Gesetzesantrag zur Einführung einer eigenständigen Strafbarkeit für das Betreiben von internetbasierten Handelsplattformen für illegale Waren und Dienstleistungen

Gesetzentwürfe: 

 

Das Land NRW möchte künftig einen Straftatbestand des Anbieters von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten in das StGB einführen. Er soll lediglich internatsbasierte Angebote (insbesondere im Darknet) erfassen, deren Leistung auf die Ermöglichung von Delikten basiert, bei deren Begehung eine besondere Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. 

Hintergrund des Antrags ist das zunehmende Phänomen an Angeboten mit strafrechtlicher Relevanz im Darknet. Straftäter nutzen die Anonymisierung über das „The Union Router“ (Tor)-Netzwerk für ihre Geschäfte, aber auch für Foren, Chatrooms oder auch Inhalte bekannter Servicebetreiber wie Facebook. Ein Hauptaugenmerk liegt jedoch auf dem Handel mit Betäubungsmitteln, Kinderpornographie, Waffen, Schadsoftware und Ausweispapieren. Dabei unterscheiden sich die Angebote kaum von üblichen Online-Handelsplattformen. Es gibt Vorschaubilder, Werbung und Bewertungen anderer Käufer. Der Zugang zu den einschlägigen Angeboten ist zwar beschränkt, bedarf in der Regel aber keinen besonderen technischen Aufwand. Dadurch setzen die Handelsplattformen auch für Personen, die herkömmliche Beschaffungswege für Waffen, Betäubungsmittel oder kriminelle Dienstleistungen nicht beschreiten würden, einen niedrigschwelligen Zugriff auf logistische Infrastrukturen für die Begehung von Straftaten.

Die Zentralstellen der Staatsanwaltschaften für die Verfolgung von Cybercrime der einzelnen Bundesländer haben bereits zahlreiche Verfahren gegen die Verantwortlichen einschlägiger Foren oder Plattformen wie z. B. „Deutschland im Deep Web“ oder „crimenetwork.biz“ geführt. International machten Verfahren gegen die Betreiber der Plattformen  „Silkroad“, „AlphaBay“ und „Hansa Market“ Schlagzeilen. 

EUROPOL stellt in der Bedrohungsanalyse 2017 zur Organisierten Kriminalität im Internet (Internet Organised Crime Threat Assessment 2017) fest, dass die illegalen Onlinehandelsplattformen eine zentrale Schnittstelle für Cybercrime und weiterer Kriminalitätsformen darstellen. Aus den bislang geführten Ermittlungsverfahren lässt sich ein arbeitsteiliges Zusammenwirken der Betreiber und Nutzer erkennen. Die klassischen Organisationsdelikte und die historischen gesetzgeberischen Vorstellungen von Täterschaft und Teilnahme lassen sich nach Ansicht des Landes kaum auf moderne, internetbasierte Täterstrukturen übertragen.

Anlässlich der Herbstkonferenz am 17. November 2016 haben sich die Justizministerinnen und Justizminister der Länder bereits mit der Effektivität von strafrechtlichen Ermittlungen im Darknet befasst und halten es für erforderlich, dass das öffentliche Feilbieten von Gegenständen und Dienstleistungen zur Vorbereitung von Straftaten im Internet unterbunden wird. 

Dies soll nun mit der Einführung eines § 126a StGB – Anbieten von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten – erreicht werden: 

„§ 126a – Anbieten von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten

(1) Wer eine internetbasierte Leistung anbietet, deren Zugang und Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt und deren Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne von Satz 2 zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind

1. § 95 Absatz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln,
2. §§ 29 Absatz 1 Nr. 1, 29a, 30, 30a des Betäubungsmittelgesetzes,
3. § 19 Absatz 1 des Grundstoffüberwachungsgesetzes,
4. § 52 Absatz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Waffengesetzes,
5. § 40 Absatz 1 und 2 des Sprengstoffgesetzes,
6. §§19 Absatz 1, 20Abs. 1, 20a Absatz 1, 22a Absatz 1 Nr. 1, 2 und 4 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen sowie
7. §§ 146, 147, 149, 152a, 152b, 184b Abs.1, 202a, 202b, 202c, 263a, 275, 276, 303a und 303b des Strafgesetzbuches.

(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein, als die für die Tat im Sinne von Absatz 1 Satz 2 angedrohte Strafe.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Tat gewerbsmäßig begeht.“

Die Qualifikation des Abs. 3 soll im Katalog des § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. d StPO ergänzt werden und Anknüpfungstat für die cyberspezifische, eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahme der Telekommunikationsüberwachung sein.

Am 15. Februar 2019 wurde der Gesetzesantrag in der Plenarsitzung des Bundesrates vorgestellt und zur weiteren Beratung an die Fachausschüsse überweisen. Diese empfahlen dem Bundesrat den Entwurf mit diversen Änderungen in den Bundestag einzubringen. Dieser Empfehlung kam der Bundesrat nun in seiner Sitzung am 15. März 2019 nach. Der Entwurf wurde über die Bundesregierung dem Bundestag zugeleitet und am 23. April 2019 in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/9508). 

 

 

Antrag zur Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle auf Bundesebene

Gesetzentwürfe: 

 

Am 22. Januar 2019 brachte die Fraktion Die Linke einen Antrag zur Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle auf Bundesebene in den Bundestag ein (BT Drs. 19/7119). Polizeiliches Verhalten überprüfen zu lassen sei ein zentrales Gebot in einem Rechtsstaat. Mögliches Fehlverhalten und Missbrauch des staatlichen Gewaltmonopols müsse von polizeiunabhängigen Stellen überprüfbar und anzeigbar gemacht werden.

Zur Überzeugung der Fraktion sei aber auch ein unabhängiger Beschwerdemechanismus für die Polizeibeamten selbst wichtig. Obwohl sie vielleicht häufig mit der Art von Ermittlungen oder mit dem Umgang von Zeugen oder Beschuldigten nicht einverstanden sind, sei es oft der Corpsgeist oder der „Cop Culture“, der sie davon abhält sich an ihre Vorgesetzten zu wenden. Auch sie sollen daher die Möglichkeit haben, sich zur Beschwerde an eine Institution außerhalb der Polizei wenden zu können. 

Einige Bundesländer, wie bspw. Rheinland-Pfalz oder Thüringen, haben bereits verschiedene Beschwerdemöglichkeiten geschaffen. Es sei aber notwendig eine einheitliche Beschwerdestelle auf Bundesebene einzurichten. Dabei sollen einige Grundsätze beachtet werden um die Unabhängigkeit, Angemessenheit, Öffentlichkeit und Einbeziehung der Betroffenen zu fördern: 

  • Die Beschwerdestelle soll unabhängig ermitteln und muss räumlich von den Polizeidienststellen getrennt arbeiten. 
  • Die Mitarbeiter dürfen in keinem hieratischen Verhältnis zu den von der Beschwerde betroffenen Polizeibeamten stehen. 
  • Die Beschwerdestelle soll auch von ihr identifizierte systemische Mängel untersuchen können die diskriminierendes Verhalten fördern. 
  • Die Beschwerdestelle erhält alle notwendigen Befugnisse, insbesondere das Akteneinsichtsrecht und die Möglichkeit eigener Beweiserhebung. 
  • Die Arbeit der Beschwerdestelle wird jährlich durch einen Bericht öffentlich gemacht. 
  • Die Beschwerdeführer sollen in das Verfahren einbezogen werden, damit ihre Interessen im Prozess der Ermittlungen berücksichtigt werden können. 

Die Bundesregierung wird in dem Antrag aufgefordert,

„1. auf Bundesebene eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle einzurichten, die den oben genannten Grundsätzen folgt und dem Bundestag hierzu einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Kompetenzen und Pflichten einer Polizeibeschwerdestelle festlegt.

2. Die Polizeibeschwerdestelle des Bundes soll mit ähnlichen Einrichtungen der Bundesländer zusammenarbeiten und kann in diesem Rahmen gemeinsame Untersuchungen von Vorgängen vornehmen, in die sowohl Polizeien des Bundes als auch des betroffenen Bundeslandes einbezogen waren.“

 

 

 

Gesetzentwurf zur Strafschärfung bei Rückfall

Gesetzentwürfe: 

 

Am 14. Dezember 2018 debattierte der Bundestag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf der AfD zur Strafschärfung bei rückfälligen Straftätern (BT Drs. 19/6371). Die Fraktion sieht in der wiederholten Begehung von Straftaten die empfindliche Rechtsgüter betreffen eine „soziale Sprengkraft“. Wiederholungstäter erschütterten das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat, was zu einem Bedürfnis nach Bestätigung der Normen führe. Daher sei es geboten, eine solche Bestätigung durch Ausschöpfung von Strafrahmen oder durch eine Erhöhung der Strafrahmen bei rückfälligen Tätern in bestimmten Fällen zu bieten. 

Um ihren Vorschlag zu untermauern, stützt sich die AfD auf eine wissenschaftliche Untersuchung des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (Kehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal – Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen), welche die Rückfälligkeit aufgrund der Daten des Bundeszentralregisters in den Zeiträumen 2010 bis 2013 und 2004 bis 2013 in den Fokus nahm. Die Untersuchung ergab, dass 35% der 2010 sanktionierten bzw. aus dem Strafvollzug entlassenen Täter innerhalb von 3 Jahren erneut straffällig wurden. Die allgemeine Rückfallquote steigerte sich nach 6 Jahren um 9% und nach 9 Jahren nochmals um 3%. Im Bereich der gleichartigen Rückfälligkeit, bei der die Wiederholungstäter vergleichbare Rechtsgutsverletzungen begingen, sei die Entwicklung nach Ansicht der Fraktion schockierend. Es gebe bestimmte Gruppen an Straftätern die sich unbelehrbar zeigten und durch ihr Verhalten eine „derartige Ablehnung der verfassten Verhaltensnormen und dem Rechtsstaat als Sinnganzem zum Ausdruck〈bringen〉, auf welche es durch harte Strafen zu antworten gilt.“

Diese „besonders sozialschädlichen Gewohnheitsverbrecher“ hätten insoweit ihrerseits „das Recht auf Freiheit eindeutig verwirkt“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Das Verhalten gebiete nicht nur ein generalpräventives Handeln, sondern daneben auch eine harte Strafe, die das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Rechtsdurchsetzung stärke. Die AfD schlägt daher vor, ein gestuftes System einzuführen, das sowohl Bagatelldelikte als auch schwere und besonders schwere Rückfalltaten berücksichtigt und in bestimmten Fällen gar einer Erhöhung des Strafrahmens vorsieht. Hierzu möchte die Fraktion, in Anlehnung an die Strafgesetzbücher der Länder Österreich und Lichtenstein, einen § 48  – „Strafschärfung bei Rückfall“ in das StGB einführen. 

Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. 

 

 

 

 

 

Zusatzprotokoll vom 22. Oktober 2015 zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus vom 16. Mai 2005

Gesetz zu dem Zusatzprotokoll vom 22. Oktober 2015 zum Übereinkommen des Europarats vom 16. Mai 2005 zur Verhütung des Terrorismus

Gesetzentwürfe: 

 

Am 22. Oktober 2015 unterzeichnete die Bundesrepublik Deutschland in Riga das Zusatzprotokoll  zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus vom 16. Mai 2005 . Es soll nun ratifiziert werden. Hierzu legte das BMJV einen Referentenentwurf vor. 

Durch das Zusatzprotokoll werden die strafrechtlichen Regelungen des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus vom 16. Mai 2005 (BGBl. II 2011, S. 300) ergänzt. Die Vertragsparteien sollen im nationalen Recht verschiedene Straftatbestände schaffen: 

  • Beteiligung an einer Vereinigung oder einer Gruppe für terroristische Zwecke (Artikel 2),
  • zum Erhalt einer Ausbildung für terroristische Zwecke (Artikel 3),
  • zu Auslandsreisen für terroristische Zwecke (Artikel 4),
  • zur Finanzierung von Auslandsreisen für terroristische Zwecke (Artikel 5)
  • und zur Organisation oder sonstigen Erleichterung von Auslandsreisen für terroristische Zwecke (Artikel 6) 

Auch der Austausch von Informationen zwischen den Vertragsparteien soll erleichtert werden (Artikel 7).

Der Referentenentwurf schafft die Voraussetzungen nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG für die Ratifizierung des Zusatzprotokolls. 

Nachdem der Regierungsentwurf bereits im Bundesrat vorgestellt wurde, hat die Bundesregierung den Entwurf (BT Drs. 19/9507) am 23. April 2019 in den Bundestag eingebracht. 

Am 15. Mai 2019 nahm der Rechtsausschuss den Regierungsentwurf mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der AfD an. Während sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihrer Stimme enthielt, stimmten die FDP und Die Linke gegen den Entwurf. 

Am 07. Juni 2019 billigte der Bundesrat den Entwurf.

 

 

 

Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Bundespolizei – Einführung einer Kennzeichnungspflicht

Gesetzentwürfe: 

 

Am 23. Oktober 2018 brachte die Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf zur Einführung der Kennzeichnungspflicht für Bundespolizeibeamte in den Bundestag ein (BT Drs. 19/5178). 

Die gesellschaftliche Haltung gegenüber staatlicher Macht sei in den letzten Jahren mehr und mehr davon abhängig, wie diejenigen, die sie ausüben, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern auftreten. Insbesondere Einsätze der Bundespolizei in geschlossenen Einheiten, in denen die Beamten volle Einsatzmontur tragen und als Einzelperson nicht mehr identifizierbar seien, machten es dem Bürger schwer, individuelles Fehlverhalten überprüfen zu lassen und entspreche nicht dem Gebot der effektiven Strafverfolgung. Auch die Beamten selbst seien an einer Aufklärung der erhobenen Vorwürfe interessiert. Schließlich hinterlasse jedes Ermittlungsverfahren, das aufgrund mangelnder Identifizierung des Beamten eingestellt werden müsse den Verdacht, die Polizei habe etwas zu vertuschen und beschädige zudem den Glauben an den Rechtsstaat. Auch der EGMR habe bereits in seinem Urteil vom 9. November 2017  – Az. 47274/15 eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte empfohlen, da das Recht auf effektive Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen als Teil des Schutzes von Folter und Misshandlungen zu werten sei. 

Die Fraktion nimmt insbesondere den G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 zum Anlass und fordert eine generelle Kennzeichnungspflicht, die über eine taktische Kennzeichnung hinausgeht. Nach ihrer Vorstellung seien so durch Zeugenaussagen oder durch Auswertung von Bildmaterial die Polizeibeamten eindeutig identifizierbar. Die Identifizierung soll durch eine befugte Stelle innerhalb der Polizei oder Staatsanwaltschaft erfolgen. Eine erhöhte Gefährdung der Beamten, insbesondere in Bezug auf Falschbeschuldigungen, sei nach den Erfahrungen aus mehreren Bundesländern und EU-Staaten nicht zu befürchten. 

Dem Bundespolizeigesetz soll in der Umsetzung ein § 1a hinzugefügt werden, der sich in Abs. 1 mit der Einführung und Durchführung der Kennzeichnung beschäftigt, während Abs. 2 die Dauer der Speicherung regelt: 

„§ 1a – Kennzeichnungspflicht

(1) Bei geschlossenen Einsätzen müssen die Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten der Bundespolizei eine zur Identitätsfeststellung geeignete individuelle Kennung in Form einer höchstens sechsstelligen Ziffernkom- bination deutlich sichtbar auf der Vorder- und Rückseite der Uniform und an beiden Seiten des Helms tragen.

( 2) Die Datensätze, aus denen hervorgeht, welche chiffrierte Kennzeichnung der jeweiligen Polizeivollzugs- beamtin bzw. dem jeweiligen Polizeivollzugsbeamten für den entsprechenden Einsatz zugeteilt wurde, sind nach zwölf Monaten zu löschen, wenn im Zusammenhang mit dem geschlossenen Einsatz keine dienst-, straf- oder zivilrechtlichen Verfahren gegen sie eingeleitet wurden.“

Am 17. September 2020 hat sich der Ausschuss für Inneres und Heimat in seiner Beschlussempfehlung (BT Drs. 19/22660) gegen den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke ausgesprochen. Ein ablehnender Beschluss erging durch den Bundestag schließlich am 23. Juni 2021 ohne weitere Aussprache. 

 

Gesetzentwurf zur Verbesserung der Inneren Sicherheit – Verfahrensbeschleunigungsgesetz und verbesserte Eingriffsgrundlagen der Justiz

Gesetzentwürfe: 

 

Ein Gesetzentwurf der AfD, zur Verbesserung der Inneren Sicherheit und für verbesserte Eingriffsgrundlagen der Justiz, wurde am 19. Oktober 2018 in erster Lesung im Bundestag beraten und im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. 

Der Entwurf der Fraktion sieht umfangreiche Änderungen im Ausländer-, Straf- und Strafprozessrecht vor. Hiervon verspricht sich die Fraktion eine effizientere Strafverfolgung und einen besseren Schutz vor Straftätern, von denen eine erhöhte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Der Forderungskatalog stieß jedoch bei den anderen Fraktionen auf entschiedene Ablehnung.

Im StGB sollen die Anforderungen an eine verminderte Schuldfähigkeit und an die Strafaussetzung zur Bewährung heraufgesetzt werden. Ebenso soll die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung für die Fälle geschaffen werden, in denen ein Täter nicht durch die Maßregeln der §§ 63, 64 StGB therapierbar und weiterhin gefährlich sei.

Im Strafprozessrecht soll es nach Vorstellung der AfD künftig keine Möglichkeit mehr der Revision geben. Vielmehr soll diese durch eine Annahmeberufung ersetzt werden. Die Qualität der Strafurteile soll durch eine Änderung des GVG gesichert werden,  indem der Tätigkeitsbereich der Richter auf Probe eingeschränkt wird und die Leitung der Hauptverhandlung vor dem LG nur einem Richter mit der entsprechenden Berufserfahrung vorbehalten bleibt. Des Weiteren erfährt der Bereich der Untersuchungshaft durch den Gesetzentwurf eine Erweiterung. Diese soll künftig auch über die Fortdauer von 6 Monaten ausgedehnt werden können, wenn ein Haftgrund der Wiederholungsgefahr vorliegt. Ferner soll es:

  • ein geregeltes Analogieverbot für verbotene Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO n.F. geben
  • Maßregelmöglichkeiten im Falle des Fernbleibens eines Zeugens zu einer polizeilichen Vernehmung eingeführt werden und
  • die Regelung des „Deals“ in § 257c StPO a.F. aufgehoben werden. 

Auch vor dem Jugendstrafverfahren macht der Entwurf der AfD keinen Halt. Dieses soll eine Angleichung an das Erwachsenenstrafrecht erfahren, indem für Heranwachsende nur noch ausnahmsweise das Jugendstrafrecht anwendbar sei. Außerdem soll das Jugendstrafrecht nicht mehr zur Anwendung kommen, wenn es sich bei der begangenen Straftat um ein Verbrechen nach allgemeinem Strafrecht handele.

Im Strafvollzugsrecht soll die schuldangemessene Sühne als weitere Vollzugsaufgabe aufgenommen werden. Ferner sollen die Anforderungen an Vollzugslockerung steigen. Hier soll insbesondere die Schwere der Schuld zu berücksichtigen sein und die Vollstreckungsbehörden mit in die Entscheidungen eingebunden werden. 

Die Änderungen im Ausländerrecht sollen nach Vorstellung der AfD dem Zweck dienen, straffällige Asylsuchende ohne Bleiberecht auszuweisen bzw. abzuschieben. So soll beispielsweise im AsylG eine Präventivhaft eingeführt werden, die solang andauern können soll, wie von dem Ausländer eine Gefahr für die Bundesrepublik oder der Allgemeinheit ausgehe. 

Roman Reusch (AfD) beklagte in der Debatte, dass die Strafjustiz nicht mehr in der Lage sei, die innere Sicherheit ausreichend zu erfüllen. So sei es eine „irrsinnige Zumutung für alle Beteiligten“, wenn durch die Revision monate- oder jahrelang geführte Verfahren wieder von vorne verhandelt werden müssten. Ferner sprach sich Reusch für einen Haftgrund für Raub und Messerattacken aus. 

Alex Müller (CDU) kritisierte den Forderungskatalog der AfD. Die Abschaffung der Revision bedeute den „Gang in den Unrechtsstaat“. Die Streichung des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht und die Streichung der Resozialisierungsbemühungen der Strafvollzugsanstalten sei auf eine „reine Abschreckung“ ausgerichtet. 

FDP und SPD warfen der AfD vor, sie wolle mit den Änderungen ein „Sonderstrafrecht für Ausländer“ etablieren und strebe eine „Sippenhaft“ an. Jürgen Martens (FDP): „Die familienbezogene Erfassung von Straftätern gab es zuletzt im Dritten Reich.“ 

Auch die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warfen der AfD mit dem Entwurf einen Angriff auf die Demokratie und den Rechtsstaat vor. Canan Bayram (Die Grünen) kritisierte, dass die AfD in der Vorlage Straf- und Verwaltungsrecht durcheinanderbringe und in Bezug auf die geplanten Änderungen im Jugendstrafrecht und Justizvollzug nicht darstelle, wie sie überhaupt mit den Folgen der Änderungen umgehen wolle.

Am 15. Januar 2020 empfahl der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in seinem Bericht die Ablehnung des Gesetzentwurfs (BT Drs. 19/10050). Ein entsprechender Beschluss des Bundestages erging am 23. Juni 2021 ohne weitere Aussprache in abschließender Beratung. 

 

 

 

 

Referentenentwurf zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung

Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019: BGBl. I 2019, S. 2128 ff.

Gesetzentwürfe: 

 

Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wurde am 4. November 2016 im Amtsblatt der Europäischen Union verkündet und trat am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. 

Sie soll die Effektivität des in der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vorgesehenen Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand gewährleisten. Durch eine Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften soll das Vertrauen der Mitgliedstaaten in die jeweilige Strafrechtspflege der anderen Mitgliedstaaten gestärkt und auf diese Weise die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen erleichtert werden. 

Die vorliegende Richtlinie betrifft mit der Prozesskostenhilfe den zweiten Teil der Maßnahme C des Fahrplans und ist bis zum 25. Mai 2019 umzusetzen. Die Strafverteidigervereinigungen haben hierzu bereits ein Policy Paper (Neurodnung der Pflichtverteidigerbestellung) vorgelegt und einen eigenen Regelungsvorschlag unterbreitet. Das Strategiepapier finden Sie hier

Da das nationale Recht noch nicht den Vorgaben der EU Richtlinie entspricht, sieht der Referentenentwurf des BMJV notwenige Anpassungen der StPO und des IRG vor. Die Richtlinie überschneidet sich mit der Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016, die Maßnahmen zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vorsieht, soweit dort ebenfalls das Recht auf Prozesskostenhilfe und die notwendige Verteidigung betroffen ist. Näheres zu dieser Richtlinie finden Sie hier.

 

Um der Richtlinie (EU) 2016/1919 zu entsprechen, sind mehrere Änderungen des § 140 StPO geplant:

  • der Fall der notwendigen Verteidigung soll bereits mit der Vorführung vor einen Richter vorliegen (nicht erst bei Vollstreckung der U-Haft oder vorläufigen Unterbringung)
  • die zeitlichen Beschränkungen des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO soll gestrichen werden
  • um der Rechtsprechung des EGMR zu entsprechen, soll bei der Schwere der zu erwartenden Strafe ein Fall notwendiger Verteidigung ab einer Straferwartung von mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe gegeben sein
  • Anpassungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Verteidigerbestellung und seiner Qualifikation
  • Regelung der Möglichkeit des Verteidigerwechsels und der hierzu erforderlichen Rechtsbehelfe,  für Fälle, in denen dem „Beschuldigten bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers der ersten Stunde aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit nur eine kurze Bedenkzeit eingeräumt werden konnte, um einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen“

Hinsichtlich des Zeitpunktes einer Verteidigerbestellung sieht der Entwurf vor, dass eine Verpflichtung künftig regelmäßig vor einer Befragung durch die Polizei, eine andere Strafverfolgungsbehörde oder eine Justizbehörde oder vor der Durchführung einer Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten vorzunehmen ist. Eine Eilentscheidungsbefugnis der Staatsanwaltschaft soll die praktische Anwendung erleichtern. Die Qualifikation der Pflichtverteidiger soll dadurch gewährleistet werden, dass Rechtsreferendare hierzu nicht mehr ausgewählt werden dürfen und grundsätzlich nur Fachanwälte für Strafrecht oder Rechtsanwälte zur Auswahl stehen, die gegenüber der Rechtsanwaltskammer ihr Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen bekundet haben.

Für den Fall eines Europäischen Haftbefehls soll die notwendige Verteidigung im IRG geregelt werden. Dort soll zeitlich an die Festnahme der gesuchten Person angeknüpft werden. 

Der entsprechende Regierungsentwurf wurde am 12. Juni 2019 veröffentlicht. Danach erfahren die §§ 141 bis 144 StPO die wichtigsten Änderungen: 

  • § 141 Zeitpunkt der Bestellung eines Pflichtverteidigers
  • § 141a Vernehmungen und Gegenüberstellungen vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers
  • § 142 Zuständigkeit und Bestellungsverfahren
  • § 143 Dauer und Aufhebung der Bestellung
  • § 143a Verteidigerwechsel
  • § 144 Zusätzliche Pflichtverteidiger

Am 11. Oktober 2019 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/13829). Am 17. Oktober 2019 wurde bereits in erster Lesung über den Entwurf debattiert. Im Anschluss an die Sitzung wurde er gemeinsam mit einem Antrag der FDP-Fraktion „Für eine konsequente Umsetzung der PKH-Richtlinie – Recht auf Verteidigung ab der ersten Stunde vorbehaltlos gewährleisten“ (BT Drs. 19/14036) zwecks weiterer Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz weitergeleitet. Dort fand am 23. Oktober 2019 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Experten aus dem Bereich der Strafverteidigung sahen in dem Regierungsentwurf eine Beschneidung der Beschuldigtenrechte und einen „Verschlimmbesserung“ – so Prof. Dr. Holger Matt –  im Vergleich zum Referentenentwurf, der ursprünglich eine behutsame Erweiterung des Systems der Pflichtverteidigung vorgesehen habe. Stephan Schneider von den Strafverteidigervereinigungen sprach sogar von einem Abbau von Verfahrensgarantien für Beschuldigte. Gerade diese seien aber von gesellschaftlichem Interesse und dürften nicht alleine von einem Antrag des Beschuldigten abhängig gemacht werden. Ferner merkte Prof. Dr. Holger Matt an, dass eine frühe Verteidigung des Beschuldigten keine unzuträgliche Verzögerung des Verfahrens zur Folge habe, sondern dieses nicht selten beschleunige. 

Bedenken gegen den Regierungsentwurf bestanden aber auch auf der Ermittlerseite. Generalstaatsanwalt Andreas Heuer betonte, dass der derzeitige Entwurf dem Regelungsgehalt der PKH-Richtlinie widerspreche. Diese müsse im Zusammenhang mit der EU-Richtline 2013/48 betrachtet werden, die allein den Zugang zu einem Rechtsbeistand regele.

Der BDK erwartet bei der Umsetzung des Entwurfs eine nachhaltige Veränderung der polizeilichen und justiziellen Praxis. Welche Folgen dies für die Aufklärung schwerer Straftaten habe, sei derzeit noch nicht abzuschätzen. Eine Vorverlagerung der Pflichtverteidigerbestellung auf den Zeitpunkt der ersten polizeilichen Vernehmung, kehre die bisherige Rechtspraxis um. 

Prof. Dr. Matthias Jahn sah ebenfalls einige Punkte im Entwurf kritisch, begrüßte aber angesichts der bereits abgelaufenen Umsetzungsfrist der EU-Richtlinie die Vorlage. Diese solle mit Nachbesserungen zügig einen Fortgang nehmen. Dabei betonte auch er, dass die Bestellung der Notwendigkeit der Verteidigung zeitlich vorzuverlagern sei. Dies sei in anderen Mitgliedsstaaten, wie beispielsweise in der Schweiz, längst gängige Praxis. Im Übrigen sah er bei den vorgeschlagenen Neuregelungen keinen Verstoß gegen die Richtlinienvorgaben. 

Am 13. November 2019 stimmte der Rechtsausschuss mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen für den Regierungsentwurf. Einen Tag später stand der Entwurf bereits zur Abstimmung im Bundestag. Er wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 19/15151)  angenommen. Gleichzeitig wurde der Antrag der Fraktion der FDP „Für eine konsequente Umsetzung der PKH-Richtlinie – Recht auf Verteidigung ab der ersten Stunde vorbehaltlos gewährleisten“ (BT Drs. 19/14036) abgelehnt.  

Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 wurde am 12. Dezember imBundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2019, S. 2128 ff.) und trat am 13. Dezember 2019 in Kraft. 

 

 

Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren

Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vom 9. Dezember 2019: BGBl I 2019, S. 2146 ff. 

Gesetzentwürfe: 

 

Die Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 sieht Maßnahmen zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren vor und ist bis zum 11. Juni 2019 in nationales Recht umzusetzen. In großen Teilen entspricht das deutsche Jugendstrafverfahrensrecht bereits den Mindeststandards, die die Richtlinie in der EU erreichen möchte. Trotzdem sind neben punktuellen Änderungen auch solche komplexerer Natur erforderlich, um die Spielräume, die die Richtlinie eröffnet, auch einer praxistauglichen Lösung zuzuführen. 

Hierzu schlägt der Referentenentwurf eine Änderung des JGG, der StPO, dem FamFG, dem GKG und dem RVG vor. Zentraler Punkt soll sein, das Recht auf Unterstützung durch einen Rechtsbeistand (notwendige Verteidigung) an die Anforderungen der Richtlinie anzupassen. Der Entwurf beschränkt sich allerdings auf einzelne Bestimmungen, um den Besonderheiten des Jugendstrafrechts Rechnung zu tragen, da es Überschneidungen zur Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (nähere Informationen zur Richtlinie finden Sie hier), deren Umsetzung mit einem gesonderten Referentenentwurf zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung verfolgt wird, gibt. Dieser sieht umfassende Änderungen im allgemeinen Strafverfahrensrecht vor, die über die Verweisung in § 2 Abs. 2 JGG ohnehin auch im Jugendstrafrecht Anwendung finden. 

Der Referentenentwurf des BMJV trifft Regelungen, die die Rechtsmittelbeschränkung des § 55 Abs. 1 JGG lockern und den Freiheitsentzug nur noch dann zur Anwendung kommen lassen, wenn der jugendliche Beschuldigte zuvor einen Verteidiger zur Seite hatte. Ebenfalls soll der Einsatz der Jugendgerichtshilfe neu geregelt werden, z.B. zu welchem Zeitpunkt sie zu unterrichten ist und wann von der Teilnahme eines Vertreters der Jugendgerichtshilfe an der Hauptverhandlung abgesehen werden kann. Im Zuge der StPO-Reform (im August 2017) wurde bereits die audiovisuelle Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen Minderjähriger in der StPO geregelt. Diese neugeschaffene Möglichkeit des § 136 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 lit. a StPO n.F. tritt jedoch erst im Januar 2020 in Kraft, um den Ländern eine Übergangsfrist für die Ausstattung der Dienststellen mit der erforderlichen Technik einzuräumen. Daher soll die audiovisuelle Aufzeichnung der Beschuldigtenvernehmung bereits vorher und ohne sachliche Veränderung ins JGG transferiert werden. Außerdem sind kleinerer Änderungen im Rahmen der Informationspflichten und dem Recht auf Anwesenheit von Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern bei Untersuchungshandlungen und in der Hauptverhandlung geplant. 

Am 11. Oktober 2019 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/13837). Er wurde am 17. Oktober 2019 im Bundestag vorgestellt und im Anschluss zwecks weiterer Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dort fand am 21. Oktober 2019 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der geladenen Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die sieben Experten begrüßten zwar den Vorstoß der Regierung, die Vorgaben der EU-Richtlinie 2016/800  umzusetzen. Im Ergebnis befanden sie den Gesetzentwurf aber als zu weitgehend oder nicht weitgehend genug. 

Die staatsanwaltlichen Vertreter bemängelten, dass es dem Entwurf bislang nicht gelinge, die durch die Richtlinie gesetzten Spielräume auch auszunutzen. Statt dessen werde das Jugendstrafverfahren verzögert und formalisiert, so dass der Gesetzentwurf den Grundprinzipien des Jugendstrafverfahrens nicht gerecht werde. Dies bedürfe eine flexiblere Gestaltung und eine Erweiterung des Reaktionsspektrums. Durch die Formalisierung sei vor allem eine Mehrarbeit für die Staatsanwaltschaften, Gerichte und Verteidiger zu besorgen. 

Prof. Dr. Teresia Höynck stellte fest, dass der Regierungsentwurf an einigen Stellen bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zu zurückhaltend sei, so dass fraglich wäre, ob dies den Anforderungen der Richtlinie überhaupt genüge. Eine echte Veränderung der Regelungen sei lediglich in der neuen zeitlichen Konstruktion der Bestellung eines Pflichtverteidigers zu sehen. Dr. Jenny Lederer vom Deutschen Anwaltverein mahnte, dass insbesondere das Kindeswohl vorrangig sei und andere Erwägungen diesem unterzuordnen seien. 

Dr. Toralf Nöding betrachtete den Gesetzentwurf aus der Sicht eines Strafverteidigers und lobte den Gesetzgeber dafür, das Schutzniveau des JGG nicht dort herabgesetzt zu haben, wo die EU-Richtlinie hinter den bisherigen Anforderungen zurückblieb. Trotzdem äußerte es sich kritisch darüber, dass die Verpflichtung zur Bestellung eines Pflichtverteidigers vor der ersten Vernehmung nunmehr ausgehöhlt werde. Auch fehle eine Regelung hinsichtlich der Auswahl des Pflichtverteidigers. Im Gegenzug dazu sah Bernd Holthusen vom Deutschen Jugendinstitut in der vermehrten Anwesenheit von Rechtsanwälten im Jugendverfahren und in der Notwendigkeit einer audiovisuellen Vernehmung die Gefahr der Einflussnahme auf die Kultur und die Atmosphäre des Jugendstrafverfahrens. Des Weiteren befürchtete er, dass dies zu einer erheblichen Verlängerung der Verfahren führen werde. 

Im weiteren Verlauf der Anhörung stellten die Abgeordneten den Sachverständigen Fragen zu Rolle der Jugendgerichtshilfe in den Verfahren, zur Rolle der notwendigen Verteidigung und zu den Vorteilen eines beschleunigten Verfahrens. Außerdem waren die Meinungen der Experten dahingehend gefragt, wo der Schutzbedarf der Jugendlichen verletzt werde. 

Am 13. November 2019 stimmte der Rechtsausschuss mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen für den Regierungsentwurf. Dieser stand am 14. November 2019 bereits im Bundestag zur Abstimmung und wurde gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 19/15162) angenommen.

Das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vom 9. Dezember 2019 (BGBl I 2019, S. 2146 ff.) wurde am 16. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat überwiegend am 17. Dezember 2019 in Kraft. 

 

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU)

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl119s2010.pdf%27%5D__1576235183441

Gesetzentwürfe: 

 

Das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU)  trat am 25. Mai 2018 in Kraft. Nähere Informationen zu dem Gesetzgebungsverfahren finden Sie hier

Am 12. Oktober 2018 beriet der Bundestag in erster Lesung über den Regierungsentwurf (BT Drs. 19/4674) eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) und überwies ihn im Anschluss an den federführenden Innenausschuss.

Die Verordnung (EU) 2016/679 bietet dem nationalen Gesetzgeber eine Reihe von Öffnungsklauseln und enthält zugleich an die Mitgliedstaaten gerichtete Regelungsaufträge. Dazu gehört auch, das bereichsspezifische Datenschutzrecht auf die Vereinbarkeit mit der Verordnung zu überprüfen und ggf. anzupassen. Des Weiteren verpflichtete die Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89; L 127 vom 23.5.2018, S. 9), bis zum 6. Mai 2018 die geforderten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um der Richtlinie nachzukommen. 

Um beiden Richtlinien zu entsprechen wurde bislang: 

  • das bisherige Bundesdatenschutzgesetz (BDSG a. F.) durch ein neues Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ersetzt  (Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 30. Juni 2017, BGBl. I S. 2097).
  • die Abgabenordnung sowie das Erste und Zehnte Buch des Sozialgesetzbuchs durch Artikel 17, 19 und 24 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) geändert und so wesentliche Normen des Steuerrechts und des Sozialdatenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 angepasst. 

Durch die Verordnungen und durch die bislang erfolgten Anpassungen in den jeweiligen Gesetzen, ergibt sich jedoch auch in den bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des Bundes ein Anpassungsbedarf, dem durch den Regierungsentwurf entsprochen werden soll. Insgesamt sollen 154 Fachgesetze geändert werden: 

  • „Anpassung von Begriffsbestimmungen

  • Anpassung von Verweisungen

  • Anpassung (bzw. vereinzelt Schaffung) von Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung

  • Regelungen zu den Betroffenenrechten

  • Anpassungen aufgrund unmittelbar geltender Vorgaben der Verordnung (EU) 2016/679 zu technischen und organisatorischen Maßnahmen, zur Auftragsverarbeitung, zur Datenübermittlung an Drittländer oder an internationale Organisationen sowie zu Schadenersatz und Geldbußen.

Darüber hinaus werden durch Änderungen im BDSG

  • die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken staatlicher Auszeichnungen und Ehrungen aus Anlass der Verordnung (EU) 2016/679 ausdrücklich normiert und damit die geltende Praxis abgesichert;

  • die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sensible Informationen durch zivilgesellschaftliche Träger im Rahmen von Deradikalisierungsprogrammen verarbeitet und im Einzelfall an die Sicherheitsbehörden weitergegeben werden können.“

Gleichzeitig wurde in der Bundestagsdebatte über den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 (BT Drs. 19/4671) beraten, der im Anschluss an die Lesung zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen wurde. Der Entwurf sieht vor, den Bereich des Strafverfahrensrechts sowie des übrigen Verfahrensrechts an die neuen Regelungen anzupassen.

Auch der Bundesrat beschäftigte sich mit dem Regierungsentwurf in seiner Plenarsitzung am 19. Oktober 2018. Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat (Drs. 430/1/18) zum dem Entwurf Stellung zu nehmen und zu 11 der im Gesetzentwurf vorgesehenen Artikel Änderungen zu verlangen. 

Am 10. Dezember 2018 fand im Ausschuss für Inneres und Heimat eine öffentliche Anhörung statt. Die Sachverständigen übten durchgehend Kritik an dem Gesetzentwurf. So begrüßte bspw. Prof. Dr. Hartmut Aden, dass die Bundesregierung die Anpassung des nationalen Datenschutzrechts an die europäischen Datenschutzpakete angehe, jedoch seien in dem Entwurf Regelungen enthalten, die nichts mit den europäischen Datenschutzvorgaben zu tun hätten und mit zusätzlichen Grundrechtseingriffen verbunden seien. Kerstin Bock gab zu bedenken, dass es schließlich das Ziel sei, den Datenschutz übersichtlicher und verständlicher zu machen und dadurch mehr Sicherheit und Vertrauen für die Bürger zu schaffen. Dies schaffe der Gesetzentwurf jedoch nicht. Stefan Brink, Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Baden-Württemberg betonte, die Bundesregierung stehe „weiter auf der Bremse“. Der Entwurf sei im Rahmen der Einschränkung der Betroffenenrechte viel zu kleinschrittig. Man habe vergessen, „dass die Zukunft der Datenverarbeitung aus europäischer Sicht und als globales Alleinstellungsmerkmal nur in einer unauflöslichen Verbindung von Digitalisierung und Datenschutz liegen kann.“ Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Nachdem der Bundestag am 30. August 2019 seinen Gesetzesbeschluss (BR Drs. 380/19) gefasst hatte, in dem er einige Vorschläge des Bundesrates aus dessen Stellungnahme aufgriff, stand das „Zweite Datenschutz-Anpassung- und Umsetzungsgesetz EU“ am 20. September 2019 auf der Tagesordnung des Bundesrates. Dieser stimmte den geplanten Änderungen zu. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterschrift zugeleitet.

Das zweite Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassung- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) vom 20. November 2019 (BGBl I 2019, S. 1626 ff.) wurde am 25. November 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am überwiegend am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 

 

 

 

 

 

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes und milchrechtlicher Bestimmungen sowie zur Aufhebung der Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung

Gesetzentwürfe: 

 

Am 21. September 2016 hat das BVerfG § 10 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Rindfleischetikettierungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt, in dem die Strafbarkeit von Verstößen gegen die Etikettierungsvorschriften geregelt waren. Somit entfiel auch die dort in Abs. 1 verankerte Rechtsgrundlage für die Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung. 

Künftig sollen Verstöße gegen die Etikettierungsvorschriften nicht mehr mit Strafnormen geahndet werden. Statt dessen sollen die Straftatbestände zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft werden. In der Vergangenheit seien Geld- oder Freiheitsstrafen praktisch fast nie verhängt worden. 

Hierzu soll der bisherige Bußgeldrahmen angehoben und die Regelungen in das Rindfleischetikettierungsgesetz aufgenommen werden, soweit sie nicht ohnehin durch die Verordnung (EU) Nr. 653/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 obsolet geworden sind.

Am 8. November 2018 hat der Bundestag das Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes und milchrechtlicher Bestimmungen sowie zur Aufhebung der Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung beschlossen. Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am 14. Dezember beschlossen, dem verabschiedeten Gesetz zuzustimmen. 

 

 

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