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KriPoZ-RR 15/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier. 

Redaktioneller Leitsatz:

Trotz der veränderten Rechtslage durch das KCanG ist der Grenzwert der nicht geringen Menge an Cannabis unverändert bei 7,5kg THC anzusetzen. Die Gesetzesänderung sieht keine ausdrückliche Erhöhung dieses Grenzwertes fest.

Sachverhalt:

Die beiden Angeklagten A. und M. lebten und arbeiteten in einem mehrmonatigen Zeitraum im Sommer 2023 als „Gärtner“ in einer Indoor-Marihuanaplantage, die von einer Bandenorganisation angemietet wurde. Bei einer Durchsuchung des Anwesens wurden dort über 1.763 Cannabispflanzen mit mindestens 160kg Marihuana und mit einer Gesamtmenge von 22.105 g THC gefunden. Die beiden Angeklagten waren dazu beauftragt, die Pflanzen mit Dünger zu versorgen, sowie die Lüftungsanlage und die Wärmelampen zu betreiben.

Das LG hatte die Angeklagten jeweils wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Entscheidung des BGH:

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revisionen der Angeklagten haben hinsichtlich des Strafausspruches Erfolg. 

Nach der Ansicht des Senats gebietet das Inkrafttreten des KCanG eine Neufassung des Schuldspruchs. Das vom LG festgestellte Tatgeschehen stelle sich als verbotener Besitz von mehr als drei lebenden Cannabispflanzen (§ 34 Abs.1. Nr. 1c iVm § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) in Tateinheit mit Beihilfe zum nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG verbotenen Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 iVm § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) dar. Die Tathandlungen des KCanG seien hierbei ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des BtMG orientiert. Demnach seien die entwickelten Grundsätze in Bezug auf die in § 29 ff. BtMG unter Strafe gestellten Handlungsformen zu übertragen.

Der Senat geht davon aus, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge für THC i.S.d. § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG 7,5 g beträgt. Hierbei wurde sich infolge der fehlenden Bestimmbarkeit einer lebensbedrohlichen Einzeldosis auf dessen konkreten Wirkungsweise und der Wirkungsintensität, insbes. der Gefährlichkeit, gestützt. Bei der Bemessung des Grenzwertes wurde unter anderem berücksichtigt, dass THC anders als z.B. Heroin nicht zur physischen Abhängigkeit führt, wenngleich es teilweise zu psychischen Störungen wie Psychosen oder Depressionen führen kann.

Das KCanG definiere den Begriff der nicht geringen Menge nicht ausdrücklich. Mit Blick auf die unveränderte Wirkweise und Gefährlichkeit sei der Grenzwert jedoch nicht anders zu bestimmen, als zuvor. Die Regelung in § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG gebe hierzu keinen Anlass.

Einerseits gebe der Wortlaut dafür keine Anhaltspunkte. Der Gesetzgeber habe sich bewusst für den unbestimmten Rechtsbegriff entschieden. Andererseits spreche auch der Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG für die Beibehaltung des Grenzwertes. § 34 KCanG soll die Volksgesundheit und die körperliche Unversehrtheit des einzelnen Bürgers schützen. Das Gesetz ziele erkennbar auf einen verbesserten Gesundheitsschutz ab. Der Regelungszweck habe sich gegenüber § 29a BtMG nicht geändert.

Zudem spreche auch die Gesetzessystematik für diese Auslegung. Der Umgang mit Cannabis sei gem. § 2 KCanG trotzdem noch verboten; in § 2 Abs. 4 KCanG werden lediglich spezifizierte, erlaubte Handlungen ausgenommen. Dieser Wertung stünden auch nicht die in § 3 KCanG festgesetzten legalen Besitzmengen entgegen.

Letztlich sei auch aus der Entstehungsgeschichte des KCanG nichts Gegenteiliges zu ziehen. Nach der Gesetzesbegründung des KCanG ist der Grenzwert von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln. Jedoch lässt sich aus der Gesetzesbegründung und auch sonst keine geänderte Risikolage feststellen; insbesondere sei die Wirkungsweise und -intensität von THC unverändert.

Unabhängig des unveränderten Grenzwertes könne der Strafausspruch keinen Bestand haben. Der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 S. 1 KCanG sehe für besonders schwere Fälle eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor, während der vom LG angewandte § 29a Abs. 1 BtMG eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren eröffnet. Die Absenkung des Strafrahmens beruhe auf dem durch den Gesetzgeber vorgesehenen geringen Unwerturteil hinsichtlich dieser Taten.

Anmerkung der Redaktion:

In der Fachöffentlichkeit wurde bereits kurz nach der Veröffentlichung der hiesigen Entscheidung über dessen Verfassungskonformität diskutiert. Hierbei wurde insbesondere bemängelt, dass der 1. Senat sich klar über den Willen des aktuellen Gesetzgebers hinwegsetze und damit gegen den Bestimmtheitsgrundsatz gem. Art. 103 Abs. 1 GG verstoße. 

 

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