Anna Isabel Berger: Kooperation oder Korruption? Grenzen der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen im Lichte der §§ 299a, b StGB

von Dr. Momme Buchholz

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 2023, Duncker & Humblot GmbH, Berlin, ISBN: 978-3-428-18777-5, S. 331, Euro 99,90

Das Spannungsfeld zwischen zulässiger, zugunsten von Innovation und Patientenwohl sogar erwünschter Kooperation im Gesundheitswesen einerseits und unzulässiger, Wettbewerb und gegebenenfalls Patientenwohl schadender Bestechung und Bestechlichkeit andererseits war schon vor Einführung der von Berger in ihrer Dissertation thematisierten Normen, §§ 299a, 299b StGB, Gegenstand strafrechtlicher Untersuchung.

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Christian Trentmann: Die Staatsanwaltschaft und die Massenmedien. Eine kommentierte Entwicklungsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart samt systemtheoretischen Erkenntnissen sowie Vertiefungen de lege lata und Anregungen de lege ferenda

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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 2023, Nomos, ISBN: 978-3-7560-0628-1, S. 963, Euro 289,00.

Dieses fundamentale Werk von knapp 1000 Seiten trägt wirklich alles zusammen, was die Entwicklungsgeschichte der Beziehung von Staatsanwaltschaft und Medien zu bieten hat. Dabei werden die systemischen Grundsatzkonflikte herausgearbeitet, Möglichkeiten und Grenzen de lege lata umschrieben sowie konzeptionelle Leitlinien de lege ferenda entwickelt.

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Strafbarkeit des Sexkaufs

Gesetzentwürfe:

Die CDU/CSU-Fraktion hat am 20. Februar 2024 einen Gesetzesantrag zur Einführung einer Strafbarkeit des Sexkaufs (BT-Drs. 20/10384) in den Bundestag eingebracht. Die Vorlage wurde am 23. Februar 2024 erstmals beraten und anschließend an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen. Der Antrag erachtet das Prostitutionsgesetz von 2002 als gescheitert und bemängelt, dass die (versuchte) Legalisierung das Schutzniveau der betroffenen Personen nicht verbessert hat; vielmehr habe sich die tatsächliche Situation in der Prostitution erheblich verschlechtert. Der Antrag kritisiert, dass ein Großteil der betroffenen Personen unfreiwillig in die Armut abrutschen und täglich sexueller Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch ausgeliefert sind. Auch das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 habe an dieser Lage nichts geändert. 

Der Antrag zielt insoweit darauf ab, eine allgemeine Freierstrafbarkeit einzuführen. Der Kauf sexueller Dienstleistungen soll zukünftig pönalisiert werden und als Vergehen einzustufen sein. Allerdings sollen Prostituierte selbst nicht aufgrund der Ausübung der Tätigkeit kriminalisiert werden; vielmehr sollen allein die Kunden der Dienstleistung strafrechtlich erfasst werden. Zudem soll auch der Betrieb von Prostitutionsstätten (Bordelle, Laufhäuser, etc.) verboten werden. Die Unionsfraktion fordert insoweit die Durchsetzung eines „Nordischen Modells“. 

Am 23. September 2024 haben sich zahlreiche Sachverständige im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages zu den geplanten Änderungen geäußert. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Johanna Weber, politische Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen, sehe den Mehrwert eines Sexkaufsverbots als gering an; vielmehr würde ein Verbot die Sexarbeitenden in eine noch unsichere Lage zwingen – und teilweise auch vollständig in die Illegalität. Es gebe vielmehr keine wissenschaftlichen Nachweise, dass die meisten Sexarbeitenden zur Tätigkeit gezwungen werden. Ähnlich äußert sich Erika Krause-Schöne (GdP), wonach ein Sexkaufverbot die Prostitution zunehmend in das Dunkelfeld verlagere – und die Verfolgung von schwersten Straftaten (z.B. Zwangsprostitution) deutlich erschwere. Stefanie Kohlmorgen, Vorständin beim Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufas), kritisiert die (unüberlegte) Vermischung von Sexarbeit mit Zwangsprostitution und Menschenhandel. Ein Sexkaufverbot verstärke viel eher das Stigma gegen Sexarbeitende und verstoße gegen deren Berufsfreiheit. Auch Andrea Hitze vom bundesweiten Koordinierungskreis Menschenhandel (KOK) lehne ein Sexkaufverbot ab. Durch das nordische Modell wird die Sexarbeit erneut in eine rechtliche Grauzone gedrängt; insbesondere werden Sexarbeitende mit einem Verbot in ihrer Selbstbestimmung untergraben. Hitze fordere vielmehr Respekt und Anerkennung für die Autonomie der Beschäftigten. Auch Margarete Gräfin von Galen, Fachanwältin für Strafrecht, betont den verfassungsrechtlichen Schutz der Sexarbeit durch die Berufsfreiheit. Letztlich sah Alexandra Sußmann, Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Stuttgart und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Deutschen Städtetages, die aktuelle Gesetzgebung zur Prostitution nicht als gescheitert an. Vielmehr müsse die laufende Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes abgewartet – und dann ggf. nachjustiert werden.

Huschke Mau, Gründerin des Netzwerks Ella, konstatiert, dass Deutschland als das Bordell Europas gelte. Insgesamt sei eine Trennung zwischen erzwungener und freier Prostitution oftmals unmöglich – das nordische Modell sei daher als guter Ansatz zu bewerten. In eine ähnliche Richtung geht die Stellungnahme von Claire Quitte, Präsidentin der Nid-Bewegung (Mouvement du Nid) in Frankreich, die den Vergleich zur französischen Lage bemüht. In Frankreich gelte seit 2016 ein Sexkaufverbot, wodurch klar signalisiert werde, dass eine sexuelle Handlung nicht käuflich erworben werden könne. Ähnlich äußert sich Gerhard Schönborn, Vorsitzender des Vereins Neustart – Christliche Lebenshilfe. Schönborn kritisiert die aktuellen Regelungen und befürchtet mit diesen eine Verschlimmerung der (derzeitigen) menschenverachtenden Zustände. Zwar könne das nordische Modell die Prostitution nicht vollständig beseitigen, allerdings überwiegen die Vorteile einer neuen Gesetzgebung. Alexander Dierselhuis, Polizeipräsident in Duisburg, sprach sich auch für ein Sexkaufverbot aus und sah dies als wichtiges Element zur Bekämpfung der Rotlichtkriminalität an. Durch die Verkleinerung des Marktes könnten sich die Strafverfolgungsbehörden auf die schweren Fälle der Rotlichtkriminalität konzentrieren.

Neuregelung des Rechts der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen

Gesetzentwürfe:

Am 11. September 2024 hat das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen veröffentlicht. Angesichts der wachsenden Bedeutung der internationalen strafrechtlichen Kooperation soll durch die Neuregelung eine effektive grenzüberschreitende Strafverfolgung ermöglicht werden, die gleichzeitig auch die subjektiven Rechte der betroffenen Personen hinreichend in den Blick nimmt. Dazu soll das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) in seiner Gesamtheit überarbeitet, neu strukturiert und modernisiert werden. 

Der Entwurf will hierbei nicht nur der sich verändernden faktischen Lage des internationalen Rechtshilferechts gerecht werden, sondern zudem neue unionsrechtliche Rechtsakte zum Rechtshilferecht und die aktuelle Rechtsprechung der obersten europäischen und nationalen Gerichte berücksichtigen. Durch die Änderungen erhofft sich das BMJ einerseits die Vereinfachung und Systematisierung des Gesetzesaufbaus, andererseits die Gewährleistung angemessener subjektiver Rechte der Betroffenen. Der Entwurf will sich hierbei darauf fokussieren, die Geltendmachung der Rechtsschutzmöglichkeiten zu vereinfachen und zu vervollständigen. Das Rechtshilferecht in Strafsachen soll dadurch insgesamt systematisiert und dadurch übersichtlicher gestaltet werden.

Die Stärkung des Rechtsschutzes soll konkret dadurch verwirklicht werden, dass spezielle Regelungen zur Rechtsbeistandschaft und anderen Verfahrensrechten eingeführt werden; zudem will der Entwurf Datenschutzstandards, die es durch die Behörden einzuhalten gilt, kodifizieren. Im Auslieferungsverfahren soll nunmehr ein Recht auf Anhörung vor dem für die Entscheidung zuständigen Gericht geregelt werden. Insgesamt soll die gerichtliche Beteiligung an dem Auslieferungsprozess verstärkt werden. 

Das BMJ will auch die internationale Rechtshilfe mit internationalen Einrichtungen neu regeln. Hierzu soll die vertikale Zusammenarbeit mit diesen Institutionen an die Zusammenarbeit mit Drittstaaten angeglichen werden.Letztlich ist (auch) Ziel des Entwurfs, zahlreiche neue unionsrechtliche Rechtsakte umzusetzen. Hierzu gehören u.a. die Richtlinie (EU) 2023/977 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 2023 über den Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedsstaaten und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates. Zur Erforderlichkeit der Gesetzesänderung wurde vom BMJ auch angeführt, dass etwaige Alternativen nicht vorzugswürdig wären. Vielmehr ließe sich bei nur punktuellen Änderungen kein in sich geschlossenes System der internationalen Strafrechtshilfe schaffen; dies würde dazu führen, dass das IRG für Praktiker in der Anwendung erhebliche Schwierigkeiten bereithält. 

Gesetzentwurf zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung

Gesetzentwürfe:

Am 10.9.2024 haben die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP einen Gesetzentwurf „zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung“ in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 12806). Der Entwurf wurde anlässlich des Anschlages in Solingen vom 23. August 2024 eingebracht und soll das von der Koalition beschlossene Sicherheitspaket gesetzgeberisch umsetzen. Das Paket betrifft insbesondere drei Gebiete: das Waffenrecht, die Extremismus- und Terrorismusbekämpfung sowie das Aufenthaltsrecht.

Hierbei sollen insbesondere die Befugnisse der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden  – angepasst an die Herausforderungen in einer digitalisierten Welt –  erheblich ausgeweitet  werden: Hierzu gehören unter anderem der biometrische Internetabgleich, die automatisierte Datenanalyse sowie Anfragen des BKA bei Banken. Zudem soll die Festsetzung von Waffenverbotszonen erleichtert werden. 

Die Befugnis zum biometrischen Abgleich von öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet sei erforderlich, damit die Strafverfolgungs- sowie Sicherheitsbehörden biometrische Daten von Gesichtern und Stimmen mittels automatisierter Daten mit Internetdaten (z.B. Auftritten auf sozialen Medien) abgleichen können. Dadurch sollen mutmaßliche Terroristen und Tatverdächtige identifiziert und lokalisiert werden können.

Zugleich soll es dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei ermöglicht werden, automatisierte Datananalysen durchzuführen. Hierdurch könne gewährleistet werden, dass diese Behörden große Datenmengen effektiv auswerten und ggf. Verbindungen/Beziehungen zwischen Informationen herstellen können. Zum Zwecke der Rechtssicherheit bedarf es hierzu einer entsprechenden Rechtsgrundlage.

Die Bundespolizei soll zukünftig auch dazu befugt sein, anlassbezogen im Bereich von Waffenverbotszonen oder im Geltungsbereich von bundespolizeilichen Allgemeinverfügungen stichprobenartige Befragungen, Identitätskontrollen sowie Durchsuchungen von Personen durchzuführen, die diese Bereiche betreten möchten oder sich darin befinden.

Am 23. September 2024 haben sich zahlreiche Sachverständige im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat zu den zahlreichen Gesetzesentwürfen des „Sicherheitspakets“ – hierzu zählt auch der Entwurf „zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung“ – geäußert. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Sachverständigen erachteten die Vorschläge überwiegend kritisch.

Finn-Christopher Brüning (Deutscher Städte- und Gemeindebund) bemängelte, dass die vorgeschlagenen Änderungen die Sicherheitslage in Deutschland nicht verbessern könnten; vielmehr müssten die Sicherheitsbehörden personell besser aufgestellt und relevante Zuständigkeits- und Kompetenzerweiterungen vorgenommen werden. Eine ähnliche Stoßrichtung wiesen die Stellungnahmen von Jörg-Henning Gerdemann (Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg) und Niels Heinrich (Fachliche Leitstelle Nationales Waffenregister [NWR], Hamburg) auf. Gerdemann konstatierte, dass neue Waffenverbotszonen bzw. Verbotsgebiete schon aufgrund des Umfangs dazu führten, dass effektive polizeiliche Kontrollen nicht möglich seien. Heinrich sah in den geplanten Änderungen des Waffenrechts eine erhebliche und weitgehend folgenlose (Mehr-)Bürokratisierung; selbst die vorgeschlagenen waffenrechtlichen Maßnahmen hätten Taten wie Mannheim und Solingen nicht verhindern können. Neben der Kritik an der Effektivität der gesetzlichen Änderungen wurde auch vor einer unangemessenen Beeinträchtigung von (datenbezogenen) Grundrechten gewarnt. Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker von der Universität Bremen sprach von einem „sicherheitsbehördlichen Daten-Supergau“ und sah mit der geplanten Vorfelderfassung von persönlichen Daten den Weg zum „gläsernen Bürger“ geebnet. Sarah Lincoln (Gesellschaft für Freiheitsrechte) konstatierte, dass die Verschärfungen an zahlreichen Stellen die Rechtsprechung des BVerfG sowie höherrangiges Recht nicht hinreichend beachteten und eine Abwägung von Grundrechten vermissen ließen; sie plädierte für weniger populistische Maßnahmen und mehr Bildung, Prävention und psychosoziale Unterstützung. Auch Dr. Stephan Schindler von der Universität Kassel wies auf die erheblichen Grundrechtseingriffe hin, die mit den vorgeschlagenen Ermächtigungen zum nachträglichen Datenabgleich einhergehen. Vielmehr seien Regelungen notwendig, die das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitprinzip wahrten (z.B. Überprüfung der Ergebnisse durch qualifizierte Personen). Prof. Dr.-Ing. Christoph Sorge (Universität des Saarlandes) sowie Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider (Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) bemängelten ebenfalls, dass die Vorschläge bezüglich einer Regelung zur Verarbeitung biometrischer Daten nicht konkret genug seien. Specht-Riemenschneider erachtete die Tatbestandsmerkmale geplanten Eingriffsermächtigungen zur Gesichtserkennung als zu unscharf; blieben diese Mängel bestehen, drohen Eingriffe in die (Grund-)Rechte unbeteiligter Personen.  Sorge bezweifelte die Vereinbarkeit des Vorhabens mit höherrangigem europäischem Recht. Hingegen sahen manche Sachverständigen durchaus positive Ansätze in den Gesetzesvorschläge. Die Einführung einer Regelung zum biometrischen Internetabgleich wurde von Martina Link (BKA) befürwortet; dadurch werde es deutlich einfacher, Attentäter und Gefährder, die noch nicht polizeilich registriert sind, zu identifizieren. Gerade für die zeitgemäße Polizeiarbeit sei eine Rechtsgrundlage für eine automatisierte Datenanalyse wichtig. Auch für Dr. Klaus Ritgen (Deutscher Landkreistag) gingen die Gesetzesvorschläge in die richtige Richtung; dieser betonte, dass die Gesetzesentwürfe der Begrenzung der hohen irregulären Migration angemessen dienen. Auch Andre Schuster des Deutschen Städtetages unterstützte grundsätzlich die sicherheitsbezogenen Maßnahmen; allerdings merkte Schuster auch an, dass trotzdem ein rechtsstaatliches und faires Verfahren im Umgang mit Asylsuchenden und Schutzberechtigten gewährleistet werden müsse. Abschließend äußerten sich einzelne Sachverständige zu dem Potenzial einer stärkeren Einbindung der Bundespolizei im Rahmen der Kontrolle illegaler Migration. Heiko Teggatz (DPolG, Bundespolizeigewerkschaft) bemängelte die fehlende Zuständigkeit der Bundespolizei für die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und sah hierzu Verbesserungsbedarf. Dr. Philipp Wittmann, Richter am VGH Baden-Württemberg, stellte klar, dass eine intensivere Beteiligung der Bundespolizei bei Abschiebeprozessen zwar zweckmäßig sein könnte, aber die verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisungen berücksichtigt werden müssten. 

Am 18. Oktober 2024 wurde der Entwurf erstmalig im Bundesrat zur Abstimmung gestellt und erreichte nicht die erforderlich Mindeststimmenzahl von 35 Mitgliedern. Die Bundesregierung und der Bundestag haben nun die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen. 

 

 

KriPoZ-RR 23/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Redaktioneller Leitsatz:

Nimmt ein Opfer das Aufheulen des Motors eines Fahrzeuges wahr, erkennt aber nicht die von dem Fahrzeug ausgehende Gefahr, so ist die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers nicht ausgeschlossen.

Sachverhalt:

Der Angeklagte fuhr mit dem KfZ seines Vaters in der Stadt A. herum. Dabei machte dessen Mitfahrer ihn darauf aufmerksam, dass der Liebhaber der Mutter des Angeklagten – einer der späteren Geschädigten – auf dem Bürgersteig entlanglief. Der Angeklagte hatte bereits zuvor den Liebhaber gewarnt, dass dieser kein Mitglied seiner Familie belästigen solle. Als der Angeklagte den Geschädigten erblickte, setzte er das Fahrzeug zurück. Der Geschädigte bemerkte den rückwärtsfahrenden PKW, ging jedoch davon aus, dass der Fahrer lediglich einen Parkplatz suche. Der Angeklagte bremste beim Beginn des abgesenkten Bordsteins ab und fuhr – mit durchgetretenem Gaspedal – in einer Kurve über den Bordstein auf den knapp 4m breiten Gehweg.

Zu diesem Zeitpunkt bemerkte der Angeklagte auch die neben dem Geschädigten gehende Geschädigte H. Trotzdem fuhr der Angeklagte von hinten auf die Geschädigten zu. Obwohl der Motor laut aufheulte, was der Geschädigte auch wahrnahm, drehte dieser sich nicht um. In der Folge erfasste das Auto den Geschädigten frontal bei einer Geschwindigkeit von 38 km/h; der Geschädigte wurde rücklings auf die Motorhaube aufgeladen und prallte mit dem Kopf auf die Windschutzscheibe, die dadurch erheblich beschädigt wurde. Der Angeklagte nahm hierbei den Tod oder erhebliche Verletzungen von dem Geschädigten oder dessen Begleiterin billigend in Kauf. Der Geschädigte stürzte ein wenig später auf die Motorhaube eines anderen Pkw, der am Fahrbahnrand stand.  

Der Angeklagte bemerkte, dass die beiden Geschädigten potenziell tödliche Verletzungen aufweisen. Jedoch entfernte sich der Angeklagte trotzdem von der Kollisionsstelle, ohne sich über den Zustand der Geschädigten Gewissheit zu verschaffen. Der Geschädigte erlitt Hautabschürfungen und -unterblutungen, einen Teilabriss der linken Ohrmuschel und eine Verletzung am linken Zeh; die Geschädigte zog sich ein Hämatom am rechten Unterschenkel zu.

Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in zwei tateinheitlich begangenen Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls, in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich begangenen Fällen und in Tateinheit mit Sachbeschädigung in fünf tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Dem Angeklagten wurde die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist festgesetzt.

Entscheidung des BGH:

Die Revision der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung wegen versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort anstrebte, hat Erfolg.

Insbesondere die Ausführungen der Kammer zum fehlenden Ausnutzungsbewusstseins des Täters seien widersprüchlich und lückenhaft. Heimtückisch handele, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zu desse Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Tritt der Täter dem Opfer offen gegenüber, so schließe das nicht automatisch die Arglosigkeit aus, soweit die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, den Angriff abzuwehren. Der Täter muss sich hinsichtlich der heimtückischen Begehung bewusst sein, dass er einen durch seinen Angriff einen schutzlosen Menschen überrascht.

Diesen Vorgaben werden die Erwägungen im Urteil nicht gerecht. Die Kammer gehe insbesondere fehlerhaft davon aus, dass allein wegen dem aufheulenden Motor und dem angeschalteten Licht des Autos das Opfer mit einem Angriff rechnen musste. Jedoch ist ersichtlich, dass der Geschädigte davon ausging, dass der Fahrer vielmehr einen Parkplatz suchte. Insoweit sah der Geschädigte in den wahrgenommenen Motorgeräuschen keinen Anlass, sich umzudrehen. Selbst, wenn der Angeklagte aber sein Vorstellungsbild in diese Richtung angepasst hätte, so wäre die verbleibende Zeitspanne zu kurz gewesen, um der erkannten Gefahr zu begegnen. Die äußeren Umstände legen insoweit ein Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten nahe.

Zudem hat die Jugendkammer auch rechtsfehlerhaft die Tatbestandsverwirklichung des § 142 Abs. 1 StGB abgelehnt. Hierbei ging die Kammer davon aus, dass ein Unfall im Straßenverkehr nicht vorläge. Ein Unfall im Straßenverkehr ist jedes mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis zu verstehen, durch das ein Mensch zu Schaden kommt oder ein nicht ganz belangloser Sachschaden verursacht wird. Zudem ist das Vorliegen eines verkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhangs in der Weise erforderlich, dass sich in dem „Verkehrsunfall“ gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben müssen.

Der Senat geht hierbei davon aus, dass sich zumindest in den Kollisionen mit den geparkten Fahrzeugen verkehrstypische Gefahren realisiert haben. Die entstandenen Sachschäden an den anderen Fahrzeugen könnte insoweit zum Begriff des Verkehrsunfalls gehören.

Neben diesen Rechtsfehlern erkennt der Senat jedoch auch an, dass insbesondere die Feststellungen der Kammer hinsichtlich des bedingten Tötungsvorsatzes des Angeklagten bezogen auf die Geschädigte H. einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht standhält. Insbesondere die in Bezug auf die beiden Geschädigten unterschiedlichen konkreten Angriffsweisen des Angeklagten werden nicht hinreichend berücksichtigt. Die Kammer hätte insoweit die divergierenden Auswirkungen des Zusammenstoßes in den Blick nehmen müssen.

KriPoZ-RR 22/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Redaktioneller Leitsatz:

Das Merkmal des Entführens iSd § 239a Abs. 1 Var. 1 StGB kann auch verwirklicht werden, wenn die Ortsveränderung nicht gewaltsam bewirkt wird, sondern vielmehr durch listiges Verhalten des Täters.

Sachverhalt:

Der Angeklagte Ri. hatte beschlossen, von dem Nebenkläger N., der leicht einzuschüchtern war, 400 Euro zu verlangen und ihn zur Durchsetzung zu erniedrigen und zu quälen. Ri. fuhr mit dem Angeklagten R. zu dem Standort des N., um diesen dort abzuholen. Unter dem Vorwand, zu McDonalds fahren zu wollen, veranlassten sie N. dazu, einzusteigen. Im weiteren Verlauf hielt Ri. abseits einer Straße. Ri. und R. stiegen beide aus und forderten N. auf, auch das Auto zu verlassen. Sodann forderten die beiden Angeklagten N. dazu auf, u.a. sein Mobiltelefon, seinen Ausweis und sein Portemonnaie auf die Motorhaube zu legen. Ri. verlangte dabei von N., 400 Euro an ihn zu zahlen.

In der Folge entnahm Ri. eine EC-Karte aus dem Portemonnaie des N. und verließ – nach Preisgabe der PIN-Nummer – den Standort, um bei einem nahegelegenen Bankautomaten Geld abzuheben. Dies gelang jedoch nicht. Ri. kam zu dem Standort zurück und begann mit R. zusammen den N. zu malträtieren. N. ließ dies aus Angst über sich ergehen.

Die beiden Angeklagten drängten N. erneut in das Auto und fuhren nun zu der Wohnung des Angeklagten Hi. Dieser wurde in das Vorhaben mit eingeweiht. Die drei Angeklagten gingen nun dazu über, den Nebenkläger zu schlagen und zu treten. Zudem wurde N. zum Zwecke weiterer Erniedrigungen dazu gezwungen, sich weitgehend zu entkleiden; die Angeklagten drückten sodann u.a. ihre Zigaretten am nackten Oberkörper des N. aus.

Zwei Tage später fuhren die Angeklagten zu der Wohnung des N., um das geforderte Geld zu beschaffen. Der Nebenkläger rief jedoch nach Erkennen der Situation die Polizei, woraufhin die Angeklagten wegfuhren.

Das LG hat die Angeklagten jeweils wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt zu (Gesamt-)Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und zehn Monaten und zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafen wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Entscheidung des BGH:

Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich darauf richtete, dass die Angeklagten nicht (auch) des erpresserischen Menschenraubs schuldig gesprochen worden sind, hat teilweise Erfolg.

Das Merkmal des Entführens iSd § 239a Abs. 1 Var. 1 StGB sei bereits erfüllt, wenn der Täter das Opfer ohne dessen Willen an einen anderen Ort bringt und dadurch die Verteidigungsmöglichkeiten erheblich einschränkt. Diese Ortsveränderung müsse nicht durch Gewalt hervorgerufen werden; vielmehr reicht auch List als (alternatives) Mittel aus. Als List sei ein Verhalten zu verstehen, das darauf abzielt, unter geschicktem Verbergen der wahren Zwecke oder Mittel die Ziele des Täters durchzusetzen, indem dem Opfer gegenüber falsche Angaben über den Sinn der Ortsveränderung gemacht werden. Im konkreten Fall haben die Angeklagten Ri. und R. List angewandt, um die bei § 239a Abs. 1 StGB notwendige Bemächtigungslage zu schaffen.

Die Staatsanwaltschaft bemängelt zudem, dass das Vorliegen eines minder schweren Falles (vgl. § 250 Abs. 3 StGB) allein unter Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des Versuchs (§ 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB) angenommen wurde. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung sei vorab auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Soweit nach Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen sei, müssten auch gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe berücksichtigt werden.

Zwar sei es rechtlich bedenklich, dass das LG für alle drei Angeklagten zusammenfassend das Vorliegen eines minder schweren Falles (vgl. § 250 Abs. 3 StGB) annehme. Jedoch sei auch erkennbar, dass die Kammer die erforderliche Gesamtwürdigung vorgenommen hat, die für die Berücksichtigung allgemeiner Strafzumessungsgründe erforderlich ist.

Allerdings erkenne der Senat an, dass die strafmildernde Bewertung des Umstands, dass der Angeklagte Hi. ein „Erstverbüßer“ ist, rechtlich nicht haltbar sei. Zwar sei die Strafzumessung grundsätzlich Sache das Tatgerichts; allerdings kann das Revisionsgericht die Strafzumessung trotzdem überprüfen, wenn die Zumessungserwägungen z.B. in sich fehlerhaft oder von unzutreffenden Tatsachen ausgehen. Hierbei betont der BGH, dass die Tatsache der erstmaligen Verbüßung bei einer Freiheitsstrafe nur dann das Gewicht eines bestimmenden Strafzumessungsgrundes bekommt, wenn besondere Gründe wie Alter oder Krankheit hinzukommen. Dies lasse sich den Urteilsgründen jedoch nicht entnehmen.

KriPoZ-RR 21/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Redaktioneller Leitsatz:

Wirft der Täter nach einem Gerangel mit dem Opfer die zweite mitgeführte Pistole auf den Boden, nachdem das Opfer die erste Waffe aus der Hand riss, so liegt noch kein Fehlschlag vor.  

Sachverhalt:

Die Angeklagte wollte die Geschädigte erschießen und lief mit jeweils einer Pistole in jeder Hand auf diese zu. Nachdem ein Schuss abgegeben wurde, wobei die Angeklagte eine tödliche Verletzung der Geschädigten billigend in Kauf nahm, brachte die Geschädigte die Angeklagte zu Boden. Innerhalb des Gerangels lösten sich drei weitere Schüsse; zwei dieser Schüsse trafen die Geschädigte erneut. Der Geschädigten gelang es schließlich, der Angeklagten eine der Pistolen aus der Hand zu schlagen. Die zweite Waffe wurde von der Angeklagten daraufhin fallengelassen; weitere Tätlichkeiten unterblieben.

Das LG hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Entscheidung des BGH:

Die Revision der Angeklagten, die sich auf die Verletzung materiellen Rechts richtete, hat Erfolg. Insbesondere die Verurteilung wegen versuchten Mordes ist rechtsfehlerhaft.

Hierbei bezieht sich der Senat insbesondere auf die vorherigen Ausführungen des GBA in seiner Antragsschrift. Demnach habe die Strafkammer die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts (§ 24 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StGB) nicht hinreichend in Betracht gezogen. Das Wegwerfen der Pistole begründe an sich nicht zwingend einen fehlgeschlagenen Versuch oder eine Aufgabe des (beendeten) Versuches. Vielmehr müsse sich die Kammer ausgiebiger mit der subjektiven Vorstellung der Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung auseinandersetzen. Der Senat stellt aber klar, dass die übrigen Feststellungen zum Tatgeschehen, insbesondere zum bedingten Tötungsvorsatz, rechtsfehlerfrei sind und daher bestehen bleiben können.

KriPoZ-RR 20/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Amtlicher Leitsatz:

Das Datum der Erstzulassung eines Kraftfahrzeuges ist keine Tatsache, die in der Zulassungsbescheinigung Teil II mit der besonderen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 348 StGB beurkundet wird.

Sachverhalt:

S. bot im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit Dienstleistungen im Bereich des Fahrzeugzulassungswesens an und hatte gute Kontakte zu der Zulassungsstelle in W., insbesondere zu der Leiterin des Straßenverkehrsamtes (H.) und der Referatsleiterin „Kfz-Zulassungen“ (G.). Eines seiner Geschäftsmodelle bestand darin, durch die Weiterveräußerung von Kurzzeitkennzeichen Gewinne zu erwirtschaften. Hierbei zahlte S. aufgrund einer Sondervereinbarung unter Einbindung der H. und G. nur die Hälfte der normal zu entrichtenden Gebühr. Hierzu veranlasste S. zwei Freunde (beides Betreiber von Autohäusern),vermeintlich für im Ausland lebende ehemalige Kunden auf deren Namen Kurzzeitkennzeichen zu beantragen, die dann entsprechend von S. weitergegeben werden konnten.

Zu einem späteren Zeitpunkt ging S. dazu über, für nicht mehr zulassungsfähige Fahrzeuge bei der Zulassungsstelle in W. Zulassungsbescheinigungen Teil II unter Angabe einer nicht durchgeführten Erstzulassung im EU-Ausland zu beantragen. Hierzu wiesen G. und H. in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken unerfahrene Mitarbeiter der Zulassungsstelle an, ohne die Durchführung des vorher notwendigen Datenabgleichs bzw. eine sonstige Überprüfung der früheren Zulassung eine Zulassungsbescheinigung Teil II auszufertigen.

Das LG hat den Angeklagten S. wegen Anstiftung zur unbefugten Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten in 272 Fällen sowie wegen Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Angeklagten H. und G. wurden wegen Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt in sieben Fällen zu Gesamtgeldstrafen von 240 Tagessätzen zu je 150 Euro bzw. von 180 Tagesssätzen zu je 100 Euro verurteilt und bestimmt, dass hiervon jeweils 90 Tagessätze wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.

Entscheidung des BGH:

Die Revisionen der Angeklagten, die sich auf die Verletzung materiellen Rechts richteten, haben Erfolg.

Hierbei stellt der Senat klar, dass das Datum der Erstzulassung eines KfZ keine Tatsache ist, die iSd § 348 StGB besonders beurkundet wird. Eine öffentliche Urkunde gem. § 348 StGB umfasst nur solche Urkunden, die bestimmt und geeignet sind, Beweis für und gegen jedermann zu erbringen. Hierbei sind nur solche Tatsachen erfasst, auf die sich der öffentliche Glaube auch tatsächlich bezieht. Eine erhöhte Beweiskraft komme insbesondere solchen Tatsachen zu, deren Angaben gesetzlich zwingend vorgeschrieben sind. Fehlt es daran, dann ist neben dem Beurkundungsinhalt auch das Verfahren, die Umstände des Beurkundungsvorgangs sowie die Überprüfungsmöglichkeiten des ausstellenden Amtsträgers maßgeblich.

Während der Senat offenlässt, ob der Zulassungsbescheinigung Teil II insgesamt die Qualität einer öffentlichen Urkunde iSd § 348 StGB, spreche seiner Ansicht nach doch vieles dafür. Hierbei rekurriert der BGH auf die Qualität der Zulassungsbescheinigung Teil II, die den veralteten Fahrzeugbrief ersetzen soll. Wie auch der Fahrzeugbrief diene die Bescheinigung jedoch vorranging als Nachweis der Verfügungsberechtigung im Zulassungsverfahren und sei danach allein eine verwaltungsrechtliche Urkunde ohne öffentlichen Glauben.

Eine ausdrückliche Vorschrift, die das einzutragende Datum der Erstzulassung mit voller Beweiskraft ggü. jedermann ausstattet, bestehe nicht. Vielmehr indiziere § 12 FVZ sowie die Richtlinie 1999/37/EG vom 29.4.1999, dass dem Erstzulassungsdatum keine erhöhte Beweiswirkung zukommt – vielmehr sei dieses Datum nur verwaltungsintern von Relevanz. Dass das Feld der Erstzulassung zwingend auszufüllen ist, könne nicht allein die erhöhte Beweiskraft begründen. Der Senat stellt hierzu auch klar, dass nicht jede Tatsache, die in irgendeiner Form im Rechtsleben große Relevanz hat, dem öffentlichen Glauben unterliegt.

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