Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes und der Strafprozessordnung

Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017: BGBl I 2017 Nr. 58, S. 3202 ff.

 

Gesetzentwürfe:

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 792/1/16
Stellungnahme des Bundesrates vom 10. Februar 2017: BR Drs. 792/16
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: BT Drs. 18/12785

 

Auch dieser Gesetzentwurf vom 6.6.2016 dient der Steigerung der Effizienz der Strafverfolgung. Im materiellen Strafrecht ist vorgesehen, den Katalog strafrechtlicher Sanktionen um die Möglichkeit der generellen Verhängung eines Fahrverbots als Nebenstrafe zu erweitern. Die Nebenstrafe soll nicht nur bei Straftaten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz oder einer Pflichtverletzung im Straßenverkehr verhängt werden können, sondern nach § 44 Abs. 1 StGB-E bei allen Straftaten. Insofern wird auf die lebhaft diskutierte und umstrittene Anhebung der Verhängung eines Fahrverbots zur Hauptstrafe verzichtet.

Der in der Praxis zu Anwendungsschwierigkeiten führende Richtervorbehalt bei der Blutprobenentnahme nach § 81a Abs. 2 StPO wird entschärft durch eine vorrangige Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft bei Straßenverkehrsdelikten. Für Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft besteht die Anordnungsbefugnis dann fort, wenn der Untersuchungserfolg durch Verzögerung gefährdet würde.
Des Weiteren wird eine Ausnahmevorschrift von der nach § 454b Abs. 2 StPO zwingend vorgesehenen Unterbrechung der Strafvollstreckung zum Halb- oder Zweidrittelstrafzeitpunkt geschaffen, um die vollständiger Vorabverbüßung nicht suchtbedingter Freiheitsstrafen für eine Zurückstellung der suchtbedingten Freiheitsstrafen unter den Voraussetzungen des § 35 BtMG zu ermöglichen.
Außerdem werden in Bezug auf die Erteilung von Auskünften, Akteneinsicht und Datenverwendung für verfahrensübergreifende Zwecke die Normen im 8. Buch der StPO um Regelungen ergänzt, die die Befugnisse des Bewährungshelfers klarstellend präzisieren.

Am 21. Dezember 2016 hat das Bundeskabinett den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf beschlossen. Bundesjustizminister Heiko Maas: „Die Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten erweitert die Möglichkeiten strafrechtlicher Sanktionen. Dadurch geben wir den Strafgerichten ein zusätzliches Mittel an die Hand, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken.“

In seiner Sitzung vom 10. Februar 2017 hat der Bundesrat keine grundlegenden Bedenken gegen die Pläne der Bundesregierung geäußert. In seiner Stellungnahme schlug er lediglich kleinere Änderungen vor, um das Gesetz noch praxistauglicher zu gestalten. Des Weiteren regte der Bundesrat an eine Klarstellung zum geplanten Wegfall des Richtervorbehalts zur Blutprobenentnahme vorzunehmen. Die Stellungnahme wird nun der Bundesregierung zwecks Gegenäußerung zugeleitet. Anschließend werden die Dokumente dem Bundestag zur weiteren Entscheidung vorgelegt.

Am 2. März 2017 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf (BT Drs. 18/11272) in den Bundestag eingebracht. Die vorgeschlagenen Änderungen des Bundesrates lehnt sie überwiegend ab. Der Entwurf wurde am 9. März 2017 erstmals im Bundestag beraten und zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen.

Am 22. März 2017 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen finden Sie hier. Die Regelungen zum Fahrverbot als Nebenstrafen wurden dabei größtenteils positiv bewertet. Ein Experte empfahl eine Ergänzung des Entwurfs aus Verfassungsgründen. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordere, dass der Gesetzgeber ausdrücklich das Ziel angeben soll, kurze Freiheitsstrafen zu vermeiden beziehungsweise Geldstrafen zu reduzieren. Die Sachverständigen merkten positiv an, dass die Sanktionsmöglichkeit insbesondere im Jugendstrafrecht eine besondere erzieherische Wirkung entfalten könne. Zudem ginge von ihr eine „erhebliche individualabschreckende und generalpräventive Wirkung“ aus. Kritische Stimmen bezeichnen das Fahrverbot als „untaugliches Mittel“ und weisen auf die Bedenken hin, die im Rahmen des Fahrverbots bei Straftaten im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen geltend gemacht werden.

Deutlich kontroverser stehen sich die Sachverständigen gegenüber, die die Regelung zur Blutprobenentnahme bewerten. Ein Experte bezweifelt den praktischen Sinn, die Anordnungskompetenz auf die Staatsanwaltschaft zu übertragen, da die Argumente, die gegen den Richtervorbehalt sprechen, ebenso gegen eine staatsanwaltschaftliche Anordnungskompetenz sprechen würden. Faktisch würde die Polizei während 22 – 06 Uhr die Blutprobenentnahme selbst anordnen, sodass für eine polizeiliche Anordnungskompetenz plädiert werde. Dem wird entgegen gehalten, dass die Blutprobenentnahme mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen verbunden sei, den man auch durch die nachträgliche richterliche Überprüfung nicht rückgängig machen könne. Deshalb müsse am Richtervorbehalt festgehalten werden.

Am 31. Mai 2017 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz erneut eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Den Schwerpunkt der Anhörung bildeten die neuen Eingriffsbefugnisse der Quellen-TKÜ und der Online-Durchsuchung sowie die zu deren Realisierung notwendige Infiltration technischer Geräte mithilfe des sogenannten Staatstrojaners. Beide Maßnahmen wurden sehr ambivalent betrachtet. Besonders kritisch wurde dabei die Reichweite der Eingriffsbefugnisse bewertet, die innerhalb der Strafprozessordnung beispiellos wäre. Einige Experten halten die Regelung bisher für zu unbestimmt und bemängeln, dass der Wortlaut zu viel Auslegungsspielraum lasse. Darüber hinaus wird ebenfalls vorgebracht, dass die geplante Gesetzesänderung eine Gefahr für die IT-Sicherheit darstelle. Vertreter der Strafverfolgungsbehörden halten die Erweiterung der Maßnahmen für geboten, um ihre Aufgaben effektiv erfüllen zu können.

Am 22. Juni 2017 wurde der Regierungsentwurf „zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze“ (BT Drs. 18/11272) einvernehmlich für erledigt erklärt. Die dort angestrebten Änderungen wurden in einen anderen Entwurf der Bundesregierung zur „effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 18/12785) aufgenommen. Jener Entwurf wurde  in der zweiten und dritten Lesung gegen das Votum der Opposition und zweier SPD-Abgeordneter angenommen.

Konkret wurde beschlossen, die Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entlasten um „eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann“. Dazu wird bspw. die Nötigung zum Privatklagedelikt.
In Ermittlungsverfahren werden die Zeugen nun verpflichtet bei der Polizei zu erscheinen. Zwecks einer verbesserten Dokumentation werden Vernehmungen in Zukunft vermehrt aufgezeichnet. Dies soll die Wahrheitsfindung optimieren und das Erscheinen von Zeugen  vor Gericht u.U. nicht erforderlich machen. Dies beschleunige das Verfahren, ebenso, wie die künftige alleinige Zuständigkeit zur Bestellung von Pflichtverteidigern durch den Ermittlungsrichter.
Des Weiteren sollen mehrere Änderungen helfen, dass Hauptverfahren schneller durchführen zu können. Befangenheitsanträge kurz vor Beginn der Hauptverhandlung schließen den abgelehnten Richter zunächst nicht mehr aus. Auch das Beweisantragsrecht erfährt Neuerungen um eine Konfliktverteidigung zu vermeiden, wird aber nicht eingeschränkt.
Die vehement geforderte Erweiterung der DNA-Analyse ist nun ebenfalls beschlossene Sache. In Zukunft werden auch Beinahetreffer, die ein Verwandtschaftsverhältnis aufzeigen, als Beweismittel verwendbar sein.
Aber nicht nur das Hauptverfahren wird vereinfacht. An vielen Stellen werden auch die  Revisions- und Strafvolstreckungsverfahren modifiziert und damit beschleunigt.

Hinsichtlich des für erledigt erklärten Gesetzentwurfs wurden folgende Teile in das beschlossene Änderungsgesetz aufgenommen:
Das Fahrverbot ist künftig auch im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität als Nebenstrafe möglich, auch wenn das begangene Delikt nicht im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen steht. Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung wird § 266a StGB um zwei Regelbeispiele für besonders schwere Fälle erweitert. Zum Schutz der Umwelt wird nun das „leichtfertige Töten und Zerstören von streng geschützten wildlebenden Tier- und Pflanzenarten und von bestimmten besonders geschützten wildlebenden Vogelarten“ unter Strafe gestellt.
Der zuletzt in der öffentlichen Anhörung vom 30. Mai 2017 sehr umstrittene Einsatz von Spionage-Software zwecks Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung wird nun ebenfalls gesetzlich verankert.
Verfahrensrechtlich besteht für Bewährungshelfer demnächst die Möglichkeit, wichtige Erkenntnisse über einen Verurteilten an die Polizei und andere staatliche Stellen weiterzuleiten.

Am 7. Juli 2017 hat der Bundesrat in seiner Plenarsitzung die umfangreichen Änderungen im Straf- und Strafprozessrecht gebilligt, die der Bundestag zuvor am 22. Juni 2017 beschlossen hatte.

Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 wurde am 23. August im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt vorbehaltlich des Art. 3 Nr. 17 lit. b und Nr. 23 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Art. 3 Nr. 17 lit. b und Nr. 23 tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.

 

Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung

Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017: BGBl I 2017 Nr. 22, S. 872 ff.
 

Gesetzentwürfe:

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 418/1/16

Stellungnahme des Bundesrates: BR Drs. 418/16 (B)

Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung: BT Drs. 18/10146

Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung –Drucksachen 18/9525, 18/10146, 18/10307 Nr. 7 –: BT Drs. 18/11640

 

Die Bundesregierung hat am 21. Juli 2016 die Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beschlossen. Zuvor hatte sie am 13. Juli 2016 den Referentenentwurf des BMJV vom 09. März 2016 als Regierungsentwurf auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf ist am 08. Septeber 2016 durch die Bundesregierung in den Bundestag eingebracht worden.

Der Referentenentwurf des BMJV enthält eine vollständige Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Ziel ist die Bereitstellung eines gesetzlichen Instrumentariums zur effektiven rechtsstaatlichen Einziehung. Zunächst wird eine terminologische Veränderung vorgenommen und der Verfall nunmehr als „Einziehung von Taterträgen“ bezeichnet. Kernstück des Reformvorhabens ist die grundlegende Neuregelung der Opferentschädigung. Darüber hinaus werden „Abschöpfungslücken“ geschlossen und redaktionelle Änderungen und gesetzliche Klarstellungen vorgenommen. So ist im Rahmen des § 73 Abs. 3 StGB umstritten, ob sog. Verschiebungsfälle vom Wortlaut umfasst sind – von § 73b Abs. 1 Nr. 2 StGB-E sind sie ausdrücklich erfasst.

Verfassungsrechtlich bedenklich ist die Vorschrift des § 76a StGB-E, der uneingeschränkt die selbstständige Einziehung erlaubt, wenn wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann. Nach Abs. 4 – und dies dürfte unverhältnismäßig sein – bedarf es im Rahmen der Organisierten Kriminalität oder des Terrorismus noch nicht einmal mehr der Feststellung einer bestimmten Straftat, es ist ausreichend, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass das sichergestellte Gut aus Straftaten jenes Bereiches stammt. Zum Referentenentwurf gibt es bereits einige Aufsätze, s. z.B. Bittmann, NZWiSt 2016, 131 und Köllner/Cyrus/Mück, NZI 2016, 329.

Zum Regierungsentwurf: Bittmann, KriPoZ 2016, 120 ff.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 23. September 2016 auf einen aus seiner Sicht notwendigen Änderungsbedarf hingewiesen. So möchte er u.a. prüfen lassen, ob weitere Beweiserleichterungen bei Vermögen unklarer Herkunft, insbesondere aus den Bereichen der organisierten Kriminalität und des Terrorismus, möglich sind und welche Auswirkungen das geplante Gesetz im Insolvenzrecht hat. Die Stellungnahme wird dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt. Die Bundesregierung nimmt zu den Änderungswünschen teils zustimmend, teils ablehnend Stellung. In vielen Punkten sagt sie eine Prüfung im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu.

Am 23. November 2016 fand eine öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses statt. Die dabei angehörten Sachverständigen beurteilen den Gesetzentwurf der Bundesregierung sehr unterschiedlich. Sie äußern teilweise Bedenken, die sowohl die Verfassungsmäßigkeit einzelner Normen als auch deren Praktikabilität anbelangen. Allerdings fand der Entwurf auch Zuspruch, da er unnötig komplizierte Regelungen des geltenden Rechts beseitige und das Verfahren vereinfache. Die vollständige Liste der Sachverständigen können Sie hier abrufen.

Am 23. März 2017 hat der Bundestag die geänderte Fassung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und SPD beschlossen. Der Bundesrat äußerte in seiner Sitzung vom 31. März 2017 keine Bedenken und verzichtete auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses.

 Das Gesetz wurde am 21. April 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 1. Juli 2017 in Kraft.

 

Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen

Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen vom 21. Oktober 2016: BGBl. I 2016 Nr. 50, S. 2372 ff.

 

Gesetzentwürfe:

Anhörung vom 06. Juni 2016

 

Das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) soll am 1. Juli 2017 in Kraft treten. Intention des Gesetzes ist ein besserer Schutz von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern. Es wird jedoch auch zu einer stärkeren Bürokratisierung führen. Der Familienausschuss hat das Prostituiertenschutzgesetz am 5.7.2016 in leicht geänderter Fassung verabschiedet. Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz am 7.7.2016 in 2. und 3. Lesung beschlossen. Am 23.9.2016 hat der Bundesrat das Gesetz verabschiedet.

Prostituierte müssen sich in Zukunft bei Behörden anmelden, um ihrer Arbeit nachgehen zu können, ein Punkt, der von Sexarbeits- und Frauenverbänden unter dem Stichwort „Zwangsouting“ kritisiert wurde. Dieser Kritik will der Entwurf dadurch begegnen, dass eine Anmeldung auf Wunsch auch unter einem Aliasnamen möglich ist. Daneben unterliegen Bordelle in Zukunft einer Erlaubnispflicht gem. § 12 ProstSchG. Für die Erlaubnis haben die Bordellbetreiber ein Betriebskonzept und diverse Unterlagen einzureichen und es wird ihre Zuverlässigkeit i.S. des § 15 ProstSchG überprüft. Außerdem müssen die Bordellbetreiber gewisse Mindeststandards einhalten und z.B. für sachgerechte Notrufsysteme, angemessene Ausstattung mit Sanitäreinrichtungen und geeignete Aufenthalts- und Pausenräume sorgen. Daneben trifft sie die Pflicht, für Sicherheit und Gesundheitsschutz Sorge zu tragen, insbesondere auf die Einhaltung der Kondompflicht hinzuwirken. Die Kondompflicht – deren Einführung in der kriminalpolitischen Debatte ebenfalls umstritten ist – ist in § 32 ProstSchG ausdrücklich normiert und verpflichtet neben der Prostituierten auch den Sexkäufer, ein Kondom zu nutzen. Verstöße stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können nach § 33 ProstSchG mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden.

Der Familienausschuss änderte z.B. den Gesetzentwurf in Bezug auf das Werbeverbot für gewisse Praktiken. Das Werbeverbot gilt nun auch für den Sex mit Schwangeren.

Der Artikel 1 § 36 ist bereits am 22. Oktober 2016 in Kraft getreten. Im Übrigen tritt dieses Gesetz am 1. Juli 2017 in Kraft.

Gesetzentwurf zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings

Gesetz zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings sowie Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Zwangsprostitution: BGBl. I 2021, S. 3513 ff.

Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen vom 1. März 2017: BGBl I 2017, Nr. 11, S. 386 ff.

19. Wahlperiode

Gesetzentwürfe: 

 

Am 16. Februar 2021 veröffentlichte das BMJV einen Referentenentwurf zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings. Der zuvor veröffentliche Evaluierungsbericht zeige, dass trotz der Neufassung des § 238 StGB immer noch Probleme in der Verfolgungspraxis bestünden. Insbesondere die Tatbestandsmerkmale „beharrlich“ sowie „schwerwiegend“ knüpfen hohe Anforderungen an ein strafrechtlich relevantes Verhalten. Der Grundtatbestand des § 238 Abs. 1 StGB sowie die Qualifikationen des § 238 Abs. 2 und 3 StGB sei als nicht hinreichend bewertet worden um schwerwiegende Konstellationen zu erfassen. Der Referentenentwurf sieht daher vor § 238 StGB neu zu fassen, um eine bessere und einfachere Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen. In § 238 Abs. 1 StGB soll der Begriff „beharrlich“ durch den Begriff „wiederholt“ ersetzt werden, das Tatbestandsmerkmal „schwerwiegend“ soll einen Austausch gegen das Tatbestandsmerkmal „nicht unerheblich“ erfahren. Die Qualifikationsvorschrift des § 238 Abs. 2 StGB soll in Regelbeispiele umgewandelt werden. 

Des Weiteren bestehe aufgrund der steigenden Fälle von Cyberstalking auch hier ein Nachbesserungsbedarf. Sog. Stalkingware ermöglicht es den Tätern, unbefugt auf Email- oder Social Media-Konten der Opfer zuzugreifen und sie auszuspähen. Genauso problematisch seien die Fälle, in denen die Täter unter der Identität des Opfers ebensolche Konten anlegen und unter deren Namen abträgliche Erklärungen oder Fotos des Opfers veröffentlichen. Daher sollen aus Gründen der Rechtssicherheit und Bestimmtheit im Handlungskatalog des § 238 Abs. 1 StGB typische Begehungsformen des Cyberstalkings aufgenommen werden. 

Am 24. März 2021 beschloss das Kabinett den Regierungsentwurf , der im Vergleich zum Referentenentwurf insbesondere in Abs. 2 den Katalog der Begehungsformen noch weiter ausdehnt. 

§ 238 StGB – Nachstellung

„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1. die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,

2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,

3. unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person

a)  Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder

b)  Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,

4. diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,

5. zulasten dieser Person oder einer ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a begeht,

6. eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,

7. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht, oder

8. eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,

2. das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,

3. dem Opfer durch täglich oder nahezu täglich begangene Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten nachstellt,

4. dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens neun Monaten nachstellt,

5. bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,

6. eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,

7. einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder

8. über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.“

Dazu Justizministerin Christine Lambrecht: „Wir möchten die Betroffenen besser schützen. Es müssen mehr Stalking-Fälle vor Gericht kommen und die Täter konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Der Straftatbestand hat bisher zu hohe Hürden. Diese Hürden senken wir jetzt deutlich.“

Am 21. April 2021 hat die Bundesregierung ihren Entwurf in den Bundestag eingebracht und am 22. April 2021 erstmals beraten. Er wurde im Anschluss der Debatte an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. 

Am 7. Mai 2021 beschäftigte sich auch der Bundesrat erstmalig mit dem Entwurf. Aus den Fachausschüssen kam Kritik. Der Rechts- sowie der Innenausschuss empfahlen dem Bundesrat, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen (BR Drs. 251/1/21). Sie fordern Präzisierungen und Klarstellungen. Insbesondere der Innenausschuss gab zu bedenken, dass die neuen Begrifflichkeit sozialadäquates Verhalten unter Strafe stellen und die Handhabung der Norm erschweren würden. Die Stellungnahme (BR Drs. 251/21 (B)) des Bundesrates wird nun der Bundesregierung zwecks Gegenäußerung zugeleitet. Sie bezieht sich zum einen auf eine Erweiterung des Katalogs der Regelbeispiele für besondere schwere Fälle, zum anderen auf eine Prüfung, ob ein Einsatz von Abhörgeräten, GPS-Trackern oder Drohnen vom Tatbestand erfasst werden könne. 

Am 19. Mai 2021 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Experten sprachen sich überwiegend für einen Nachbesserungsbedarf aus. Dr. Oliver Piechaczek begrüßte den Regierungsentwurf. Dieser trage den Ergebnissen der Evaluierung des § 238 StGB Rechnung und werde die Beweisproblematik in der Praxis erleichtern. Auch Leonie Steinl sah in den geplanten Änderungen eine Vereinfachung der Handhabung des Tatbestandes, gerade in Bezug auf die unbestimmten Rechtsbegriffe. Sie regte jedoch an, das neu vorgesehene Tatbestandsmerkmal „nicht unerheblich“ genauer zu definieren. Claudia Hurek sprach sich ebenfalls für den Entwurf und damit für eine praktische Handhabung des Tatbestandes aus. Dr. Clemens Prokop lenkte den Blick in seiner Stellungnahme auch auf die Opfer. Da die strafrechtliche Eingriffsschwelle abgesenkt werde, könnten Eskalationen in der Zukunft besser verhindert werden. Das Problem der Sanktionierung von Bagatellen erschien ihm unbegründet. Dies sah Prof. Dr. Jörg Eisele anders. Um dies zu verhindern, sollte seiner Ansicht nach besser von einer „erheblichen“ Beeinträchtigung gesprochen werden, um nicht bereits leichteste Beeinträchtigungen tatbestandlich zu erfassen. Außerdem sei es vorzugswürdig, das Merkmal „beharrlich“ durch das Merkmal „wiederholt“ zu ersetzen, da die innere Einstellung des Täters nur schwer nachweisbar sei. Dr. Rainer Spatscheck sah die vorgesehene Absenkung der Strafbarkeitsschwelle in seiner Stellungnahme als nicht zielführend an. Zwar sehe er die starke psychische Belastung der Opfer, es sei aber nicht zielführend die derzeit in § 238 StGB enthaltenen unbestimmte Rechtsbegriffe durch andere zu ersetzen. Anne-Kathrin Krug beurteilte den Gesetzentwurf als in wesentlichen Teilen gelungen. Allerdings seien einige sehr häufig vorkommende Handlungsweisen nur unzureichend erfasst, während für andere derart hohe Anforderungen gesetzt wurden, dass eine Anwendung kaum zum Tragen kommen könne. Beate Köhler berichtete aus der Praxis und sah daher in jeder Änderung eine Chance den Opferschutz zu verbessern. 

Am 24. Juni 2021 hat der Bundestag den Regierungsentwurf in der Fassung des Rechtsausschusses angenommen. Bereits einen Tag später passierte das Gesetz auch den Bundesrat. 

Das Gesetz zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings sowie Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Zwangsprostitution wurde am 17. August 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2021, S. 3513 ff.). Es tritt am 1. Oktober 2021 in Kraft. 

 

 

 


18. Wahlperiode

Gesetzentwürfe:

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 420/1/16

Antrag des Landes Niedersachsen: BR Drs. 420/2/16

Stellungnahme des Bundesrates: BR Drs. 420/16 (B)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz: BT Drs. 18/10654

 

Das Bundeskabinett hat am 13. Juli 2016 den Referentenentwurf des BMJV zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen beschlossen.

Die 2007 ins Strafgesetzbuch eingefügte noch recht „junge“ Vorschrift des § 238 StGB sollte einen besseren Opferschutz gegen beharrliche Nachstellung gewährleisten. Da der Straftatbestand als Erfolgsdelikt ausgestaltet ist, bedarf es nach geltender Rechtslage einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung. Dieser Nachweis, lässt sich häufig nicht führen. Nach derzeitiger Rechtslage führen bisher nur ein bis zwei Prozent der Anzeigen nach Paragraf 238 zu einer Verurteilung. Daher wird im Entwurf § 238 Abs. 1 StGB in ein potentielles Gefährdungsdelikt umgewandelt.

Es soll für die Tatbestandsverwirklichung zukünftig ausreichen, dass die Handlung des Täters objektiv geeignet ist, beim Betroffenen eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung herbeizuführen. Nach geltendem Recht dagegen führt eine Befragung der Opfer häufig dazu, festzustellen, dass es zu keiner gravierenden Änderung der Lebensgestaltung, wie z.B. Wohnortwechsel kam, so dass das Verfahren mangels Tatbestandsverwirklichung eingestellt werden muss. Nach dem Entwurf wird nun eine eigenständige Bewertung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts zur Schwere der Beeinträchtigung unabhängig vom eingetretenen „Taterfolg“ erforderlich. Zudem soll der Stalking-Paragraf zukünftig aus dem Katalog der Privatklagedelikte der StPO gestrichen werden. Eine weitere Neuerung, die mit dem Gesetzentwurf eingeführt werden soll, betrifft darüber hinaus das Gewaltschutzverfahren.

Weiterhin sieht der Referentenentwurf vor, den Auffangtatbestand der „andere(n) vergleichbare(n) Handlung“ mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und einer zu großen Ausweitung der Strafbarkeit zu streichen.

Am 23. September 2016 hat der Bundesrat über die von der Bundesregierung geplante Verschärfung beraten und einen geringen Änderungsbedarf festgestellt. Die Stellungnahme des Bundesrates wurde der Bundesregierung zugeleitet. Am 14. Oktober 2016 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Dieser Entwurf greift Anregungen der Gesetzesanträge der Länder Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen nach einer Erweiterung des § 238 StGB auf. Auch dieser Entwurf gestaltet den Tatbestand des § 238 Absatz 1 StGB in ein potentielles Gefährdungsdelikt um und stellt dabei auf die objektive Geeignetheit der Handlung des Täters ab, eine Beeinträchtigung der Lebensgestaltung seitens des Opfers herbeizuführen.

Flankierend ist zur Stärkung des Opferschutzes die Streichung der Nachstellung aus dem Katalog der Privatklagedelikte, die Einführung der gerichtlichen Bestätigung von in Gewaltschutzverfahren geschlossenen Vergleichen sowie die Erweiterung des § 4 GewSchG auf Verstöße gegen Verpflichtungen aus einem gerichtlich bestätigten Vergleich vorgesehen.

Am 09. November 2016 fand eine öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses statt, bei der die Experten das Änderungsvorhaben durchaus kontrovers betrachteten – Einigkeit bestand jedoch hinsichtlich des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs. Ursprünglich sah der Regierungsentwurf vor, auf die Aufnahme einer Handlungsgeneralklausel, wie sie bisher in § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB enthalten ist, zu verzichten. Nachdem einige Sachverständige jedoch diesbezüglich Bedenken im Hinblick auf mögliche Schutzlücken geäußert hatten, wurde angeregt die Handlungsgeneralklausel beizubehalten. Die Stellungnahmen der Sachverständigen können Sie hier abrufen.

Am 15. Dezember 2016 hat der Bundestag gegen das Votum der Opposition den Gesetzentwurf in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (18/10654) angenommen.
Am 10. Februar 2017 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf gebilligt. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt. Es tritt nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe

Einundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben vom 11. April 2017: BGBl I 2017 Nr. 20, S. 815 f.

 

Gesetzentwürfe:

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz: BT Drs. 18/11445

 

Der Regierungsentwurf sieht die Einführung von zwei neuen Straftatbeständen ins StGB vor. Gem. § 265c StGB-E soll der sog. Sportwettbetrug künftig unter Strafe gestellt werden, d.h. Manipulationsabsprachen bei Wettbewerben, auf die eine Sportwette gesetzt werden soll. Nach § 265d StGB-E werden Manipulationsabsprachen bei hochklassigen Wettbewerben mit berufssportlichem Charakter bestraft.

Für beide Straftatbestände werden in § 265e StGB-E Regelbeispiele eines besonders schweren Falls normiert und Vorteile großen Ausmaßes oder gewerbs- und bandenmäßiges Handeln erfasst. Die Strafbarkeit von Wettbetrug und Spielmanipulation ist als relatives Strafantragsdelikt ausgestaltet, antragsberechtigt sind neben dem Verletzten die nationale oder internationale Sportorganisation, die den jeweiligen sportlichen Wettbewerb organisiert oder in Auftrag gegeben hat.

Der DAV moniert, dass es an nachvollziehbaren, empirisch gefestigten Grundlagen für die Notwendigkeit einer Ausweitung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes über die anerkannten Rechtsgüter hinaus fehle. Durch die Ausgestaltung der Straftatbestände als abstrakte Gefährdungsdelikte käme es zu einer bedenklichen Vorverlagerung der Strafbarkeit. Regelungslücken, so Nuzinger/Rübenstahl/Bittmann, WiJ 2016, 34, seien zudem nicht erkennbar. Zu den geplanten Straftatbeständen hat Kubiciel einen Beitrag in jurisPR-StrafR 3/2016 Anm. 1 und Krack einen Beitrag in ZIS 2016, 540 veröffentlicht.

Bei den Sachverständigen stößt der Entwurf auf ein unterschiedliches Echo – die entsprechenden Stellungnahmen finden Sie hier.

Am 9. März 2017 hat der Bundestag in Zweiter und Dritter Lesung den Regierungsentwurf  beschlossen. Durch den Gesetzentwurf soll zudem für die neuen Straftatbestände unter besonderen Voraussetzungen eine Befugnis zur Überwachung der Telekommunikation geschaffen werden.

Bundejustizminister Heiko Maas:
„Mit dem heute beschlossenen Gesetzentwurf weisen wir Betrug und Manipulation im Sport in die Schranken. Sport hat eine Vorbildfunktion. Große Wettkämpfe wie die Olympischen Spiele oder Welt- und Europameisterschaften zeigen die immense gesellschaftliche und auch wirtschaftliche Bedeutung des Sports. Sport kann Werte wie Fairness und Chancengleichheit vermitteln. Sportwettbetrug und die Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe bewirken aber genau das Gegenteil. Außerdem schädigen sie in betrügerischer Weise das Vermögen anderer. Weil andere Maßnahmen nicht gegriffen haben, müssen wir solchen Methoden mit den Mitteln des Strafrechts reagieren. So sorgen wir dafür, dass der Sport auch künftig nur für das steht, was ihn ausmacht: Integrität und fairen Wettkampf.“

In seiner Sitzung am 31. März 2017 stimmte auch der Bundesrat dem Gesetzentwurf zu. Zukünftig wird der Sportwettbetrug oder die Manipulation von Wettkämpfen im Profisport mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren sanktioniert. In besonders schweren Fällen ist eine Bestrafung bis zu fünf Jahren möglich.

Das Gesetz trat am 19. April in Kraft.

Gesetz zur Aufhebung des § 103 StGB

Gesetz zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten vom 17. Juli 2017: BGBl I 2017 Nr. 48, S. 2439 ff.

 

Gesetzentwürfe:

  • Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 20. Februar 2017: BT Drs. 18/11243
  • Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Januar 2017
  • Gesetzesantrag der Länder Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Thüringen: BR Drs. 214/16
  • Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Neuordnung der Beleidigungsdelikte einzelner MdB und der Fraktion DIE LINKE: BT Drs. 18/8272
  • Gesetzentwurf zur Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen einzelner MdB und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT Drs. 18/8123
  • Gesetzentwurf des Bundesrates: BT Drs. 18/10980

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 214/1/16

Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung: BT Drs. 18/11616

Beschlussempfehlung und Bericht der Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz: BT Drs. 18/12602

 

Nach dem „Schmähgedicht“ von Böhmermann auf den türkischen Präsidenten Erdoğan, ist der im Dornröschenschlaf liegende § 103 StGB in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dieser Straftatbestand der sog. „Majestätsbeleidigung“ bzw. „Präsidentenbeleidigung“ soll nun als nicht mehr zeitgemäßes „Sonderstrafrecht“ gestrichen werden. Beleidigungen gegen diesen Personenkreis hätten dem Antrag zufolge in aller Regel keinen privaten Hintergrund, sondern seien Teil des öffentlichen Diskurses. Die Länder sehen es darüber hinaus kritisch, dass eine Strafverfolgung in diesen Fällen von einer Entscheidung der Bundesregierung abhängt. Diese sei in der schwierigen Lage, einen Ausgleich zwischen der überragenden Bedeutung der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit und den Erwartungen der ausländischen Regierung herbeiführen zu müssen.

Nach einem entsprechenden Gesetzentwurf von sechs Bundesländern sprachen sich auch die Ausschüsse des Bundesrates für eine Streichung aus.

Am 16. Dezember 2016 hat der Bundesrat in der Plenarsitzung die Einbringung einer Gesetzesinitiative in den Bundestag zur sofortigen Streichung des § 103 StGB beschlossen. Als nächstes wird sich die Bundesregierung mit der Länderinitiative beschäftigen. Der Gesetzentwurf wird dann zusammen mit ihrer Stellungnahme an den Bundestag zur Entscheidung weitergeleitet.

Am 25. Januar 2017 hat der Bundesrat schließlich seinen Gesetzentwurf (BT Drs. 18/10980) zur Streichung des § 103 StGB in den Bundestag eingebracht. Die Bundesregierung macht in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrates klar, dass sie das gleichlautende Anliegen unterstütze, aber am eigenen Entwurf festhalte. Der Gesetzentwurf soll als besonders eilbedürftig behandelt werden, damit das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden kann.

Am 23. Februar hat die Bundesregierung ihren Entwurf vom 20. Februar 2017 in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 18/11243). Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Gesetz mit dem kurzen Wortlaut „§ 103 StGB wird aufgehoben“ im Januar 2018 in Kraft treten. Hinsichtlich des Zeitpunktes besteht jedoch Uneinigkeit zwischen Bundestag und Bundesrat. Wie aus der Stellungnahme hervorgeht, soll das Gesetz nach Meinung des Bundesrates am Tage nach seiner Verkündung in Kraft treten. Der Bundestag hält an seinem Vorschlag ohne nähere Begründung fest.

Am 28. April 2017 hat der Bundestag erstmals über den Gesetzentwurf debattiert und ihn zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen. Dort fand am 17. Mai 2017 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Experten waren sich uneinig, ob eine Streichung des § 103 StGB sinnhaftig sei. Zwei der vier Sachverständigen waren dafür, den Majestätsbeleidigungsparagrafen beizubehalten. Als Argument für eine Abschaffung wurde angeführt, dass Staatsoberhäupter genauso gut durch § 185 StGB geschützt seien. Ebenso gebe es auch keine völkerrechtlichen Gründe die dagegen sprechen. Dies wurde von den Gegnern des Vorhabens jedoch anders gesehen. Bei der Beleidigung von Staatsoberhäuptern gehe es in erster Linie nicht um die persönliche Ehre, sondern um den repräsentierten Staat. Schutzzweck des § 103 StGB sei auch, die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten zu schützen. Die vier Gesetzentwürfe zur Abschaffung des Straftatbestandes der Majestätsbeleidigung seien nur als Reaktion auf das Schmähgedicht von Jan Böhmermann in den Bundestag eingebracht worden. Zuletzt wurde zu Bedenken gegeben, dass es auch ohne die Abschaffung des § 103 StGB in Staaten mit einem anderen Rechtsverständnis als Ehrverletzung empfunden werden könne, wenn ein solches Verfahren mit einem Freispruch endet oder eingestellt wird. 

Am 1. Juni 2017 fand im Bundestag die zweite und dritte Lesung statt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde mit Empfehlung des Rechtsausschusses (BT Drs. 18/12602) einstimmig angenommen. Die Gesetzentwürfe der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen (BT Drs. 18/8123), der Fraktion Die Linke (BT Drs. 18/8272) und der Gesetzentwurf des Bundesrates (BT Drs. 18/10980) wurden abgelehnt. Damit setzte sich die Bundesregierung – was den Zeitpunkt der Streichung des § 103 StGB angeht – durch. Das Gesetz soll im Januar 2018 in Kraft treten.

Am 7. Juli 2017 hat der Bundesrat in seiner Plenarsitzung den Gesetzesbeschluss des Bundestages gebilligt und auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtet.

Am 21. Juli 2017 wurde das Gesetz zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt am 1. Januar 2018 in Kraft.

 

 

Gesetz zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuches

Gesetz zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuches vom 22. Dezember 2016: BGBl I 2016, Nr. 65, S. 3150

Gesetzentwürfe:

Beschlussempfehlung und Bericht des 6. Ausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT Drs. 18/10509

Nachdem sich die Vertragsstaaten des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs auf der Konferenz in Kampala endlich auf die Definition eines Straftatbestands der Aggression einigen konnten, ist der deutsche Gesetzgeber nach dem Grundsatz der Komplementarität in der Pflicht, einen ebensolchen Verbrechenstatbestand einzuführen.

Die Gerichtsbarkeit des IStGH wird für den Tatbestand der Aggression nach der Ratifizierung durch mindestens 30 Vertragsstaaten, frühestens jedoch nach dem 1. Januar 2017 aktiviert. Der deutsche Gesetzgeber hat sein Völkerstrafgesetzbuch nun zum 1. Januar 2017 aktualisiert und mit § 13 VStGB das Verbrechen der Aggression unter Strafe gestellt. Dadurch wurde der bisherige § 80 StGB („Vorbereitung eines Angriffskriegs“) durch § 13 VStGB ersetzt und die Strafbarkeit erweitert: es ist nun erstmals auch die tatsächliche Durchführung eines Angriffskrieges strafbar, während bislang lediglich die Vorbereitung eines Angriffskriegs strafrechtlich erfasst war.

 

 

Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG)

Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG) vom 30. Juni 2016: BGBl. I 2016 Nr. 31, S. 1514 ff.
 

Gesetzentwürfe:

Stellungnahme des Bundesrates vom 26. Februar 2016: BR Drs. 19/16 (B)

Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung: BT Drs. 18/7826

Beschlussempfehlung und Bericht zu den  Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 18/7482, 18/7826, 18/7918 Nr. 3 –: BT Drs. 18/8099

 

Anlagen:

  • Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie): Richtlinie 2014/57/EU

 

  • Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72 EG der Kommission: Verordnung (EU) Nr. 596/14

 

Das Recht des Marktmissbrauchs wurde vom europäischen Gesetzgeber im Nachgang der Finanzkrise durch die Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und die Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD II) reformiert. Beide sind ab dem 3.7.2016 anzuwenden bzw. in nationales Recht umzusetzen.

Daher hat die Bundesregierung im Januar 2016 einen entsprechenden Regierungsentwurf eines ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (1. FiMaNoG) vorgelegt, das der Bundestag im April nach Anhörung von Sachverständigen im Finanzausschuss mit einigen Änderungen verabschiedet hat. Durch das Gesetz sollen Kleinanleger besser geschützt werden. Dazu werden auch Straf- und Bußgeldvorschriften verschärft und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit weiteren Aufsichtsbefugnissen ausgestattet. Die MAR regelt das Insiderrecht und das Marktmanipulationsverbot unmittelbar so dass durch das 1. FiMaNoG einige Vorschriften im WpHG gestrichen werden mussten. Neuregelungen zur Durchsetzung und Sanktionierung des europäischen Marktmissbrauchsrechts finden sich in §§ 4, 38 und 39 WpHG. § 38 WpHG sanktioniert entgegen der Mindestvorgabe in der MAD nicht nur schwerwiegende vorsätzliche Marktmanipulationen und Insiderhandel, sondern vorsätzliche Verstöße unabhängig von der Schwere der Auswirkungen. Nach der geplanten Neuregelung können zudem Primär- und Sekundärinsider gleichermaßen für vorsätzliche Insiderverstöße mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft werden. Zudem werden leichtfertige Insiderverstöße und leichtfertige oder vorsätzliche Marktmanipulationen in Zukunft mit höheren Geldbußen von bis zu 5 Millionen Euro für natürliche Personen und von bis zu 15 Millionen Euro und 15 % des Gesamtumsatzes für juristische Personen geahndet.

Die Regelungen sind ausweislich des Artikel 17 zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft getreten.

Gesetz zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen

Neunundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen vom 9. Oktober 2020, BGBl. I 2020, S. 2075 ff. 

Gesetzentwürfe:

19. Wahlperiode

18. Wahlperiode

 

Am 2. März 2018 beriet der Bundesrat über einen wegen des Grundsatzes der Diskontinuität erneut eingebrachten Gesetzantrag zur Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) – Effektive Bekämpfung von sogenannten „Gaffern“ sowie Verbesserung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen: BR Drs. 226/16 (Beschluss). Der Entwurf wurde bereits im Juni 2016 in den Bundestag eingebracht. Hier wurde er bis zum Ablauf der Legislaturperiode nicht weiter verfolgt. Stattdessen wurde das Anliegen, Gaffer hart zu bestrafen, nur teilweise aufgegriffen: Am 27. April 2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften verabschiedet. In diesem Zusammenhang wurde der Straftatbestand der „Behinderung von hilfeleistenden Personen“ in den Koalitionsentwurf eingebracht und vom Plenum mit beschlossen (BT Drs. 18/12153). Seitdem können Gaffer wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft werden.

Nun soll auch das Herstellen und Verbreiten von bloßstellenden Fotos und Videos Verstorbener zum Schutz der Persönlichkeitsrechte strafbar werden. Daher starten die Länder Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen mit der Erweiterung des § 201a StGB einen erneuten Vorstoß. Unbefugte Aufnahmen von Toten und deren Verbreitung sollen künftig mit bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Ebenso soll es eine Versuchsstrafbarkeit geben, z.B. wenn Einsatzkräfte die Aufnahme durch ihr Einschreiten noch verhindern konnten.

Am 12. April 2018 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf (BT Drs. 19/1594) entsprechend in den Bundestag eingebracht. 

Am 2. April 2019 hat das Land Baden-Württemberg einen Antrag zur Entschließung des Bundesrates zur effektiven Bekämpfung von sogenannten „Gaffern“ (BR Drs. 142/19) in den Bundesrat eingebracht. Die letzten gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Gaffer seien zu begrüßen, da es der Polizei nun möglich sei, verstärkt gegen Gaffer vorzugehen. Jedoch sei es bislang noch nicht gelungen, die Missstände entscheidend zurückzudrängen. Darum solle der Bundesrat sich weiterhin für eine effektive Bekämpfung von Gaffern einsetzen und den Bundestag auffordern, sich unverzüglich mit dem bereits am 2. März 2018 eingebrachten Entwurf des Bundesrates (BT Drs. 19/1594) zu befassen. Maßgebliche Schritte zu einer abschließenden Behandlung durch den Bundestag seien bislang nicht zu erkennen gewesen. 

Die Bundesregierung hatte im April 2018 zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates wie folgt Stellung genommen:

„Die Bundesregierung unterstützt das Anliegen des Gesetzentwurfs, den strafrechtlichen Schutz gegen die Herstellung und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen von verstorbenen Personen zu verbessern. Auch der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 19. Wahlperiode sieht vor, „Schutzlücken des § 201a Strafgesetzbuch (StGB) hinsichtlich bloßstellender Bildaufnahmen (Herstellung und Verbreitung) von verstorbenen Personen“ zu schließen. Die Bundesregierung prüft derzeit, wie dieses Anliegen rechtstechnisch am besten umgesetzt werden kann.“

Der Antrag des Landes wurde am 12. April 2019 im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss an die Fachausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen. Am 17. Mai 2019 beschloss der Bundesrat in seiner Plenarsitzung eine Entschließung, die es den Ländern ermöglichen soll, Bewegung in die Sache zu bringen. Sie wird nun dem Bundestag und der Bundesregierung zugeleitet, die dann darüber entscheiden, ob sie den Antrag der Länder aufgreifen. Eine festgelegte Frist gibt es dafür nicht. 

Am 9. September 2019 veröffentlichte das BMJV einen Referentenentwurf zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes von Verstorbenen und griff die geplanten Änderungsvorschläge wieder auf. Bislang schützt § 201a StGB lebende Personen vor der Herstellung  von Bildaufnahmen, die ihren persönlichen Lebensbereich verletzten. Ebenso ist die Weitergabe von Bildmaterial an Dritte erfasst, das dazu geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person zu schaden. Ist diese Person jedoch bereits verstorben, gehört sie nicht (mehr) zum geschützten Personenkreis. Dies vermag auch nicht § 33 KunstUrhG auszugleichen, da dieser nur die Verbreitung, jedoch nicht die Anfertigung eines Bildnisses erfasst. Zur Gewährleistung eines effektiven postmortalen Persönlichkeitsschutzes sieht der Entwurf daher vor, den Schutzbereich des § 201a StGB auf Verstorbene auszuweiten. 

In § 201a Nr. 3 StGB-E soll daher das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, vom Straftatbestand erfasst werden. Flankierend soll durch einen angepassten Verweis in den nachfolgenden Nr. 4 und 5 (nach neuer Gliederung) auch das Gebrauchen und Zugänglichmachen von Bildaufnahmen gegenüber Dritten erfasst werden. Auch der Anwendungsbereich des Abs. 2 wird auf Bildaufnahmen Verstorbener erweitert. Im Zuge  dessen wird ebenfalls das Strafantragserfordernis in § 205 StGB an den geänderten Schutzbereich des § 201a StGB angepasst. 

Am 13. November 2019 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf beschlossen, der nicht nur den Persönlichkeitsschutz von Verstorbenen verbessern soll (§ 201a Nr. 3 StGB-E), sondern auch das sog. Upskirting erfasst (§ 201a Nr. 4 StGB). Damit wird das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme von bestimmten gegen Anblick geschützten Körperteilen zukünftig strafbar. Mehr zum Thema Upskirting finden Sie hier

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Persönlichkeitsschutz bei der Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen (BT Drs. 19/17795), der Entwurf des Bundesrates zur Strafbarkeit der Bildaufnahme des Intimbereichs (BT Drs. 19/15825) sowie der Gesetzentwurf der Fraktion der AfD zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen (BT Drs. 19/18980) wurden am 6. Mai 2020 erstmals im Bundestag beraten und im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dort fand am 27. Mai 2020 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Experten beschäftigten sich hauptsächlich mit der Frage, wie sich Bildaufnahmen unter den Tatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs oder als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung einordnen lassen. Prof. Dr. Jörg Eisele ordnete das Upskirting zwischen der unerlaubten Bildaufnahme (§ 201a StGB) und den Pornografiedelikten ein. Bislang sei das Upskirting strafrechtlich nicht hinreichend erfasst. Er begrüßte daher den Vorstoß, das Verhalten entsprechend zu sanktionieren. Hierfür gab er dem Entwurf der Bundesregierung den Vorzug. Dort gebe es jedoch noch Unklarheiten hinsichtlich des Begriffs der Unterbekleidung und der Einbeziehung der weiblichen Brust. Auch Dr. Clemens Prokop sprach sich für den Regierungsentwurf aus. Aus seiner Sicht seien die Anforderungen im Vorsatzbereich jedoch unzureichend. Er sprach sich dafür aus, in § 201a StGB eine wissentliche Tatbegehung einzufügen. Dr. Leonie Stahl vom djb schlug vor, den Entwurf der Bundesregierung dahingehend zu ändern, dass klargestellt sei, dass § 201a StGB neben dem Schutz des Persönlichkeitsrechts auch dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung diene. 

Dr. Veronika Grieser bevorzugte die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung, das Upskirting als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu werten. Der Regierungsentwurf umfasse auch das Fotografieren oder Filmen in den Ausschnitt einer Person, das aber nicht vergleichbar mit dem Upskirting erscheine. Frank Rebmann und Hanna Seidel gaben ebenfalls der Lösung des Bundesrates den Vorzug. Seidel betonte jedoch, dass auch die weibliche Brust durch den neuen Straftatbestand geschützt werden müsse. 

Prof. Dr. Elisa Hoven sah lediglich kriminalpolitische Gründe, das Upskirting eher dem Sexualstrafrecht zuzuordnen. Dr. Jenny Lederer vom DAV sprach sich sowohl gegen die Lösung der Bundesregierung als auch gegen den Vorschlag des Bundesrates aus. Dem Upskirting und Down-blousing könne ausreichend mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht entgegengewirkt werden. 

Am 2. Juli 2o20 nahm der Bundestag in zweiter und dritter Lesung den Regierungsentwurf zum Persönlichkeitsschutz bei Bildaufnahmen in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT Drs. 19/20668) an und lehnte den Entwurf des Bundesrates zum Upskirting (BT Drs. 19/15825) unter Enthaltung der Stimmen der Fraktion Die Linke ab. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Änderungsantrag der FDP (BT Drs. 19/20752) sowie der Gesetzentwurf der AfD „zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen“ (BT Drs. 19/18980).

Am 18. September 2020 billigte auch der Bundesrat den Regierungsentwurf. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt.  Es soll am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals in Kraft treten.


18. Wahlperiode

Gaffer, die sich um Unglücksstellen scharten, gab es schon immer. Relativ neu ist allerdings der Drang dieser speziellen Spezies, Fotos der Verletzten und Toten zu machen und diese umgehend in sozialen Netzwerken zu posten. So ist das Bild des Unfallopfers schneller Online als der Patient im Krankenhaus.

Daneben können Schaulustige die Arbeit der Rettungskräfte durch ihre Präsenz erschweren und Zugang und Zugriff erschweren. Dies kann dann auch unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit des Unfallopfers haben, das ggf. später in das Krankenhaus gebracht werden kann, als dies ohne Behinderung der Fall ist. Diesen Missstand will eine Gesetzesinitiative des Landes Niedersachsen und Berlin durch eine Strafbarkeitserweiterung zu beheben versuchen.

Wer aus Sensationslust Unfallopfer fotografiert oder Rettungskräfte behindert, soll sich nach § 201 a und § 115 StGB-E strafbar machen. Zwar wurde § 201 a StGB erst im Januar 2015 neu gefasst und erweitert, schützt aber bislang nur lebende Personen gegen unbefugte Bildaufnahmen. Der Gesetzesantrag sieht nunmehr eine Erweiterung des Schutzbereiches auch auf verstorbene Personen vor. Daneben soll mit § 115 StGB-E eine neue Vorschrift ins Strafgesetzbuch eingefügt werden, die es unter Strafe stellt, bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder des Rettungsdienstes behindern. Bislang steht die Behinderung von Rettungs- und Hilfskräften nur dann unter Strafe, wenn beispielsweise gewaltsam gegen die Einsatzkräfte vorgegangen wird. Störungen durch bloße Rücksichtslosigkeit, Neugier und Sensationslust sind derzeit nicht erfasst. Ob sich die fotografierenden Gaffer von solchen neuen Vorschriften abschrecken lassen, bleibt abzuwarten.

Am 9. August 2016 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf an den Bundestag weitergeleitet.

Am 27. April 2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften verabschiedet. In diesem Zusammenhang wurde der Straftatbestand der „Behinderung von hilfeleistenden Personen“ in den Koalitionsentwurf eingebracht und vom Plenum mit beschlossen (BT Drs. 18/12153). Wer durch Gaffen an der Unfallstelle oder durch Blockieren der Rettungsgasse die Arbeit der Rettungskräfte erschwert und die Versorgung der Verletzten behindert, kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden.

Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Sprach- und Hörbehinderte (Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit – EMöGG)

Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG) vom 8. Oktober 2017: BGBl I 2017 Nr. 68, S. 3546 ff.

 

Gesetzentwürfe:

Stellungnahme des Bundesrates BR Drs. 492/16 (B)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz: BT Drs. 18/12591

Gesetzesbeschluss des Bundestages: BR Drs. 606/17

  • Gesetzesantrag des Freistaates Bayern zur Änderung des StGB – verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen: BR Drs. 254/17

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 254/1/17

Plenarantrag des Landes Baden-Württemberg: BR Drs. 254/2/17

 

Der Entwurf soll zu einer moderaten Lockerung des bisherigen Verbots der Medienübertragung aus Gerichtsverhandlungen führen und die Vorgaben für Audio- und Videoübertragungen von Gerichtsverhandlungen an die Bedeutung moderner Medien und des neuen Medienverständnisses anpassen. Dazu wird § 169 GVG entsprechend ergänzt und es werden Folgeänderungen eingefügt.

Zum einen kann die Tonübertragung in einen Nebenraum für Medien- und Pressevertreter durch Anordnung des Vorsitzenden zugelassen werden. Zum anderen werden Ton- und Filmaufnahmen der Verhandlung zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken auf Anordnung des Vorsitzenden möglich, sofern es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung handelt.
Darüber hinaus sollen Verbesserungen für hör- und sprachbehinderte Personen bei der Inanspruchnahme von Gebärdensprachdolmetschern in gerichtlichen Verfahren gesetzlich verankert werden.

Einer am 14. Oktober 2016 beschlossenen Stellungnahme zufolge sieht der Bundesrat bei dem geplanten Gesetzentwurf Optimierungsbedarf. Verhandlungen für Medienvertreter dürften nur dann in einen separaten Raum per Ton übertragen werden, wenn es tatsächlich Kapazitätsengpässe in den Sitzungssälen gebe. Zudem sollten audiovisuelle Dokumentationen historisch bedeutsamer Gerichtsverfahren mit einer Schutzfrist verbunden sein.

Am 15. Dezember fand die 1. Lesung statt. Der Bundestag hat den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dort fand am 29. März 2017 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Die Sachverständigen äußerten in ihren Stellungnahmen überwiegend Zustimmung. Die anfängliche Skepsis gegenüber dem Gesetzentwurf sei der Überzeugung gewichen, dass eine moderate Erweiterung der Medienöffentlichkeit zugelassen werden könne. Kritikpunkte ergaben sich jedoch bei der Erlaubnis von Bild- und Tonaufnahmen zu zeithistorischen und wissenschaftlichen Zwecken. Während hier auf der einen Seite eine Erschwerung der Prozessführung und der Wahrheitsfindung gesehen wurde, wurde die Erlaubnis auf der anderen Seite als sehr wichtig erachtet. Man müsse nur sicherstellen, dass rechtliche Nutzungen der Filmaufnahmen ausgeschlossen seien. Dazu Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Andreas Mosbacher: „Eine selbstbewusste Justiz muss sich nicht verstecken.“ Ein Sachverständiger lehnte den Gesetzentwurf kategorisch ab und ist der Ansicht, dieser sei von Grund auf verfehlt. Die Medienübertragung direkt aus dem Gerichtssaal diene nur der Unterhaltung und dem Zeitvertreib.

Am 29. März 2017 stellte das Bundesland Bayern einen Antrag zur Änderung des StGB – verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen: BR Drs. 254/17. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfahl dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Art. 76 Abs. 1 GG in den Bundestag einzubringen, wohingegen sich der federführende Rechtsausschuss dafür aussprach, den Gesetzentwurf nicht in den Bundestag einzubringen (BR Drs. 254/1/17). In seiner Plenarsitzung am 12. Mai 2017 hat sich der Bundesrat der Empfehlung des Rechtsausschusses angeschlossen.

Am 22. Juni 2017 beriet der Bundestag in zweiter und dritter Lesung über den Gesetzentwurf und nahm ihn in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 18/12591) einstimmig an. „Tonaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse“ kann das Gericht nun zulassen, „wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt.“ Die Aufnahmen werden dem Bundes- oder Landesarchiv dann zur Verfügung gestellt und dürfen im Verfahren nicht genutzt werden. Des Weiteren werden künftig Tonübertragungen in einen Medienarbeitsraum möglich.

Am 22. September 2017 hat der Bundesrat das Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit gebilligt, nachdem ihm der Rechtsausschuss geraten hatte, keinen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses zu stellen.  Damit wird nun das seit 1964 bestehende Verbot an ein neues Medienverständnis angepasst und eine Live-Übertragung von Gerichtsverfahren möglich gemacht.

Das Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG wurde am 18. Oktober 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Regelungen rund um den möglichen Einsatz eines Gebärdendolmetschers treten vorbehaltlich des S. 2 am Tag nach der Verkündung in Kraft. Art. 1 Nr. 1 sowie die Art. 2, 3 und 4 (Regelungen zur Audio- und Tonübertragung) treten erst 6 Kalendermonate nach der Verkündung in Kraft.

 

 

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