Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Bundespolizei – Einführung einer Kennzeichnungspflicht

Gesetzentwürfe: 

 

Am 23. Oktober 2018 brachte die Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf zur Einführung der Kennzeichnungspflicht für Bundespolizeibeamte in den Bundestag ein (BT Drs. 19/5178). 

Die gesellschaftliche Haltung gegenüber staatlicher Macht sei in den letzten Jahren mehr und mehr davon abhängig, wie diejenigen, die sie ausüben, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern auftreten. Insbesondere Einsätze der Bundespolizei in geschlossenen Einheiten, in denen die Beamten volle Einsatzmontur tragen und als Einzelperson nicht mehr identifizierbar seien, machten es dem Bürger schwer, individuelles Fehlverhalten überprüfen zu lassen und entspreche nicht dem Gebot der effektiven Strafverfolgung. Auch die Beamten selbst seien an einer Aufklärung der erhobenen Vorwürfe interessiert. Schließlich hinterlasse jedes Ermittlungsverfahren, das aufgrund mangelnder Identifizierung des Beamten eingestellt werden müsse den Verdacht, die Polizei habe etwas zu vertuschen und beschädige zudem den Glauben an den Rechtsstaat. Auch der EGMR habe bereits in seinem Urteil vom 9. November 2017  – Az. 47274/15 eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte empfohlen, da das Recht auf effektive Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen als Teil des Schutzes von Folter und Misshandlungen zu werten sei. 

Die Fraktion nimmt insbesondere den G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 zum Anlass und fordert eine generelle Kennzeichnungspflicht, die über eine taktische Kennzeichnung hinausgeht. Nach ihrer Vorstellung seien so durch Zeugenaussagen oder durch Auswertung von Bildmaterial die Polizeibeamten eindeutig identifizierbar. Die Identifizierung soll durch eine befugte Stelle innerhalb der Polizei oder Staatsanwaltschaft erfolgen. Eine erhöhte Gefährdung der Beamten, insbesondere in Bezug auf Falschbeschuldigungen, sei nach den Erfahrungen aus mehreren Bundesländern und EU-Staaten nicht zu befürchten. 

Dem Bundespolizeigesetz soll in der Umsetzung ein § 1a hinzugefügt werden, der sich in Abs. 1 mit der Einführung und Durchführung der Kennzeichnung beschäftigt, während Abs. 2 die Dauer der Speicherung regelt: 

„§ 1a – Kennzeichnungspflicht

(1) Bei geschlossenen Einsätzen müssen die Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten der Bundespolizei eine zur Identitätsfeststellung geeignete individuelle Kennung in Form einer höchstens sechsstelligen Ziffernkom- bination deutlich sichtbar auf der Vorder- und Rückseite der Uniform und an beiden Seiten des Helms tragen.

( 2) Die Datensätze, aus denen hervorgeht, welche chiffrierte Kennzeichnung der jeweiligen Polizeivollzugs- beamtin bzw. dem jeweiligen Polizeivollzugsbeamten für den entsprechenden Einsatz zugeteilt wurde, sind nach zwölf Monaten zu löschen, wenn im Zusammenhang mit dem geschlossenen Einsatz keine dienst-, straf- oder zivilrechtlichen Verfahren gegen sie eingeleitet wurden.“

Am 17. September 2020 hat sich der Ausschuss für Inneres und Heimat in seiner Beschlussempfehlung (BT Drs. 19/22660) gegen den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke ausgesprochen. Ein ablehnender Beschluss erging durch den Bundestag schließlich am 23. Juni 2021 ohne weitere Aussprache. 

 

Gesetzentwurf zur Verbesserung der Inneren Sicherheit – Verfahrensbeschleunigungsgesetz und verbesserte Eingriffsgrundlagen der Justiz

Gesetzentwürfe: 

 

Ein Gesetzentwurf der AfD, zur Verbesserung der Inneren Sicherheit und für verbesserte Eingriffsgrundlagen der Justiz, wurde am 19. Oktober 2018 in erster Lesung im Bundestag beraten und im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. 

Der Entwurf der Fraktion sieht umfangreiche Änderungen im Ausländer-, Straf- und Strafprozessrecht vor. Hiervon verspricht sich die Fraktion eine effizientere Strafverfolgung und einen besseren Schutz vor Straftätern, von denen eine erhöhte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Der Forderungskatalog stieß jedoch bei den anderen Fraktionen auf entschiedene Ablehnung.

Im StGB sollen die Anforderungen an eine verminderte Schuldfähigkeit und an die Strafaussetzung zur Bewährung heraufgesetzt werden. Ebenso soll die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung für die Fälle geschaffen werden, in denen ein Täter nicht durch die Maßregeln der §§ 63, 64 StGB therapierbar und weiterhin gefährlich sei.

Im Strafprozessrecht soll es nach Vorstellung der AfD künftig keine Möglichkeit mehr der Revision geben. Vielmehr soll diese durch eine Annahmeberufung ersetzt werden. Die Qualität der Strafurteile soll durch eine Änderung des GVG gesichert werden,  indem der Tätigkeitsbereich der Richter auf Probe eingeschränkt wird und die Leitung der Hauptverhandlung vor dem LG nur einem Richter mit der entsprechenden Berufserfahrung vorbehalten bleibt. Des Weiteren erfährt der Bereich der Untersuchungshaft durch den Gesetzentwurf eine Erweiterung. Diese soll künftig auch über die Fortdauer von 6 Monaten ausgedehnt werden können, wenn ein Haftgrund der Wiederholungsgefahr vorliegt. Ferner soll es:

  • ein geregeltes Analogieverbot für verbotene Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO n.F. geben
  • Maßregelmöglichkeiten im Falle des Fernbleibens eines Zeugens zu einer polizeilichen Vernehmung eingeführt werden und
  • die Regelung des „Deals“ in § 257c StPO a.F. aufgehoben werden. 

Auch vor dem Jugendstrafverfahren macht der Entwurf der AfD keinen Halt. Dieses soll eine Angleichung an das Erwachsenenstrafrecht erfahren, indem für Heranwachsende nur noch ausnahmsweise das Jugendstrafrecht anwendbar sei. Außerdem soll das Jugendstrafrecht nicht mehr zur Anwendung kommen, wenn es sich bei der begangenen Straftat um ein Verbrechen nach allgemeinem Strafrecht handele.

Im Strafvollzugsrecht soll die schuldangemessene Sühne als weitere Vollzugsaufgabe aufgenommen werden. Ferner sollen die Anforderungen an Vollzugslockerung steigen. Hier soll insbesondere die Schwere der Schuld zu berücksichtigen sein und die Vollstreckungsbehörden mit in die Entscheidungen eingebunden werden. 

Die Änderungen im Ausländerrecht sollen nach Vorstellung der AfD dem Zweck dienen, straffällige Asylsuchende ohne Bleiberecht auszuweisen bzw. abzuschieben. So soll beispielsweise im AsylG eine Präventivhaft eingeführt werden, die solang andauern können soll, wie von dem Ausländer eine Gefahr für die Bundesrepublik oder der Allgemeinheit ausgehe. 

Roman Reusch (AfD) beklagte in der Debatte, dass die Strafjustiz nicht mehr in der Lage sei, die innere Sicherheit ausreichend zu erfüllen. So sei es eine „irrsinnige Zumutung für alle Beteiligten“, wenn durch die Revision monate- oder jahrelang geführte Verfahren wieder von vorne verhandelt werden müssten. Ferner sprach sich Reusch für einen Haftgrund für Raub und Messerattacken aus. 

Alex Müller (CDU) kritisierte den Forderungskatalog der AfD. Die Abschaffung der Revision bedeute den „Gang in den Unrechtsstaat“. Die Streichung des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht und die Streichung der Resozialisierungsbemühungen der Strafvollzugsanstalten sei auf eine „reine Abschreckung“ ausgerichtet. 

FDP und SPD warfen der AfD vor, sie wolle mit den Änderungen ein „Sonderstrafrecht für Ausländer“ etablieren und strebe eine „Sippenhaft“ an. Jürgen Martens (FDP): „Die familienbezogene Erfassung von Straftätern gab es zuletzt im Dritten Reich.“ 

Auch die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warfen der AfD mit dem Entwurf einen Angriff auf die Demokratie und den Rechtsstaat vor. Canan Bayram (Die Grünen) kritisierte, dass die AfD in der Vorlage Straf- und Verwaltungsrecht durcheinanderbringe und in Bezug auf die geplanten Änderungen im Jugendstrafrecht und Justizvollzug nicht darstelle, wie sie überhaupt mit den Folgen der Änderungen umgehen wolle.

Am 15. Januar 2020 empfahl der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in seinem Bericht die Ablehnung des Gesetzentwurfs (BT Drs. 19/10050). Ein entsprechender Beschluss des Bundestages erging am 23. Juni 2021 ohne weitere Aussprache in abschließender Beratung. 

 

 

 

 

Referentenentwurf zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung

Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019: BGBl. I 2019, S. 2128 ff.

Gesetzentwürfe: 

 

Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wurde am 4. November 2016 im Amtsblatt der Europäischen Union verkündet und trat am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. 

Sie soll die Effektivität des in der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vorgesehenen Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand gewährleisten. Durch eine Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften soll das Vertrauen der Mitgliedstaaten in die jeweilige Strafrechtspflege der anderen Mitgliedstaaten gestärkt und auf diese Weise die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen erleichtert werden. 

Die vorliegende Richtlinie betrifft mit der Prozesskostenhilfe den zweiten Teil der Maßnahme C des Fahrplans und ist bis zum 25. Mai 2019 umzusetzen. Die Strafverteidigervereinigungen haben hierzu bereits ein Policy Paper (Neurodnung der Pflichtverteidigerbestellung) vorgelegt und einen eigenen Regelungsvorschlag unterbreitet. Das Strategiepapier finden Sie hier

Da das nationale Recht noch nicht den Vorgaben der EU Richtlinie entspricht, sieht der Referentenentwurf des BMJV notwenige Anpassungen der StPO und des IRG vor. Die Richtlinie überschneidet sich mit der Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016, die Maßnahmen zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vorsieht, soweit dort ebenfalls das Recht auf Prozesskostenhilfe und die notwendige Verteidigung betroffen ist. Näheres zu dieser Richtlinie finden Sie hier.

 

Um der Richtlinie (EU) 2016/1919 zu entsprechen, sind mehrere Änderungen des § 140 StPO geplant:

  • der Fall der notwendigen Verteidigung soll bereits mit der Vorführung vor einen Richter vorliegen (nicht erst bei Vollstreckung der U-Haft oder vorläufigen Unterbringung)
  • die zeitlichen Beschränkungen des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO soll gestrichen werden
  • um der Rechtsprechung des EGMR zu entsprechen, soll bei der Schwere der zu erwartenden Strafe ein Fall notwendiger Verteidigung ab einer Straferwartung von mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe gegeben sein
  • Anpassungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Verteidigerbestellung und seiner Qualifikation
  • Regelung der Möglichkeit des Verteidigerwechsels und der hierzu erforderlichen Rechtsbehelfe,  für Fälle, in denen dem „Beschuldigten bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers der ersten Stunde aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit nur eine kurze Bedenkzeit eingeräumt werden konnte, um einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen“

Hinsichtlich des Zeitpunktes einer Verteidigerbestellung sieht der Entwurf vor, dass eine Verpflichtung künftig regelmäßig vor einer Befragung durch die Polizei, eine andere Strafverfolgungsbehörde oder eine Justizbehörde oder vor der Durchführung einer Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten vorzunehmen ist. Eine Eilentscheidungsbefugnis der Staatsanwaltschaft soll die praktische Anwendung erleichtern. Die Qualifikation der Pflichtverteidiger soll dadurch gewährleistet werden, dass Rechtsreferendare hierzu nicht mehr ausgewählt werden dürfen und grundsätzlich nur Fachanwälte für Strafrecht oder Rechtsanwälte zur Auswahl stehen, die gegenüber der Rechtsanwaltskammer ihr Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen bekundet haben.

Für den Fall eines Europäischen Haftbefehls soll die notwendige Verteidigung im IRG geregelt werden. Dort soll zeitlich an die Festnahme der gesuchten Person angeknüpft werden. 

Der entsprechende Regierungsentwurf wurde am 12. Juni 2019 veröffentlicht. Danach erfahren die §§ 141 bis 144 StPO die wichtigsten Änderungen: 

  • § 141 Zeitpunkt der Bestellung eines Pflichtverteidigers
  • § 141a Vernehmungen und Gegenüberstellungen vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers
  • § 142 Zuständigkeit und Bestellungsverfahren
  • § 143 Dauer und Aufhebung der Bestellung
  • § 143a Verteidigerwechsel
  • § 144 Zusätzliche Pflichtverteidiger

Am 11. Oktober 2019 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/13829). Am 17. Oktober 2019 wurde bereits in erster Lesung über den Entwurf debattiert. Im Anschluss an die Sitzung wurde er gemeinsam mit einem Antrag der FDP-Fraktion „Für eine konsequente Umsetzung der PKH-Richtlinie – Recht auf Verteidigung ab der ersten Stunde vorbehaltlos gewährleisten“ (BT Drs. 19/14036) zwecks weiterer Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz weitergeleitet. Dort fand am 23. Oktober 2019 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Experten aus dem Bereich der Strafverteidigung sahen in dem Regierungsentwurf eine Beschneidung der Beschuldigtenrechte und einen „Verschlimmbesserung“ – so Prof. Dr. Holger Matt –  im Vergleich zum Referentenentwurf, der ursprünglich eine behutsame Erweiterung des Systems der Pflichtverteidigung vorgesehen habe. Stephan Schneider von den Strafverteidigervereinigungen sprach sogar von einem Abbau von Verfahrensgarantien für Beschuldigte. Gerade diese seien aber von gesellschaftlichem Interesse und dürften nicht alleine von einem Antrag des Beschuldigten abhängig gemacht werden. Ferner merkte Prof. Dr. Holger Matt an, dass eine frühe Verteidigung des Beschuldigten keine unzuträgliche Verzögerung des Verfahrens zur Folge habe, sondern dieses nicht selten beschleunige. 

Bedenken gegen den Regierungsentwurf bestanden aber auch auf der Ermittlerseite. Generalstaatsanwalt Andreas Heuer betonte, dass der derzeitige Entwurf dem Regelungsgehalt der PKH-Richtlinie widerspreche. Diese müsse im Zusammenhang mit der EU-Richtline 2013/48 betrachtet werden, die allein den Zugang zu einem Rechtsbeistand regele.

Der BDK erwartet bei der Umsetzung des Entwurfs eine nachhaltige Veränderung der polizeilichen und justiziellen Praxis. Welche Folgen dies für die Aufklärung schwerer Straftaten habe, sei derzeit noch nicht abzuschätzen. Eine Vorverlagerung der Pflichtverteidigerbestellung auf den Zeitpunkt der ersten polizeilichen Vernehmung, kehre die bisherige Rechtspraxis um. 

Prof. Dr. Matthias Jahn sah ebenfalls einige Punkte im Entwurf kritisch, begrüßte aber angesichts der bereits abgelaufenen Umsetzungsfrist der EU-Richtlinie die Vorlage. Diese solle mit Nachbesserungen zügig einen Fortgang nehmen. Dabei betonte auch er, dass die Bestellung der Notwendigkeit der Verteidigung zeitlich vorzuverlagern sei. Dies sei in anderen Mitgliedsstaaten, wie beispielsweise in der Schweiz, längst gängige Praxis. Im Übrigen sah er bei den vorgeschlagenen Neuregelungen keinen Verstoß gegen die Richtlinienvorgaben. 

Am 13. November 2019 stimmte der Rechtsausschuss mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen für den Regierungsentwurf. Einen Tag später stand der Entwurf bereits zur Abstimmung im Bundestag. Er wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 19/15151)  angenommen. Gleichzeitig wurde der Antrag der Fraktion der FDP „Für eine konsequente Umsetzung der PKH-Richtlinie – Recht auf Verteidigung ab der ersten Stunde vorbehaltlos gewährleisten“ (BT Drs. 19/14036) abgelehnt.  

Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 wurde am 12. Dezember imBundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2019, S. 2128 ff.) und trat am 13. Dezember 2019 in Kraft. 

 

 

Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren

Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vom 9. Dezember 2019: BGBl I 2019, S. 2146 ff. 

Gesetzentwürfe: 

 

Die Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 sieht Maßnahmen zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren vor und ist bis zum 11. Juni 2019 in nationales Recht umzusetzen. In großen Teilen entspricht das deutsche Jugendstrafverfahrensrecht bereits den Mindeststandards, die die Richtlinie in der EU erreichen möchte. Trotzdem sind neben punktuellen Änderungen auch solche komplexerer Natur erforderlich, um die Spielräume, die die Richtlinie eröffnet, auch einer praxistauglichen Lösung zuzuführen. 

Hierzu schlägt der Referentenentwurf eine Änderung des JGG, der StPO, dem FamFG, dem GKG und dem RVG vor. Zentraler Punkt soll sein, das Recht auf Unterstützung durch einen Rechtsbeistand (notwendige Verteidigung) an die Anforderungen der Richtlinie anzupassen. Der Entwurf beschränkt sich allerdings auf einzelne Bestimmungen, um den Besonderheiten des Jugendstrafrechts Rechnung zu tragen, da es Überschneidungen zur Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (nähere Informationen zur Richtlinie finden Sie hier), deren Umsetzung mit einem gesonderten Referentenentwurf zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung verfolgt wird, gibt. Dieser sieht umfassende Änderungen im allgemeinen Strafverfahrensrecht vor, die über die Verweisung in § 2 Abs. 2 JGG ohnehin auch im Jugendstrafrecht Anwendung finden. 

Der Referentenentwurf des BMJV trifft Regelungen, die die Rechtsmittelbeschränkung des § 55 Abs. 1 JGG lockern und den Freiheitsentzug nur noch dann zur Anwendung kommen lassen, wenn der jugendliche Beschuldigte zuvor einen Verteidiger zur Seite hatte. Ebenfalls soll der Einsatz der Jugendgerichtshilfe neu geregelt werden, z.B. zu welchem Zeitpunkt sie zu unterrichten ist und wann von der Teilnahme eines Vertreters der Jugendgerichtshilfe an der Hauptverhandlung abgesehen werden kann. Im Zuge der StPO-Reform (im August 2017) wurde bereits die audiovisuelle Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen Minderjähriger in der StPO geregelt. Diese neugeschaffene Möglichkeit des § 136 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 lit. a StPO n.F. tritt jedoch erst im Januar 2020 in Kraft, um den Ländern eine Übergangsfrist für die Ausstattung der Dienststellen mit der erforderlichen Technik einzuräumen. Daher soll die audiovisuelle Aufzeichnung der Beschuldigtenvernehmung bereits vorher und ohne sachliche Veränderung ins JGG transferiert werden. Außerdem sind kleinerer Änderungen im Rahmen der Informationspflichten und dem Recht auf Anwesenheit von Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern bei Untersuchungshandlungen und in der Hauptverhandlung geplant. 

Am 11. Oktober 2019 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/13837). Er wurde am 17. Oktober 2019 im Bundestag vorgestellt und im Anschluss zwecks weiterer Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dort fand am 21. Oktober 2019 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der geladenen Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die sieben Experten begrüßten zwar den Vorstoß der Regierung, die Vorgaben der EU-Richtlinie 2016/800  umzusetzen. Im Ergebnis befanden sie den Gesetzentwurf aber als zu weitgehend oder nicht weitgehend genug. 

Die staatsanwaltlichen Vertreter bemängelten, dass es dem Entwurf bislang nicht gelinge, die durch die Richtlinie gesetzten Spielräume auch auszunutzen. Statt dessen werde das Jugendstrafverfahren verzögert und formalisiert, so dass der Gesetzentwurf den Grundprinzipien des Jugendstrafverfahrens nicht gerecht werde. Dies bedürfe eine flexiblere Gestaltung und eine Erweiterung des Reaktionsspektrums. Durch die Formalisierung sei vor allem eine Mehrarbeit für die Staatsanwaltschaften, Gerichte und Verteidiger zu besorgen. 

Prof. Dr. Teresia Höynck stellte fest, dass der Regierungsentwurf an einigen Stellen bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zu zurückhaltend sei, so dass fraglich wäre, ob dies den Anforderungen der Richtlinie überhaupt genüge. Eine echte Veränderung der Regelungen sei lediglich in der neuen zeitlichen Konstruktion der Bestellung eines Pflichtverteidigers zu sehen. Dr. Jenny Lederer vom Deutschen Anwaltverein mahnte, dass insbesondere das Kindeswohl vorrangig sei und andere Erwägungen diesem unterzuordnen seien. 

Dr. Toralf Nöding betrachtete den Gesetzentwurf aus der Sicht eines Strafverteidigers und lobte den Gesetzgeber dafür, das Schutzniveau des JGG nicht dort herabgesetzt zu haben, wo die EU-Richtlinie hinter den bisherigen Anforderungen zurückblieb. Trotzdem äußerte es sich kritisch darüber, dass die Verpflichtung zur Bestellung eines Pflichtverteidigers vor der ersten Vernehmung nunmehr ausgehöhlt werde. Auch fehle eine Regelung hinsichtlich der Auswahl des Pflichtverteidigers. Im Gegenzug dazu sah Bernd Holthusen vom Deutschen Jugendinstitut in der vermehrten Anwesenheit von Rechtsanwälten im Jugendverfahren und in der Notwendigkeit einer audiovisuellen Vernehmung die Gefahr der Einflussnahme auf die Kultur und die Atmosphäre des Jugendstrafverfahrens. Des Weiteren befürchtete er, dass dies zu einer erheblichen Verlängerung der Verfahren führen werde. 

Im weiteren Verlauf der Anhörung stellten die Abgeordneten den Sachverständigen Fragen zu Rolle der Jugendgerichtshilfe in den Verfahren, zur Rolle der notwendigen Verteidigung und zu den Vorteilen eines beschleunigten Verfahrens. Außerdem waren die Meinungen der Experten dahingehend gefragt, wo der Schutzbedarf der Jugendlichen verletzt werde. 

Am 13. November 2019 stimmte der Rechtsausschuss mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen für den Regierungsentwurf. Dieser stand am 14. November 2019 bereits im Bundestag zur Abstimmung und wurde gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 19/15162) angenommen.

Das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vom 9. Dezember 2019 (BGBl I 2019, S. 2146 ff.) wurde am 16. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat überwiegend am 17. Dezember 2019 in Kraft. 

 

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU)

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl119s2010.pdf%27%5D__1576235183441

Gesetzentwürfe: 

 

Das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU)  trat am 25. Mai 2018 in Kraft. Nähere Informationen zu dem Gesetzgebungsverfahren finden Sie hier

Am 12. Oktober 2018 beriet der Bundestag in erster Lesung über den Regierungsentwurf (BT Drs. 19/4674) eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) und überwies ihn im Anschluss an den federführenden Innenausschuss.

Die Verordnung (EU) 2016/679 bietet dem nationalen Gesetzgeber eine Reihe von Öffnungsklauseln und enthält zugleich an die Mitgliedstaaten gerichtete Regelungsaufträge. Dazu gehört auch, das bereichsspezifische Datenschutzrecht auf die Vereinbarkeit mit der Verordnung zu überprüfen und ggf. anzupassen. Des Weiteren verpflichtete die Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89; L 127 vom 23.5.2018, S. 9), bis zum 6. Mai 2018 die geforderten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um der Richtlinie nachzukommen. 

Um beiden Richtlinien zu entsprechen wurde bislang: 

  • das bisherige Bundesdatenschutzgesetz (BDSG a. F.) durch ein neues Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ersetzt  (Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 30. Juni 2017, BGBl. I S. 2097).
  • die Abgabenordnung sowie das Erste und Zehnte Buch des Sozialgesetzbuchs durch Artikel 17, 19 und 24 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) geändert und so wesentliche Normen des Steuerrechts und des Sozialdatenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 angepasst. 

Durch die Verordnungen und durch die bislang erfolgten Anpassungen in den jeweiligen Gesetzen, ergibt sich jedoch auch in den bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des Bundes ein Anpassungsbedarf, dem durch den Regierungsentwurf entsprochen werden soll. Insgesamt sollen 154 Fachgesetze geändert werden: 

  • „Anpassung von Begriffsbestimmungen

  • Anpassung von Verweisungen

  • Anpassung (bzw. vereinzelt Schaffung) von Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung

  • Regelungen zu den Betroffenenrechten

  • Anpassungen aufgrund unmittelbar geltender Vorgaben der Verordnung (EU) 2016/679 zu technischen und organisatorischen Maßnahmen, zur Auftragsverarbeitung, zur Datenübermittlung an Drittländer oder an internationale Organisationen sowie zu Schadenersatz und Geldbußen.

Darüber hinaus werden durch Änderungen im BDSG

  • die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken staatlicher Auszeichnungen und Ehrungen aus Anlass der Verordnung (EU) 2016/679 ausdrücklich normiert und damit die geltende Praxis abgesichert;

  • die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sensible Informationen durch zivilgesellschaftliche Träger im Rahmen von Deradikalisierungsprogrammen verarbeitet und im Einzelfall an die Sicherheitsbehörden weitergegeben werden können.“

Gleichzeitig wurde in der Bundestagsdebatte über den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 (BT Drs. 19/4671) beraten, der im Anschluss an die Lesung zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen wurde. Der Entwurf sieht vor, den Bereich des Strafverfahrensrechts sowie des übrigen Verfahrensrechts an die neuen Regelungen anzupassen.

Auch der Bundesrat beschäftigte sich mit dem Regierungsentwurf in seiner Plenarsitzung am 19. Oktober 2018. Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat (Drs. 430/1/18) zum dem Entwurf Stellung zu nehmen und zu 11 der im Gesetzentwurf vorgesehenen Artikel Änderungen zu verlangen. 

Am 10. Dezember 2018 fand im Ausschuss für Inneres und Heimat eine öffentliche Anhörung statt. Die Sachverständigen übten durchgehend Kritik an dem Gesetzentwurf. So begrüßte bspw. Prof. Dr. Hartmut Aden, dass die Bundesregierung die Anpassung des nationalen Datenschutzrechts an die europäischen Datenschutzpakete angehe, jedoch seien in dem Entwurf Regelungen enthalten, die nichts mit den europäischen Datenschutzvorgaben zu tun hätten und mit zusätzlichen Grundrechtseingriffen verbunden seien. Kerstin Bock gab zu bedenken, dass es schließlich das Ziel sei, den Datenschutz übersichtlicher und verständlicher zu machen und dadurch mehr Sicherheit und Vertrauen für die Bürger zu schaffen. Dies schaffe der Gesetzentwurf jedoch nicht. Stefan Brink, Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Baden-Württemberg betonte, die Bundesregierung stehe „weiter auf der Bremse“. Der Entwurf sei im Rahmen der Einschränkung der Betroffenenrechte viel zu kleinschrittig. Man habe vergessen, „dass die Zukunft der Datenverarbeitung aus europäischer Sicht und als globales Alleinstellungsmerkmal nur in einer unauflöslichen Verbindung von Digitalisierung und Datenschutz liegen kann.“ Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Nachdem der Bundestag am 30. August 2019 seinen Gesetzesbeschluss (BR Drs. 380/19) gefasst hatte, in dem er einige Vorschläge des Bundesrates aus dessen Stellungnahme aufgriff, stand das „Zweite Datenschutz-Anpassung- und Umsetzungsgesetz EU“ am 20. September 2019 auf der Tagesordnung des Bundesrates. Dieser stimmte den geplanten Änderungen zu. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterschrift zugeleitet.

Das zweite Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassung- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) vom 20. November 2019 (BGBl I 2019, S. 1626 ff.) wurde am 25. November 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am überwiegend am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 

 

 

 

 

 

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes und milchrechtlicher Bestimmungen sowie zur Aufhebung der Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung

Gesetzentwürfe: 

 

Am 21. September 2016 hat das BVerfG § 10 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Rindfleischetikettierungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt, in dem die Strafbarkeit von Verstößen gegen die Etikettierungsvorschriften geregelt waren. Somit entfiel auch die dort in Abs. 1 verankerte Rechtsgrundlage für die Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung. 

Künftig sollen Verstöße gegen die Etikettierungsvorschriften nicht mehr mit Strafnormen geahndet werden. Statt dessen sollen die Straftatbestände zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft werden. In der Vergangenheit seien Geld- oder Freiheitsstrafen praktisch fast nie verhängt worden. 

Hierzu soll der bisherige Bußgeldrahmen angehoben und die Regelungen in das Rindfleischetikettierungsgesetz aufgenommen werden, soweit sie nicht ohnehin durch die Verordnung (EU) Nr. 653/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 obsolet geworden sind.

Am 8. November 2018 hat der Bundestag das Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes und milchrechtlicher Bestimmungen sowie zur Aufhebung der Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung beschlossen. Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am 14. Dezember beschlossen, dem verabschiedeten Gesetz zuzustimmen. 

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz)

Gesetzentwürfe: 

 

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen brachte am 5. Oktober 2018 einen Gesetzentwurf zum Schutz von Whistlewblowern in den Bundestag ein. Nach Ansicht der Fraktion bedürfen Menschen, die Informationen der Öffentlichkeit zugänglich machen und damit dem Allgemeinwohl dienen, einen besonderen Schutz. Sie sollen insbesondere vor Strafverfolgung und dienst- oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen geschützt werden. 

Ein Schutz alleine durch die Rechtsprechung reiche nicht aus. Die Europäische Kommission hat am 23. April 2018 einen Richtlinienvorschlag zum Schutze von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vorgelegt. Am 23. Oktober 2019 wurde diese Richtlinie verkündet. Um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, sei eine deutsche Positionierung in Form eines „vorbildlichen nationalen Whistleblower-Schutzgesetzes“ notwendig. 

Hierzu sollen Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, Berufsbildungsgesetz, Bundesbeamtengesetz und Beamtenstatusgesetz vorgenommen werden, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen Hinweisgeber sich an andere Stellen oder an die Öffentlichkeit wenden dürfen. Insbesondere sollen in § 353c StGB Regelungen geschaffen werden, die Whistleblower straffrei stellen: 

„§ 353c StGB – Befugtes Offenbaren eines Geheimnisses

Befugt ist das Offenbaren eines Geheimnisses dann, wenn der Täter zur Aufklärung, Verhinderung oder Beendigung einer Grundrechtsverletzung oder der Begehung einer schweren Straftat (§ 100c Absatz 2 der Strafprozessordnung) handelt, rechtzeitige Abhilfe nicht zu erwarten ist und das öffentliche Interesse an der Weitergabe der Information das Geheimhaltungsinteresse erheblich überwiegt. Das Gleiche gilt für das Offenbaren eines Geheimnisses zur Verhinderung oder Beendigung einer drohenden oder gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Gesundheit, das Persönlichkeitsrecht, die Freiheit der Person, die Stabilität des Finanzsystems oder die Umwelt.“

Bislang regeln lediglich die §§ 93 ff. StGB die Strafbarkeit der Preisgabe von Staatsgeheimnissen und § 353b StGB die Verletzung von Dienstgeheimnissen. 

Im Rahmen der netzpolitik.org.-Affäre hatte die Fraktion bereits 2016 die Geheimnisverrats- Straftatbestände  (Landesverrat, Verrat von Dienstgeheimnissen) überarbeitet und in den Bundestag eingebracht (Drs. 18/ 10036). Die damaligen Änderungsvorschläge wurden in den Gesetzentwurf aufgenommen. 

Der Bundestag beriet am 18. Oktober 2018 erstmals über den Regierungsentwurf zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (BT Drs. 19/4724) und über den Gesetzentwurf der Fraktion. Beide Entwürfe wurden im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz weitergeleitet. 

 

 

Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften

Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2018

Gesetzentwürfe: 

 

Der Onlinehandel, bei dem Betreiber von elektronischen Marktplätzen aus dem Inland, der Europäischen Union oder einem Drittland Waren anbieten, nimmt mehr und mehr zu. Immer wieder gibt es in diesem Zusammenhang Anhaltspunkte dafür, dass es dabei zu Umsatzsteuerhinterziehungen kommt. Mit dem Gesetzentwurf soll dies nun verhindert werden. 

Die Betreiber der elektronischen Marktplätze sollen daher verpflichtet werden, bestimmte Daten ihrer Nutzer vorzuhalten und für entstandene und nicht abgeführte Umsatzsteuer aus Umsätzen auf ihrem Marktplatz zu haften. 

Des Weiteren gibt es in verschiedenen Bereichen des deutschen Steuerrechts fachlich notwendigen Gesetzgebungsbedarf, dem nun entsprochen werden soll. 

Am 1. August 2018 hat das Bundeskabinett dem vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegten Referentenentwurf beschlossen. Das Gesetz soll bereits im Januar 2019 umgesetzt werden. Parallel werden europäische Maßnahmen erarbeitet, die aber erst im Jahr 2021 wirksam werden könnten. 

Am 21. September 2018 beriet der Bundesrat in seiner Plenarsitzung über den Gesetzentwurf und unterstützt ausdrücklich die geplanten Änderungen des Umsatzsteuergesetzes zur Bekämpfung des Betrugs beim Onlinehandel. Insgesamt sollen 15 Steuergesetze an EU-Recht und an die höchstrichterliche Rechtsprechung angepasst werden. Die Ausschüsse für Finanzen, Inneres, Umwelt, Verkehr und Wirtschaft haben 39 Empfehlungen erarbeitet und sprechen sich dafür aus, zu dem Entwurf detailliert Stellung zu nehmen (BR Drs. 372/1/18). Die meisten Änderungswünsche befassen sich mit den vorgeschlagenen Änderungen entsprechender Steuergesetze rund um die Dienstwagenbesteuerung. Hinsichtlich des Onlinehandels unterstützen der Finanz- und der Wirtschaftsausschuss grundsätzlich den Vorschlag der Bundesregierung, unterbreiten aber detaillierte Änderungsvorschläge, um die Regelungen praxistauglicher und unbürokratischer zu gestalten. 

Am 26. September 2018 war der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf (BT Drs. 18/4455) auch Thema der Sitzung des Finanzausschusses des Bundestages.
Die Fraktionen der FDP und CDU/CSU kritisierten, dass die Onlinehändler nunmehr gezwungen werden mit Papier-Bescheinigungen zu arbeiten. Ebenfalls äußerte sich die Fraktion CDU/CSU hinsichtlich der Regelungen zur Haftung kritisch. Auf Nachfrage der AfD-Fraktion, verwies die Bundesregierung bezüglich der Steuerausfälle auf eine Angabe des Bundesrates, nachdem es sich bei den Mindereinnahmen um ca. 1 Mrd. Euro handeln soll. Schätzungen belaufen sich auf Steuerausfälle in der EU auf ca. 50 Mrd. Euro. Zur weiteren Klärung der aufgeworfenen Fragen beschloss der Finanzausschuss am 15. Oktober 2018 eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Eine Liste der geladenen Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Am 23. November 2018 stimmte der Bundesrat dem Regierungsentwurf zu. Zahlreiche steuerrechtliche Änderungen werden demnächst umgesetzt. Unter anderem haften künftig die Betreiber eines elektronischen Marktplatzes für nicht entrichtete Umsatzsteuer aus dem Handel auf der jeweiligen Plattform. Eine Haftungsbefreiung ist nur möglich, wenn gewisse Aufzeichnungspflichten erfüllt oder steuerunehrliche Händler von der Plattform ausgeschlossen werden. Das Gesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet.

 

 

 

Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen

Gesetzentwürfe: 

 

Soziale Medien, die Nutzung von Webmail- oder Nachrichtendiensten und Anwendungen(„Apps“) sind nicht mehr wegzudenken. Kommunikationsmittel können aber auch missbraucht werden, um Straftaten zu begehen oder ihnen Vorschub zu leisten. In diesem Fall sind die Ermittler auf Hinweise aus diesen Diensten oder Apps angewiesen, um vor Gericht verwendbare Beweismittel vorlegen zu können.

Onlinedienste können überall in der Welt bereitgestellt werden und erfordern nicht notwendigerweise eine physische Infrastruktur, eine Firmenpräsenz oder Mitarbeiter. Dies führt dazu, dass die Behörden der Mitgliedstaaten bei immer mehr Straftaten aller Art um Zugang zu Daten ersuchen, die als Beweismittel dienen könnten und die außerhalb des jeweiligen Mitgliedstaats gespeichert sind. Hierzu wurden bereits vor einigen Jahrzehnten Verfahren für die Zusammenarbeit entwickelt, die jedoch dem großen Bedarf an schnellen grenzüberschreitenden Zugängen zu elektronischen Beweismittel nicht mehr gerecht werden können. Die Mitgliedsstaaten bauen daher ihre nationalen Instrumente aus, was zu einer Zersplitterung der Rechtslage und damit zu Rechtsunsicherheiten führt. Der Rat forderte deshalb bereits 2016 konkrete Maßnahmen und ein gemeinsames Konzept, um die Rechtshilfe auf diesem Gebiet effizienter zu gestalten. 

Der Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates nimmt das spezifische Problem auf und zielt darauf ab, Kooperationsverfahren an das digitale Zeitalter anzupassen. 

Der Deutsche Richterbund hat nun zu dem Vorschlag Stellung genommen. Er begrüßt den Ansatz der Kommission, die Sicherstellung und Beschlagnahme von elektronischen Beweismitteln im Strafverfahren europaweit zu regeln. Eine grenzüberschreitende Erhebung von Inhaltsdaten bei Providern ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit durch ein Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat, lehnt er jedoch ab. Die ausführliche Stellungnahme finden Sie hier

Die Fraktion die Linke hat am 20. Mai 2019 einen Antrag (BT Drs. 19/10281) in den Bundestag eingebracht, der Bundestag wolle beschließen, dass der Verordnungsvorschlag aus grund- und datenschutzrechtlicher Sicht abzulehnen ist. Die Bundesregierung solle nun das Inkrafttreten der Verordnung verhindern. 

 

 

Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls

Gesetzentwürfe: 

  • Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016: ABl (EU) L 297/1

 

Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wurde am 4. November 2016 im Amtsblatt der Europäischen Union verkündet und trat am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. 

Sie soll die Effektivität des in der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vorgesehenen Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand gewährleisten.  Durch eine Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften soll das Vertrauen der Mitgliedstaaten in die jeweilige Strafrechtspflege der anderen Mitgliedstaaten gestärkt und auf diese Weise die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen erleichtert werden. 

Am 11. Dezember 2009 verabschiedete der Europäische Rat hierzu bereits einen Fahrplan — Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger (Nummer 2.4) — und machte ihn zum Bestandteil des Stockholmer Programms. Der Rat betonte, dass der Fahrplan nicht abschließend sei. Bisher wurden fünf Maßnahmen zu Verfahrensrechten in Strafverfahren gemäß dem Fahrplan angenommen:

Die vorliegende Richtlinie betrifft den nun mit der Prozesskostenhilfe den zweiten Teil der Maßnahme C des Fahrplans und ist bis zum 25. Mai 2019 umzusetzen. 

Die Strafverteidigervereinigungen haben hierzu ein Policy Paper (Neurodnung der Pflichtverteidigerbestellung) vorgelegt und einen eigenen Regelungsvorschlag unterbreitet. Das Strategiepapier finden Sie hier

Die Richtlinie überschneidet sich mit der Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016, die Maßnahmen zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren vorsieht und ist bis zum 11. Juni 2019 in nationales Recht umzusetzen ist. Näheres zu dieser Richtlinie finden Sie hier.

 

 

 

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