Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
BVerfG, Beschl. v. 29.04.2021 – 2 BvR 1543/20: Wenn die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist, du aber unbedingt etwas zur Begründetheit sagen willst…
Leitsatz der Redaktion:
Die Zustimmung zu einer Verständigung im Strafprozess nach § 257c Abs. 3 Satz 3 StPO muss ausdrücklich und nicht lediglich konkludent erklärt werden.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hat Verfassungsbeschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung des LG Lüneburg und den bestätigenden BGH-Beschluss erhoben.
In dem dort geführten Strafverfahren hatte der vorsitzende Richter einen Verständigungsvorschlag gemacht, den der Beschwerdeführer angenommen und daraufhin auch gestanden hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte keine ausdrückliche Zustimmungserklärung abgegeben.
Diese Verständigung sei nach Ansicht des Beschwerdeführers deshalb rechtsfehlerhaft zustande gekommen.
Entscheidung des BVerfG:
Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da sie mangels ausreichender Angaben zur Fristwahrung unzulässig gewesen sei, machte allerdings dennoch Ausführungen zur Begründetheit.
Demnach spreche, laut BVerfG, einiges dafür, dass die Entscheidungen der Fachgerichte den verfassungsrechtlichen Vorgaben an das wirksame Zustandekommen einer Verständigung nicht gerecht geworden seien.
Grundsätzlich begegne eine Verständigung im Strafprozess keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sie nach den Vorgaben der Strafprozessordnung zustande komme.
Demnach sei das ebenfalls für die Staatsanwaltschaft geltende Zustimmungserfordernis ein wesentlicher Bestandteil der Verständigung, um die Verantwortung der StA zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards zu stärken.
Dieses Zustimmungserfordernis müsse allerdings auch die Transparenzregeln des Verständigungsverfahrens wahren und daher sei zu verlangen, dass sowohl die Zustimmung des Angeklagten als auch die der StA ausdrücklich – und nicht lediglich konkludent – im Prozess erklärt werden, so das BVerfG. Ansonsten sei eine Kontrolle des Verständigungsgeschehens nicht zur Gänze möglich, da eine lediglich konkludente Zustimmung, Raum für informelle Absprachen und sog. Deals lasse, die aufgrund der Gefährdung des Schuldprinzips, nicht mit der Verfassung vereinbar seien.
Die strengen formalen Regelungen zum Verständigungsverfahren erfüllten eine wesentliche Schutzfunktion, was dazu führe, dass ein Verstoß gegen solche grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer Verständigung führe. Gehe das Gericht dennoch von dessen Wirksamkeit aus, beruhe das Urteil regelmäßig auf diesem Verfahrensfehler.
Anmerkung der Redaktion:
Das BVerfG hatte im März 2013 entschieden, dass das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 eine verfassungsgemäße Ausgestaltung der Verständigung sicherstelle. Das Urteil finden Sie hier.