Abstract
Das Sexualstrafrecht spielt im Koalitionsvertrag nur eine Nebenrolle. Die Koalitionsparteien legen den Fokus – leider – nicht auf eine grundlegende Reform von § 177 StGB, sondern sehen in erster Linie eine Anhebung der bestehenden Strafrahmen vor. Der Beitrag diskutiert, welche Vorschläge sinnvoll sind – und welche drängenderen Fragen sich im Sexualstrafrecht womöglich stellen.
Sabine Horn
Der befangene Staatsanwalt? – Ein Blick auf die Perspektive eines Staatsanwalts und eines Strafverteidigers angesichts des BGH-Beschlusses vom 18. Januar 2024 (BGH 5 StR 473/23)
von RA Dr. Miguel Veljovic, LL.M.oec und StA Dr. Christopher Bona
Abstract
Der Beitrag beleuchtet aus der Perspektive eines Strafverteidigers sowie eines Staatsanwalts, unter welchen Voraussetzungen ein Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft im Zuge einer Hauptverhandlung die Besorgnis der Befangenheit auslösen kann. Dazu wird die Entscheidung des BGH vom 18. Januar 2024 analysiert und die Folgen für die Praxis aufgezeigt.
Die Identität des in Brand gesetzten und des zerstörten Objektes bei der Brandstiftung gemäß § 306 StGB – Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 7.5.2024 – 4 StR 85/24
I. Einleitung
Die Vorschriften zur Brandstiftung wurden mit dem 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG)[1] im Jahre 1998 erheblich modifiziert.[2] Der Gesetzgeber wollte damit das weitgehend als unsystematisch und schwer verständlich erachtete Brandstiftungsstrafrecht so reformieren, dass nicht nur die Auswahl der geschützten Tatobjekte an die aktuellen ökonomischen Begebenheiten angepasst, sondern auch die gesetzliche Abfolge der Straftatbestände klarer wird.[3] Die durchgeführte Reform wurde jedoch bereits unmittelbar nach deren Inkrafttreten mit kritischen Kommentierungen überzogen: Fischer hatte bereits ein Jahr danach die systematische Verortung in die §§ 306 ff. StGB als „grob missglückt“ beschrieben.[4] Die allgemeine Meinung der gescheiterten Reform hält sich hartnäckig, auch über die Jahrzehnte.[5] Insbesondere wird – damals wie heute – bemängelt, dass die neu hergestellte Systematik letztlich „in erheblichem Umfang neue Auslegungsschwierigkeiten und Widersprüchlichkeiten“[6] verursacht hat.[7]
Nils Winkler: Wider das „Damoklesschwert“. Reformüberlegungen für das sexual-strafrechtliche Ermittlungsverfahren in „Aussage gegen Aussage“-Konstellationen
2024, Nomos Verlag, ISBN: 978-3-7560-1637-2, S. 318, Euro 104,00.
Aussage gegen Aussage-Konstellationen in Sexualstraftaten stellen die Praxis vor große Herausforderungen. Das ist kein Geheimnis und führte auch schon zu diversen literarischen Verarbeitungen wie beispielsweise in dem Drama von Ferdinand von Schirach „Er sagt. Sie sagt“ oder im Theaterstück „Prima Facie“ von Suzie Miller. Die Dissertation von Winkler – die für die Veröffentlichung auf den Stand von Juni 2024 gebracht worden ist – nimmt sich dieses „Damoklesschwerts“ an, um die gegenwärtigen Probleme in Reformüberlegungen zu überführen.
Wolfgang Wohlers/Kurt Seelmann (Hrsg.): Schuldgrundsatz. Entstehung – Entwicklungsgeschichte – aktuelle Herausforderungen
2024, Mohr Siebeck, ISBN: 978-3-16-162136-9, S. 300, Euro 104,00
Schon im Vorwort weisen die Herausgeber zutreffend darauf hin, dass die Debatte um die Schuld beständig Renaissancen erlebt. Inwieweit diese Debatten Neues bereithalten, ist immer die Frage. Neben dem Wiederauftauchen des klassischen Willensfreiheitsproblems als Folge der Neuentwicklungen der Hirnforschung, wird schon seit langem darum gerungen, ob es ein „Unternehmensstrafrecht“ im Sinne eines Schuldstrafrechts auch in Deutschland geben sollte oder – in der neusten Entwicklung – ob sich künstliche Intelligenz in Zukunft schuldig machen kann. Spannende Fragen also, denen im Rahmen eines vom 20.-22.6.2022 in der Schweiz stattfindenden Workshops nachgegangen wurde und die auch zu grundsätzlicheren Referaten Anlass gegeben haben, die in dem vorliegenden Band vereint wurden.
„Hass in sozialen Medien aus Sicht von Wissenschaft und Praxis“ Tagung im DFG-Projekt „Soziale Medien und Strafrecht – Äußerungsdelikte in einem neuen Umfeld“ am 27. und 28. Juni 2025 in Würzburg
„Wir glauben nicht an die Meinungsfreiheit, wenn wir sie nicht auch den Leuten zugestehen, die wir verachten.“ Dieses zeitlose Zitat des US-amerikanischen Linguisten und Publizisten Noam Chomsky ist in der aktuellen Debatte um den gesellschaftlichen Umgang mit kontroversen Positionen und die Grenzen der Meinungsfreiheit, gerade bei Hassrede, sehr präsent. Die Meinungsfreiheit wird bekanntlich jedoch nicht schrankenlos zugestanden, sondern findet ihre Grenzen u.a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre sowie sonstigen verfassungsimmanenten Schranken.
Abschaffung des § 188 StGB – Stärkung der Meinungsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz
Gesetzentwürfe:
- Gesetzentwurf der Fraktion der AfD: BT-Drs. 21/652
Am 30. Juni 2025 hat die Fraktion der AfD einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des § 188 StGB – Stärkung der Meinungsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz auf den Weg gebracht (BT-Drs. 21/652). Im Jahr 2018 wurde nach dem Schmähgedicht Böhmermanns die „Majestätsbeleidigung“ (§ 103 StGB) abgeschafft. § 103 StGB habe eine Sonderstellung für ausländische Staatsrepräsentanten vorgesehen, die aus Sicht des Gesetzgebers nicht mehr zeitgemäß gewesen sei. Auch der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas habe betont, dass solche Strafvorschriften aus einer überholten Epoche stammten und nicht mehr in ein modernes Strafrecht passten. In der Folge der Corona-Pandemie sei jedoch ein gegenläufiger Trend beobachtet worden: Kritiker hätten darauf hingewiesen, dass mit der Reform des § 188 StGB eine neue Form der Sonderstellung für politische Amtsträger geschaffen worden sei. Die Bundesregierung habe im Rahmen des Gesetzes zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität eine Verschärfung des § 188 StGB vorgenommen, mit dem Ziel, insbesondere öffentliche Personen des politischen Lebens vor Hassrede im Internet zu schützen. „Bei der Beleidigung geht es nicht um unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern um Meinungsäußerungen. Da Beleidigungen gegenüber Politikern aus der Natur der Sache heraus häufig mit Kritik an politischen Entscheidungen und Entwicklungen verbunden sind, die der betreffende Politiker zu verantworten hat, steht dieser neue Tatbestand von vornherein im Spannungsfeld mit dem Recht auf zulässige Meinungsäußerung im demokratischen Diskurs“, so die Fraktion. Problematisch sei insbesondere, dass die Tat als Offizialdelikt auch ohne Antrag verfolgt werden könne und der Personenkreis erheblich ausgeweitet worden sei. Die vielen Hausdurchsuchungen seien nicht erforderlich und unverhältnismäßig. § 188 StGB schaffe ein Sonderrecht „zugunsten mächtiger Personen“ und verletze den Gleichheitsgrundsatz. Es sei erforderlich, dass in einer Demokratie Amtsträger einer intensiveren öffentlichen Kontrolle unterlägen. „Sie müssen sich stärkerer Kritik aussetzen, was ein strengerer Schutz der Privatsphäre oder Ehre an dieser Stelle systemwidrig erscheinen lässt.“ Daher sei die Abschaffung des § 188 StGB geboten, „um die Gerechtigkeit im Sinne einer freien, gleichberechtigten Gesellschaft wiederherzustellen.
Am 12. September 2025 wurde der Gesetzentwurf erstmalig im Bundestag beraten und im Anschluss an die Ausschüsse überwiesen.
Gesetz zur besseren Bekämpfung der Kriminalität von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden
Gesetzentwürfe:
- Gesetzentwurf der AfD: BT-Drs. 21/333
Die AfD hat am 3. Juni 2025 einen Gesetzentwurf zur besseren Bekämpfung der Kriminalität von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 21/333). Die Zahl der tatverdächtigen Gewalttäter im Kindesalter sei im Vergleich zu 2016 im Jahr 2024 um das Doppelte angestiegen. Ebenso sei die Zahl der Kinder unter 14 Jahren, die wegen eines Rohheitsdelikts bzw. einer Straftat gegen die persönliche Freiheit tatverdächtig waren, besorgniserregend. In Deutschland sind Kinder bis zu einem Lebensalter von 14 Jahren nicht strafmündig. Dies möchte die AfD mit ihrem Gesetzentwurf ändern und orientiert sich dabei an der rechtlichen Lage im Ausland. „In der Schweiz (Art. 3 JStG), in England, Wales und Nordirland sind Kinder ab dem zehnten Lebensjahr strafmündig. In Schottland, Ungarn, Kanada und den Niederlanden beginnt die Strafmündigkeit mit vollendetem zwölftem Lebensjahr.“ Daher sieht der Entwurf vor, das Erwachsenenstrafrecht ab einem Alter von 18 Jahren anzuwenden und die Altersgrenze der Strafmündigkeit auf 12 Jahre herabzusetzen. Flankierend soll für die Staatsanwaltschaften die Möglichkeit geschaffen werden, beim zuständigen Familiengericht die Unterbringung eines Kindes zu beantragen. Eine vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes zu diesem Zweck soll ebenfalls ermöglicht werden.