Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie

Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie vom 12. Dezember 2019: BGBl I 2019, S. 2602 ff. 

Gesetzentwürfe: 

 

Das Bundeskabinett hat am 31. Juli 2019 einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie auf den Weg gebracht. 

Der Entwurf sieht vor, die Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission zu ändern. Dies wurde bereits mit der Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 festgehalten, die bis zum 10. Januar 2020 umzusetzen ist. 

In den Fokus der Änderungen rückten vor allem Themen, die durch die terroristischen Anschläge in Paris und Brüssel oder die „Panama Papiers“ Aufmerksamkeit auf sich zogen. Auch im Immobilienbereich sollen geldwäscherechtliche Pflichten erweitert werden. 

Konkret sieht der Entwurf 

  • „die Erweiterung des geldwäscherechtlichen Verpflichtetenkreises, insbesondere im Bereich virtueller Währungen,

  • die Vereinheitlichung der verstärkten Sorgfaltspflichten bei Hochrisikoländern,

  • die Konkretisierung des Personenkreises „politisch exponierte Personen“ durch Listen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission zu Funktionen bzw. Ämtern,

  • den öffentlichen Zugang zum elektronischen Transparenzregister sowie die Vernetzung der europäischen Transparenzregisters“ 

vor. 

Der federführende Finanzausschuss, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss haben dem Bundesrat empfohlen, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen (BR Drs. 352/1/19). 

Am 18. Oktober 2019 wurde der Regierungsentwurf „zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie“ erstmals im Bundestag vorgestellt und im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Finanzausschuss überwiesen. 

Dort war der Regierungsentwurf (BT Drs. 19/13827) am 6. November 2019 gemeinsam mit dem Antrag der FDP zum Masterplan gegen Geldwäsche (nähere Informationen finden Sie hier) und dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Geldwäsche im Immobiliensektor (BT Drs. 19/10218) Thema einer öffentlichen Anhörung. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Vertreter der Prepaid-Anbieter und Goldhändler haben sich gegen die von der Bundesregierung beabsichtigte Identifizierungspflicht ausgesprochen. Die Fachvereinigung Edelmetalle zweifelte daran, ob insbesondere Gold für die Geldwäsche genutzt werde. Die registrierten Käufer seien zudem meist Kleinanleger oder Verkäufer, die sich ohnehin bei den Händlern identifizieren müssten. Im vergangenen Jahr seien von allen Verdachtsmeldungen an die FIU lediglich 0,3 Prozent Fälle mit Bezug zu Edelmetallen registriert worden. Die Spitzenvereinigung der Bankenverbände sprach sich dafür aus, die Mitarbeiter der Unternehmen, die nach dem Geldwäschegesetz verpflichtet sind, von „existenzgefährdenden Bußgelddrohungen zu befreien“, um das inzwischen nicht mehr akzeptable Sanktionsrisiko von ihnen abzuwenden. Dies erleichtere es zudem den Unternehmen, qualifizierte Mitarbeiter für den Bereich der Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu gewinnen. 

Mehrere Sachverständige betonten das Problem der Geldwäsche im Immobiliensektor. Die StA Berlin sprach insbesondere von Ermittlungsschwierigkeiten bei „Share Deals“. Dabei habe man es hauptsächlich mit Gesellschaften aus dem Ausland zu tun, so dass das Problem sich nicht auf nationaler Ebene lösen lasse. 

Die Bundesnotarkammer geht bei den geplanten Neuregelungen von einer gesteigerten Abschreckungswirkung und von einer Steigerung der Meldungen durch die Notare aus. Die BDZ wies hingegen darauf hin, dass das Meldeaufkommen der rechtsberatenden Berufe sehr gering sein werde, da sich diese aller Voraussicht nach auf ihre Verschwiegenheitspflicht berufen werden. Ein solches Defizit sei nicht hinnehmbar. 

Insgesamt beklagte der BDK das Fehlen einer Gesamtstrategie gegen Geldwäsche. Die Ermittlungsbehörden seien angesichts der Vielzahl an Verfahren ohnehin bereits am Limit. Darum forderte Prof. Dr. Kai Bussmann die Ergreifung weiterer Präventionsmaßnahmen. 

Am 13. November 2019 hat der Rechtsausschuss den Regierungsentwurf mit Verschärfung im Bereich der Immobilientransaktionen beschlossen. Unter anderem soll es Einschränkungen bei der Verschwiegenheitspflicht der freien Berufe geben, wie es die Sachverständigen in der Anhörung bereits forderten. Ebenso soll es eine stärkere Regulierung bei Bargeldgeschäften geben. Die Oppositionsfraktionen brachten zahlreiche Änderungen ein, die jedoch keine Mehrheit fanden. Der von der Fraktion Die Linke eingebrachte Masterplan gegen Geldwäsche (BT Drs. 19/11098) wurde abgelehnt. 

Am 14. November 2019 hat der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung in der geänderten Fassung des Finanzausschusses (BT Drs. 19/15163) in 2. und 3. Lesung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. Die AfD stimmte gegen den Entwurf, während sich die Grünen, die Linken und die FDP sich enthielten. 

In seiner Plenarsitzung am 29. November 2019 hat auch der Bundesrat des beschlossenen Regelungen zugestimmt. Es wurde am 19. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl I 2019, S. 2602 ff.) und tritt überwiegend am 1. Januar 2020 in Kraft. Die Änderungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (art. 18) treten bereits am 20. Dezember 2019 in Kraft. 

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 08/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 21.05.2019 – 1 StR 114/19: Die strafschärfende Berücksichtigung einer mittäterschaftlichen Begehungsweise verstößt nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB

Leitsatz der Redaktion:

Eine strafschärfende Berücksichtigung der mittäterschaftlichen Begehungsweise einer Tat verstößt nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB, wenn sie nach den konkreten Umständen der Tatbeteiligung eine erhöhte Strafwürdigkeit begründet.

Sachverhalt:

Das LG Stuttgart hat den Angeklagten wegen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen verurteilt. Dabei hat es jeweils strafschärfend die mittäterschaftliche Begehungsweise der Taten berücksichtigt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH verwarf die Revision des Angeklagten als unbegründet.

Das LG habe die mittäterschaftliche Begehungsweise nicht pauschal zur Begründung der Strafschärfung genutzt, sondern im konkreten Einzelfall in Beziehung zu der konspirativen und professionellen Tatausführung gesetzt.

Bei bandenmäßiger Begehungsweise schließe sich eine Berücksichtigung der Mittäterschaft als strafschärfendes Merkmal nicht aus, denn schließlich könne auch ein Gehilfe Bandenmitglied sein. Das vom LG festgestellte Zusammenwirken am Tatort gehe zudem über die nach §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 30a Abs. 1 BtMG geforderte bandenmäßige Begehungsweise hinaus. Die Bandenmitgliedschaft sei gerade keine intensivere Form der Mittäterschaft, sondern ein „Aliud“, dem eine besondere Gefährlichkeit innewohne. Darum rühre im konkreten Fall aus der mittäterschaftlichen Begehungsweise auch eine erhöhte Strafwürdigkeit.

Anmerkung der Redaktion:

Eine ähnliche Entscheidung hatte bereits der 3. Strafsenat getroffen: BGH, Beschl. v. 05.04.2016 – 3 StR 428/15

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 07/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17: Verletzung der Meinungsfreiheit durch fälschliche Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik

Leitsätze der Redaktion:

  1. Die fälschliche Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik und der daraus folgende Verzicht auf die Abwägung zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit des Äußernden und der persönlichen Ehre des Betroffenen verletzen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit.
  2. Von der Meinungsfreiheit sind auch polemische Zuspitzungen zur Verdeutlichung der eigenen Rechtsansicht erfasst, sodass eine Pflicht zur Beschränkung auf das zur Verdeutlichung der Kritik erforderliche Maß nicht besteht.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer bezeichnete im Rahmen der Begründung eines Ablehnungsgesuches der Amtsrichterin wegen Befangenheit ihre Verhandlungsführung als „mittelalterlichen Hexenprozess“. Zudem erinnere ihn die Art der Zeugenbeeinflussung stark an einschlägige Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten. Aufgrund dieser Aussagen ist der Beschwerdeführer vom AG Bremen und bestätigend vom LG und OLG Bremen zu einer Geldstrafe gemäß § 185 StGB verurteilt worden.

Entscheidung des BVerfG:

Die Urteile des LG und des OLG wurden vom BVerfG aufgehoben.

Das LG argumentierte, die Äußerungen des Beschwerdeführers seien überwiegend als Wertäußerung bezogen auf die Persönlichkeit der Richterin zu verstehen und ihr diffamierender Gehalt so erheblich gewesen, dass er unabhängig vom Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung im Vordergrund gestanden habe. Dem hielt das BVerfG entgegen, dass die Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung erfordere. Dieser Kontext sei hier die Verhandlungsführung der Richterin im zivilgerichtlichen Verfahren gewesen. Somit wiesen die Äußerungen einen sachlichen Bezug auf, der sich zwar als polemisch überspitzte Kritik darstelle, aber eben nicht auf die bloße Herabsetzung der Betroffenen abziele.

Zu einer solchen überspitzen Aussage habe der Beschwerdeführer grundsätzlich das Recht. Er sei unter Berücksichtigung seiner Meinungsfreiheit nicht verpflichtet gewesen, seine Kritik auf das zur Verdeutlichung erforderliche Maß zu beschränken, so das BVerfG. Somit sei die Äußerung unzutreffend als Schmähkritik eingestuft worden, was die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkenne.

Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehöre zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen sei.

Anmerkung der Redaktion:

Zuletzt wurde die Abgrenzung der Schmähkritik am Satire-Gedicht von Jan Böhmermann diskutiert. In diesem Gedicht übte der Satiriker harsche Kritik am türkischen Staatspräsidenten, was zu einem später eingestellten Strafverfahren gegen Böhmermann führte. Zivilrechtlich wurde ihm die Verbreitung einzelner Passagen vom OLG Hamburg untersagt. Zudem löste der Fall eine Diskussion über die Zeitgemäßheit des § 103 StGB a.F. aus, der im Zuge dieser Auseinandersetzung vom Gesetzgeber gestrichen worden ist.

Am 30. Juli 2019 hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde Böhmermanns zurückgewiesen und damit das Urteil des OLG Hamburg bestätigt (BGH, Beschl. v. 30.07.2019 – VI ZR 231/18).

Weiter Informationen zur Causa Böhmermann finden Sie hier. Das Urteil des OLG Hamburg finden Sie hier und hier erhalten Sie Informationen zur Streichung der sog. Majestätsbeleidigung.

„Null Toleranz – Bagatellen bestrafen?“

von Prof. Dr. Elisa Hoven, GenStA Hans Strobl und Prof. Dr. Jörg Kinzig

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A. Einführung

von Prof. Dr. Elisa Hoven[1]

Am 8. Mai 2019 fanden die zweiten „Rechtspolitischen Gespräche“ an der Universität Leipzig statt. Die Gespräche widmen sich aktuellen rechtspolitischen Fragen und richten sich sowohl an Studierende als auch an die interessierte Öffentlichkeit. Ziel der Gespräche ist es, gesellschaftlich relevante und kontroverse juristische Fragen mit einem breiten Publikum zu diskutieren. Anlass für die Rechtspolitischen Gespräche in diesem Semester war eine Rundverfügung des sächsischen Generalstaatsanwalts Hans Strobl, mit der er ein konsequenteres Vorgehen gegen Bagatellstraftaten forderte. Mit Herrn Strobl diskutierte Professor Dr. Jörg Kinzig, der die Rundverfügung aus kriminologischer Perspektive – kritisch – betrachtete. Die Vorträge von Herrn Strobl und Herrn Kinzig sind im Folgenden abgedruckt. Zuvor soll jedoch ein kurzer Blick auf den Umgang des deutschen Strafrechts mit Bagatelldelikten geworfen werden.

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Bemerkungen zu § 219a StGB in seiner neuen Fassung

von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch

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Abstract
Am 21. Februar 2019 hat der Deutsche Bundestag mit der Mehrheit der Abgeordneten von CDU/CSU und SPD die Ergänzung des § 219a StGB um einen Absatz 4 auf der Grundlage eines Gesetzesentwurfs der Koalition[1] beschlossen. Nicht nur dieser neue Gesetzestext, sondern auch die unverändert fortbestehenden älteren Bestandteile des § 219a StGB sind diskussionsbedürftig, zumal die Forderung nach ersatzloser Streichung des Paragraphen weiterhin im Raum steht. Die Forderung erscheint mir nicht nur aus (kriminal)politischen, sondern auch aus strafrechtsdogmatischen Gründen berechtigt. Letzterer Aspekt wird jedoch in der Debatte vernachlässigt. Das ist hoffentlich kein Symptom für wachsende Geringschätzung der wichtigen Begrenzungsfunktion, die Strafrechtsdogmatik gegenüber der Kriminalpolitik hat. Allerdings weckt der unreflektierte Umgang mit der Figur „abstraktes Gefährdungsdelikt“ kombiniert mit einem offenbar recht elastischen Verständnis vom strafrechtlich zu schützenden „Rechtsgut“ Bedenken. Nicht mehr der Schutz eines Rechtsgutes, sondern die Befriedigung eines (angeblichen) gesellschaftlichen Bedürfnisses nach Organisation des Zusammenlebens zum Zwecke der Vorbeugung gegenüber künftigen Rechtsgutsverletzungen wird zur Legitimationsbasis einer Strafvorschrift erklärt und dem pönalisierten Verhalten zwecks Anschluss an die Dogmatik das offenbar grenzenlos verwendbare Etikett „abstraktes Gefährdungsdelikt“ angeheftet.  Mancher zu § 219a StGB veröffentlichte Text klingt wie ein – von der Autorin möglicherweise so gar nicht gemeintes – Plädoyer für eine moralische Ertüchtigung der Gesellschaft mittels  Strafrecht. Das wäre eine Zweckentfremdung des Strafrechts, da der Staat nicht das Recht hat, den Bürgern ein bestimmtes moralisches Verhalten vorzuschreiben. Zwang zu ethisch hochwertigem Verhalten mittels Strafrecht ist nur legitim, wenn es in Wirklichkeit um die Verhinderung strafwürdiger Rechtsgutsverletzungen geht.

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KriPoZ-RR, Beitrag 06/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 05.07.2019 – 2 BvR 167/18: Wahlfeststellung zwischen (gewerbsmäßig begangenem) Diebstahl und gewerbsmäßiger Hehlerei ist verfassungsgemäß

Leitsätze der Redaktion:

  1. Eine Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage nach dem Rechtsinstitut der sog. echten Wahlfeststellung ist zulässig, soweit feststeht, dass der Angeklagte bei nicht weiter aufzuklärendem Sachverhalt einen von mehreren möglichen Tatbeständen mit Sicherheit erfüllt hat.
  2. Dies setzt voraus, dass beide Straftatbestände rechtsethisch und psychologisch gleichwertig sind.

Sachverhalt:

Nach den Feststellungen des LG Meiningen stahlen oder hehlten die Beschwerdeführer in großem Umfang Fahrzeuge, Fahrzeugteile sowie Werkzeuge für die Fahrzeugreparatur. Eine zweifelsfreie Beurteilung, ob die Gegenstände von den Angeklagten selbst gestohlen oder später als Hehlerware erworben worden waren, konnte das LG nicht treffen. Daher verurteilte es die Beschwerdeführer alternativ wegen (gewerbsmäßig begangenen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei.

Diese Entscheidung wurde nach Anrufung des Großen Senats vom 2. Strafsenat des BGH bestätigt.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG wies die Kritik der Beschwerdeführer zurück und beurteilte die Grundsätze der sog. echten Wahlfeststellung als verfassungsgemäß.

Zum einen wirkten die richterrechtlichen Grundsätze nicht strafbarkeitsbegründend, da Grundlage des Schuldspruchs immer noch und ausschließlich der Inhalt gesetzlicher Strafnormen sei. Das Institut der Wahlfeststellung diene nicht dazu, materiell-rechtliche Strafbarkeitslücken zu schließen, sondern es regle als strafverfahrensrechtliche Entscheidungsregel den Umgang mit konkreten Erkenntnislücken. Somit greife es nicht in die Kompetenz des Gesetzgebers ein und verstoße daher im Ergebnis nicht gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG. Art und Maß der Bestrafung seien für den Normadressaten auch hinreichend bestimmt, da die verhängte Strafe vom Tatgericht durch einen Vergleich beider gesetzlich normierter Tatbestände ermittelt werde.

Des Weiteren werde auch die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Unschuldsvermutung nicht verletzt. Denn bei einer wahldeutigen Verurteilung sei nicht das Ob einer Strafbarkeit zweifelhaft, sondern, aufgrund der begrenzten gerichtlichen Erkenntnismöglichkeit, lediglich der konkret erfüllte strafgesetzliche Tatbestand. Würde durch die doppelte Anwendung des Zweifelssatzes in dubio pro reo eine Straffreiheit erreicht, stünde dies allerdings in Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip, denn der strafrechtliche Rechtsgüterschutz und seine effektive gerichtliche Durchsetzung seien Verfassungsaufgaben.

Das Erfordernis der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit der Straftatbestände stelle dabei sicher, dass die Taten einen gleichartigen Unrechts- und Schuldgehalt aufwiesen und so ein hinreichend einheitlicher Unrechts- und Schuldvorwurf Grundlage der Verurteilung werde, so das BVerfG.

Schließlich verletzte die Wahlfeststellung zudem nicht das Recht der Beschwerdeführer aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG, weil es die verfassungsrechtlichen Schranken richterlicher Rechtsfortbildung wahre. Die Wahlfeststellung sorge für die Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit, da ein Freispruch, trotz sicherer Verwirklichung zumindest eines Straftatbestands durch den Angeklagten, mit der Idee materieller Gerechtigkeit nicht vereinbar sei.

Die Vorgehensweise der Rechtsprechung könne sich auch auf die Billigung des Gesetzgebers stützen, da bei verschiedenen Gesetzesnovellen nie der Wille des parlamentarischen Gesetzgebers zum Ausdruck gekommen sei, an der bisherigen Praxis Änderung vornehmen zu wollen.

Abschließend formuliert das BVerfG jedoch eine Einschränkung der Wahlfeststellungsgrundsätze: Die Möglichkeit der Wahlfeststellung dürfe nicht dazu führen, dass der Versuch, den Sachverhalt zur Gänze aufzuklären, unterbliebe. Es müssten alle Beweismöglichkeiten vom Tatgericht erkennbar ausgeschöpft und gewürdigt werden.

Anmerkung der Redaktion:

Der 2. Strafsenat des BGH beabsichtigte, in diesem Fall von der ständigen Rechtsprechung des BGH abzuweichen und hat – nach einer gegenteiligen Entscheidung des 5. Strafsenats (BGHSt 61, 245) – deshalb die Frage, ob eine Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Hehlerei zulässig ist, dem Großen Senat zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebeschl. v. 02.11.2016 – 2 StR 495/12). Nach Ansicht des 2. Senats wirke die ungleichartige Wahlfeststellung strafbarkeitsbegründend, da die Verurteilung auf der Grundlage eines synthetisierten dritten Straftatbestandes erfolge und verstoße somit gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Dieser Argumentation folgte der Große Senat allerdings nicht (BGHSt 62, 164).

 

 

Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in der digitalen Welt – Kritische Betrachtung des Referentenentwurfs zum IT-Sicherheitsgesetz 2.0 unter systematischen Gesichtspunkten

von Ass. iur. Nicole Selzer 

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Abstract
Die vom Referentenentwurf vorgesehenen Änderungen, insbesondere die Anpassung der Strafrahmen der §§ 202a ff., 303a f. StGB sowie die Erweiterung um Qualifikationstatbestände, würden die Computer- und Internetdelikte von ihrem bagatellhaften Gewand befreien. Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in der digitalen Welt würde hierdurch deutlich verbessert werden. Die Betrachtung des Referentenentwurfs unter systematischen Gesichtspunkten offenbart allerdings auch einigen Anpassungsbedarf.

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„Containern“ – Strafbar aber nicht strafwürdig?

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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Abstract
Die Diskussion um die Strafwürdigkeit des sog. Containerns ist seit einer Entscheidung des AG Fürstenfeldbruck, in der zwei Studentinnen zu 8 Stunden Sozialarbeit und einer Geldstrafe unter Strafvorbehalt verurteilt wurden,[1] neu entbrannt. Auf einer Petitionsplattform wurden bereits über 100.000 Unterschriften für eine Gesetzesänderung gesammelt.[2] Im April dieses Jahres hat die Fraktion Die Linke anlässlich des Falls einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einen „Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die Aneignung entsorgter Lebensmittelabfälle von der Strafverfolgung ausgenommen wird“.[3] Die Diskussion ist nicht neu und wird regelmäßig nach Verurteilungen geführt – häufig sind Verurteilungen glücklicherweise nicht, oftmals wird das Verfahren eingestellt. Dennoch birgt das Containern gerade wegen der unterschiedlichen Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften Strafbarkeitsrisiken, obwohl die Strafwürdigkeit eines solchen Verhaltens mehr als fraglich ist. Der Beitrag beleuchtet die geltende Rechtslage und setzt sich mit der Frage auseinander, ob de lege ferenda eine Ergänzung des § 242 StGB Not tut oder andere Möglichkeiten bestehen, das Containern an sich einzudämmen, hat es doch häufig ideologische Hintergründe und soll ein Zeichen setzen gegen Lebensmittelverschwendung.

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Datenschutzrechtliche Schattengewächse in den Ländern – Herausforderungen bei der Umsetzung der JI-Richtlinie für die Polizei –

von Dr. Sebastian J. Golla

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Abstract
Dieser Beitrag untersucht die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 (JIRL) durch die neuen Polizei- und Datenschutzgesetze der Länder. Er gibt einen kurzen Überblick über die abgeschlossenen und laufenden Verfahren hierzu und untersucht einige Problemschwerpunkte bei der Umsetzung. Defizite weisen die Regelungen zur Einwilligung, den Ausnahmen von Betroffenenrechten sowie zu den Befugnissen der Datenschutzaufsicht auf.

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Frank Schmidt: Polizeiliche Videoüberwachung durch den Einsatz von Bodycams

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Arno Glauch 

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2018, Nomos, Baden Baden, ISBN:978-3-8487-5106-8, S. 520, Euro 119,00

I. Einleitung

Aufgrund der bestehenden technischen Möglichkeiten kommt zunehmend der Einsatz von Bodycams durch Polizeibeamte in Betracht. Anknüpfungspunkt der Untersuchung ist die von den Gesetzgebern zur Begründung behaupteten präventiven Wirkungen zur Deeskalation von Konflikten. Dabei stellen sich die Fragen nach der rechtlichen Zulässigkeit und den damit verbundenen Grenzen. In diesem Rahmen werden die verfassungsrechtlichen Anforderungen auch unter Berücksichtigung des zu schützenden Kernbereichs privater Lebensgestaltung geprüft.

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