind besonders schwere Straftatbestände, da sie die gemeinsamen Werte und Grundrechte der EU untergraben, wie sie in den Artikeln 2 und 6 des Vertrags über die Europäische Union sowie in der Charta verankert sind. Sie haben schädliche Auswirkungen auf Einzelne, ihre Gemeinschaften und die Gesellschaft insgesamt.
    • Entwicklungen im Bereich der Kriminalität: Aufgrund verschiedener wirtschaftlicher, sozialer und technologischer Veränderungen und Entwicklungen ist eine stetige Zunahme dieser beiden Phänomene zu beobachten. Die COVID-19-Pandemie war einer der Faktoren, die zu dieser Zunahme beigetragen haben.
    • Keine Alternativen zur Erweiterung der Liste der EU-Straftatbestände: Hetze und Hasskriminalität werden in den EU-Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Maße unter Strafe gestellt. Nur indem Hetze und Hasskriminalität in die Liste der EU-Straftatbestände aufgenommen werden, kann ein wirksamer und umfassender strafrechtlicher Ansatz auf EU-Ebene sowie ein kohärenter Schutz der Opfer solcher Handlungen ermöglicht werden.“

Damit die Kommission in einem nächsten Schritt einen Legislativvorschlag vorlegen kann, müssen zunächst die Mitgliedstaaten die Initiative billigen. Sie ist Teil des EU-Maßnahmenpakets zum Vorgehen gegen illegale Hetze, gewalttätige extremistische Ideologien und Terrorismus im Internet. 

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung

Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2022, zur elektronischen Erhebung der Bankenabgabe und zur Änderung der Strafprozessordnung, vom 25. März 2022: BGBl. I 2022, S. 571 ff. 

Gesetzentwürfe: 

 

Am 8. Dezember 2021 hat die Fraktion der CDU/CSU einen Gesetzentwurf zur Berichtigung des § 110d StPO in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 20/204). 

Mit dem Gesetz zurVerbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte sowie Bekämpfung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vom 14. September 2021 (BGBl. I 2021, S. 4250 ff. ) wurde in Art. 2 auch eine Änderung des § 110d StPO (Besonderes Verfahren bei Einsätzen zur Ermittlung von Straftaten nach den §§ 176e und 184b des Strafgesetzbuches) vorgenommen. Dort ist nunmehr in § 110d Abs. 1 S. 1 StPO für Einsätze die Zustimmung des Gerichts erforderlich, sofern es sich um eine entsprechend § 176e Abs. 5 StGB begangene Tat nach § 176e Abs. 1 StGB handelt (sog. Keuschheitsproben). Durch die fehlenden Bezugnahme auf § 176e Abs. 3 StGB wurde der Richtervorbehalt nicht auf alle Tathandlungen des § 176e Abs. 5 StGB erstreckt. Zudem wurde in § 110d S. 1 StPO fälschlicherweise nicht auf § 184b StGB, sondern auf § 184 StGB verwiesen, in dem zusätzlich die falsche Fassung des Gesetzes zugrunde gelegt wurde. Richtigerweise muss der Verweis in § 110d S. 1 StPO lauten: § 184b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 4  und S. 2 StGB. Diese Fehler sollen nun korrigiert werden.

§ 110d S. 1 StGB soll wie folgt gefasst werden:

„Einsätze, bei denen entsprechend § 176e Absatz 5 oder § 184b Absatz 6 des Strafgesetzbuches Handlungen im Sinne des § 176e Absatz 1 und 3 oder § 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 des Strafgesetzbuches vorgenommen werden, bedürfen der Zustimmung des Gerichts.“ 

Am 16. Februar 2022 beschäftigte sich der Rechtsausschuss mit der Berichtigung des § 110d StPO. Die Mehrheit stimmte für einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum ERP-Wirtschaftsplangesetz (BT Drs. 20/336) in den der Entwurf der Fraktionen CDU/CSU aufging. Letzteren erklärte der Rechtsausschuss daraufhin einstimmig für erledigt. Am 17. Februar 2022 wurde das ERP-Wirtschaftsplangesetz in der Fassung des Wirtschaftsausschusses (BT Drs. 20/736) im Bundestag verabschiedet. Am 11. März 2022 stimmte auch der Bundesrat für den Entwurf. 

Das Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2022, zur elektronischen Erhebung der Bankenabgabe und zur Änderung der Strafprozessordnung wurde am 25. März 2022 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2022, S. 571 ff. ) und tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 

 

 

 

Verbesserung des Schutzes vor Impfpassfälschungen

Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite: BGBl I 2021, S. 4906 ff.

Gesetzentwürfe: 

 

Die Fraktionen der SPD, Grünen und der FDP haben am 8. November einen Entwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vorgestellt. Die epidemische Lage nationaler Tragweite soll auslaufen und im StGB soll die Fälschung von Impfpässen explizit unter Strafe gestellt werden.

Die Fraktion der CDU/CSU hat am 11. November 2021 einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes vor Impfpassfälschungen in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 20/27). Die Corona-Pandemie habe deutlich gemacht, dass gefälschte Gesundheitszeugnisse erhebliche Gefahren für den Gesundheitsschutz Dritter mit sich bringen. Eine Privilegierung solcher Verhaltensweisen – wie nach geltender Rechtslage – sei rechtspolitisch verfehlt. 

Die Privilegierung der Fälschung von Gesundheitszeugnissen sieht die Fraktion darin, dass die Tatbestände der §§ 277-279 StGB als Strafrahmen Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem, bzw. bis zu zwei Jahren vorsehen, im Vergleich dazu eine Urkundenfälschung aber mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis fünf Jahren geahndet werden kann. Des Weiteren sehen die §§ 277-279 StGB keine Versuchsstrafbarkeit vor und die Täuschung muss sich tatbestandlich gegen eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft richten. Dies entfalte nach herrschender Auffassung eine umfassende Sperrwirkung der §§ 277-279 StGB gegenüber dem Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und lasse eine Strafbarkeitslücke entstehen. 

Der Entwurf sieht daher Änderungen in den Tatbeständen der §§ 277-279 StGB vor: 

  • die Täuschung soll sich nicht mehr auf Behörden und Versicherungsgesellschaften beschränken
  • Einführung einer Versuchsstrafbarkeit in §§ 278 und 279 StGB
  • Anhebung der Strafrahmen
  • Einführung von besonders schweren Fällen 

Darüber hinaus sollen „besonders verwerfliche und in ihren Auswirkungen besonders gefährliche Urkundenfälschungen in Bezug auf Impfnachweise betreffend bedrohlich übertragbare Krankheiten“ in den Katalog der Regelfälle des § 267 Abs. 3 StGB aufgenommen werden, die eine besonders schwere Urkundenfälschung darstellen. Im Infektionsschutzgesetz ist eine Anhebung der Strafrahmen der §§ 74 Abs. 2 und 75a IfSG vorgesehen. 

Am 15. November 2021 fand im Hauptausschuss eine öffentliche Anhörung zur Feststellung des Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BT Drs. 19/32091) und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (BT Drs. 20/15) statt, in der auch die Verbesserung des Schutzes vor Impfpassfälschungen thematisiert wurde. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Prof. Dr. Jörg Eisele zeigte sich grundsätzlich überzeugt von den Entwürfen. Kritisiert wurden von ihm Inkonsequenzen bei der Strafhöhe der Vorbereitungsdelikte und ein generell zu geringer Strafrahmen bei den §§ 277 bis 279 StGB-E, der erneut zur Annahme einer Sperrwirkung zum IfSG führen könne, so Eisele. Auch Prof. Dr. Thomas Weigend begrüßte die Ausweitung der Strafbarkeit, um bisher bestehende Lücken zu schließen. Seiner Meinung nach sollten allerdings auch Apotheker explizit als mögliche Täter in §§, 277 und 278 StGB-E aufgenommen werden. Der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion verwende fälschlicherweise mehrfach den Begriff der „Fälschung“, der auf den hier geregelten Fall der schriftlichen Lüge nicht passe. Der drastisch erhöhte Strafrahmen in diesem Entwurf überzeuge ebenfalls nicht.

Am 18. November 2021 votierte der Bundestag mit Mehrheit der Koalitionsfraktionen für den Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite.

Am 19. November 2021 stimmte auch der Bundesrat für das Gesetz.

Am 23. November 2021 wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet.

 

 

 

Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit)

Gesetz zur Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit) vom 21. Dezember 2021: BGBl. I 2021, S. 5252 f. 

 

Gesetzliche Regelung zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Freigesprochenen in § 362 Nr. 5 StPO verfassungswidrig

Entscheidung im Volltext 

Am 31. Oktober 2023 hat der Zweite Senat des BVerfG entschieden, dass § 362 Nr. 5 StPO mit dem in Art. 103 Abs. 3 GG statuierten ne bis in idem Grundsatz und dem Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 3  GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar und damit nichtig ist. Die Entscheidung erging im Ergebnis einstimmig. Im Hinblick auf die Abwägungsfestigkeit des grundrechtsgleichen Rechts des Art. 103 Abs. 3 GG erging die Abstimmung mit 6:2 Stimmen (Sondervotum Richter Müller und Richterin Langenfeld).

§ 362 Nr. 5 StPO wurde im Dezember 2021 durch das „Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit“ in die StPO eingefügt. Ein Strafverfahren gegen den rechtskräftig Freigesprochenen konnte demnach wiederaufgenommen werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes, Völkermordes, Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder des Kriegsverbrechens verurteilt wird. Der Verfassungsbeschwerde ging im Jahr 1983 ein Freispruch des Beschwerdeführers wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung und des Mordes voraus. Sie richtet sich gegen den Beschluss des LG Verden vom 25. Februar 2022 – 1 Ks 148 Js 1066/22, in dem es den Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft am LG Verden für zulässig erklärte und Untersuchungshaft anordnete sowie gegen den Beschluss des OLG Celle vom 20. April 2022 – 2 Ws 86/22 (zur Entscheidung des OLG Celle siehe auch die Anmerkung von Fischer, KriPoZ 2022, 128 ff.), das die hiergegen gerichtete Beschwerde verwarf. Der Beschwerdeführer sah seine Rechte aus Art. 103 Abs. 3 sowie aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verletzt.

Das BVerfG stellte nun klar, dass das abstrakte Prinzip des Strafklageverbrauchs in Art. 103 Abs. 3 GG als grundrechtsgleiches Recht ausgestaltet sei und dem Verurteilten wie Freigesprochenen gleichermaßen Schutz gewähre, der sich auch gegenüber dem Gesetzgeber entfalte. Dieser könne das Verbot mehrfacher Strafverfolgung nicht durch eine einfachgesetzliche Regelung der Wiederaufnahme umgehen. Vizepräsidentin des BVerfG Prof. Dr. Doris König äußerte bei der Urteilsverkündung, dass jeder Betroffene darauf vertrauen können müsse, dass er nach dem Abschluss eines regelmäßig durchgeführten strafgerichtlichen Verfahrens nicht nochmal wegen derselben Tat vor Gericht stehen müsse. Er dürfe nicht zum Objekt der Ermittlungen des wahren Sachverhalts gemacht werden. Soweit § 362 Nr. 5 StPO die Wiederaufnahme für Verfahren ermöglicht, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits abgeschlossen waren, verstoße dies gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und stellt eine „echte“ Rückwirkung dar, die grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig sei.

Ein abweichendes Votum erging durch Richter Müller und Richterin Langenfeld. Sie sehen den Gewährleistungsinhalt des Art. 103 Abs. 3 GG nicht als abwägungsfest und grundsätzlich für eine Ergänzung der bestehenden Wiederaufnahmegründe offen. Schließlich seien die Möglichkeiten einer Wiederaufnahme zuungunsten des Freigesprochenen gemäß § 362 Nr. 1-4 StPO verfassungsrechtlich unbedenklich und dem Gesetzgeber stehe eine Ergänzung der Wiederaufnahmegründe unter Beachtung verfassungsrechtlicher Grenzen offen. Art. 103 Abs. 3 GG sei insofern ein grundrechtsgleiches Recht, das verfassungsimmanenten Schranken unterliege. Die Wiederaufnahme gem. § 362 Nr. 5 StPO habe die Stabilisierung und Sicherung des Rechtsfriedens sowie die Durchsetzung von Normen zum Ziel und schütze damit höchstrangige Rechtsgüter. Darüber hinaus sei dies von fundamentalem völkerrechtlichen Interesse. Ob der streitgegenständliche § 362 Nr. 5 StPO verhältnismäßig und im engeren Sinne hinreichend bestimmt sei, bedürfe einer näheren Prüfung. Jedenfalls sei das Verbot der „echten“ Rückwirkung aus Art. 103 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG betroffen. 

Einen Alternativ- und Ergänzungsvorschlag zur Reform der Wiederaufnahme von Strafverfahren zuungunsten von Freigesprochenen machte bereits Dr. Boris Bröckers in KriPoZ 2022, 15 ff. und Prof. Dr. Wolfgang Mitsch widmete sich in KriPoZ 2023, 371 ff. der Frage, warum § 362 Nr. 5 StPO aufgehoben werden sollte.

 


Gesetzentwürfe: 

 

Am 9. Juni 2021 haben die Fraktionen der CDU/CSU und SPD einen Gesetzentwurf zur Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten des Verfahrens zuungunsten des Verurteilten gem. § 362 StPO in den Bundestag eingebracht. Hintergrund ist, dass bei einer Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten neue Tatsachen und Beweismittel als allgemeiner Wiederaufnahmegrund zugelassen sind, im umgekehrten Fall jedoch nicht. Hier ist ein glaubhaftes gerichtliches oder außergerichtliches Geständnis erforderlich. Dies führe nach Ansicht der Fraktionen zu unbefriedigenden Ergebnissen, insbesondere wenn bei den schwersten Straftaten nachträgliche Beweismittel einen eindeutigen Hinweis auf eine Täterschaft geben. So könnten beispielsweise neue technische Untersuchungsmethoden weitere Beweismittel liefern. 

Der Entwurf sieht daher vor, die Wiederaufnahme zuungunsten des Freigesprochenen bei schwersten Straftaten zu ermöglichen, wenn: 

  • nach Abschluss des Gerichtsverfahrens neue, belastende Beweismittel vorliegen
  • sich aus den Beweismitteln die hohe Wahrscheinlichkeit einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit ergibt und
  • eine Abwägung zwischen den Grundsätzen materieller Gerechtigkeit und des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit ergibt, dass das Festhalten an der Rechtskraft des freisprechenden Urteils zu unerträglichen Ergebnissen führt.

Letzteres wiege dann besonders schwer, wenn es sich um abgeurteilte Delikte handele, die nicht der Verjährung unterliegen. Daher bedürfe es eines weiteren eng umgrenzten Wiederaufnahmegrundes in § 362 StPO. Um dem Grundsatz ne bis in idem (Art. 103 Abs. 3 GG) gerecht zu werden, sollen die möglichen Fälle der Wiederaufnahme auf den Tatvorwurf des Mordes (§ 211 StGB) und auf den Vorwurf von  Tötungsverbrechen nach dem VStGB begrenzt werden, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind. 

Die Fraktionen schlagen vor, § 362 StPO eine Nr. 5 hinzuzufügen:

„5. wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermordes (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches) verurteilt wird.“

Am 11. Juni 2021 wurde der Gesetzentwurf nach einer halbstündigen Debatte zwecks weiterer Beratung in den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dort fand am 21. Juni 2021 bereits eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen finden Sie hier. Die Experten sprachen sich überwiegend für den Entwurf zur Wiederaufnahme von Strafverfahren aus. Wolfram Schädler betonte, dass in einem Rechtsstaat nicht beliebig Urteile ausgetauscht werden dürften, die mit ihrem Ergebnis missfallen. Der Entwurf sei aber dahingehend zu begrüßen, da er die Wiederaufnahme nur auf unverjährbare Delikte wie Mord oder Völkermord beschränke. Auch Prof. Dr. Jörg Eisele begrüßte den Entwurf und erklärte, dass dieser mit Art. 103 Abs. 3 GG durchaus vereinbar sei. Prof. Dr. Klaus F. Gärditz ergänzte, dass das öffentliche Interesse an einer schuldangemessenen Bestrafung in diesen Fällen von überragender Wichtigkeit sei. Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel erklärte, dass der Entwurf einer seit fast zwei Jahrzehnten geführten rechtswissenschaftlichen Debatte entspreche. Er bilde keineswegs die Basis für weitere Durchbrechungen der Rechtskraft durch zukünftige Gesetzesnovellen. 

Prof. Dr. Helmut Aust und Stefan Conen sahen den Entwurf kritischer und lehnten ihn aus verfassungsrechtlichen Gründen ab. Der Gesetzentwurf stehe insbesondere im Widerspruch zum Verbot der Doppelverfolgung. Aust sah außerdem noch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, wenn die vorgesehene Regelungen auch auf  „Altfälle“ Anwendung finde. Stefan Conen erinnerte in seiner Stellungnahme daran, dass ein solches Vorhaben bereits 2009 gescheitert sei und auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zuletzt 2016 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Erweiterung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten Freigesprochener Art. 103 Abs. 3 GG zuwiderlaufe. Dr. Ulf Buermeyer bewertete die derzeitige Debatte als kein gutes Zeichen für einen Rechtsstaat, da versucht werde, einen klaren Normbefehl zu relativieren. Der Bundestag soll sich bereits am 24. Juni 2021 abschließend mit dem Gesetzentwurf befassen. 

Am 24. Juni 2021 hat der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung in geänderter Fassung des Rechtsausschusses in zweiter und dritter Lesung angenommen. Am 17. September 2021 beschäftigte sich auch der Bundesrat abschließend mit dem Entwurf und verzichtete auf ein Vermittlungsverfahren. 

Das Gesetz zur Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit) vom 21. Dezember 2021 (BGBl. I 2021, S. 5252 f.) wurde am 29. Dezember 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat bereits einen Tag später in Kraft. 

 

 

 

 

 

 

 

EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden

Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vom 31.5.2023: BGBl I 2023, Nr. 140

Gesetzentwürfe: 

Die Europäische Kommission hat am 23. April 2018 einen Richtlinienvorschlag zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vorgelegt. Am 23. Oktober 2019 wurde diese Richtlinie verkündet. Sie hätte bereits bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. In der vergangenen Legislaturperiode gab es hierzu bereits zwei Umsetzungsvorschläge (s.u.). 

Nun hat das BMJ am 13. April 2022 erneut einen Referentenentwurf für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das unionsrecht melden, veröffentlicht. Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hierzu:

„Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft und verdienen daher Schutz, wenn sie Missstände bei ihren Arbeitgebern melden. Der nun vorgelegte Referentenentwurf soll ihnen Rechtsklarheit darüber geben, wann und durch welche Vorgaben sie bei der Meldung oder Offenlegung von Verstößen geschützt sind. Ein effektiver Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern liegt aber auch ganz maßgeblich im Interesse der Unternehmen und Behörden selbst. Durch den Aufbau von internen Meldesystemen erhalten Hinweisgeber die Möglichkeit, ohne Angst vor Repressalien Verstöße dort zu melden, wo sie am schnellsten untersucht und abgestellt werden können. So lassen sich Missstände beheben, aber auch Haftungsansprüche gegebenenfalls vermeiden.“

Kern des Entwurfs ist ein Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), das von Änderungen im Bundesbeamtengesetz, Beamtenstatusgesetz, Soldatengesetz, Finanzdienstleistungsaufsichtgesetz, Geldwäschegesetz und im Versicherungsaufsichtsgesetz flankiert wird. Der Entwurf beinhaltet überwiegend die bereits im November 2020 geplanten Neuregelungen. Hinweisgeber sollen zukünftig frei zwischen internen und externen Meldestellen wählen können. Während die zentrale externe Meldestelle beim BMJ angesiedelt wird, soll es weitere Stellen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, beim Bundeskartellamt und beim BfJ geben. Ebenso steht es den Ländern frei, für Meldungen, die die Landes- oder Kommunalverwaltung betreffen, eigene externe Meldestellen einzurichten. Arbeitgeber in der Privatwirtschaft sowie im öffentlichen Bereich trifft eine Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen, sofern mindestens 50 Personen beschäftigt sind. Bei Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten besteht zudem die Möglichkeit eine gemeinsame Meldestelle einzurichten oder hierfür einen Dritten zu beauftragen. Die Regelungen aus dem Entwurf von November 2020 bzgl. der Meldungen an die Öffentlichkeit und zum Vertraulichkeitsgebot wurden beibehalten, genauso wie die Regelungen zur Anonymität der Meldungen und dem Schutz vor Repressalien wie Kündigung oder sonstigen Benachteiligungen. Bei Verstößen gegen das HinSchG soll eine Geldbuße drohen. 

Die Länder und Verbände hatten bis zum 11. Mai 2022 Zeit zu dem Referentenentwurf Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen finden Sie hier

Am 27. Juli 2022 hat das Kabinett das Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen und den Regierungsentwurf vorgestellt. Der Bundesrat beschäftigte sich erstmals am 16.09.2022 mit dem Entwurf. Die Ausschüsse hatten empfohlen (BR Drs. 372/1/22) entsprechend Stellung zu nehmen (BR Drs. 372/22(B)).

Am 19. Oktober 2022 fand im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Grundsätzlich begrüßten die Experten den Regierungsentwurf. Jedoch wurden auch Mängel im Schutzkonzept für Whistleblower deutlich. Annegret Falter (Vorsitzende des Whistleblower Netzwerks) wies darauf hin, dass beispielsweise nicht strafwürdiges, aber unethisches Verhalten nicht erfasst sei. So wäre der unbekannte Whistleblower des RBB-Skandals nicht durch das Gesetzt geschützt oder Fälle der Vernachlässigung in der Altenpflege nicht erfasst. David Werdemann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte warf einen Blick auf den öffentlichen Dienst. Auch hier sei der Whistleblowerschutz weitgehend ausgehöhlt, da Dokumente mit einem besonderen Geheimhaltungsschutz (wie Verschlusssachen) nicht verwertet werden dürften.  Ebenso fehle in der Auflistung des Regierungsentwurfs das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Mit seinen Begrifflichkeiten sei das Gesetz zudem teilweise ungenau. Rechtsanwalt Dr. Nico Herold äußerte Bedenken dahingehend, dass ein potentieller Whistleblower gar nicht erkennen könne, ob er in seinem Fall auch tatsächlich durch das Schutzgesetzt erfasst wird. Damit sei dem Entgegenwirken der „Melde-Angst“ nicht ausreichend gedient. Dr. Simon Gerdemann kritisierte den Begriff des „Fehlverhaltens“ und äußerte den Vorschlag, diesen durch „erhebliche Missstände“ zu ersetzen. Damit soll klargestellt sein, dass nicht nur auf einzelne Personen beziehbare Sachverhalte erfasst seien. 

Als problematisch angesehen wurde auch das Fehlen eines Vorranges für unternehmensinterne Meldestellen vor den externen. Kristina Harrer-Kouliev (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) berichtete, dass bereits viele Unternehmen freiwillige Meldestrukturen geschaffen hätten, um von Fehlverhalten in den eigenen Reihen Kenntnis zu erlangen. Jedoch sei auch gerade bei kleineren Unternehmen „die Sorge vor dem Gesetz groß“, da die Pflicht der Einrichtung einer Meldestelle für Unternehmen mit über 50 Mitarbeitern mit erheblichen Kosten verbunden sei, so Hildegard Reppelmund vom Deutschen Industrie- und Handleskammertag. Auch wachse angesichts des im Entwurf vorgesehenen Kündigungsschutzes die Angst vor falschen Anschuldigungen. Im Bereich des Kündigungsschutzes sah dagegen Jana Wömper vom Deutschen Gewerkschaftsbund Verbesserungsbedarf. „Wer Missstände meldet, handelt im Interesse aller“, betonte sie. In den Schutzkreis mit aufzunehmen seien vor allem auch die Mitarbeiter in betriebsinternen Meldestellen. 

Prof. Dr. Gregor Thüsing von der Universität Bonn kritisierte die Möglichkeit, sich an die Öffentlichkeit wenden zu können, wenn eine externe Meldestelle den Hinweis nicht fristgerecht bearbeite. Dies führe zu erheblichen Nachteilen für zu unrecht beschuldigte Personen und Unternehmen. Letztendlich sei auch die personelle Ausstattung der externen Meldestelle im Bundesamt für Justiz völlig unzureichend. 

Am 14. Dezember 2022 passierte der Regierungsentwurf den Rechtsausschuss. Allerdings gibt es einige von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagene Änderungen, die mehrheitlich angenommen wurden.

U.a. wurden Meldungen zu verfassungsfeindlichen Äußerungen von Beamtinnen und Beamten in den Hinweisgeberschutz eingeschlossen. Umfasst werden sollen dabei schriftliche wie mündliche oder durch Gebärden getätigte Äußerungen. Dies soll auch für solche unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gelten. „Die Verfassungstreue ist insbesondere verletzt, wenn ein Beamter beispielsweise die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellt und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnt. Er verletzt so seine gesetzliche normierte Verfassungstreuepflicht in schwerwiegender Weise“, so die Koalitionsfraktionen, die sich damit auf die Diskussion um sog. „Reichsbürger“ im öffentlichen Dienst beziehen. Außerdem sollen sich nunmehr nur die Meldestellen mit anonymen Meldungen beschäftigen und der Digital Markets Act der Europäischen Union wurde in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes gezogen. Letztere Entscheidung wurde gegen die Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und AfD und mit Enthaltung der Fraktion Die Linke getroffen. 

Am 16. Dezember 2022 stimmte der Bundestag für den geänderten Entwurf. In der Plenarsitzung am 10. Februar 2023 erhielt die Gesetzesänderung jedoch nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen im Bundesrat. Daher haben die Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP am 15. März 2023 zwei „neue“ Gesetzentwürfe zum Hinweisgeberschutz in den Bundestag eingebracht. Der „Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (BT Drs. 20/5992) entspricht weitestgehend dem vom Bundestag verabschiedeten Entwurf vom 16. Dezember 2022 (BT Drs. 20/4909). Aus dem Anwendungsbereich herausgelöst wurden allerdings „Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, sonstige der Aufsicht eines Landes unterstehende Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richterinnen und Richter im Landesdienst“. Die Fraktionen sind der Ansicht, dass der Entwurf in seiner geänderten Form einer Zustimmung des Bundesrates nicht mehr bedürfe und so schneller verabschiedet werden könne. In einem zweiten Gesetzentwurf „zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“ (BT Drs. 20/5991) werden die Ausnahmen wieder aufgehoben und der Anwendungsbereich erweitert. Zur vollständigen Umsetzung der HinSch-RL sei „eine Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs des HinSchG auf den Personenkreis erforderlich, der nach § 1 Absatz 3 HinSchG ausgeschlossen ist.“ Beide Entwürfe wurden schon am 17. März 2023 im Bundestag beraten und im Anschluss an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. Am 27. März 2023 fand dort eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.  

Die Experten sahen insbesondere das gesetzgeberische Vorgehen als problematisch an. Prof. Dr. Winfried Kluth erörterte, dass das BVerfG in der Vergangenheit eine Aufspaltung von Gesetzgebungsverfahren in einen zustimmungsbedürftigen und einen nicht zustimmungsbedürftigen Teil zwar mehrfach gebilligt habe, allerdings nur dann, wenn nicht gegen das Willkürverbot verstoßen werde. Diesen Punkt sah Kluth bei den vorliegenden Entwürfen eindeutig als gegeben an: „Die Aufteilung in zwei Gesetzesvorhaben war einzig die Reaktion auf die Verweigerung der Zustimmung zum ersten, alle Aspekte umfassenden Gesetzesentwurf.“ Prof. Dr. Gregor Thüsing fand für das Vorgehen ebenfalls klare Worte: „Wenn es sich hier nicht um Willkür, also nicht aus sachlichen Gründen gerechtfertigte, sondern nur aus dem System der Zustimmungsbedürftigkeit hergeleiteten Trennung handelt, wann dann?“ Er verwies auf das Vermittlungsverfahren. Kosmas Zittel vom Whistleblower-Netzwerk wies zudem auf ein weiteres Problem hin. Sollte das als zustimmungspflichtig eingestufte Gesetz im Bundesrat keine Zustimmung finden, dann bestünde zwischen den Beamten des Bundes und der Länder und Kommunen ein „Zwei-Klassen-Recht“, das zudem auch nicht der EU-Vorgabe entspreche, denn die EU-Richtlinie sei für das gesamte Land umzusetzen und somit auch für Landesbedienstete. Inhaltlich gab es für die Entwürfe die bereits bei der Anhörung vom 19. Oktober 2022 geäußerte Kritik. Seitdem hatte der Rechtsausschuss kleinere Änderungen in der ursprünglichen Fassung vorgenommen, die sich auch jetzt in den Gesetzentwürfen wiederfinden. Diskussionsthema waren unter anderem die verpflichtenden anonymen Meldestellen. Diese seien – so Louisa Schloussen – auf die Kritik von Transparency International nach der Anhörung im Oktober 2022 in den Entwurf aufgenommen worden. Hildegard Reppelmund kritisierte, dass dies gerade für kleinere Unternehmen eine enorme Belastung darstelle. Dr. Christoph Klahold vom Deutschen Institut für Compliance hingegen sprach sich klar für anonyme Meldestellen auf Betriebsebene aus. Er berichtete aus seiner Praxis, dass in kleinen Betrieben die Leitung weniger an der Klärung des Sachverhalts interessiert sei als daran, wer die Meldung getätigt habe. Jana Wömper vom Deutschen Gewerkschaftsbund gab zu bedenken, dass der Gesetzentwurf mit uneindeutigen Rechtsbegriffen wie dem „hinreichenden Grund zur Annahme“ keine Rechtsklarheit schaffe. Außerdem blieben einige Regelungen zum Hinweisgeberschutz und zum Schadenersatz immer noch hinter der EU-Richtlinie zurück. Bezüglich des Hinweisgeberschutzes machte Dr. Simon Gerdemann von der Universität Göttingen auf eine Entscheidung des EGMR aufmerksam, die im Zusammenhang  mit dem LuxLeaks-Skandal ergangen ist. Daraus ergebe sich, dass der Schutz des Gesetzes auch auf die Hinweisgeber erstreckt werden müsse, die zwar auf legale aber gesellschaftlich bedenkliche Vorgänge hinweisen. Kontrovers wurde auch die Regelung zur Erfassung von Hinweisen auf verfassungsrechtlich bedenkliche Äußerungen von Beamten diskutiert. Während David Werdemann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte die Möglichkeit begrüßte, so auch gegen geschlossene Chatgruppen vorgehen zu können die rechtsextreme Äußerungen austauschen, warnten andere Experten vor einer Kollision mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit. 

Am Abend des 27. März 2023 hat der Rechtsausschuss die Gesetzentwürfe verabschiedet. Sie wurden ohne Änderungen mit Gegenstimmen der Fraktion CDU/CSU und AfD mit Enthaltung von Die Linke angenommen. Der Bundestag sollte bereits am 30. März 2023 über die Gesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen abstimmen. Der Rechtsausschuss hat dazu eine Beschlussempfehlung vorgelegt. Der Tagesordnungspunkt wurde jedoch kurzfristig gestrichen. Am 5. April 2023 hat die Bundesregierung sich dazu entschlossen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dieser befasste sich am 9. Mai 2023 mit dem Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden und konnte eine Einigung erzielen. 

Folgende Änderungen wurden vereinbart: 

  • Es besteht keine Pflicht für die internen als auch externen Meldestellen anonyme Meldungen zu ermöglichen. Für den Fall, dass intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann, sollen hinweisgebende Personen die Meldung auch an eine interne Meldestelle bevorzugen. 
  • Der sachliche Anwendungsbereich soll auf den beruflichen Kontext beschränkt werden. Hinweise sollen demnach nur dann in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber beziehen oder auf eine Stelle, mit der die hinweisgebende Person im beruflichen Kontakt stand.
  • Die Beweislastumkehr, die in dem Fall greift, dass die hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet, bleibt bestehen. Sie soll aber an die Bedingung geknüpft werden, dass die hinweisgebende Person dies auch geltend macht. 
  • Die Höhe der Bußgelder wurde auf einen Maximalbetrag von 50.000 EUR reduziert. 

Der Bundestag hat den geänderten Entwurf am 11. Mai 2023 angenommen. Im Anschluss stimmte auch der Bundesrat in seiner Plenarsitzung am 12. Mai 2023 für das Hinweisgeberschutzgesetz.

Das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (BGBl I 2023, Nr. 140) wurde am 2. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. Art. 1, § 41 des Hinweisgeberschutzgesetzes tritt bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft. Im Übrigen tritt das Gesetz am 2. Juli 2023 in Kraft.




 


19. Legislaturperiode:

Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)

Im November 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Referentenentwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, erarbeitet.

Der Entwurf soll einen wirksamen und nachhaltigen Schutz für Hinweisgeber vor Benachteiligungen bilden und zugleich die EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie umsetzen. 

Dafür ist ein gänzlich neues Stammgesetz (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) geplant, in dem alle Regelungen zum Hinweisgeberschutz enthalten sein sollen. Die maßgeblichen geplanten Neuregelungen sind:

  • Der persönliche Anwendungsbereich (§ 1 HinSchG-E) soll alle Personen umfassen, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben.

  • Der sachliche Anwendungsbereich (§ 2 HinSchG-E) soll die durch die Richtlinie vorgegebenen Rechtsbereiche aufgreifen. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden und die praktische Anwendung für hinweisgebende Personen handhabbar zu gestalten, werden die Rechtsbereiche in begrenztem Umfang auf korrespondierendes nationales Recht ausgeweitet. Einbezogen werden dabei insbesondere das Strafrecht und das Recht der Ordnungswidrigkeiten.

  • Für hinweisgebende Personen werden mit internen und externen Meldekanälen zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Meldewege vorgesehen, zwischen denen sie frei wählen können (§§ 7 bis 30 HinSchG-E).

  • In Umsetzung der Anforderungen der Hinweisgeberschutz-Richtlinie und unter Beachtung der Rechtsprechung des EGMR werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen eine hinweisgebende Person Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich machen darf (§ 31 HinSchG-E).

  • Sofern hinweisgebende Personen die Anforderungen des HinSchG-E an eine Meldung oder Offenlegung einhalten, werden sie umfangreich vor Repressalien wie Kündigung oder sonstigen Benachteiligungen geschützt (§§ 32 bis 38 HinSchG-E).

Daneben sieht der Entwurf kleinere Änderungen im Arbeitsschutzgesetz und dem Beamtenstatusgesetz vor.

In KriPoZ 3/2021 haben sich Kim Erlebach und Miguel Veljovic in ihrem Beitrag (KriPoZ 2021, 165 ff.) mit dem HinSchG-E beschäftigt. 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz)

 

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen brachte am 5. Oktober 2018 einen Gesetzentwurf zum Schutz von Whistlewblowern in den Bundestag ein. Nach Ansicht der Fraktion bedürfen Menschen, die Informationen der Öffentlichkeit zugänglich machen und damit dem Allgemeinwohl dienen, einen besonderen Schutz. Sie sollen insbesondere vor Strafverfolgung und dienst- oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen geschützt werden. 

Ein Schutz alleine durch die Rechtsprechung reiche nicht aus. Die Europäische Kommission hat am 23. April 2018 einen Richtlinienvorschlag zum Schutze von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vorgelegt. Am 23. Oktober 2019 wurde diese Richtlinie verkündet. Um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, sei eine deutsche Positionierung in Form eines „vorbildlichen nationalen Whistleblower-Schutzgesetzes“ notwendig. 

Hierzu sollen Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, Berufsbildungsgesetz, Bundesbeamtengesetz und Beamtenstatusgesetz vorgenommen werden, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen Hinweisgeber sich an andere Stellen oder an die Öffentlichkeit wenden dürfen. Insbesondere sollen in § 353c StGB Regelungen geschaffen werden, die Whistleblower straffrei stellen: 

„§ 353c StGB – Befugtes Offenbaren eines Geheimnisses

Befugt ist das Offenbaren eines Geheimnisses dann, wenn der Täter zur Aufklärung, Verhinderung oder Beendigung einer Grundrechtsverletzung oder der Begehung einer schweren Straftat (§ 100c Absatz 2 der Strafprozessordnung) handelt, rechtzeitige Abhilfe nicht zu erwarten ist und das öffentliche Interesse an der Weitergabe der Information das Geheimhaltungsinteresse erheblich überwiegt. Das Gleiche gilt für das Offenbaren eines Geheimnisses zur Verhinderung oder Beendigung einer drohenden oder gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Gesundheit, das Persönlichkeitsrecht, die Freiheit der Person, die Stabilität des Finanzsystems oder die Umwelt.“

Bislang regeln lediglich die §§ 93 ff. StGB die Strafbarkeit der Preisgabe von Staatsgeheimnissen und § 353b StGB die Verletzung von Dienstgeheimnissen. 

Im Rahmen der netzpolitik.org.-Affäre hatte die Fraktion bereits 2016 die Geheimnisverrats- Straftatbestände  (Landesverrat, Verrat von Dienstgeheimnissen) überarbeitet und in den Bundestag eingebracht (Drs. 18/ 10036). Die damaligen Änderungsvorschläge wurden in den Gesetzentwurf aufgenommen. 

Der Bundestag beriet am 18. Oktober 2018 erstmals über den Regierungsentwurf zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (BT Drs. 19/4724) und über den Gesetzentwurf der Fraktion. Beide Entwürfe wurden im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz weitergeleitet. 

 

 

Entwurf zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte

Gesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte sowie Bekämpfung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen: BGBl. I 2021, S. 4250 ff.

Gesetzentwürfe: 

 

Am 12. Mai 2021 beschloss die Bundesregierung einen Formulierungshilfe zur „Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte.“ Dort werden nun drei Initiativen in einem Entwurf zusammengefasst. Neben dem § 126a StGB – Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten soll ein § 176e StGB – Verbreitung und Besitz von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und ein § 192a StGB – Verhetzende Beleidigung in das StGB eingefügt werden. 

Betroffene aus bestimmten Gruppen oder Minderheiten berichteten immer wieder von erhaltenen Schreiben, in denen sie beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet wurden. § 130 StGB stellt die Äußerung verhetzender Inhalte, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören, unter Strafe. Durch die §§ 185 ff. StGB wird die Einzelperson vor Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung und damit vor einer Verletzung ihrer Ehre geschützt. Nicht erfasst seien derzeit aber Inhalte, die „das Recht der Betroffenen auf gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben“ angreifen und ihre Menschenwürde verletzen, wie z.B. bei antisemitischen oder islamfeindlichen Schreiben. Der Entwurf sieht daher die Einführung eines § 192a StGB-E vor, der dem „Schutz der Ehre betroffener Personen gilt und als Tathandlung das Gelangenlassen [Zusenden, Anbieten, Überlassen, Zugänglichmachen] von verhetzenden Inhalten (§ 11 Abs.  3 StGB) im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr, 1 lit. c StGB (Volksverhetzung) in schriftlicher und (fern-)mündlicher Form an eine Person beinhaltet, die einer bestimmten Personenmehrheit zugehörig ist“. Die Tathandlung soll schließlich der in § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB (Verbreitung pornografischer Inhalte) entsprechen. 

㤠192a StGB РVerhetzende Beleidigung

Wer einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, die Menschenwürde anderer dadurch anzugreifen, dass er eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, an eine andere Person, die zu einer der vorbezeichneten Gruppen gehört, gelangen lässt, ohne von dieser Person hierzu aufgefordert zu sein, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Am 24. Juni 2021 nahm der Bundestag den Regierungsentwurf zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Feindeslisten in der Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 19/30943) mit den Stimmen der Fraktionen CSU/CSU und SPD an. Die übrigen Fraktionen stimmten dagegen. Die Fassung des Rechtsausschusses enthält neben der Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Feindeslisten auch die Einführung des § 176e StGB sowie die Einführung des § 192a StGB – Verhetzende Beleidigung. 

Am 25. Juni 2021 passierte der Regierungsentwurf bereits den Bundesrat. Das Gesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte sowie Bekämpfung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (BGBl. I 2021, S. 4250 ff.) wurde am 21. September im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 

 

 

 

 

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