Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren

Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vom 9. Dezember 2019: BGBl I 2019, S. 2146 ff. 

Gesetzentwürfe: 

 

Die Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 sieht Maßnahmen zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren vor und ist bis zum 11. Juni 2019 in nationales Recht umzusetzen. In großen Teilen entspricht das deutsche Jugendstrafverfahrensrecht bereits den Mindeststandards, die die Richtlinie in der EU erreichen möchte. Trotzdem sind neben punktuellen Änderungen auch solche komplexerer Natur erforderlich, um die Spielräume, die die Richtlinie eröffnet, auch einer praxistauglichen Lösung zuzuführen. 

Hierzu schlägt der Referentenentwurf eine Änderung des JGG, der StPO, dem FamFG, dem GKG und dem RVG vor. Zentraler Punkt soll sein, das Recht auf Unterstützung durch einen Rechtsbeistand (notwendige Verteidigung) an die Anforderungen der Richtlinie anzupassen. Der Entwurf beschränkt sich allerdings auf einzelne Bestimmungen, um den Besonderheiten des Jugendstrafrechts Rechnung zu tragen, da es Überschneidungen zur Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (nähere Informationen zur Richtlinie finden Sie hier), deren Umsetzung mit einem gesonderten Referentenentwurf zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung verfolgt wird, gibt. Dieser sieht umfassende Änderungen im allgemeinen Strafverfahrensrecht vor, die über die Verweisung in § 2 Abs. 2 JGG ohnehin auch im Jugendstrafrecht Anwendung finden. 

Der Referentenentwurf des BMJV trifft Regelungen, die die Rechtsmittelbeschränkung des § 55 Abs. 1 JGG lockern und den Freiheitsentzug nur noch dann zur Anwendung kommen lassen, wenn der jugendliche Beschuldigte zuvor einen Verteidiger zur Seite hatte. Ebenfalls soll der Einsatz der Jugendgerichtshilfe neu geregelt werden, z.B. zu welchem Zeitpunkt sie zu unterrichten ist und wann von der Teilnahme eines Vertreters der Jugendgerichtshilfe an der Hauptverhandlung abgesehen werden kann. Im Zuge der StPO-Reform (im August 2017) wurde bereits die audiovisuelle Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen Minderjähriger in der StPO geregelt. Diese neugeschaffene Möglichkeit des § 136 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 lit. a StPO n.F. tritt jedoch erst im Januar 2020 in Kraft, um den Ländern eine Übergangsfrist für die Ausstattung der Dienststellen mit der erforderlichen Technik einzuräumen. Daher soll die audiovisuelle Aufzeichnung der Beschuldigtenvernehmung bereits vorher und ohne sachliche Veränderung ins JGG transferiert werden. Außerdem sind kleinerer Änderungen im Rahmen der Informationspflichten und dem Recht auf Anwesenheit von Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern bei Untersuchungshandlungen und in der Hauptverhandlung geplant. 

Am 11. Oktober 2019 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/13837). Er wurde am 17. Oktober 2019 im Bundestag vorgestellt und im Anschluss zwecks weiterer Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dort fand am 21. Oktober 2019 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der geladenen Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die sieben Experten begrüßten zwar den Vorstoß der Regierung, die Vorgaben der EU-Richtlinie 2016/800  umzusetzen. Im Ergebnis befanden sie den Gesetzentwurf aber als zu weitgehend oder nicht weitgehend genug. 

Die staatsanwaltlichen Vertreter bemängelten, dass es dem Entwurf bislang nicht gelinge, die durch die Richtlinie gesetzten Spielräume auch auszunutzen. Statt dessen werde das Jugendstrafverfahren verzögert und formalisiert, so dass der Gesetzentwurf den Grundprinzipien des Jugendstrafverfahrens nicht gerecht werde. Dies bedürfe eine flexiblere Gestaltung und eine Erweiterung des Reaktionsspektrums. Durch die Formalisierung sei vor allem eine Mehrarbeit für die Staatsanwaltschaften, Gerichte und Verteidiger zu besorgen. 

Prof. Dr. Teresia Höynck stellte fest, dass der Regierungsentwurf an einigen Stellen bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zu zurückhaltend sei, so dass fraglich wäre, ob dies den Anforderungen der Richtlinie überhaupt genüge. Eine echte Veränderung der Regelungen sei lediglich in der neuen zeitlichen Konstruktion der Bestellung eines Pflichtverteidigers zu sehen. Dr. Jenny Lederer vom Deutschen Anwaltverein mahnte, dass insbesondere das Kindeswohl vorrangig sei und andere Erwägungen diesem unterzuordnen seien. 

Dr. Toralf Nöding betrachtete den Gesetzentwurf aus der Sicht eines Strafverteidigers und lobte den Gesetzgeber dafür, das Schutzniveau des JGG nicht dort herabgesetzt zu haben, wo die EU-Richtlinie hinter den bisherigen Anforderungen zurückblieb. Trotzdem äußerte es sich kritisch darüber, dass die Verpflichtung zur Bestellung eines Pflichtverteidigers vor der ersten Vernehmung nunmehr ausgehöhlt werde. Auch fehle eine Regelung hinsichtlich der Auswahl des Pflichtverteidigers. Im Gegenzug dazu sah Bernd Holthusen vom Deutschen Jugendinstitut in der vermehrten Anwesenheit von Rechtsanwälten im Jugendverfahren und in der Notwendigkeit einer audiovisuellen Vernehmung die Gefahr der Einflussnahme auf die Kultur und die Atmosphäre des Jugendstrafverfahrens. Des Weiteren befürchtete er, dass dies zu einer erheblichen Verlängerung der Verfahren führen werde. 

Im weiteren Verlauf der Anhörung stellten die Abgeordneten den Sachverständigen Fragen zu Rolle der Jugendgerichtshilfe in den Verfahren, zur Rolle der notwendigen Verteidigung und zu den Vorteilen eines beschleunigten Verfahrens. Außerdem waren die Meinungen der Experten dahingehend gefragt, wo der Schutzbedarf der Jugendlichen verletzt werde. 

Am 13. November 2019 stimmte der Rechtsausschuss mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen für den Regierungsentwurf. Dieser stand am 14. November 2019 bereits im Bundestag zur Abstimmung und wurde gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 19/15162) angenommen.

Das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vom 9. Dezember 2019 (BGBl I 2019, S. 2146 ff.) wurde am 16. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat überwiegend am 17. Dezember 2019 in Kraft. 

 

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU)

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl119s2010.pdf%27%5D__1576235183441

Gesetzentwürfe: 

 

Das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU)  trat am 25. Mai 2018 in Kraft. Nähere Informationen zu dem Gesetzgebungsverfahren finden Sie hier

Am 12. Oktober 2018 beriet der Bundestag in erster Lesung über den Regierungsentwurf (BT Drs. 19/4674) eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) und überwies ihn im Anschluss an den federführenden Innenausschuss.

Die Verordnung (EU) 2016/679 bietet dem nationalen Gesetzgeber eine Reihe von Öffnungsklauseln und enthält zugleich an die Mitgliedstaaten gerichtete Regelungsaufträge. Dazu gehört auch, das bereichsspezifische Datenschutzrecht auf die Vereinbarkeit mit der Verordnung zu überprüfen und ggf. anzupassen. Des Weiteren verpflichtete die Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89; L 127 vom 23.5.2018, S. 9), bis zum 6. Mai 2018 die geforderten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um der Richtlinie nachzukommen. 

Um beiden Richtlinien zu entsprechen wurde bislang: 

  • das bisherige Bundesdatenschutzgesetz (BDSG a. F.) durch ein neues Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ersetzt  (Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 30. Juni 2017, BGBl. I S. 2097).
  • die Abgabenordnung sowie das Erste und Zehnte Buch des Sozialgesetzbuchs durch Artikel 17, 19 und 24 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) geändert und so wesentliche Normen des Steuerrechts und des Sozialdatenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 angepasst. 

Durch die Verordnungen und durch die bislang erfolgten Anpassungen in den jeweiligen Gesetzen, ergibt sich jedoch auch in den bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des Bundes ein Anpassungsbedarf, dem durch den Regierungsentwurf entsprochen werden soll. Insgesamt sollen 154 Fachgesetze geändert werden: 

  • „Anpassung von Begriffsbestimmungen

  • Anpassung von Verweisungen

  • Anpassung (bzw. vereinzelt Schaffung) von Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung

  • Regelungen zu den Betroffenenrechten

  • Anpassungen aufgrund unmittelbar geltender Vorgaben der Verordnung (EU) 2016/679 zu technischen und organisatorischen Maßnahmen, zur Auftragsverarbeitung, zur Datenübermittlung an Drittländer oder an internationale Organisationen sowie zu Schadenersatz und Geldbußen.

Darüber hinaus werden durch Änderungen im BDSG

  • die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken staatlicher Auszeichnungen und Ehrungen aus Anlass der Verordnung (EU) 2016/679 ausdrücklich normiert und damit die geltende Praxis abgesichert;

  • die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sensible Informationen durch zivilgesellschaftliche Träger im Rahmen von Deradikalisierungsprogrammen verarbeitet und im Einzelfall an die Sicherheitsbehörden weitergegeben werden können.“

Gleichzeitig wurde in der Bundestagsdebatte über den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 (BT Drs. 19/4671) beraten, der im Anschluss an die Lesung zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen wurde. Der Entwurf sieht vor, den Bereich des Strafverfahrensrechts sowie des übrigen Verfahrensrechts an die neuen Regelungen anzupassen.

Auch der Bundesrat beschäftigte sich mit dem Regierungsentwurf in seiner Plenarsitzung am 19. Oktober 2018. Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat (Drs. 430/1/18) zum dem Entwurf Stellung zu nehmen und zu 11 der im Gesetzentwurf vorgesehenen Artikel Änderungen zu verlangen. 

Am 10. Dezember 2018 fand im Ausschuss für Inneres und Heimat eine öffentliche Anhörung statt. Die Sachverständigen übten durchgehend Kritik an dem Gesetzentwurf. So begrüßte bspw. Prof. Dr. Hartmut Aden, dass die Bundesregierung die Anpassung des nationalen Datenschutzrechts an die europäischen Datenschutzpakete angehe, jedoch seien in dem Entwurf Regelungen enthalten, die nichts mit den europäischen Datenschutzvorgaben zu tun hätten und mit zusätzlichen Grundrechtseingriffen verbunden seien. Kerstin Bock gab zu bedenken, dass es schließlich das Ziel sei, den Datenschutz übersichtlicher und verständlicher zu machen und dadurch mehr Sicherheit und Vertrauen für die Bürger zu schaffen. Dies schaffe der Gesetzentwurf jedoch nicht. Stefan Brink, Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Baden-Württemberg betonte, die Bundesregierung stehe „weiter auf der Bremse“. Der Entwurf sei im Rahmen der Einschränkung der Betroffenenrechte viel zu kleinschrittig. Man habe vergessen, „dass die Zukunft der Datenverarbeitung aus europäischer Sicht und als globales Alleinstellungsmerkmal nur in einer unauflöslichen Verbindung von Digitalisierung und Datenschutz liegen kann.“ Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Nachdem der Bundestag am 30. August 2019 seinen Gesetzesbeschluss (BR Drs. 380/19) gefasst hatte, in dem er einige Vorschläge des Bundesrates aus dessen Stellungnahme aufgriff, stand das „Zweite Datenschutz-Anpassung- und Umsetzungsgesetz EU“ am 20. September 2019 auf der Tagesordnung des Bundesrates. Dieser stimmte den geplanten Änderungen zu. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterschrift zugeleitet.

Das zweite Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassung- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) vom 20. November 2019 (BGBl I 2019, S. 1626 ff.) wurde am 25. November 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am überwiegend am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 

 

 

 

 

 

 

 

Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

Öffentliche Anhörung im Finanzausschuss am 15. Oktober 2018

Als Sachverständige waren geladen: 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes und milchrechtlicher Bestimmungen sowie zur Aufhebung der Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung

Gesetzentwürfe: 

 

Am 21. September 2016 hat das BVerfG § 10 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Rindfleischetikettierungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt, in dem die Strafbarkeit von Verstößen gegen die Etikettierungsvorschriften geregelt waren. Somit entfiel auch die dort in Abs. 1 verankerte Rechtsgrundlage für die Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung. 

Künftig sollen Verstöße gegen die Etikettierungsvorschriften nicht mehr mit Strafnormen geahndet werden. Statt dessen sollen die Straftatbestände zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft werden. In der Vergangenheit seien Geld- oder Freiheitsstrafen praktisch fast nie verhängt worden. 

Hierzu soll der bisherige Bußgeldrahmen angehoben und die Regelungen in das Rindfleischetikettierungsgesetz aufgenommen werden, soweit sie nicht ohnehin durch die Verordnung (EU) Nr. 653/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 obsolet geworden sind.

Am 8. November 2018 hat der Bundestag das Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes und milchrechtlicher Bestimmungen sowie zur Aufhebung der Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung beschlossen. Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am 14. Dezember beschlossen, dem verabschiedeten Gesetz zuzustimmen. 

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz)

Gesetzentwürfe: 

 

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen brachte am 5. Oktober 2018 einen Gesetzentwurf zum Schutz von Whistlewblowern in den Bundestag ein. Nach Ansicht der Fraktion bedürfen Menschen, die Informationen der Öffentlichkeit zugänglich machen und damit dem Allgemeinwohl dienen, einen besonderen Schutz. Sie sollen insbesondere vor Strafverfolgung und dienst- oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen geschützt werden. 

Ein Schutz alleine durch die Rechtsprechung reiche nicht aus. Die Europäische Kommission hat am 23. April 2018 einen Richtlinienvorschlag zum Schutze von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vorgelegt. Am 23. Oktober 2019 wurde diese Richtlinie verkündet. Um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, sei eine deutsche Positionierung in Form eines „vorbildlichen nationalen Whistleblower-Schutzgesetzes“ notwendig. 

Hierzu sollen Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, Berufsbildungsgesetz, Bundesbeamtengesetz und Beamtenstatusgesetz vorgenommen werden, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen Hinweisgeber sich an andere Stellen oder an die Öffentlichkeit wenden dürfen. Insbesondere sollen in § 353c StGB Regelungen geschaffen werden, die Whistleblower straffrei stellen: 

„§ 353c StGB – Befugtes Offenbaren eines Geheimnisses

Befugt ist das Offenbaren eines Geheimnisses dann, wenn der Täter zur Aufklärung, Verhinderung oder Beendigung einer Grundrechtsverletzung oder der Begehung einer schweren Straftat (§ 100c Absatz 2 der Strafprozessordnung) handelt, rechtzeitige Abhilfe nicht zu erwarten ist und das öffentliche Interesse an der Weitergabe der Information das Geheimhaltungsinteresse erheblich überwiegt. Das Gleiche gilt für das Offenbaren eines Geheimnisses zur Verhinderung oder Beendigung einer drohenden oder gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Gesundheit, das Persönlichkeitsrecht, die Freiheit der Person, die Stabilität des Finanzsystems oder die Umwelt.“

Bislang regeln lediglich die §§ 93 ff. StGB die Strafbarkeit der Preisgabe von Staatsgeheimnissen und § 353b StGB die Verletzung von Dienstgeheimnissen. 

Im Rahmen der netzpolitik.org.-Affäre hatte die Fraktion bereits 2016 die Geheimnisverrats- Straftatbestände  (Landesverrat, Verrat von Dienstgeheimnissen) überarbeitet und in den Bundestag eingebracht (Drs. 18/ 10036). Die damaligen Änderungsvorschläge wurden in den Gesetzentwurf aufgenommen. 

Der Bundestag beriet am 18. Oktober 2018 erstmals über den Regierungsentwurf zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (BT Drs. 19/4724) und über den Gesetzentwurf der Fraktion. Beide Entwürfe wurden im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz weitergeleitet. 

 

 

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Strikte Beweisverwertungsverbote – Ein Gebot des Rechtsstaats

von RA Dr. Till Müller-Heidelberg, Wiss. Mit Mara Kunz, RiLG Dr. Holger Niehaus, unter Mitarbeit von Prof. Dr. Fredrik Roggan 

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Abstract
Im Koalitionsvertrag der CDU/CSU-SPD-Regierung vom 14. März 2018 heißt es unter der Überschrift „Pakt für den Rechtsstaat“ im Unterpunkt „Verfahrensrecht“, dass die Koalitionäre „die systematische Kodifizierung der Regeln zur Zulässigkeit von Beweiserhebung und -verwertung“ prüfen wollen. In der Tat zeigt ein Blick auf den gegenwärtigen Rechtszustand, dass Reformbedarf besteht. Ob der Gesetzgeber sein anspruchsvolles Vorhaben angehen oder gar umsetzen wird, darf mit Interesse verfolgt werden.

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Digitale Rechtsgüter zwischen Grundrechtsschutz und kollektiver Sicherheit

von Wiss. Mit. Mathias Kahler, LL.M. und Prof. Dr. Klaus Hoffmann-Holland

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Abstract
Der Bundesratsentwurf für einen neuen § 202e StGB, der prägnant als „digitaler Hausfriedensbruch“ firmiert, soll einen lückenlosen Schutz des Grundrechts auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme durch das Strafrecht gewährleisten. Tatsächlich aber zeigt eine nähere Analyse des Gesetzgebungsvorhabens deutliche Fehlvorstellungen über die Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten im digitalen Zeitalter sowie ein unklares Rechtsgutskonzept auf. Eine differenziertere Analyse digitaler Rechtsgüter kann eine verlässlichere Abklärung des rechtlichen Handlungsbedarfs sowie eine präzisere und schonendere Ausgestaltung des Strafrechtsschutzes ermöglichen.

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Die öffentliche Wahrnehmung von Strafzumessungsentscheidungen – Anlass für Reformen?

von Prof. Dr. Elisa Hoven 

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Abstract
Deutschen Strafgerichten wird immer wieder der Vorwurf gemacht, zu milde und zu „täterfreundlich“ zu urteilen. Der vorliegende Beitrag nimmt Form, Inhalt und Folgen der öffentlichen Kritik an gerichtlichen Strafzumessungsentscheidungen näher in den Blick. Grundlage der Betrachtungen ist eine Inhaltsanalyse von fast 2000 Nutzerkommentaren zu Medienberichten über Sexual-, Wirtschafts- und Gewaltdelikte. Die Untersuchung gibt Aufschluss darüber, welche Aspekte der Strafzumessung auf Unverständnis in der Bevölkerung stoßen: Gegenstand der Kritik sind etwa die vermeintlich fehlende Berücksichtigung von Opferinteressen, der Verzicht auf die Ausschöpfung von Strafrahmen sowie die Aussetzung von Strafen zur Bewährung. Die Analyse zeigt ferner, dass Kriminalität und Strafurteile zu einem Politikum geworden sind: Die Empörung über ein als gering empfundenes Strafmaß ist regelmäßig Anlass für eine generelle Ablehnung des deutschen Justizsystems sowie der „Flüchtlingspolitik“ der Bundesregierung. Der Beitrag erörtert mögliche Gründe für die kritische Wahrnehmung der Strafzumessungsentscheidungen und thematisiert anschließend Wege, um Diskrepanzen zwischen den Strafentscheidungen von Richtern und den Straferwartungen von Teilen der Bevölkerung zu überwinden. Eine wichtige Rolle können dabei „Sentencing Guidelines“ spielen, die eine einheitliche und für die Öffentlichkeit transparentere Strafzumessung ermöglichen.

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Verbot der Gesichtsverhüllung während der Gerichtsverhandlung

Gesetzentwürfe: 

Mitte Juni 2017 hat der Gesetzgeber bereichsspezifische Regelungen zur Gesichtsverhüllung getroffen (BGBl I 2017, S. 1570). So dürfen beispielsweise Beamt*innen und Soldat*innen bei Ausübung ihres Dienstes ihr Gesicht nicht verhüllen. Aber auch im Wahl-, Personalausweis-, Ausländer- und Straßenverkehrsrecht sind entsprechende Regelungen geschaffen worden. Eine bundeseinheitliche Regelung zur Gesichtsverhüllung in der Gerichtsverhandlung gibt es bislang jedoch nicht. 

Daher brachten die Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern am 21. September 2018 einen Gesetzesantrag für ein Verbot der Gesichtsverhüllung während der Gerichtsverhandlung in den Bundesrat ein (BR Drs. 408/18). Der Gesetzentwurf setzt einen Beschluss der Justizministerkonferenz aus Juni 2018 um. Der Bundesrat hatte die Bundesregierung bereits 2016 aufgefordert, die Implementierung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung zu prüfen. Die Bundesregierung hat sich allerdings bis dato noch nicht dazu geäußert. 

Derzeit gibt nur § 176 GVG (Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung) dem Richter die Möglichkeit, eine Entfernung der Verhüllung anzuordnen. Auch durch die Rechtsprechung hat sich noch keine einheitliche Handhabung in Bezug auf Gesichtsverschleierungen in der Gerichtsverhandlung herausgebildet. Bei gleichen oder ähnlich gelagerten Sachverhalten habe es sowohl die Hinnahme der Verhüllung über Maßnahmen zur Identitätsfeststellung bis hin zu einem Verbot gegeben. Die bayerischen und nordrhein-westfälischen Gerichte erwarten aufgrund der Zahl von Zuwanderern aus Kulturkreisen, in denen eine Verschleierung üblich ist, ein vermehrtes Auftreten solcher Fallkonstellationen in der Praxis. Daher sei die Schaffung einer rechtssicheren Regelung geboten. 

Das Gerichtsverfassungsgesetz soll daher um eine Regelung erweitert werden, wonach die an der Verhandlung beteiligten Personen ihr Gesicht während der Sitzung nicht verhüllen dürfen. Zwar bedeute dies für eine Frau, die üblicherweise eine Verschleierung trägt, einen Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 4 GG). Dieser Eingriff sei aber zur Aufrechterhaltung der im Rechtsstaatsprinzip verankerten Funktionsfähigkeit der gerichtlichen Verhandlung und Kontrolle (Art. 20 Abs. 3, 92 GG) geboten. Auch die Mimik der beteiligten Personen müsse das Gericht als Erkenntnismittel bei der Aufklärung des Sachverhaltes ausschöpfen können. Eine Ausnahmeregelung sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten. Lediglich im Falle besonders gefährdeter Prozessbeteiligter oder Opfer von Säure-Attacken könne eine Ausnahme gemacht werden. 

Im Anschluss an die Sitzung wurde der Gesetzesantrag an den Rechts- und an den Innenausschuss überwiesen. Nach ihrer Empfehlung wird der Antrag zur Abstimmung wieder auf die Tagesordnung gesetzt (BR Drs. 408/1/18). In seiner Plenarsitzung am 19. Oktober 2018 hat der Bundesrat den Entwurf schließlich beschlossen und der Bundesregierung zwecks Gegenäußerung zugeleitet. Am 10. Dezember 2018 wurde der Entwurf in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/6287).

 

 

 

 

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