2019, Nomos, Baden-Baden, ISBN: 978-3-8487-4787-0, S. 129, Euro 42,00.
Der Tagungsband gibt die Vorträge wieder, die anlässlich des Symposiums „Vollzug für das 21. Jahrhundert“ in der JVA Waldheim gehalten worden sind.
Kriminalpolitische Zeitschrift
2019, Nomos, Baden-Baden, ISBN: 978-3-8487-4787-0, S. 129, Euro 42,00.
Der Tagungsband gibt die Vorträge wieder, die anlässlich des Symposiums „Vollzug für das 21. Jahrhundert“ in der JVA Waldheim gehalten worden sind.
von RAin Pia Bruckschen
Am 26. Januar 2019 fand auf Einladung des „ICDL Germany e.V.“, einem Zusammenschluss von Strafverteidigern und Wissenschaftlern mit Interesse für das Wirken der internationalen Strafjustiz, die bereits 13. Auflage der Konferenz „Defence Counsel at the International Criminal Tribunals“ in den Räumlichkeiten des Hotels Intercontinental in Berlin statt. Die Veranstaltung wurde gefördert von der RAK Berlin. Wissenschaftler und Praktiker aus dem In- und Ausland fanden sich zur Diskussion und Analyse aktueller Probleme und Erfahrungen in Zusammenhang mit den Entwicklungen und Verfahren vor den Internationalen Gerichtshöfen zusammen. Auch dieses Jahr war die Konferenz von einem intensiven Erfahrungsaustausch mit an den Tribunalen praktizierenden Juristen als auch von der Diskussion erheblicher verfahrensrechtlicher und tatsächlicher Problematiken – neuer oder altbekannter Art – geprägt.
Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
Leitsatz der Redaktion:
Liegt kein Einverständnis des Angeklagten vor, kann ein von einem nicht allgemein vereidigten Sachverständigen erstelltes DNA-Gutachten, nicht im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingebracht werden.
Sachverhalt:
Das LG Wuppertal hat den Angeklagten wegen mehreren Wohnungseinbruchdiebstählen verurteilt.
Während der Hauptverhandlung hatte der Vorsitzende das Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 StPO unter anderem auch für acht DNA-Gutachten angeordnet. Die Gutachten waren von privaten und nicht nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO vereidigten Sachverständigen erstellt worden und hatten maßgeblich zur Verurteilung durch das LG beigetragen.
Ein ausdrückliches Einverständnis hatten weder der Angeklagte noch sein Verteidiger erklärt. Ein Widerspruch gegen die Verlesung war ebenfalls nicht erhoben worden.
Gegen diese Verfahrensweise hat der Angeklagte die Verfahrensrüge erhoben und eine Verletzung von § 250 StPO gerügt.
Entscheidung des BGH:
Der BGH sah die Rüge als begründet an, da das LG den Grundsatz der persönlichen Vernehmung (§ 250 StPO) umgangen habe.
Die beiden einzig in Betracht kommenden Ausnahmetatbestände – § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO und § 256 Abs. 1 Nr. 1 StPO – seien nicht erfüllt gewesen, sodass das Tatgericht die Sachverständigen persönlich in der Hauptverhandlung hätte befragen müssen.
Ein ausdrücklich erklärtes Einverständnis iSd § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO des Angeklagten habe nicht vorgelegen. Die Einlassung des Verteidigers, dem Selbstleseverfahren nicht entgegenzutreten, sei lediglich dahingehend zu verstehen gewesen, dass er mit den Modalitäten des Selbstleseverfahren einverstanden sei und sein Mandant die Urkunden auch als Nichtmuttersprachler lesen und verstehen könne.
Eine Aussage zum „Ob“ der Verlesung der Urkunden im Selbstleseverfahren sei hierin nicht zu sehen, so der BGH.
Auch eine konkludente oder stillschweigende Zustimmung sei nicht anzunehmen gewesen, da das Erfordernis eines Einverständnisses nie in der Verhandlung thematisiert worden sei und man daher nicht davon ausgehen dürfe, dass die Beteiligten die Tragweite ihres Schweigens realisiert hätten. Zudem hätte ein solches stillschweigendes Einverständnis auch im Zeitpunkt der Anordnung der Verlesung bereits bestehen müssen. Da der Vorsitzende aber erst in der Anordnung des Selbstleseverfahrens die betroffenen Urkunden benannt hatte, habe den Beteiligten die Möglichkeit gefehlt, ein Einverständnis bezogen auf die zur Verlesung bestimmten Urkunden zu erklären.
§ 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO sei schon deshalb nicht einschlägig, weil es sich bei den Gutachtern nicht um allgemein vereidigte Sachverständige gehandelt habe. Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Norm komme nicht in Betracht, da diese als Ausnahmevorschrift zu § 250 StPO eng auszulegen sei und somit die Reputation der Gutachter keine Rolle spiele. Es komme gerade auf die im Vereidigungsverfahren geprüfte sachliche und persönliche Befähigung des Sachverständigen an, die ihn mit einer Autorität ausstatteten, welche eine Gleichstellung mit einer öffentlichen Behörde (vgl. § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO) rechtfertige. Werde das Vereidigungsverfahren nicht durchlaufen, sei daher für die Ausnahme kein Raum.
Schließlich sei eine Beanstandung gemäß § 238 Abs. 2 StPO nicht erforderlich gewesen, da nach § 251 Abs. 4 Satz 1 StPO der gesamte Spruchkörper über eine Verlesung zu entscheiden habe, was die Rüge einer Verletzung des § 251 Abs. 1 StPO ohne vorherige Beanstandung ermögliche. Zum anderen hätte der Vorsitzende bei der Stützung seines Vorgehens auf § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO zwingendes Recht ohne eigenen Ermessenspielraum anwenden müssen. Die Rüge der Verletzung solch zwingenden Rechts sei auch ohne Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO möglich.
Damit verstoße das Vorgehen des LG gegen § 250 StPO.
Anmerkung der Redaktion:
Schon in früheren Urteilen hat der BGH klargestellt, dass die gesetzlichen Ausnahmen zu § 250 StPO eng auszulegen und nur in besonderen Fällen zu erweitern sind.
Beispiele für diese Rechtsprechung finden Sie hier und hier.
An dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber auch mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens nichts ändern wollen.
Gesetzentwürfe:
Die Fraktion der AfD hat am 8. November 2019 einen Gesetzentwurf zur strafrechtlichen Harmonisierung von § 252 StGB in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/14764).
Hintergrund ist die mit dem 6. StrRG (BT Drs. 13/7164) in die Tatbestände der §§ 242, 249 StGB eingefügte Drittzueignungsabsicht. Im Vergleich dazu sieht § 252 StGB für den subjektiven Tatbestand neben dem Vorsatz, der sich auf den Diebstahl und die Nötigung beziehen muss, nur die Absicht der Sicherung des Eigenbesitzes vor. Die reine Drittzueignungsabsicht reicht hier gerade nicht aus. Die Fraktion sieht darin eine Strafbarkeitslücke, die aufgrund der Nähe des Räuberischen Diebstahl zum Raub geschlossen werden müsse.
Bereits am 15. Januar 2020 hat der Rechtsausschuss zu einer Ablehnung des Entwurfs der AfD geraten (BT Drs. 19/16541). Ein gleichlautender Beschluss wurde am 23. Juni 2021 durch den Bundestag ohne weitere Aussprache in einer abschließenden Beratung gefasst.
Gesetzentwürfe:
Die Fraktion Die Linke hat am 8. November 2019 einen Antrag zur Festlegung einer bundeseinheitlichen geringen Drogenmege und zur Erleichterung von Harm Reduction in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/14828). Eine Reform des Drogenstrafrechts sei aus verfassungsrechtlicher, strafrechtstheoretischer und gesundheitswissenschaftlicher Sicht dringend erforderlich. Dir Drogenprohibition sei mit dem Feiheitspostulat der Verfassung nicht vereinbar und verletzte das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Schließlich habe die Vergangenheit gezeigt, dass der Drogenkonsum durch Repression nicht reduziert werde und die beabsichtigte generalpräventive Wirkung des Betäubungsmittelstrafrechts nicht eingetreten ist. Bei 77 Prozent der polizeilich erfassten Rauschgiftdelikte handele es sich um konsumnahe Delikte. Dazu komme, dass die Bundesländer die Grenzwerte für die geringe Menge (§ 31a BtMG) selbst festlegen und die Vorgaben des BVerfG selbst nach 25 Jahren noch nicht umgesetzt wurden. Dies führe zu einer uneinheitlichen Anwendungspraxis, die mit der Schaffung einer bundeseinheitlichen Regelung beendet werden soll.
Die Fraktion fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der u.a.:
Am 26. Mai 2021 hat der Ausschuss für Gesundheit in seiner Beschlussempfehlung zu einer Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke geraten (BT Drs. 19/30042). Ein entsprechender Beschluss des Bundestage erging schließlich am 23. Juni 2021 ohne weitere Aussprache in einer abschließenden Beratung.
Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
Leitsatz der Redaktion:
§ 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO macht einen gerichtlichen Hinweis auf eine mögliche Einziehung auch dann erforderlich, wenn die Tatsachen zwar schon in der Anklageschrift angegeben waren, das Gericht aber deren Bedeutungsgehalt erst in der Hauptverhandlung realisiert hat.
Sachverhalt:
Der 5. Strafsenat des BGH hat in einem Anfragebeschluss an den 1. Strafsenat (KriPoZ-RR, Beitrag 22/2019) mitgeteilt, dass er beabsichtige von dessen bisheriger Rechtsprechung abzuweichen und gefragt, ob der 1. Senat an seiner entgegenstehenden Rechtsprechung festhalte.
Gegenstand der Anfrage war die Auslegung des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO, der nach Ansicht des 5. Senats keine Hinweispflicht auslöse, wenn die entscheidungserheblichen Tatsachen für eine Einziehungsentscheidung bereits in der Anklageschrift angegeben gewesen waren.
Entscheidung des 1. Senats:
Der Senat hält an seiner entgegenstehenden Rechtsprechung fest.
Dies begründet er zum einen mit der Systematik der Norm. Die Hinweispflicht des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO sei auf alle Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB anzuwenden. Eine Unterscheidung innerhalb der verschiedenen Maßnahmen finde im Gesetz gerade nicht statt, was für eine einheitliche Anwendung aller Rechtsfolgen spreche.
Dann zieht der 1. Senat einen Vergleich zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung, bei deren Anwendung es der ständigen Rechtsprechung entspreche, einen Hinweis auch bei lediglich neuer Bewertung schon bekannter Tatsachen zu erteilen. Für die Einziehung dürfe nichts anderes gelten, so der Senat, da ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung fehle.
Zudem seien in Abs. 2 des § 265 StPO sowohl Hinweispflichten für Fälle der Änderung des tatsächlichen, als auch des rechtlichen Gesichtspunktes geregelt. Das verhindere eine Abgrenzung der Absätze 1 und 2 anhand dieses Kriteriums.
Auch die Gesetzeshistorie spreche für die Wertung des 1. Senats, da der Gesetzgeber durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens in § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO nicht einfach den Fall der Einziehung eingefügt habe. Er habe in Kenntnis der bisherigen Senatsrechtsprechung die Hinweispflichten für Einziehungsentscheidungen und Maßregeln der Besserung und Sicherung unter dem Oberbegriff der Maßnahmen gebündelt, was ebenfalls für eine Gleichbehandlung beider Nebenfolgen spreche.
Der zur Begründung einer engen Auslegung der Hinweispflicht vom 5. Senat herangezogene Vergleich der Einziehung mit dem Fahrverbot sei insoweit nicht tragfähig, als dass die Anordnung der Einziehung von weiteren tatsächlichen Voraussetzungen abhängig sei. Dies mache es möglicherweise für den Angeklagten erforderlich, sich gegen eine Einziehungsentscheidung in der Hauptverhandlung anders zu verteidigen, als gegen den Hauptvorwurf selbst. Eine solche abweichende Verteidigung könne es beim Fahrverbot nicht geben, da dessen Anordnung von denselben Voraussetzungen abhängig sei, wie die Strafe selbst.
Auch der Telos des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO erfordere eine weite Auslegung, da Art. 103 Abs. 1 GG und der sog. Fair Trial-Grundsatz eine effektive Verteidigung des Angeklagten geböten, was einen Schutz vor Überraschungsentscheidungen des Gerichts erforderlich mache.
Insoweit spiele es für den Angeklagten keine Rolle, ob er schon Kenntnis der Tatsachenlage habe. Diese sei für ihn regelmäßig nutzlos. Relevant sei einzig und allein die rechtliche Bewertung der Tatsachengrundlage, was eine Hinweispflicht bei fehlender Bedeutungskenntnis auslöse.
Abschließend führte der Senat aus, dass eine unterschiedliche Behandlung von Einziehungsentscheidungen und Anordnungsentscheidungen von Maßregeln der Besserung und Sicherung weder nach dem Kriterium des Schwierigkeitsgrades der rechtlichen Bewertung noch nach der Eingriffsintensität der Maßnahmen zu rechtfertigen sei.
Anmerkung der Redaktion:
Den KriPoZ-RR Beitrag über den Anfragebeschluss des 5. Senats finden Sie hier.
Eine Aufbereitung des Gesetzgebungsverfahrens des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens finden Sie hier.
Gesetzentwürfe:
Der Freistaat Bayern hat am 15. Oktober 2019 einen Gesetzesantrag zur Strafzumessung bei antisemitischen Straftaten in den Bundesrat eingebracht (BR Drs. 498/19).
Laut einer von der Europäischen Kommission veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage aus Januar 2019, seien es 61 Prozent der Deutschen, die Antisemitismus für ein wachsendes Problem halten und damit mehr, als in den übrigen europäischen Ländern. Die Zunahme antisemitischer Tendenzen lasse sich aber auch objektiv belegen. Die PMK-Statistik weise für das Jahr 2018 bundesweit 1.799 antisemitische Straftaten aus, ein Anstieg im Vergleich zum Jahr 2013 um ca. 40 Prozent. Insbesondere stelle die Zunahme strafbarer antisemitischer Äußerungen im Internet durch die schnelle Verbreitung und große Reichweite ein Problem neuerer Zeit dar. Mit den Taten werde zugleich eine symbolische Botschaft der Einschüchterung und Verunsicherung übermittelt, die sich gegen ein friedliches Zusammenleben der Gesellschaft richtet. Dies dürfe ein demokratischer Rechtsstaat nicht hinnehmen und sei darum zum Handeln aufgerufen. Er müsse sich nicht nur schützend vor die jüdischen Mitbürger stellen, sondern auch Sorge dafür tragen, dass eine nachdrückliche Strafverfolgung antisemitischer Straftaten stattfindet. Dies sei nicht zuletzt auch aus generalpräventiven Gesichtspunkten von Bedeutung.
Bislang ermöglicht § 46 StGB rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe oder Ziele des Täters bei der Strafzumessung strafschärfend zu berücksichtigen. Antisemitische Beweggründe seien dabei zwar grundsätzlich auch unter menschenverachtende Beweggründe zu subsumieren, werden aber im Gegensatz zu rassistischen und fremdenfeindlichen Beweggründen, die ebenfalls menschenverachtend sind, nicht genannt. Damit seien sie im Gesetz nur unzureichend abgebildet.
Der Entwurf sieht daher vor, § 46 Abs. 2 S. 2 StGB um die antisemitischen Beweggründe und Ziele, als ein weiteres Beispiel für menschenverachtende Tatmotive zu ergänzen.
Der Gesetzentwurf wurde am 8. November 2019 im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss an den Rechts- und den Innenausschuss überwiesen. Diese sprachen sich in ihrer Empfehlung (BR Drs. 498/1/19) dafür aus, den Entwurf in den Bundestag einzubringen. Dies wurde in der Plenarsitzung am 29. November 2019 im Rahmen einer Abstimmung beschlossen. Am 13. Januar 2020 brachte der Bundesrat den Gesetzentwurf in den Bundestag ein (BT Drs. 19/16399), nachdem die Bundesregierung Stellung genommen hatte. Diese unterstützt zwar das Anliegen des Entwurfs, verweist aber auch darauf, dass sie bereits eine entsprechende Regelung in einem eigenen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht hat. Näheres dazu finden Sie hier.
Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
Leitsatz der Redaktion:
Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist schon dann beendet, wenn alle Bemühungen um einen erfolgreichen Güterumsatz und einen Waren- und Geldfluss endgültig eingestellt worden sind.
Sachverhalt:
Das LG Frankfurt a. M. hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt.
Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte er sich mit einer Bekannten verabredet, um von ihr angekauftes Marihuana auf dessen Qualität hin zu prüfen. Als Entlohnung war ihm eine kleine Menge des Rauschgifts für den Eigenverbrauch versprochen worden.
Auf Anweisung seiner Bekanntschaft hatte der Angeklagte das Marihuana aus dem Versteck in einer Tiefgarage geholt und in ihre Wohnung gebracht. Dort hatte er die Qualität überprüft und beim anschließenden Verpacken der Drogen geholfen. Nach den Feststellungen des LG hatte er dabei vom Drogengeschäft seiner Bekannten gewusst und dieses auch fördern wollen. Daraufhin war es zu einem Polizeieinsatz in der Wohnung gekommen bei dem der Beschuldigte verhaftet worden war.
Die Polizei hatte die Wohnung observiert, da die Bekannte des Angeklagten am Tag zuvor selbst bei den Beamten angegeben hatte, dass ein Drogengeschäft in ihrer Wohnung stattfinden werde, um eine Strafmilderung nach § 31 BtMG zu erhalten.
Entscheidung des BGH:
Der BGH hob den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf.
Eine Beihilfehandlung könne nur bis zur Beendigung der Haupttat vorgenommen werden. In diesem Fall bestehe jedoch die Möglichkeit, dass die Haupttat im Zeitpunkt der Hilfeleistung durch den Angeklagten schon beendet gewesen sei. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sei nämlich beendet, wenn der erstrebte Erfolg des Güterumsatzes und der Bezahlung eingetreten und der Waren- und Geldfluss zur Ruhe gekommen sei oder wenn alle Bemühungen darum endgültig eingestellt worden seien.
Da die Bekannte des Angeklagten zuvor selbst bei der Polizei angegeben hatte, dass ein Drogengeschäft in ihrer Wohnung stattfinden werde, könnte von einer Einstellung der Bemühungen auszugehen sein, so der BGH.
Zu diesem Komplex habe sich das LG allerdings nicht geäußert, was die Aufhebung des Urteils erfordere.
Anmerkung der Redaktion:
Die bisher ständige Definition der Beendigung des Handeltreibens entwickelte der BGH in diesem Beschluss.
Dass nach dem Waren- und Geldaustausch des Drogenkuriers eine noch offene Forderung des Großhändlers für die Beendigung der Tat keine konkrete Bedeutung hat, entschied der BGH in diesem Urteil.
Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
Leitsätze der Redaktion:
Sachverhalt:
Das LG München II hat den Angeklagten A wegen Volksverhetzung in elf Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit zwei weiteren Fällen der Volksverhetzung, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und in einem Fall in Tateinheit mit einem weiteren Fall der Volksverhetzung sowie wegen eines weiteren Falls des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt.
Die Angeklagte B hat es wegen Volksverhetzung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem weiteren Fall der Volksverhetzung verurteilt.
Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte A zehn Videos produziert und im Internet veröffentlicht, in denen er den Holocaust geleugnet hatte und gegen Juden und Flüchtlinge hetzte. B hatte ihm teilweise bei der Produktion geholfen und auch selbst in Videos als Darstellerin mitgewirkt und den Holocaust geleugnet.
Entscheidung des BGH:
Der BGH verwarf die Revision überwiegend und änderte lediglich den Schuldspruch aufgrund einer abweichenden konkurrenzrechtlichen Bewertung.
Die Ansicht des LG, dass die Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommen hatten, den Völkermord an der jüdischen Bevölkerung zur Zeit des Nationalsozialismus zu leugnen, sei rechtsfehlerfrei belegt, so der BGH.
Der subjektive Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB setze zumindest bedingten Vorsatz voraus. Dabei leugne den Holocaust, wer diese historische Tatsache in Abrede stelle, obwohl er entweder wisse oder zumindest billigend in Kauf nehme, dass der Holocaust entgegen seiner Behauptung tatsächlich stattgefunden habe.
Die Unwahrheit der eignen Behauptung sei dabei gerade keine objektive Bedingung der Strafbarkeit, sondern ein Tatbestandsmerkmal, das vom Vorsatz umfasst sein müsse.
Gerade nicht ausreichend sei, dass der Täter bewusst eine allgemein akzeptierte Ansicht bestreite, da sich der Vorsatz dann nur auf den Widerspruch der eigenen Aussage zur allgemein akzeptierten Ansicht erstrecken müsse. Dies würde dazu führen, dass auch durch Dummheit, Unwissenheit oder Ungläubigkeit motivierte Aussagen strafbar wären, was nicht mit dem Schuldgrundsatz übereinstimmte, so der Senat.
Nach diesen Maßstäben habe das LG zu Recht argumentiert, dass die beiden Angeklagten nicht irrig an die Nichtexistenz des NS-Genozids geglaubt, sondern die Beweise für den Völkermord bewusst ignoriert hätten. Damit hätten sie die Unrichtigkeit ihrer eignen Beweise auch mangels kritischer Auseinandersetzung mit ihnen zumindest billigend in Kauf genommen.
Des Weiteren stellte der BGH klar, dass seine ständige Rechtsprechung zur Mittäterschaft unverändert fortbestehe. Für die Annahme einer solchen, sei neben einem gemeinsamen Tatplan ein eigener Tatbeitrag des Mittäters erforderlich, der weder in einer Mitwirkung am Kerngeschehen noch in der Anwesenheit am Tatort bestehen müsse. Es genüge, dass der objektive wesentliche Tatbeitrag in einer Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung liege, die der Mittäter subjektiv als Teil der Tätigkeit aller begreife. Maßgebliche Kriterien dafür seien der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Wille zur Tatherrschaft.
Insoweit sie eine in der Literatur vertretene Ansicht, aus der Rechtsprechung des Senat ergebe sich zur Annahme einer Mittäterschaft im Lichte der Tatherrschaft die Voraussetzung, dass der Täter durch seinen Beitrag die Tatausführung beeinflussen können müsse, nicht richtig. Dies folge daraus, dass es sich bei der Tatherrschaft lediglich um ein Kriterium zur Annahme einer mittäterschaftlichen Begehungsweise handele. Sei dieses nur schwach ausgeprägt oder nicht vorhanden, könne eine Mittäterschaft im Wege einer Gesamtwürdigung aller Kriterien dennoch begründet werden.
Nach diesen Maßstäben sei die Annahme einer Mittäterschaft durch das LG rechtsfehlerfrei, da die Angeklagte B zwar nicht unmittelbar an der Veröffentlichung mancher Videos beteiligt gewesen war, ihr Beitrag im Vorfeld (Idee zum Video, Schreiben des Drehbuchs und Mitwirkung als Darstellerin) jedoch wesentlich gewesen war.
Zur konkurrenzrechtlichen Bewertung führte der Senat aus, dass die Tatbestandsvarianten des § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB und die des § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und c StGB jeweils dasselbe Rechtsgut schützten. Da somit lediglich gleichwertige Tatmodalitäten bestraft würden, handele es sich bei gleichzeitiger Verwirklichung mehrerer Varianten innerhalb eines Absatzes nur um eine Tat. Dadurch sei der Schuldspruch teilweise abzuändern gewesen. Die Tateinheit zwischen den Taten nach § 130 Abs. 1 StGB und § 130 Abs. 3 StGB sei allerdings möglich.
Anmerkung der Redaktion:
Zur Abgrenzung der Tathandlungen des Verharmlosens und des Leugnens hat das OLG Celle im August 2019 ein Urteil gefällt. Sie finden es hier.
Auch der EGMR hat sich bereits mit § 130 Abs. 3 StGB befasst. Das Urteil finden Sie hier.
Weitere Urteile des BGH und des BVerfG finden Sie hier und hier.
Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
Leitsatz der Redaktion:
Weicht das Motiv für einen Mord aus niedrigen Beweggründen, welches in der Anklageschrift genannt wird vom demjenigen ab, auf welches das Gericht die Verurteilung zu stützen gedenkt, folgt daraus eine Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 2 Nr. 3 iVm Abs. 1 StPO.
Sachverhalt:
Das LG Stuttgart hat den Angeklagten wegen Mordes verurteilt.
Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte seine ehemalige Lebensgefährtin getötet, um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn zu behalten. Zunächst hatte er sich das Sorgerecht durch eine Täuschung gegenüber dem Familiengericht erschlichen. Als seine ehemalige Partnerin dies bemerkt und Beschwerde beim OLG eingelegt hatte, hatte der Angeklagte sie erwürgt.
Nach Ansicht des LG war dem Angeklagten das Sorgerecht so enorm wichtig gewesen, weil er sich dadurch erhoffte, dem Strafvollzug wegen einer anderen Verurteilung entgehen zu können. Diese Motivlage war allerdings in der Anklageschrift nicht genannt worden. Ein Hinweis gem. § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO war in der Hauptverhandlung nicht erteilt worden.
Gegen dieses Vorgehen hat sich der Angeklagte mit der Verfahrensrüge gewendet.
Entscheidung des BGH:
Der BGH gab der Revision statt und verwies die Sache zurück an das LG Stuttgart.
Zur Begründung führte der Senat an, dass die Reform des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens die Hinweispflicht aus § 265 Abs. 1 StPO ausgedehnt habe. Ein Hinweis sei nun immer erforderlich, wenn sich der Sachverhalt in der Hauptverhandlung als unterschiedlich zu dem in der Anklageschrift genannten herausstelle und der Hinweis zur genügenden Verteidigung erforderlich sei. Maßgeblich dafür seien der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und das Gebot eines fairen Verfahrens.
Der Gesetzgeber habe mit der Reform die vom BGH entwickelten Grundsätze zur Hinweispflicht kodifizieren wollen, wonach ein Hinweis bei einer wesentlichen Veränderung des Tatbildes (z.B. Tatzeit, Tatort, Tatobjekt, Tatrichtung oder beteiligte Personen) oder bei Aufklärung von Ungenauigkeiten der Faktenlage in der Anklage erforderlich sei.
Eine Offenlegung der gerichtlichen Beweiswürdigung oder Hinweise bezüglich der Bewertung von Indiztatsachen seien jedoch weiterhin nicht erforderlich, so der BGH.
Nach diesen Maßstäben sei der Angeklagte über die geänderte Tatsachengrundlage, die nach Ansicht des Tatgerichts das Mordmerkmal der Heimtücke begründe, förmlich zu informieren gewesen. Erst der Hinweis hätte es dem Angeklagten ermöglicht, sich gegen die neuen Vorwürfe angemessen verteidigen zu können.
Anmerkung der Redaktion:
Alle Informationen zum Gesetzgebungsverfahren des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens finden Sie hier.
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