KriPoZ-RR, Beitrag 01/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 14.10.2020 – 5 StR 229/19: Zur Einziehung des Erlangten bei der Marktmanipulation

Amtlicher Leitsatz:

1. Zur Bestimmung des erlangten Etwas im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB in Fällen der Marktmanipulation.

2. § 100a Abs. 1 Satz 1 stopp erlaubt den Zugriff auf beim Provider zwischen- oder endgespeicherte („ruhende“) E-Mails.

Sachverhalt:

Das LG Hamburg hat die Angeklagten wegen Marktmanipulation in fünf Fällen verurteilt. Daneben hat es Einziehungsanordnungen gegen einen Angeklagten und die Einziehungsbeteiligten getroffen.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten die Angeklagten in einem Tatkomplex handelsgestützte Marktmanipulation in Form von abgesprochenen Eigengeschäften (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) betrieben. In den übrigen Fällen hat das LG die Taten als informations- und handlungsgestützte Marktmanipulation (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 WpHG) abgeurteilt. Aufgrund aller Taten hat das Tatgericht den gesamten Erlös aus den Aktienverkäufen als Tatertrag im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB angesehen.

Entscheidung des BGH:

Der BGH korrigierte die Einziehungsentscheidungen, da das LG das erlangte Etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nicht zutreffend bestimmt habe.

Vermögensvorteile seien im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB und § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB durch die rechtswidrige Tat erlangt, wenn sie dem Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten aufgrund der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs zuflössen. Erforderlich sei eine Kausalbeziehung zwischen der Tat und dem Erlangen des Vermögensvorteils, sodass diese strafrechtswidrige Bereicherung in Form des messbaren Vermögensvorteils entfiele, wenn die Tat hinweggedacht würde.

Dieser Zusammenhang entfalle, wenn erst eine weitere nicht tatbestandsmäßige Handlung das Zufließen des Vermögensvorteils auslöse, so der BGH in Wiederholung seiner ständigen Rechtsprechung.

Für die Fälle der Marktmanipulation bedeute dies, dass in den Fällen des informations- und handlungsgestützten Manipulationsvorgangs der gesteigerte Wert der noch gehaltenen Aktien für eine Einziehung nach §§ 73 ff. StGB maßgeblich sei. Der in einem weiteren Schritt durch den – an sich nicht rechtswidrigen – Verkauf der Aktien generierte Erlös könne in solchen Fällen nicht herangezogen werden, da diesem der erforderliche Kausalzusammenhang fehle. Somit könne die Höhe des Einziehungsumfangs in diesen Fällen regelmäßig nach dem Veräußerungsgewinn bestimmt werden, so der BGH.

Etwas Anderes gelte in Fällen der handelsgestützten Marktmanipulation. Da hier der Zufluss des Verkaufserlöses unmittelbar auf dem die Manipulation begründenden abgesprochenen Eigenverkauf beruhe, unterliege auch der gesamte Verkaufserlös der Einziehung. Die Erwerbskosten für die Aktien blieben hierbei außer Betracht, da diese Aufwendungen in Planung der späteren Marktmanipulation gemacht würden und daher das Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB eingreife, so der Senat.

Da das LG in allen Tatvarianten von einer Einziehung des gesamten Verkaufserlöses ausgegangen sei, seien die Einziehungsentscheidungen zu korrigieren gewesen.

Ebenfalls stellte der BGH klar, dass § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den verdeckten Zugriff auf beim Provider bereits gespeicherte E-Mails darstelle.

Zwar könnten solche Mails auch offen nach § 94 StPO erlangt werden, allerdings werde § 100a StPO von § 94 StPO ebenso wenig ausgeschlossen, wie § 94 StPO von § 100a StPO verdrängt werde, da sich beide Ermittlungsmaßnahmen ergänzten.

Zudem sei die Anwendung des § 100a StPO nicht auf E-Mails beschränkt, die nach Anordnung der Maßnahme versandt oder empfangen würden. Dies ergebe sich schon daraus, dass solche Mails unproblematisch von § 94 StPO erfasst sein. Daher müsse der im Hinblick auf seine Anordnungsvoraussetzungen deutlich strengere § 100a StPO erst recht anwendbar sein. Gleiches bestätige ein Umkehrschluss zur sog. Quellen-TKÜ nach § 100a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 lit. b StPO, welche eine explizite zeitliche Einschränkung vorsehe, die bei § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO fehle.

 

Anmerkung der Redaktion:

Hinsichtlich der Einziehung hatte der BGH bereits in seinem Beschluss vom 4. November 2020 (2 StR 32/20) darauf hingewiesen, dass zur Bestimmung des tatsächlich erlangten Etwas die jeweiligen Transaktionen genau im Hinblick auf die Nutzung des konkreten Depots und gegebenenfalls einer Clearingstelle als zentralem Kontrahenten in den Blick zu nehmen sei.

 

 

 

 

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