KriPoZ-RR, Beitrag 69/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 10.07.2020 – 1 StR 221/20: Fehlende sexuelle Selbstbestimmung des Opfers bei § 182 Abs. 3 Nr. 1 StGB muss durch Gesamtbetrachtung der Umstände festgestellt werden

Leitsatz der Redaktion:

Auf die fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung des Opfers darf das Tatgericht nicht schon allein aufgrund des Alters des Opfers unter 16 Jahren oder des Altersunterschieds zum Täter schließen. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung der Umstände im jeweiligen Einzelfall.

Sachverhalt:

Das LG Heidelberg hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in vier Fällen verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte sich als 18-Jähriger ausgegeben und unter einem Pseudonym im Internet sowie später per Chatnachrichten Kontakt zu der 15-jährigen Nebenklägerin gesucht. Sie hatten sich angefreundet. Daraufhin hatte der Angeklagte den Kontakt zu einem vermeintlichen Freund von ihm hergestellt, der nach seiner Aussage, sehr nett sei und viel Geld habe. In Wirklichkeit war dies der Angeklagte selbst nur unter einem anderen Pseudonym gewesen. Die Nebenklägerin hatte sich daraufhin mehrmals mit dem Angeklagten getroffen, den sie für den Freund ihres Chatpartners gehalten hatte. Bei manchen dieser Treffen war es auch zu Geschlechtsverkehr zwischen beiden gekommen. Zu diesem Geschlechtsverkehr hatte der Angeklagte die Nebenklägerin unter dem ersten Pseudonym ermutigt.

Das LG hat eine altersbedingte Unreife der Nebenklägerin angenommen, da sie psychisch labil gewesen sei und bisher keine sexuellen Erfahrungen gemacht habe. Daher habe sie sich dem Angeklagten nicht wiedersetzen können und sie haben ihn und ihren vermeintlichen Chatpartner auch nicht enttäuschen und dadurch verlieren wollen.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da das LG sich nicht ausreichend mit der Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin auseinandergesetzt habe.

Zur Beurteilung des Fehlens der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung könne nicht allein auf das Alter des Opfers unter 16 abgestellt werden. Bei Jugendlichen sei solch ein Fehlen der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung zwar möglich, jedoch deshalb nicht pauschal in jedem Fall vorhanden. Dazu seien konkrete Feststellungen des Tatgerichts erforderlich. Maßgeblich sei, ob der Jugendliche nach seiner geistigen und seelischen Entwicklung reif genug gewesen sei, die Bedeutung und Tragweite der konkreten sexuellen Handlung angemessen zu erfassen oder ob die Beziehung auf sexuelle Beherrschung des jugendlichen Opfers angelegt gewesen sei oder der Täter unlautere Mittel der Willensbeeinflussung genutzt habe.

Ein Indiz für eine solche Beherrschung könne ein großer Altersunterschied zwischen den beiden Beteiligten sein, was aber auch für sich genommen nicht ausreiche. Prägendes Merkmal des Tatbestandes sei zudem das Ausnutzen der Unreife des Opfers. Der Täter müsse sich also die Unreife bewusst zur Nutze gemacht haben. Daher seien auch Liebesbeziehungen, die zwar von Unreife aber auch von echter gegenseitiger Zuneigung geprägt seien, nicht vom Tatbestand erfasst.

Das Urteil des LG lasse nach diesen Grundsätzen wesentliche Feststellungen zur konkreten Art der Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin vermissen, zumal es bei einigen Treffen der beiden nicht um Geschlechtsverkehr ging, sodass eine tiefere Bindung zwischen beiden zumindest nicht ausgeschlossen sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

So hatte auch schon der 2. Strafsenat am 17. Juni 2020 entschieden (2 StR 57/20).

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 68/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 31.08.2020 – AK 20/20: Zum Grad der Eingliederung in einen fremden Geheimdienst nach § 18 Abs. 7 Nr. 1 AWG

Amtlicher Leitsatz:

Für die Qualifikation des § 18 Abs. 7 Nr. 1 AWG ist nicht zu verlangen, dass das Tun des Täters zu einer funktionellen Eingliederung in die Ausforschungsbemühungen des Geheimdienstes einer fremden Macht führt. Ausreichend ist jedenfalls, wenn sich die Tat als Ausfluss der Einbindung des Täters lediglich in die geheimdienstliche Beschaffungsstruktur darstellt.

Sachverhalt:

Der Beschuldigte ist im Februar 2020 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, sich durch mehrere Ausfuhren von Werkzeugmaschinen nach Russland, gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. A, Abs. 7 Nr. 1 und 2 Alternative 1 AWG i.V.m. Art. 1 lit. A, Art. 2 Abs. 1 der Russlandembargo-VO (EU) Nr. 833/2014, §§ 52, 53 StGB strafbar gemacht zu haben.

Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen soll der Beschuldigte mehrere Werkzeugmaschinen, die der Russlandembargo-VO unterfallen waren, an einen Geschäftspartner verkauft und geliefert haben, der vom russischen Geheimdienst kontrolliert worden war. Der Beschuldigte soll dabei mit einer militärischen Verwendung der Maschinen gerechnet haben.

Der Beschuldigte hat sich gegen die Fortdauer seiner Untersuchungshaft gewendet.

Entscheidung des BGH:

Der BGH entschied, dass die Untersuchungshaft fortzudauern habe.

Der Beschuldigte sei dringend verdächtig gewerbsmäßig und geheimdienstlich gesteuert, gegen ein Verkaufs- und Ausfuhrverbot der Europäischen Union verstoßen zu haben.

Neben der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit (§ 18 Abs. 7 Nr. 2 Alt. 1 AWG) sei der Beschuldigte ebenfalls verdächtig, für einen Geheimdienst einer fremden Macht gehandelt zu haben (§ 18 Abs. 7 Nr. 1 AWG).

Eine organisatorische Eingliederung in den fremden Geheimdienst sei dafür, ebenso wie bei § 99 Abs. 1 StGB, nicht erforderlich. Im Unterschied zu dieser Norm fordere § 18 Abs. 7 Nr. AWG jedoch gerade keine geheimdienstliche Tätigkeit, sondern nur ein schlichtes Handeln für einen fremden Geheimdienst. Somit sei ebenfalls nicht erforderlich, dass der Täter funktionell in die Ausforschungsbemühungen des ausländischen Geheimdienstes eingegliedert sei, so der BGH.

Demnach sei es für die Verwirklichung der Qualifikation des § 18 Abs. 7 Nr. 1 AWG ausreichend, wenn sich die Tat als Ausfluss der Einbindung des Täters lediglich in die geheimdienstliche Beschaffungsstruktur darstelle.

Dies sei im vorliegenden Fall anzunehmen und der Haftbefehl daher aufrechtzuerhalten.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die Qualifikation des § 18 Abs. 7 Nr. 1 AWG wurde 2013 vom Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts geschaffen, um der höheren Gefährlichkeit illegaler Beschaffungsvorgänge, wenn sie geheimdienstliche gesteuert werden, zu begegnen.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 67/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 31.08.2020 – StB 23/20: Beurteilungsspielraum bei der Ablehnung der Bestellung eines weiteren Verteidigers

Amtlicher Leitsatz:

Auf die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Bestellung eines weiteren Verteidigers prüft das Beschwerdegericht, ob der Vorsitzende des Erstgerichts die Grenzen seines Beurteilungsspielraums zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 StPO eingehalten und sein Entscheidungsermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Es kann die Beurteilung des Vorsitzenden, dass die Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens die Beiordnung nicht erfordert, nur dann beanstanden, wenn sie sich nicht mehr im Rahmen des Vertretbaren hält.

Sachverhalt:

Das OLG Dresden führt gegen den Angeklagten ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und zur Sachbeschädigung, in einem Fall in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung.

Er soll als Mitglied einer rechtsextremistischen Vereinigung an einem Sprengstoffanschlag mitgewirkt und identitätsstiftende Fotografien unter Abbildung eines Hakenkreuzes und des „Hitlergrußes“ angefertigt sowie rassistische und fremdenfeindliche Graffitiparolen gesprüht haben.

Der Ermittlungsrichter am OLG hatte dem Angeklagten einen Rechtsanwalt als Verteidiger bestellt. Knapp zwei Jahre später hatte der Angeklagte die Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers beantragt, da aufgrund des Umfangs und der Komplexität des Prozessstoffs nur bei Arbeitsteilung zweier Verteidiger eine sachgerechte Verteidigung möglich sei. Diesen Antrag hat der Vorsitzende des Senats beim OLG abgelehnt, wogegen sich die Beschwerde des Beschuldigten zum BGH richtete.

Entscheidung des BGH:

Der BGH wies die zulässige sofortige Beschwerde des Angeklagten als unbegründet zurück.

§ 144 Abs. 1 StPO erlaube in den Fällen der notwendigen Verteidigung dem Beschuldigten bis zu zwei zusätzliche Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn dies zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens, insbesondere wegen dessen Umfang oder Schwierigkeit, erforderlich sei. Diese, vom Willen des Beschuldigten unabhängige, Möglichkeit fordere also die Notwendigkeit der Bestellung zur Sicherung der zügigen Verfahrensdurchführung. Für die Auslegung der Vorschrift könne auf die frühere Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers sei demnach nur in begrenzten Ausnahmefällen möglich, wenn ein unabweisbares Bedürfnis für eine solche bestehe, um eine sachgerechte Verteidigung des Angeklagten und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten.

Dies sei immer dann anzunehmen, wenn sich die Hauptverhandlung über einen längeren Zeitraum erstrecke und sicherzustellen sei, dass auch bei Ausfall eines Verteidigers weiterverhandelt werden könne oder der Verfahrensstoff derart umfangreich sei, dass er nur im Zusammenwirken zweiter Verteidiger beherrscht werden könne.

Zwar trete bei der sofortigen Beschwerde das Beschwerdegericht eigentlich an die Stelle des Erstgerichts und nehme eine eigene Ermessensentscheidung vor. Bei der Entscheidung über die Beiordnung eines weiteren Verteidigers stehe dem Vorsitzenden des Tatgerichts jedoch ein Beurteilungsspielraum für die oben genannten Voraussetzungen zu. Das Beschwerdegericht könne demnach nur prüfen, ob der Vorsitzende sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

Dies folge daraus, dass dem Vorsitzenden des Erstgerichts ein solcher nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungs- und Ermessensspielraum schon nach der alten Rechtslage zugestanden habe. Für eine abweichende Bewertung nach der Reform der Vorschriften zur notwendigen Verteidigung bestehe indes kein Anlass, so der BGH.

Die Gesetzesmaterialien böten ebenso wenig Anlass dafür, wie der Zweck des Gesetzes. Dieser sei es dem Vorsitzenden in seiner Funktion als Leiter der Hauptverhandlung, die Möglichkeit zu bieten, einen oder mehrere weitere Pflichtverteidiger beizuordnen, um die Rechte des Angeklagten auf eine sachgerechte Verhandlung und ein Urteil innerhalb angemessener Frist (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Art. 6. Abs. 1 Satz 1 MRK) zu wahren. Damit könne das Beschwerdegericht nicht ohne weiteres seine eigene Beurteilung, wie die Hauptverhandlung zu gestalten sei, um dem Beschleunigungsgrundsatz zu entsprechen, an die Stelle derjenigen des Vorsitzenden setzen. Das widerspräche dem gesetzlichen Kompetenzgefüge.

Im vorliegenden Fall begegne die Entscheidung des Vorsitzenden keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da seine Entscheidungsgründe noch ausreichend dargelegt worden seien und so keine Ermessenfehler zu besorgen seien.

 

Anmerkung der Redaktion:

Das Recht der notwendigen Verteidigung wurde 2019 durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 zur Anpassung an die EU-Richtlinie 2016/800 und 2016/1919 reformiert. Weitere Informationen zum Gesetz erhalten Sie hier.

 

 

Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

Öffentliche Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 7. Dezember 2020: 

zum Referentenentwurf des BMJV

 

 

 

 

 

 

Gesetzentwurf zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung – Einziehung von Taterträgen

Gesetzentwürfe: 

 

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat am 10. September 2020 einen Gesetzentwurf zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung – Einziehung von Taterträgen (BT Drs. 19/22113) in den Bundestag eingebracht. Hintergrund ist das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz. Seitdem beschränkt § 34 EGAO gleichzeitig mit § 375a AO die Einziehbarkeit von steuerschuldrechtlich durch Verjährung erloschene Taterträge aus Steuerhinterziehung auf alle am 1. Juli 2020 noch nicht verjährten Steueransprüche. 

Während die Steuerschuld bei Steuerhinterziehung nach 10 Jahren verjährt, verjährt die mögliche Einziehung nach § 76b Abs. 2 StGB erst in 30 Jahren ab Tatbeendigung. Dieses Missverhältnis soll nun aufgelöst werden, damit auch eine Einziehung von Taterträgen in großem Umfang, wie bspw. bei CumEx-Fällen, möglich bleibt. Der Entwurf sieht daher eine gesetzliche Klarstellung dahingehend vor, dass Taterträge aus Steuerhinterziehung, die zwar durch den neuen § 375a AO durch Verjährung erloschen sind, wohl aber der strafrechtlichen Einziehung unterliegen.  

Aus den gleichen Gründen brachte am 10. September 2020 auch die Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein (BT Drs. 19/22119). Sie möchte § 34 EGAO aufheben. 

Am 16. September 2020 fanden beide Entwürfe keine Mehrheit im Finanzausschuss. Es wurde jedoch eine Initiative seitens der Bundesregierung angekündigt. 

 

 

 

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 66/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 15.07.2020 – 6 StR 7/20: Neben sexueller Nötigung kein Raum für versuchte Vergewaltigung

Leitsatz der Redaktion:

Ist der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 5 StGB erfüllt, scheidet eine tateinheitliche Verurteilung wegen Versuch des Regelbeispiels des § 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB (Vergewaltigung) aus.

Sachverhalt:

Das LG Bückeburg hat den Angeklagten – unter Freispruch im Übrigen – wegen Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte die Nebenklägerin geweckt, als er von der Arbeit nach Hause kam, um Geschlechtsverkehr mit ihr zu haben. Dies hatte das Opfer abgelehnt.

Daraufhin hatte der Beschuldigte sie an ihren Handgelenken festgehalten und versucht sie und sich selbst zu entkleiden sowie ihre Beine auseinander zu drücken. Es war der Zeugin jedoch gelungen, sich los zu reißen und in den Flur zu flüchten, wo der Angeklagte sie einholte und an eine Wand drückte, wodurch ihr Kopf mehrmals an die Wand schlug.

Das LG konnte sich von einer Vergewaltigung nicht überzeugen und verneinte auch eine versuchte Vergewaltigung wegen Rücktritts.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da das LG den Unrechtsgehalt der Tat nicht vollumfänglich erfasst habe und daher seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht nachgekommen sei.

Durch das Festhalten der Handgelenkte und das Ausziehen sowie Spreizen der Beine habe der Angeklagte den Tatbestand der sexuellen Nötigung gem. §§ 177 Abs. 1 und 5 StGB verwirklicht.

Die Handlungen wiesen objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug auf und der Angeklagte habe auch schon mit diesen Handlungen am Körper des Opfers begonnen. Damit habe es sich um sexuelle Handlungen gehandelt, die aufgrund des Festhaltens auch mit Gewalt verübt worden seien, sodass die Qualifikation der sexuellen Nötigung erfüllt gewesen sei.

Daneben sei jedoch für eine tateinheitlich begangene versuchte Vergewaltigung kein Raum mehr, so der BGH.

Eine versuchte Vergewaltigung komme bei Vollendung des Grundtatbestands des § 177 Abs. 1 StGB aufgrund der Ausgestaltung des § 177 Abs. 6 StGB als Strafzumessungsregel nicht in Betracht. Dies habe sich auch durch die Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung der sexuellen Selbstbestimmung vom November 2016 nicht geändert.

Damit brauchte der Senat erneut nicht entscheiden, ob der Versuch eines Regelbeispiels überhaupt möglich ist.

 

Anmerkung der Redaktion:

§ 177 StGB war 2016 nach den Geschehnissen der Kölner Silvesternacht, denen eine breite gesellschaftliche Debatte nachfolgte, durch das Gesetz zur Verbesserung der sexuellen Selbstbestimmung neu gefasst worden. Informationen zu den Änderungen finden Sie hier.

 

 

 

Gesetzesantrag zur Ermöglichung von Auskunftsverlangen über retrograde und künftige Postsendungsdaten

Gesetzentwürfe: 

 

Der Freistaat Bayern hat einen Gesetzesantrag zur Ermöglichung von Auskunftsverlangen über retrograde und künftige Postsendungsdaten (BR Drs. 401/20) in den Bundesrat eingebracht. Damit möchte das Bundesland gegen den Trend des Versandhandels vorgehen, der mehr und mehr für kriminelle Zwecke eingesetzt wird. Der anonyme und mittels Krypto-Währung abgewickelte Handel mit illegalen Waren über das Darknet habe erheblich zugenommen. Ebenso seien vermehrt Betrugsfälle im Versandhandel zu verzeichnen. Dabei stehe vor allem das Problem der Identifizierbarkeit der Täter im Vordergrund. Ermittlungsansätze ergeben sich dabei beim Übergang der digitalen in die analoge Welt. Als Schlüsselstelle sind dies die Daten, die die Postdienstleister bei der Aufgabe und der Annahme entsprechender Waren festhalten. Für retrograde Auskunftsverlangen besteht jedoch de lege lata keine Verpflichtung der Postdienstleister. Ähnliches ergebe sich für Postsendungen, die sich noch nicht im Gewahrsam des Postdienstleisters befinden. Diese Gesetzeslücke soll der Entwurf nunmehr schließen. Vorgesehen ist die Verankerung einer gesetzlichen Rechtsgrundlage für Auskunftsverlangen der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Postdienstleistern in § 99 Abs. 2 StPO, die sich auf noch nicht ein- oder bereits ausgelieferte Sendungen erstreckt. 

§ 99 Abs. 2 StPO-E:

„(2) Statt einer Beschlagnahme kann der Richter, unter den Voraussetzungen des § 100 auch der Staatsanwalt, von Personen oder Unternehmen, die geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringen, Auskunft über die in Absatz 1 genannten Sendungen verlangen, die vom Beschuldigten herrühren oder für ihn bestimmt sind. Die Auskunft wird auch über solche Sendungen erteilt, die sich bei Eingang des Ersuchens nicht mehr oder noch nicht im Machtbereich der Person oder des Unternehmens befinden.“

Auf Antrag des Freistaates Bayern wurde der Gesetzentwurf am 18. September 2020 den Ausschüssen des Bundesrates zur Beratung zugewiesen. Der federführende Rechtsausschuss sowie der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss empfahlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen (BR Drs. 401/1/20). So entschied auch das Plenum am 27. November 2020.

 

 

Gesetzesantrag zur Erleichterung der Datenübermittlung bei Kindeswohlgefährdungen

Gesetzentwürfe: 

 

Das Land Nordrhein-Westfalen hat einen Gesetzesantrag zur Erleichterung der Datenübermittlung bei Kindeswohlgefährdungen (BR Drs. 476/20) in den Bundesrat eingebracht.

Die Ermächtigungsgrundlage für den Datenaustausch zwischen den Gerichten, der Staatsanwaltschaft und den Jugendämtern ist in § 17 Nr. 5 EGGVG geregelt. Danach ist die Übermittlung personenbezogener Daten dann zulässig. wenn die Kenntnis der Daten aus Sicht der übermittelnden Stelle „zur Abwehr einer erheblichen Gefährdung Minderjähriger“ notwendig ist. Nach Ansicht des Landes ist diese Regelung defizitär. Ohne einen Einblick in die familiären Verhältnisse seien Gericht und Staatsanwaltschaften gar nicht in der Lage beurteilen zu können, ob Maßnahmen der Jugendhilfe angezeigt seien. Daher soll die Möglichkeit der Datenübermittlung moderat unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erweitert werden. 

Der Gesetzentwurf wurde am 18. September 2020 im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss an die Fachausschüsse zur Beratung überwiesen, die Ende September stattfand. Der federführende Rechtsausschuss, der Ausschuss für Frauen und Jugend und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfahlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. Dieser Entschluss wurde am 9. Oktober 2020 im Plenum gefasst.  

 

 

 

Gesetzesantrag zur Verbesserung des Kinderschutzes im Familienverfahrensrecht

Gesetzentwürfe:

Das Land Baden-Württemberg hat am 15. Februar 2022 erneut einen Gesetzesantrag zur Verbesserung des Kinderschutzes im Familienverfahrensrecht (BR Drs. 64/22, BR Drs. 360/20) auf den Weg gebracht. Der Entwurf wurde bereits im Oktober 2020 in den Bundestag eingebracht und unterfiel mit Ablauf der Legislaturperiode dem Grundsatz der Diskontinuität. 

Am 11. März 2022 beschloss der Bundesrat den Entwurf erneut in den Bundestag einzubringen. Am 29. April 2022 veröffentlichte die Bundesregierung ihre Stellungnahme (BT Drs. 20/1541) und begrüßte das grundsätzliche Anliegen der Länder. Der vom Bundesrat eingebrachte Entwurf sei jedoch in vielen Teilen veraltet und im Übrigen nicht zielführend, so dass er insgesamt abzulehnen sei. 

 


19. Legislaturperiode:  

 

Das Land Baden-Württemberg hat einen Gesetzesantrag zur Verbesserung des Kinderschutzes im Familienverfahrensrecht (BR Drs. 360/20) in den Bundesrat eingebracht. Hintergrund des Antrags ist der „Staufener Missbrauchsfall“, der das Land dazu veranlasst hat, eine „Kommission Kinderschutz“ einzusetzen, um die Verfahren des Kinderschutzes auf allen Ebenen zu analysieren und einen möglichen Handlungsbedarf herauszuarbeiten. Die Einzelempfehlungen wurden am 17. Februar 2020 in einem Abschlussbericht vorgestellt. Mit dem Entwurf macht das Land Vorschläge zur Änderung des FamFG: 

  • Einbeziehung und Befassung mit dem betroffenen Kind stärken
  • Verstärkung des Informationsaustauschs zwischen Gericht und Jugendamt
  • Verpflichtung des Gerichts, die Umsetzung und die Umsetzbarkeit geplanter Maßnahmen mit dem Jugendamt zu erörtern
  • Klarstellung der Überprüfungspflicht von Anordnungen nach § 1666 Abs. 3 BGB in angemessenen Zeitabständen durch das Gericht 
  • Verstärkung der Möglichkeit der Anhörung Dritter 
  • Verstärkung der Möglichkeit des Einsatzes von Sachverständigen
  • Streichung des Regelvorbehalts in § 158 FamFG zur Verstärkung des Instituts der Verfahrensbeistandschaft 

Der federführende Rechtsausschuss sowie der Ausschuss für Frauen und Jugend empfahlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf mit kleineren Änderungen in den Bundestag einzubringen. Der Entschluss hierzu wurde am 18. September 2020 im Plenum gefasst und am 23. Oktober 2020 umgesetzt (BT Drs. 19/23567). 

 

 

Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

Öffentliche Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 9. Dezember 2020: 

Zum Referentenentwurf (nähere Informationen dazu finden Sie hier) zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche 

 

 

 

 

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