von Moritz Denzel und Renato Kramer da Fonseca Calixto, Master of Law (Faculdade Damas, Brasilien)
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Abstract
Mit der jüngsten Sexualstrafrechtsreform des Jahres 2016 wurde der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung deutlich erweitert. Im Zuge der Neukonzeption des § 177 StGB hat der Gesetzgeber das „Nein heißt Nein“-Modell in geltendes Recht überführt und damit das Ziel einer stärkeren Beachtung des sexuellen Willens verfolgt. Nach der Neufassung des § 177Abs. 1 StGB macht sich nunmehr strafbar, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt, von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt. Im Zuge der Reform hat sich ein neues Problemfeld eröffnet: Die Strafbarkeit der sexuellen Täuschung. Zwar hat der Gesetzgeber die Strafbarkeit von Fällen, in denen eine Person durch Täuschung – etwa die Vorspiegelung bestimmter persönlicher Eigenschaften – zu einer sexuellen Handlung veranlasst wurde, nicht explizit geregelt, indes schließt der Wortlaut des § 177 Abs. 1 StGB eine Subsumtion unter die Norm prima facie nicht aus. In diesem Sinne finden sich nunmehr auch Stimmen im Schrifttum welche (zumindest in einigen Fallgruppen) eine Strafbarkeit de lege lata befürworten, während die vormalige Fassung des § 177 StGB sexuelle Täuschungen hingegen unstreitig nicht erfasste. Befürwortet wird insbesondere eine Strafbarkeit des Stealthings – des non-konsensualen, heimlichen Entfernens des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs. Mit einer kürzlich erfolgten Verurteilung in einem derartigen Fall durch das AG Tiergarten hat sich nunmehr auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung jüngst dieser Ansicht angeschlossen. Obergerichtliche Stellungnahmen zu dieser Frage sind allerdings bislang noch ausgeblieben. Wie die Autoren belegen werden ist indes nach geltendem Recht die sexuelle Täuschung in keinem Fall nach § 177 StGB strafbar. Da allerdings, wie weiter aufgezeigt werden wird, die Vornahme sexueller Täuschungen in manchen Fallkonstellationen strafwürdiges Unrecht verwirklicht ist de lege ferenda die Statuierung einer entsprechenden Strafbarkeit in den Blick zu nehmen.
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