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KriPoZ-RR 6/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier. 

Redaktioneller Leitsatz:

Eine Zueignung setzt voraus, dass der Täter sich eine Sache oder den in ihr verkörperten Wert wenigstens vorübergehend tatsächlich in sein Vermögen einverleibt und den Eigentümer von der Nutzung dauerhaft ausschließt. Es genügt nicht bereits jede Manifestation eines Zueignungswillens; vielmehr muss ein Zueignungserfolg auch eintreten.

Sachverhalt:

Der Angeklagte hat im Rahmen eines Miet- oder Leasingverhältnisses Besitz eines Tiefladers, der Eigentum der T. AG war, erlangt. In der Folge wurde jedoch gegen das Vermögen der T. AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Angeklagte hat es unterlassen, den Insolvenzverwalter über die Existenz und den Standort des Tiefladers zu informieren. Er hat der T. AG auch die Herausgabe des Tiefladers nicht angeboten. Vielmehr war der Tieflader weiterhin seinem Besitz. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Tieflader durch eine von der T. AG beauftragte Person sichergestellt.

Das LG hatte den Angeklagten wegen veruntreuender Unterschlagung in fünf Fällen, wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen in fünf Fällen und wegen Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Entscheidung des BGH:

Die Revision des Angeklagten hat Teilerfolg. Die Verurteilung wegen veruntreuender Unterschlagung im vorgestellten Fall leide darunter, dass der Angeklagte sich den Tieflader nicht zugeeignet habe.

Nach der Auffassung des Senats setze eine Zueignung i.S.d. § 246 Abs. 1 StGB, entgegen der bisherigen Rechtsprechung, voraus, dass der Täter sich die Sache oder den in ihr verkörperten wirtschaftlichen Wert wenigstens vorübergehend in sein Vermögen einverleibt und den Eigentümer auf Dauer von der Nutzung ausschließt. Eine Manifestation des Zueignungswillens (sog. „Manifestationslehre“) genüge nicht, könne aber ein gewichtiges Beweisanzeichen für den subjektiven Tatbestand sein.

Diese Auffassung werde durch den Wortlaut des § 246 StGB unterstützt, der darauf hindeutet, dass ein tatsächlicher Zueignungserfolg eintreten müsse. Die Vorschrift sei als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Zudem ergebe sich auch bei Betrachtung der Gesetzgebungsgeschichte, dass ein Zueignungserfolg vorausgesetzt werden müsse. Mit dem Wegfall des Gewahrsamserfordernisses durch das Gesetz zur Reform des Strafrechts (26. Januar 1998, BGBl. 1998 I 164) sei der Anwendungsbereich erheblich ausgeweitet worden. Um die Tathandlung und den Vollendungszeitpunkt zur Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) zu konkretisieren, müsse § 246 StGB auf tatsächliche Eigentumsbeeinträchtigungen beschränkt werden.

Für dieses Verständnis des Zueignungsbegriffs in § 246 StGB spreche auch die Gesetzessystematik. Die Zueignungsabsicht beim Diebstahl setze voraus, dass sich der Täter unter dauerhaftem Ausschluss der Nutzungsmöglichkeit des Berechtigten die Sache oder den in ihr verkörperten Wert seinem Vermögen zumindest vorübergehend einverleiben wolle. Der Zueignungsbegriff des § 246 Abs. 1 StGB ist mit dem des § 242 Abs. 1 StGB identisch; der einzige Unterschied bestehe darin, dass für einen Diebstahl alleine die Absicht hierzu genüge.

Letztlich werde die Auffassung des Senats auch durch eine teleologische Auslegung des Tatbestandsmerkmals „zueignet“ gestützt. Hierbei müsse die Begrenzung des Strafrechts als „ultima ratio“ berücksichtigt werden. Eine Zueignung setze demnach voraus, dass die Befugnisse des jeweiligen Eigentümers (z.B. Nutzungs- oder Ausschlussrecht, 903 BGB), beeinträchtigt werden.

Die bisherige Auffassung der Rechtsprechung (sog. „weite Manifestationslehre“), überzeuge insoweit nicht. Zwar gehe mit einem Manifestationsakt häufig eine Eigentumsbeeinträchtigung einher; jedoch seien auch Fälle denkbar, in denen eine Verkürzung der Eigentumsposition des Berechtigten nicht droht. Eine Bestrafung wegen vollendeter Unterschlagung führe zu einem Wertungswiderspruch zu den allgemeinen Grundsätzen der Versuchsstrafbarkeit, die regelmäßig voraussetzt, dass das geschützte Rechtsgut durch den Tatplan unmittelbar gefährdet werde.

Ein Anfrageverfahren gemäß § 132 Abs. 3 S. 1 GVG ist trotz Divergenz nicht veranlasst. Nach beiden Auffassungen sei nämlich der Tatbestand des § 246 Abs. 1 StGB mangels Zueignung nicht erfüllt; das bloße Unterlassen der Rückgabe sei keine vollendete Zueignung. Durch das Unterlassen werden die Eigentümerverhältnisse nicht erheblicher beeinträchtigt, als dies bereits durch die im Rahmen des Miet- oder Leasingverhältnisses erfolgte Gebrauchsüberlassung geschah.

 

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