Gesetzentwurf zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020

Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020: BGBl. I 2021, S. 448 ff. 

Gesetzentwürfe: 

  • Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU uns SPD: BT Drs. 19/25294
  • Gesetzesbeschluss des Bundestages: BR Drs. 84/21
  • Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses: BT Drs. 19/27900

 

Am 15. Dezember 2020 haben die Fraktionen CDU/CSU und SPD einen Gesetzentwurf zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des BVerfG vom 27. Mai 2020 in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/25294). Bereits am 13. Januar 2021 wurde der Entwurf erstmals im Bundestag vorgestellt und zur weiteren Beratung an den federführenden Innenausschuss überwiesen. 

Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 27. Mai 2020 festgestellt, dass § 113 TKG sowie weitere Fachgesetze des Bundes, die sich mit der Bestandsdatenauskunft beschäftigen, verfassungswidrig seien und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie die Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses verletzen. Bei der manuellen Bestandsdatenauskunft wird Sicherheitsbehörden ermöglicht, von Telekommunikationsunternehmen Auskunft über den Anschlussinhaber oder einer zugewiesenen IP-Adresse zu erlangen. Dabei werden personenbezogenen Daten, die im Zusammenhang mit dem Anschluss stehen, nicht aber Daten, die durch die Nutzung von Telekommunikationsdiensten entstehen (Verkehrsdaten) oder gar deren Inhalt, weitergegeben. Das BVerfG verdeutlichte, dass eine Erteilung der Auskunft über Bestandsdaten grundsätzlich möglich sei, diese aber durch ein sog. Doppeltürmodell abgesichert sein müsse. Dies bedeutet, dass sowohl die Übermittlungs- als auch die Abrufregelungen einer verhältnismäßigen Rechtsgrundlage bedürfen und damit die Verwendungszwecke der Daten begrenzt werden müssen, indem Eingriffsschwellen vorgesehen werden, die einen hinreichenden Rechtsgüterschutz gewährleisten. 

Die Fraktionen wollen mit ihrem Gesetzentwurf die Vorgaben des Beschlusses umsetzen und die für verfassungswidrig erklärten Normen, sowie die inhaltsgleichen Vorschriften des Gesetzes zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes und des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität ändern. Davon ist insbesondere § 15a TMG (Informationspflicht bei unrechtmäßiger Kenntniserlangung von Daten) und § 113 TMG (Manuelles Auskunftsverlangen) betroffen, außerdem die Abrufregelungen des BPolG, BKAG, ZFdG, SchwarzArbG, BVerfSchG, MADG, BNDG und es § 100j StPO. 

§ 113 Abs. 3 TMG-E soll u.a. künftig bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine Auskunft erteilt werden darf (entsprechendes gilt für die Nachrichtendienste): 

(3) Die Auskunft nach Absatz 1 Satz 1 darf nur erteilt werden

  1. an die für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden, soweit zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit vorliegen und die zu erhebenden Daten erforderlich sind, um den Sachverhalt zu erforschen, den Aufenthaltsort eines Beschuldigten zu ermitteln oder eine Strafe zu vollstrecken,

  2. an die für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, um

    a)  eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren oder
    b)  eine drohende Gefahr für ein Rechtsgut von erheblichem Gewicht abzuwehren, wenn Tatsa- chen den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes sowie zeitlich absehbares Geschehen zulassen, an dem bestimmte Personen beteiligt sein werden, oder
    c)  eine drohende Gefahr für ein besonders gewichtiges Rechtsgut abzuwehren, wenn das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in einem übersehbaren Zeitraum eine gegen ein solches Rechtsgut gerichtete Straftat begehen wird, oder
    d)  eine Straftat von erheblicher Bedeutung zu verhüten, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine ihrer Art nach konkretisierten Weise als Täter oder Teilnehmer an der Begehung einer Tat beteiligt ist, oder
    e)  eine schwere Straftat im Sinne des § 100a Absatz 3 der Strafprozessordnung zu verhüten, sofern das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass die Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums die Tat begehen wird,

    (…) 

Am 25. Januar 2021 fand im Ausschuss für Inneres und Heimat eine öffentliche Anhörung zu dem Entwurf statt. Eine Liste der Sachverständigen sowie deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Experten sahen in dem Entwurf in wesentlichen Details Mängel. Prof. Dr. Matthias Bäcker betonte, dass der Gesetzentwurf zwar den wesentlichen Punkten des Beschlusses des BVerfG Rechnung trage, jedoch andere getroffene Regelungen mit höherrangigem Recht nicht vereinbar seien, wie bspw. der spezifischen Sensibilität von Telemediendaten. Ebenso seien EU-rechliche Anforderungen hinsichtlich der gesetzlichen Erlaubnis zur Auflösung dynamischer IP-Adressen unter Verwendung bevorrateter Telekommunikations-Verkehrsdaten nicht beachtet worden. Rechtsanwalt Jonas Breyer sah die Mängel der Regelungen rund um die Bestandsdatenauskunft nur teilweise als behoben und befürchtete, dass es zu einer weiteren Entscheidung durch das BVerfG kommen werde. Prof. Dr. Ulrich Kelber kritisierte die nachrichtendienstliche Gesetzgebung insgesamt und sprach sich für eine umfassende Gesamtreform aus, statt einzelne „Reparaturgesetze“ auf den Weg zu bringen. Die einzelnen Neuregelungen kritisierte auch Prof. Dr. Markus Löffelmann, der betonte, dass sie in dem ausdifferenzierten Umfang nicht mehr nachzuvollziehen und zu erfassen seien. Dies betreffe nicht nur die formalen Voraussetzungen einer Abfrage durch die Behörden, sondern auch deren Überprüfung durch die Verpflichteten. Holger Münch hingegen befand den vom BVerfG gesteckten Rahmen zur Bestandsdatenabfrage durch den Entwurf deutlich erkennbar abgebildet und für die Praxis handlungs- und rechtssicher formuliert. Gleicher Meinung war auch Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz, der erläuterte, dass das Korsett, das das BVerfG dem Gesetzgeber angelegt habe, in der Fachliteratur bereits als „juristischer Overkill“ in Bezug auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz betitelt werde. Der Entwurf genüge in wesentlichen Zügen den gestellten Anforderungen, schließlich habe der Gesetzgeber versucht, die Vorgaben kleinteilig umzusetzen. 

Der Bundestag hat bereits am 28. Januar 2021 abschließend über den Entwurf entschieden und ihn in der vom Innenausschuss geänderten Fassung  (BT Drs. 19/26267) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. Gleichzeitig  wurde der Antrag der Fraktion der Grünen, das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität verfassungskonform auszugestalten (BT Drs. 19/22888), abgelehnt. 

Am 12. Februar 2021 hat der Bundesrat dem Gesetz die erforderliche Zustimmung trotz gegenteiliger Ausschussempfehlung nicht erteilt. 

Der daraufhin angerufene Vermittlungsausschuss ist am 24. März 2021 zu einer Übereinkunft gelangt (BT Drs. 19/27900).

Demnach soll die Herausgabe von Nutzungsdaten zur Strafverfolgung nur noch bei einem Verdacht auf Straftaten und nicht mehr bei bloßen Ordnungswidrigkeiten möglich sein und die Pflicht zur Passwortherausgabe im Besonderen nur bei einem Verdacht auf bestimmte besonders schwere Straftaten. Die Herausgabe von Bestandsdaten soll auf den Bereich besonders gewichtiger Ordnungswidrigkeiten limitiert werden. 

Am 26. März 2021 hat der Bundesrat dem Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft zugestimmt. Nur wenige Stunden zuvor hatte auch der Bundestag aufgrund der Empfehlung des Vermittlungsausschusses (BT Drs. 19/27900) den Entwurf verabschiedet. Mit der Bestätigung beider Häuser ist das Gesetzgebungsverfahren damit abgeschlossen. Es wird in Folge dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt. Dieser hat derweil zwei weitere Gesetze zunächst nicht ausgefertigt, die Bezug zur Bestandsdatenauskunft haben. Dazu gehört das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität sowie das Gesetz zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstes. Beide Entwürfe sollen nun ebenfalls an die Vorgaben des BVerfG angepasst werden. 

Am 1. April 2021 wurde das Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020 (BGBl. I 2021, S. 448 ff.) im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 

 

 

Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität

Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) vom 3. Juni 2021: BGBl I 2021 Nr. 30, S. 1534 ff.

Gesetzentwürfe:

 

Am 26. Oktober 2020 brachte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität auf den Weg.

Anlass der Neuregelung war der sog. Wirecard-Skandal, ein milliardenschwerer Bilanzbetrug eines deutschen DAX-Konzerns, der von den Wirtschaftsprüfern des Unternehmens nicht frühzeitig aufgedeckt werden konnte.

Ziel des Entwurfs ist es, die Bilanzkontrolle zu verbessern und die Abschlussprüfung weiter zu regulieren, um die Richtigkeit der Rechnungslegungsunterlagen von Unternehmen sicherzustellen. Zudem sieht der Entwurf Änderungen bei den Aufsichtsstrukturen und den Befugnissen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei der Prüfung von Auslagerungen seitens der Finanzdienstleistungsunternehmen vor. Durch Anpassungen im Bilanzstrafrecht soll eine ausreichend abschreckende Ahndung der Unternehmensverantwortlichen bei Abgabe eines unrichtigen „Bilanzeids“ und der Abschlussprüfer bei Erteilung eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerks zu Abschlüssen von Unternehmen von öffentlichem Interesse ermöglicht werden. Im Bilanzordnungswidrigkeitenrecht werden insbesondere die Bußgeldvorschriften für Abschlussprüfer, die Unternehmen von öffentlichem Interesse prüfen, inhaltlich ausgeweitet und der Bußgeldrahmen deutlich angehoben.

Zudem soll die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen in die Lage versetzt werden, bei den Finanzbehörden ausgewählte steuerliche Grunddaten automatisiert abzurufen. Die so erlangten Daten können dann der weiteren Analyse einzelner Verdachtsmeldungen und der anschließenden Bewertung dienen, um die zuständigen Behörden bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu unterstützen.

Die geplanten straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Änderungen im Einzelnen:

  • Einführung einer Strafbarkeit für Aufsichtsräte von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit bei Vorschlag eines ungeeigneten Abschlussprüfers im Korruptionskontext (§ 331 Abs. 2b Versicherungsaufsichtsgesetz)
  • Änderung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes in § 332 Versicherungsaufsichtsgesetz
  • Schaffung eines neuen Straftatbestandes der unrichtigen Versicherung in § 331a HGB
  • Ausdehnung der Strafbarkeit für unrichtige Bestätigungsvermerke in § 332 Abs. 2 HBG
  • Einführung eines speziellen Strafrahmens für leichtfertige Tatbegehungen in § 332 Abs. 3 HGB, in § 18 Abs. 3 Publizitätsgesetz und § 150 Abs. 3 Genossenschaftsgesetz
  • Änderung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes in § 334 Abs. 2 HGB
  • Änderung der Ordnungswidrigkeitentatbestände in §§ 340n Abs. 2, 341n Abs. 2 und 2a HGB
  • Einführung einer Strafbarkeit für die Erteilung eines unrichtigen Bestätigungsvermerks in §§ 18 Abs. 1 und 2 Publizitätsgesetz
  • Einführung einer Ordnungswidrigkeit für das nicht rechtzeitige Einreichen oder Bekanntmachen bestimmter Erklärungen im Bundesanzeiger (§ 20 Abs. 1a Publizitätsgesetz)
  • Neufassung der sonstigen Tatbestände in § 20 Publizitätsgesetz
  • Änderung der Ordnungswidrigkeiten im Aktiengesetz (§ 405 Abs. 3c, 4 und 5 AktG)
  • Neufassung des § 86 GmbHG
  • Einführung einer Strafbarkeit für die Erteilung eines unrichtigen Bestätigungsvermerks in §§ 150 Abs. 1 und 2 Genossenschaftsgesetz

Am 16. Dezember 2020 wurde der Referentenentwurf mit einigen Änderungen vom Kabinett beschlossen.

Der Regierungsentwurf unterscheidet sich in seiner Zielsetzung nicht vom Referentenentwurf, enthält jedoch einige inhaltliche Änderungen:

  • Der neue Straftatbestand der unrichtigen Versicherung soll ebenfalls in § 119a WpHG eingeführt werden
  • Mit § 119b und § 119c WpHG werden Straftatbestände zum Schutz von Betriebsgeheimnissen und Verschwiegenheitspflichten eingefügt
  • Die restlichen Änderungen gleichen denen des Referentenentwurfs.

Am 10. Juni 2021 wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt überwiegend bereits am 1. Juli 2021 in Kraft. 

 

Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet

Gesetz zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen vom 12. August 2021: BGBl. I 2021, S. 3544 ff.

Gesetzentwürfe: 

 

Am 27. November 2020 hat das BMJV einen Referentenentwurf zur Änderung des StGB – „Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen“ auf den Weg gebracht. Durch das Internet sei der Austausch von Waren und Dienstleistungen stark vereinfacht worden. Leider befänden sich nicht nur Plattformen mit rechtmäßigen Angeboten im Web, sondern es seien vermehrt auch verbotene Gegenstände und Dienstleistungen und er Vergangenheit gehandelt worden. Dabei sei die Ausgestaltung sehr vielfältig. Von Betäubungsmitteln, über Waffen, Kinderpornografie, Falschgeld, gefälschte Ausweise bis hin zu gestohlenen Kreditkarten sei alles denkbar. Problematisch sei, dass letztlich die Strafverfolgungsbehörden auch die Möglichkeiten haben müssten, diesem Phänomen effektiv und konsequent zu begegnen. Zwar gebe es spezialgesetzliche Verbote für den Verkauf solcher Waren und auch derjenige, der einer anderen Person hierzu Hilfe leistet, kann strafrechtlich verfolgt werden. Werde die Verkaufsplattform jedoch vollautomatisiert betrieben, könne nicht jeder Sachverhalt erfasst werden. Daher bedürfe es einer Ergänzung strafrechtlicher Regelungen. 

Der Entwurf sieht daher vor, einen neuen Straftatbestand des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet in das StGB einzufügen (§ 127 StGB-E, § 127 StGB wird dann zu § 128 StGB). Erfasst werden sollen damit ausschließlich Plattformen, die zweckmäßig darauf ausgerichtet sind, die Begehung von bestimmten Straftaten zu fördern. Die Tat soll mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden können. Bei gewerbsmäßigem Handeln soll der Strafrahmen bei sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe liegen. Parallel sieht der Entwurf vor, effektive Ermittlungsmöglichkeiten zur Aufklärung ebendieser Straftaten zu schaffen. Der Straftatenkatalog der §§ 100a und 100b StPO soll daher um die gewerbsmäßige Begehung des Betreibens krimineller Handelsplattformen ergänzt werden. 

Ein ähnlicher Vorschlag wurde bereits durch den Bundesrat im April 2019 in den Bundestag eingebracht (nähere Informationen dazu finden Sie hier) und auch der Referentenentwurf zum IT-Sicherheitsgesetz 2.0 aus März 2019 enthielt einen entsprechenden Regelungsvorschlag in § 126a StGB-E. Hierzu finden Sie bereits einige Beiträge im Heft: 

  • Prof. Dr. Mark A. Zöller – Strafbarkeit und Strafverfolgung des Betreibens internetbasierter Handelsplattformen für illegale Waren und Dienstleistungen, KriPoZ 5/2019, 274
  • Dr. Anna Oehmichen und Björn Weißenberger – Digitaloffensive im Strafrecht! Verbesserte Bekämpfung von Cyberkriminalität durch das IT-Sicherheitsgesetz 2.0?, KriPoZ 3/2019, 174
  • Nicole Selzer – Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in der digitalen Welt – Kritische Betrachtung des Referentenentwurfs zum IT-Sicherheitsgesetz 2.0 unter systematischen Gesichtspunkte, KriPoZ 4/2019, 221 

Auch der Kriminalpolitische Kreis hatte zum Entwurf eines § 126a StGB im März 2020 Stellung genommen (die Stellungnahme finden Sie hier).

Die Bundesregierung teile laut Entwurf zwar die Zielsetzung, die vorgeschlagene Regelung setze dies jedoch besser um. 

„§ 127 – Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet 

(1) Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausge-richtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne des Satzes 2 zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind 

1. Verbrechen 

2. Vergehen nach 

a) den §§ 147, 149, 152a, 152b, 176a Absatz 2, § 176b Absatz 2, § 184b Ab-satz 1 Satz 2, § 184c Absatz 1, § 184l Absatz 1 und 3 sowie den §§ 202a, 202b, 202d, 259, 263a, 275, 276, 303a und 303b, 

b) § 95 Absatz 1 und 2 des Arzneimittelgesetzes, 

c) § 29 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes, 

d) § 19 Absatz 1 und 2 des Grundstoffüberwachungsgesetzes, 

e) § 52 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3 Nummer 1 des Waffengesetzes, 

f) § 40 Absatz 1 und 2 des Sprengstoffgesetzes, 

g) den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes sowie 

h) den §§ 51 und 65 des Designgesetzes. 

(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Tat im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 angedrohte Strafe. 

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Tat gewerbsmäßig begeht.“ 

 

Die Länder und Verbände können nun bis zum 7. Januar 2021 zu dem Entwurf Stellung nehmen. 

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärte:
„Wir brauchen eine effektive und konsequente Strafverfolgung im digitalen Raum. Wenn auf kriminellen Plattformen Geschäfte gemacht werden mit entsetzlichen Bildern von sexualisierter Gewalt gegen Kinder, soll sich niemand herausreden, er habe nur die Plattform bereitgestellt und nichts gewusst. Gleiches gilt für Waffen- oder Drogenhandel, den Verkauf von gehackten Passwörtern oder gestohlenen Kreditkartendaten. All diese Geschäfte sind strafbar. Aber Ermittlungen gegen die Betreiber solcher Plattformen waren bisher oftmals schwierig, wenn diese sich ahnungslos gaben. Deshalb schaffen wir einen neuen Straftatbestand und effektive Ermittlungsmöglichkeiten.“

Am 10. Februar 2021 hat die Bundesregierung den Entwurf beschlossen und ihren Regierungsentwurf vorgestellt. Im Vergleich zum Referentenentwurf hat § 127 StGB-E einige Änderungen erfahren. Nach § 127 Abs. 1 S. 2 StGB-E soll ebenso bestraft werden, wer absichtlich oder wissentlich eine Server-Infrastruktur für eine Tat nach S. 1 bereitstellt. Die Gleichstellung der Bestrafung rechtfertige sich dadurch, dass es unerheblich sei, ob das kriminelle Handelsgeschäft durch das Bereitstellen der Hardware (Server) oder der virtuellen Plattform ermöglicht oder gefördert werde. Das qualifizierte Vorsatzerfordernis stelle sicher, dass nur Fälle erfasst werden, bei denen der Server Betreiber tatsächliche Kenntnis davon hatten, dass entsprechende Plattformen auf den Servern gehostet wurden. Die Katalogtaten des § 127 Abs. 1 Nr. 2 StGB-E wurden modifiziert. Neu hinzugekommen ist bspw. das Verbreiten von Propagandamitteln (§ 86 StGB), die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 91 StGB), die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180 Abs. 2 StGB), der Menschenhandel (§ 232 StGB), die gewerbsmäßige Hehlerei und Bandenhehlerei (§ 260 StGB), der Betrug nach § 263 StGB (im RefE war nur der Computerbetrug enthalten), die Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und die Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB). Insbesondere wurden auch das AntiDopG (§ 4 Abs. 1 bis 3 AntiDopG) und das NpSG (§ 4 Abs. 1 und 2 NpSG) aufgenommen. Außerdem wurde in Abs. 4 eine Verbrechensqualifikation geschaffen, bei der sich die Zweckausrichtung der Handelsplattform auf die Ermöglichung oder Förderung von Verbrechen bezieht und der Täter dies auch beabsichtigen muss. Dadurch soll der Handel mit Verbrechen als Dienstleistung („crime as a service“) erfasst werden oder die Fälle, bei denen der Handel selbst bereits als Verbrechen zu qualifizieren ist, wie bspw. bei der Verbreitung kinderpornografischer Schriften (§ 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB). 

Die Unterstreichungen zeigen die inhaltlichen Änderungen des Regierungsentwurfs:

„§ 127 – Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet; Bereitstellen von Server-Infrastrukturen 

(1) Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich eine Server-Infrastruktur für eine Tat nach Satz 1 bereitstellt. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind 

1. Verbrechen, 

2. Vergehen nach 

a) den §§ 86, 86a, 91, 130, 147 und 148 Absatz 1 Nummer 3, den §§ 149, 152a, 152b und 176a Absatz 2, § 176b Absatz 2, § 180 Absatz 2, § 184b Absatz 1 Satz 2, § 184c Absatz 1, § 184l Absatz 1 und 3, den §§ 202a, 202b, 202c, 202d, 232 und 232a Absatz 1, 2, 5 und 6, § 232b Absatz 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 232a Absatz 5 sowie den §§ 233, 233a, 236, 259, 260, 263, 263a, 267, 269, 275, 276, 303a und 303b,

b) § 4 Absatz 1 bis 3 des Anti-Doping-Gesetzes, 

c) § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, und Absatz 2 sowie 3 des Betäubungsmittelgesetzes, 

d) § 19 Absatz 1 bis 3 des Grundstoffüberwachungsgesetzes, 

e) § 4 Absatz 1 und 2 des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes, 

f) § 95 Absatz 1 bis 3 des Arzneimittelgesetzes, 

g) § 52 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe b und c, Absatz 2 und 3 Nummer 1 und 7 sowie Absatz 5 und 6 des Waffengesetzes, 

h) § 40 Absatz 1 bis 3 des Sprengstoffgesetzes, 

i) § 13 des Ausgangsstoffgesetzes, 

j) den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes sowie 

k) den §§ 51 und 65 des Designgesetzes. 

(2) Handelsplattform im Internet im Sinne dieser Vorschrift ist jede virtuelle Inf-rastruktur im frei zugänglichen wie im durch technische Vorkehrungen zugangsbeschränkten Bereich des Internets, die Gelegenheit bietet, Menschen, Waren, Dienst-leistungen oder Inhalte (§ 11 Absatz 3) anzubieten oder auszutauschen. 

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer im Fall des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. 

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer bei der Begehung einer Tat nach Absatz 1 Satz 1 beabsichtigt oder weiß, dass die Handelsplattform im Internet den Zweck hat, Verbrechen zu ermöglichen oder zu fördern. 

Am 26. März 2021 beschäftigte sich der Bundesrat erstmals mit dem Entwurf und nahm entsprechend der Empfehlungen der Ausschüsse dazu Stellung (BR Drs. 147/1/21). 

Am 16. April 2021 hat der Bundestag in erster Lesung den Regierungsvorschlag beraten. Er wurde im Anschluss an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. Dort fand am 3. Mai 2021 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Ob die Einführung eines neuen Straftatbestandes erforderlich ist, darüber waren sich die Experten uneinig. Prof. Dr. Matthias Jahn sah in erster Linie die Gefahr einer Überkriminalisierung. Strafbarkeitslücken seien derzeit in diesem Bereich nicht vorhanden. Einzelfalllösungen fänden sich bereits in den Deliktsbereichen des Betäubungsmittel-, Waffen- oder Arzneimittelrechts. Gleicher Ansicht war auch Prof. Dr. Mark A. Zöller. Darüber hinaus sei auch der Straftatenkatalog des § 127 StGB-E zu weit geraten und verstoße damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dem schloss sich ebenfalls Dr. Christian Rückert an. Mit dem Entwurf des § 127 StGB verlagere man die Strafbarkeit in das sog. Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung. So könnte schließlich auch ein Anfangsverdacht gegen legale Plattformen begründet werden. Prof. Dr. Jörg Eisele zog das Beispiel des Attentats beim Münchner Olympia-Einkaufszentrum im Juli 2016 heran um zu zeigen, wo im deutschen Recht Strafbarkeitslücken bestünden. Er kam zu dem Ergebnis, dass es vertretbar sei, eine Strafbarkeit rein an das Betreiben einer Platform zu knüpfen, die kriminellen Zwecken diene. Jun.-Prof. Dr. Dominik Brodowski gab allgemein zu bedenken, dass die derzeitige hohe Taktung von Änderungen in der Strafgesetzgebung eine rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung erschwere und es nicht verwundere, dass über die Ausgestaltung des Entwurfs Streit bestehe. Prof. Ulrich Kelber (BfDI) griff in seiner Stellungnahme an den Rechtsausschuss einen ähnlichen Aspekt auf. Es solle wieder eine neue Überwachungsmöglichkeit geschaffen werden, ohne dass ein Bedarf geprüft worden sei. 

Dr. Oliver Piechaczek vom DRB begrüßte den Entwurf. Hinzukommen sollte jedoch eine entsprechende Aufstockung der personellen Ressourcen bei den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden. Dem widersprach auch OStA Thomas Goger nicht. So würden Nachweisschwierigkeiten aufgegriffen und rechtssicher gelöst. Verbesserungsbedarf bestehe aber bspw. in der Aufnahme des Tatbestandes der Erpressung in den Straftatenkatalog sowie in der Anhebung des Strafrahmens im Zusammenhang mit Kinderpornografie. Dem schloss sich OStA Thomas Wullrich an. Er empfahl, den Tatbestand der Geldwäsche ebenfalls zusätzlich in den Straftatenkatalog aufzunehmen sowie die Möglichkeit zur TKÜ zu erweitern. 

Am 24. Juni 2021 nahm der Bundestag den Gesetzentwurf in der vom Ausschuss geänderten Fassung (BT Drs. 19/30941/BT Drs. 19/31108) mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und SPD und gegen die Stimmen der FDP, Linke und Grüne an. Die AfD enthielt sich ihrer Stimme. Bereits einen Tag später passierte das Gesetz den Bundesrat, der auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtete. 

Das Gesetz zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet wurde am 19. August 2o21 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2021, S. 3544 ff.). Es tritt am 1. Oktober 2021 in Kraft. 

 

 

 

 

Gesetz zur umfassenden Verfolgung der organisierten Steuerhinterziehung

Gesetzentwürfe: 

NRW hat erneut einen Gesetzesantrag zur umfassenden Verfolgung der organisierten Steuerhinterziehung auf den Weg gebracht (BR Drs. 66/22, BR Drs. 638/20). Der Entwurf wurde bereits im Januar 2021 in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/25819) und unterfiel mit Ablauf der Legislaturperiode dem Grundsatz der Diskontinuität. 

Der Bundesrat hat am 11. März 2o22 direkt und ohne vorbereitende Ausschussberatungen über die Initiative entschieden und brachte den Entwurf am 27. April 2022 in den Bundestag ein (BT Drs. 20/1518). Die Bundesregierung lehnt ihn in ihrer Stellungnahme jedoch ab. Sie wird bis Ende 2022 einen eigenen Entwurf vorlegen, „der die im Koalitionsvertrag zur stärkeren Bekämpfung der organisierten Steuerkriminalität vorgesehenen Aspekte (mit größtmöglicher Konsequenz Steuerhinterziehung und aggressive Steuergestaltungen zu verfolgen und zu unterbinden sowie das strategische Vorgehen gegen Steuerhinterziehung organisatorisch und personell stärken) beinhalten, Informationsmöglichkeiten verbessern und Ermittlungsbehörden stärken wird“.

 


19. Legislaturperiode: 

 

Das Land Nordrhein-Westfalen hat einen Gesetzesantrag zur umfassenden Verfolgung der organisierten Steuerhinterziehung (BR Drs. 638/20) in den Bundesrat eingebracht. 

Die in Bandenstrukturen verübte Steuerhinterziehung habe im Verlauf der letzten Jahre ein immenses Ausmaß angenommen und präge die organisierte Wirtschaftskriminalität. Der Unrechts- und Schuldgehalt sei jedoch über den Tatbestand der Steuerhinterziehung hinaus nicht erfasst. Zwar sei mit Wirkung zum 1. Januar 2008 die organisierte bandenmäßige Steuerhinterziehung mit einem Regelbeispiel in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO eingefügt worden, er betreffe aber lediglich die Verkürzung oder Hinterziehung von Umsatz- oder Verbrauchssteuern. Die hochprofessionelle und konspirative Zusammenarbeit der Tätergruppen bei Cum-Ex-Geschäften erschwere die Aufklärung der Taten und der Schaden sei groß. Es komme nicht nur zu erheblichen Steuerausfällen, sondern auch zu Wettbewerbsverzerrungen. Daher soll nicht nur zur Sicherung des Steueraufkommens, sondern auch zur Wahrung der Steuergerechtigkeit, der bandenmäßig organisierten Steuerhinterziehung der Kampf angesagt werden. 

Der Entwurf sieht vor, das Regelbeispiel der besonders schweren Steuerhinterziehung als Mitglied einer Bande nicht nur auf die Hinterziehung von Umsatz- und Verbrauchssteuern zu begrenzen. Dadurch werden die Fälle, „die der schweren Kriminalität zugehören und deren Organisations- sowie Kommunikationsstrukturen von außen in offen ermittelnder Form nicht zugänglich sind (BT-Drs. 16/5846, S. 42)“ mit erfasst. Eine zusätzliche Erweiterung des Straftatenkatalogs des § 100a StPO soll damit entbehrlich sein, da die erforderlichen Ermittlungsmethoden über § 100a Abs. 2 Nr. 2 lit. a StPO zur Verfügung stehen. 

Der Entwurf wurde am 6. November 2020 im Plenum vorgestellt und im Anschluss an die Debatte zwecks weiterer Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Der federführende Rechtsausschuss empfahl dem Bundesrat, den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen (BR Drs. 638/1/20). Das Plenum entschied sich am 27. November 2020 dafür und brachte am 14. Januar 2021 den Entwurf in den Bundestag ein (BT Drs. 19/25819). 

 

 

Änderung des Betäubungsmittelgesetzes – Einführung von „Drug-Checking“

Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz — ALBVVG) vom 26. Juli 2023: BGBl. I 2023, Nr. 197

 

Gesetzentwürfe: 

  • Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit: BT Drs. 20/7397

Am 23. Juni 2023 hat der Bundestag einen Regierungsentwurf zur Bekämpfung von Arzneimittel-Lieferengpässen verabschiedet. Der Gesundheitsausschuss hatte zuvor 31 Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen gebilligt. Darunter befanden sich 10 fachfremde Änderungen. Unter anderem wurde eine Regelung zum Drug Checking im BtMG getroffen. Damit soll es den Ländern ermöglicht werden, Modellvorhaben zu schaffen.

Hierzu ist geplant, einen § 10b in das BtMG einzufügen: 

„§ 10b – Erlaubnis für die Durchführung von Modellvorhaben zu Substanzanalysen

(1) Die zuständigen Landesbehörden können eine Erlaubnis für Modellvorhaben zur qualitativen und quantitativen chemischen Analyse von mitgeführten, nicht ärztlich, zahnärztlich oder tierärztlich verschriebenen Betäubungsmitteln erteilen, wenn mit der Analyse eine Risikobewertung und gesundheitliche Aufklärung über die Folgen des Konsums für die die Betäubungsmittel besitzende Person verbunden ist (Drug-Checking Modellvorhaben).

(2) Die Landesregierungen haben zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und einer besseren gesundheitlichen Aufklärung durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Erteilung einer in Absatz 1 genannten Erlaubnis einschließlich der hierfür geltenden Voraussetzungen zu erlassen. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 sind insbesondere folgende Anforderungen an die Durchführung von Drug-Checking Modellvorhaben festzulegen:

1. Vorhandensein einer zweckdienlichen sachlichen Ausstattung;

2. Gewährleistung einer Aufklärung über die Risiken des Konsums von Betäubungsmitteln einschließlich einer Beratung zum Zweck der gesundheitlichen Risikominderung beim Konsum;

3. Gewährleistung einer Vermittlung in weiterführende Angebote der Suchthilfe bei Bedarf seitens der Konsumierenden;

4. Dokumentation der zur Untersuchung eingereichten Substanzen mit Untersuchungsergebnis und der angewandten Methode zur Ermöglichung der in Absatz 3 Satz 1 genannten gesundheitlichen Aufklärung und wissenschaftlichen Begleitung und zur Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse in öffentlichen substanzbezogenen Warnungen;

5. Vorgaben zur Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs bei Verwahrung und Transport von zu untersuchenden Proben und zur Vernichtung der zu untersuchenden Proben nach der Substanzanalyse;

6. Festlegung erforderlicher Formen der Zusammenarbeit mit den für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen örtlichen Behörden;

7. ständige Anwesenheit während der üblichen Geschäftszeiten des Modellvorhabens von persönlich zuverlässigem Personal in ausreichender Zahl, das für die Erfüllung der in den Nummern 1 bis 6 genannten Anforderungen fachlich qualifiziert ist;

8. Vorhandensein einer sachkundigen Person, die für die Einhaltung der in den Nummern 1 bis 7 genannten Anforderungen, der Auflagen der Erlaubnisbehörde sowie der Anordnungen der Überwachungsbehörde verantwortlich ist und die die ihr obliegenden Verpflichtungen ständig während der üblichen Geschäftszeiten des Modellvorhabens erfüllen kann und gegenüber der zuständigen Behörde vor Erteilung der in Absatz 1 genannten Erlaubnis zu benennen ist. 

In der Rechtsverordnung nach Satz 1 sind das Verfahren der Erteilung der in Absatz 1 genannten Erlaubnis und die hierfür jeweils zuständige Behörde zu bestimmen.

(3) Die Länder stellen jeweils eine wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Modellvorhaben im Hinblick auf die Erreichung der Ziele einer besseren gesundheitlichen Aufklärung sowie eines verbesserten Gesundheitsschutzes sicher. Die Länder übermitteln dem Bundesministerium für Gesundheit oder einem von ihm beauftragten Dritten auf Anforderung die Ergebnisse der Modellvorhaben.“

In seiner Sitzung am 7. Juli 2023 hat der Bundesrat das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz gebilligt. Das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz — ALBVVG) wurde am 26. Juli 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2023, Nr. 197). Es tritt vorbehaltlich der Abs. 2 bis 4 am Tag nach der Verkündung in Kraft. Art. 2 Nr. 5 lit. b, die Art. 2a und 4 Nr. 2 sowie Art. 4a treten am 1. August 2023 in Kraft. Art. 3 Nr. 2 und Art. 4 Nr. 1 und 3 sowie Art. 7 treten am 27. Dezember 2023 in Kraft. Der übrige Art. 2 Nr. 4 tritt erst am 1. Februar 2024 in Kraft.


 


19. Legislaturperiode: 

 

Das Bundesland Hessen hat einen Gesetzesantrag zur Einführung des sog. Drug-Checking in den Bundesrat eingebracht (BR Drs. 643/20). 

Dabei handelt es sich um eine Einrichtung zur qualitativen und quantitativen chemischen Analyse und Bewertung unbekannter Substanzen, damit Konsumierende oder Dritte sich nicht nur über den untersuchten Stoff, sondern auch über ihre möglichen Gefahren und Gesundheitsrisiken informieren können. Gleichzeitig ist eine Kontaktaufnahme der Drogenhilfe zu den Konsumierenden möglich. 

In anderen europäischen Ländern wird Drug-Checking bereits seit Jahrzehnten durchgeführt. In Deutschland scheiterte der Versuch der Einführung des Drug Checking bislang am BtMG, da der Verkehr mit Betäubungsmitteln unter Erlaubnisvorbehalt steht. Der Entwurf sieht die Aufnahme eines § 10b in das BtMG vor, der die Rechtsgrundlage für das Drug-Checking schafft. Dabei soll sich die Regelung an § 10a BtMG anlehnen, der die Grundlage für die Einrichtung von Drogenkonsumräumen schafft. 

„§ 10b Erlaubnis für den Betrieb von Drogenuntersuchungseinrichtungen

(1) Einer Erlaubnis der zuständigen obersten Landesbehörde bedarf, wer eine Einrichtung zur qualitativen und quantitativen chemischen Analyse von zur Untersuchung überlassenen Betäubungsmitteln sowie neuen psychoaktiven Stoffen einschließlich einer Risikobewertung und Aufklärung (Drogenuntersuchungseinrichtung) betreiben will; einer Erlaubnis bedarf es auch, wenn die Einrichtung einen Laborbetrieb mit der chemischen Analyse der überlassenen Substanzen beauftragt. Eine Erlaubnis kann nur erteilt werden, wenn die Landesregierung die Voraussetzungen für die Erteilung in einer Rechtsverord- nung nach Maßgabe des Absatzes 2 geregelt hat.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 zu regeln. Die Regelungen müssen insbesondere folgende Mindeststandards für die Sicherheit und Kontrolle bei dem Betrieb von Drogenuntersuchungseinrichtungen festlegen:

1. die zweckdienliche sachliche Ausstattung der Räumlichkeiten, die als Drogenuntersuchungseinrichtung dienen sollen, 

2. die Art und Weise der Aufbewahrung der überlassenen Substanzen sowie gegebenenfalls der Weiterleitung an den beauftragten Laborbetrieb,

3. die Beratung der Nutzerinnen und Nutzer der Drogenuntersuchungseinrichtung über gesundheitliche Risiken des Konsums von Betäubungsmitteln und neuen psychoaktiven Stoffen sowie über Maßnahmen zur Verminderung gesundheitlicher Risiken,

4. die Vermittlung von weiterführenden und ausstiegsorientierten Angeboten der Beratung und Therapie,

5. die Art und den Umfang der Veröffentlichung und Weitergabe der Untersuchungsergebnisse, 

6. die Anforderungen zur Vernichtung der überlassenen Substanzen nach der Untersuchung, 

7. die erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten nach diesem Gesetz im Zusammenhang mit dem Betrieb der Drogenuntersuchungseinrichtungen, abgesehen vom Besitz von Betäubungsmitteln nach § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zum Eigenverbrauch in geringer Menge,

8. die erforderlichen Formen der Zusammenarbeit mit den für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen örtlichen Behörden, um Straftaten im unmittelbaren Umfeld der Drogenuntersuchungseinrichtungen soweit wie möglich zu verhindern,

9. die Dokumentations- und Evaluationspflichten der Drogenuntersuchungseinrichtungen,

10. die Anwesenheit von persönlich zuverlässigem Personal, das für die Erfüllung der in den Nummern 2 bis 9 genannten Anforderungen fachlich ausgebildet ist, in ausreichender Zahl,

11. die Qualifikation der mit der Untersuchung der Substanzen betrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

12. die Anforderungen an einen mit der Untersuchung beauftragten Laborbetrieb und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

13. die Benennung einer sachkundigen Person, die für die Einhaltung der in den Nummern 1 bis 12 genannten Anforderungen, der Auflagen der Erlaubnisbehörde sowie der Anordnungen der Überwachungsbehörde verantwortlich ist (verantwortliche Person) und die ihr obliegenden Verpflichtungen ständig erfüllen kann.

(3) Für das Erlaubnisverfahren gelten § 7 Satz 1 und 2 Nummer 1 bis 4 und 8, die §§ 8, 9 Absatz 2 und § 10 entsprechend; dabei tritt an die Stelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte jeweils die zuständige oberste Landesbehörde, an die Stelle der obersten Landesbehörde jeweils das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.“

Der Gesetzentwurf wurde am 6. November 2020 im Plenum vorgestellt und anschließend an die Ausschüsse überwiesen. Der federführende Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den Entwurf in den Bundestag einzubringen, der Rechtsausschuss lehnt dies ab (BR Drs. 643/1/20). Der Bundesrat sollte am 27. November 2020 darüber entscheiden, der Tagesordnungspunkt wurde jedoch kurzfristig wieder gestrichen. 

Am 20. April 2021 brachte die Fraktion Die Linke einen entsprechenden Antrag in den Bundestag ein (BT Drs. 19/28774). 

Am 26. Mai 2021 hat der Ausschuss für Gesundheit in seiner Beschlussempfehlung dem Bundestag zu einer Ablehnung des Antrags der Fraktion geraten (BT Drs. 19/30042). Ein entsprechender Beschluss des Bundestage erging schließlich am 23. Juni 2021 ohne weitere Aussprache in einer abschließenden Beratung.  

 

 

Gesetz zur Entfristung von Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung

Gesetz zur Entfristung von Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung vom 3. Dezember 2020: BGBl I 2020 Nr. 59, S. 2667

Gesetzentwürfe: 

 

Am 28. Oktober 2020 haben die Fraktionen CDU/CSU und SPD einen Gesetzentwurf zur Entfristung von Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/23706). Um den Herausforderungen im Bereich des internationalen Terrorismus und Rechtsterrorismus begegnen zu können, bedürfe es einer Verstetigung der Befugnisse, um die Aufklärung von Angriffen auf den demokratischen Rechtsstaat zu gewährleisten. 

Die im BVerfSchG durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 befristet eingeführten Regelungen sollen dazu dauerhaft konsolidiert werden. Ebenfalls eingeschlossen werden sollen die Verweisungen im MAD- und BND-Gesetz. Dabei geht es insbesondere um Auskunftspflichten von Luftverkehrsunternehmen und Finanzdienstleistern. Aber auch Unternehmen aus der Branche der Telekommunikation und Telemedien sind zwecks Netzwerkaufklärung sowie Regelungen zum IMSI-Catcher-Einsatz zur Feststellung genutzter Mobiltelefonnummern und zur Ausschreibung im Schengener Informationssystem zur Nachverfolgung internationaler Bezüge davon betroffen. Nach vier Evaluierungen sei der praktische Bedarf für diese Regelungen bestätigt worden. 

Am 29. Oktober 2020 wurde der Gesetzentwurf der Fraktionen bereits erstmalig im Bundestag debattiert. Er wurde im Anschluss zusammen mit dem Evaluationsbericht (BT Drs. 19/23350) der Bundesregierung zur weiteren Beratung an den federführenden Innenausschuss überwiesen. Dort fand am 2. November 2020 eine Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen finden Sie hier. Die Experten äußerten Bedenken hinsichtlich der Festschreibung der erweiterten Befugnisse der Nachrichtendienste und wiesen auf zwischenzeitlich ergangene Urteile des BVerfG hin, aus denen abzuleiten sei, dass die Entfristung der entsprechenden Regelungen grundgesetzwidrig seien, insbesondere die Vorschriften zur Datenübermittlung zum Zweck der Strafverfolgung, so Prof. Dr. Matthias Bäcker. Es sei „eine verfassungsrechtlich abgeleitete Reform“ dringend erforderlich. Dr. Nikolaos Gazeas nannte das Recht der Nachrichtendienste einen „Trümmerhaufen“, weshalb eine Reform „kein leichtes Unterfangen“ sei. Prof. Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, betonte, dass zunächst die vorgegebenen Aufgaben des BVerfG zu erledigen seien, bevor über eine Entfristung diskutiert werden könne. Das Vorhaben wurde jedoch von Prof. Dr. Ferdinand Gärditz als verfassungsrechtlich und inhaltlich unbedenklich angesehen. Er betonte zwar, dass es „gute Gründe“ für eine Gesamtreform gebe, allerdings sei dafür „jetzt nicht die Zeit“. Die Nachrichtendienste hätten in der Vergangenheit von ihren erweiterten Befugnissen lediglich „selektiv“ Gebrauch gemacht. Jürgen Peter (BKA) befürwortete ausdrücklich den Gesetzentwurf, da Terrorismus heute „aktueller denn je“ sei. Schließlich seien die Erkenntnisse der Nachrichtendienste auch für die polizeiliche Ermittlungsarbeit und die Strafverfolgung unerlässlich.

Am 5. November 2020 hat das Plenum über den Entwurf in 2. und 3. Lesung abgestimmt und ihn mit der Mehrheit der Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen von FDP, Grünen und Linken angenommen. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses (BT Drs. 19/24008) zugrunde. 

Am 27. November 2020 befasste sich der Bundesrat abschließend mit dem Entwurf und stimmte dem Gesetz zu. Das Gesetz zur Entfristung von Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung vom 3. Dezember 2020 (BGBl I 2020 Nr. 59, S. 2667) wurde am 9. Dezember 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 

 

 

 

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/816 sowie zur Änderung weiterer Vorschriften

Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/816 sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 10. August 2021: BGBl. I 2021, S. 3420 ff

Gesetzentwürfe:

 

Der Referentenentwurf vom 14. Oktober 2020 nimmt Anpassungen an der StPO und am BZRG vor, um die Durchführung der unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltenden Verordnung zu gewährleisten.

Ziel der Verordnung ist die Verbesserung des Europäischen Strafregisterinformationssystems „ECRIS“. Dieses System vernetzt die verschiedenen Strafregister der Mitgliedstaaten, ohne diese inhaltlich zu verändern. Mit der Verordnung sollen nun der Austausch von Strafregisterinformationen über verurteilte Personen, die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind oder die neben einer EU-Staatsbürgerschaft auch die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates besitzen, über verurteilte Staatenlose oder Personen, deren Staatsangehörigkeit unbekannt ist, verbessert werden.

Um die Durchführung der Verordnung zu ermöglichen, müssen zum einen die Grundlagen zur Aufnahme von Fingerabdrücken in der StPO geschaffen werden (§ 81b StPO-E) und zum anderen Regelungen zur Datenverarbeitung und zum Datenaustausch im BZRG.

Daneben sieht das BMJV weitere Änderungen des BZRG vor. Sie dienen der durchgehenden geschlechtsneutralen Formulierung des BZRG oder sehen Klarstellungen zum datenschutzrechtlichen Umfang von Rechtsgrundlagen für automatisierte Übermittlungsverfahren vor. Außerdem soll die Bewährungshilfe in Zukunft eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister erhalten können. Weitere Anpassungen betreffen das Gewerbezentralregister und die Gewerbeordnung.

Am 27. Januar 2021 wurde der Entwurf vom Bundeskabinett beschlossen. Am 20. Mai 2021 hat der Bundestag den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses unverändert angenommen. Am 25. Juni 2021 passierte er den Bundesrat, der auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtete. 

Das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/816 sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 10. August 2021 wurde am 17. August 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2021, S. 3420 ff.). Es trat überwiegend bereits am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften

Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021: BGBl I 2021 Nr. 37, S. 2099 ff.

Gesetzentwürfe: 

 

Das BMJV hat am 15. Oktober 2020 einen Referentenentwurf zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften veröffentlicht. 

Unter Fortentwicklung soll das Anliegen verstanden werden, „das Strafverfahren an die sich ständig wandelnden gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen anzupassen und so dafür Sorge zu tragen, dass die Strafrechtspflege ihre wesentlichen verfassungsrechtlichen Aufgaben – die Aufklärung von Straftaten, die Ermittlung des Täters, die Feststellung seiner Schuld und seine Bestrafung wie auch den Freispruch des Unschuldigen – zum Schutz der Bürger in einem justizförmigen und auf die Ermittlung der Wahrheit ausgerichteten Verfahren zu erfüllen vermag.“ 

An erster Stelle soll daher das Recht des Ermittlungsverfahrens an den entsprechenden Stellen modernisiert und Regelungslücken auf dem Sektor der Ermittlungsbefugnisse geschlossen werden. 

Der Entwurf sieht daher einen umfangreichen Katalog an Änderungen, bzw. Erweiterungen in verschiedenen Bereichen vor: 

Ermittlungsverfahren:

  • Einsatz sog. automatisierter Kennzeichenlesesysteme (AKLS) zu Fahndungszwecken:

§ 163g StPO-E – Automatische Kennzeichenerfassung zu Fahndungszwecken

„(1) An bestimmten Stellen im öffentlichen Verkehrsraum dürfen ohne das Wissen der betroffenen Personen amtliche Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung durch den Einsatz technischer Mittel automatisch erhoben werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist und die Annahme gerechtfertigt ist, dass diese Maßnahme zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten führen kann. Die automatische Datenerhebung darf nur vorübergehend und nicht flächendeckend erfolgen. 

(2) Die nach Maßgabe von Absatz 1 erhobenen amtlichen Kennzeichen von Kraftfahrzeugen dürfen automatisch abgeglichen werden mit Halterdaten von Kraftfahrzeugen, 

1. die auf den Beschuldigten zugelassen sind oder von ihm genutzt werden, oder 

2. die auf andere Personen als den Beschuldigten zugelassen sind oder von ihnen genutzt werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, und die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise erheblich weniger erfolgsversprechend oder wesentlich erschwert wäre. 

Der automatische Abgleich hat unverzüglich nach der Erhebung nach Absatz 1 zu erfolgen. Im Trefferfall ist unverzüglich die Übereinstimmung zwischen den erhobenen amtlichen Kennzeichen und den in Satz 1 bezeichneten Halterdaten manuell zu überprüfen. Wenn kein Treffer vorliegt oder die manuelle Überprüfung den Treffer nicht be-stätigt, sind die erhobenen Daten sofort und spurenlos zu löschen. 

(3) Die Anordnung der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ergeht schriftlich. Sie muss das Vorliegen der Voraussetzungen der Maßnahmen darlegen und diejenigen Halterdaten, mit denen die automatisch zu erhebenden Daten nach Absatz 2 Satz 1 abgeglichen werden sollen, genau bezeichnen. Die bestimmten Stellen im öffentlichen Verkehrsraum (Absatz 1 Satz 1) sind zu benennen und die Anordnung ist zu befristen. 

(4) Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der Zweck der Maßnahmen erreicht, sind diese unverzüglich zu beenden.“ 

  • Erweiterung der Befugnis im Rahmen der Postbeschlagnahme in § 99 Abs. 2 StPO-E (einen ähnlichen Vorstoß gab es bereits aus dem Freistaat Bayern, BR Drs. 401/20): 

„(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 ist es auch zulässig, von Personen oder Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienste erbringen oder daran mitwirken, Auskunft über Postsendungen zu verlangen, die an den Beschuldigten gerichtet sind, von ihm herrühren oder für ihn bestimmt sind. Die Auskunft umfasst ausschließlich die aufgrund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts erhobenen Daten, soweit sie Folgendes betreffen: 

1. Namen und Anschriften von Absendern und Empfängern, 
2. Art des in Anspruch genommenen Postdienstes,
3. Maße und Gewicht der jeweiligen Postsendung sowie
4. Zeit- und Ortsangaben zum jeweiligen Postsendungsverlauf. 

Auskunft über den Inhalt der Postsendung darf darüber hinaus nur verlangt werden, wenn die in Satz 1 bezeichneten Personen oder Unternehmen davon auf rechtmäßige Weise Kenntnis erlangt haben. Auskunft nach den Sätzen 2 und 3 müssen sie auch über solche Postsendungen erteilen, die sich noch nicht oder nicht mehr in ihrem Gewahrsam befinden.“ 

  • Einschränkungen bei den Rechtsinstituten der Sicherheitsleistung und des Zustellungsbevollmächtigten (§ 132 StPO)
  • Vereinheitlichung des Begriffs der Nachtzeit im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung (§ 104 Abs. 3 StPO):

„(3) Die Nachtzeit umfasst den Zeitraum von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens.“ 

  • Anpassung des § 114b StPO (Belehrung des verhafteten Beschuldigten) und gleichzeitig die Reform der Vernehmungsvorschriften (§§ 136, 163a StPO), u.a. die ausdrückliche Regelung der Vernehmung im Ermittlungsverfahren mit Hilfe von Bild- und Tonübertragung (§ 58b StPO)

Ergänzende Regelungen im Bereich der Reform des Strafverfahrens seit 2017

  • Nachsteuerung bei der Vermögensabschöpfung (Änderungen im StGB, in der StPO, im RPflG, im EGStGB, in der AO und im EGAO), insbesondere soll der Ausschlusstatbestand des § 73e Abs. 1 StGB ergänzt werden 
  • Änderungen und Ergänzungen im Rahmen der Einführung der elektronischen Akte
  • Änderungen im Gerichtsdolmetschergesetz
  • Streichung irrtümlicher Doppelungen in § 479 StPO – Übermittlungsverbote und Verwendungsbeschränkungen (Streichung des Abs. 3, der fast wortgleich mit § 100e Abs. 6 Nr. 2 und § 101a Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2 bis 5 StPO ist)

Sonstige Korrekturen und Anpassungen, u.a.

  • Einführung einer Definition des Verletzten in der StPO (§ 373b StPO-E)
  • Stärkung des Zeugenschutzes in Bezug auf personenbezogene Daten (§§ 68, 200, 222 StPO)
  • Neuregelung im Rahmen der Protokollierung richterlicher und ermittlungsbehördlicher Untersuchungshandlungen (§§ 168 bis 168b StPO)

„§ 168aStPO-E  Art der Protokollierung; Aufzeichnungen 

Die Absätze 2 bis 4 werden durch die folgenden Absätze 2 bis 5 ersetzt: 

(2) Wird das Protokoll während der Verhandlung erstellt, so ist es den an der Verhandlung beteiligten Personen, soweit es sie betrifft, zur Genehmigung auf einem Bildschirm anzuzeigen, vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen, soweit sie nicht darauf verzichten. Die Genehmigung und ein etwaiger Verzicht sind zu vermerken. 

(3) Wird die Verhandlung in Bild und Ton oder nur in Ton aufgezeichnet, so kann das Protokoll während der Verhandlung nach Maßgabe des Absatzes 2 oder nach Beendigung der Verhandlung anhand der Aufzeichnung erstellt werden. Wird das Protokoll nach Beendigung der Verhandlung in Form einer Zusammenfassung ihres Inhalts erstellt, so ist es den an der Verhandlung beteiligten Personen zur Genehmigung zu übermitteln, soweit sie nicht darauf verzichtet haben. Wird eine wörtliche Übertragung vorgenommen oder eine maschinelle Übertragung von einer Person überprüft, so versieht diese Person die Übertragung mit ihrem Namen und dem Zusatz, dass die Richtigkeit der Übertragung bestätigt wird. 

(4) Wird die Verhandlung in Form einer Zusammenfassung ihres Inhalts vorläufig aufgezeichnet, so ist die vorläufige Aufzeichnung den beteiligten Personen zur Genehmigung auf einem Bildschirm anzuzeigen, vorzuspielen, vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen, soweit sie nicht darauf verzichten. In dem nach Beendigung der Verhandlung gemäß Absatz 3 Satz 3 zu erstellenden Protokoll sind das jeweilige Vorgehen, ein etwaiger Verzicht und die Genehmigung zu vermerken. 

(5) Aufzeichnungen nach Absatz 3 und vorläufige Aufzeichnungen nach Absatz 4 sind zu den Akten zu nehmen oder, wenn sie sich nicht dazu eignen, bei der Geschäftsstelle mit den Akten aufzubewahren. Der Nachweis der Unrichtigkeit des Protokolls anhand der Aufzeichnung ist zulässig.“ 

  • Stärkung der Rechte des Verteidigers bei Beschuldigtenvernehmungen (§ 168c StPO)

Satz 3: „Die Benachrichtigung des Verteidigers von der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten unterbleibt nur, wenn sie den Untersuchungserfolg erheblich gefährden würde.“ 

  • Einführung des Schutzguts der sexuellen Selbstbestimmung in das GewSchG

Am 20. Januar 2021 hat die Bundesregierung den Referentenentwurf des BMJV beschlossen. Justizministerin Christine Lambrecht dazu:

„Wir müssen Betroffene bestmöglich vor Gewalt schützen. Deshalb sollen in Zukunft nicht nur Verletzungen und Bedrohungen des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit vom Gewaltschutzgesetz erfasst sein, sondern auch Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung. Die Zivilgerichte können künftig auch in solchen Fällen unter anderem anordnen, dass der Täter die gemeinsame Wohnung verlässt und sich dem Opfer nicht mehr nähert. Ein Verstoß gegen solche Schutzanordnungen ist mit Strafe bedroht. Zeugen im Strafverfahren sollen keine Angst vor einer Aussage haben. Die vollständige Anschrift von Zeugen im Strafverfahren soll deshalb besser geschützt werden. In bestimmten Fällen soll die Staatsanwaltschaft außerdem eine Auskunftssperre veranlassen, um zu verhindern, dass bei gefährdeten Zeugen die vollständige Anschrift über eine Abfrage bei der Einwohnermeldebehörde des Wohnorts erlangt werden kann.“

Der Regierungsentwurf enthält im Vergleich zum Referentenentwurf einige Erweiterungen für das Entwicklungsprogramm im Bereich der StPO: 

  • Schaffung einer Zurückstellungsmöglichkeit der Benachrichtigung des Beschuldigten bei der Beschlagnahme (§ 95a StPO-E) und Folgeänderungen in § 110 StPO
  • Erweiterung der TKÜ auf die Steuerhinterziehung in großem Ausmaß, wenn der Täter die Tat als Mitglied einer Bande begeht (§ 100a Abs. 2 Nr. 2 lit. a StPO)
  • Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 StPO) bei besonders langer Urteilsabsetzungsdauer
  • Anpassung der Vorschrift zum Urteilsverkündungstermin (§ 268 StPO)
  • Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik im Strafvollstreckungsverfahren (§ 463e StPO-E)

Am 14. April 2021 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt, bei der die Experten den Entwurf unterschiedlich bewerteten. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Stefan Conen vom Deutschen Anwaltverein (DAV) bewertet den Entwurf äußerst kritisch. Es handele sich in kurzer Abfolge um den dritten Entwurf dieser Legislaturperiode, der seinem Titel nach den Anschein zu erwecken suche, eine kohärente Fortschreibung der Strafprozessordnung für künftige Herausforderungen in Angriff zu nehmen. An dieser Aufgabe scheiterten jedoch alle bisherigen Entwürfe, so Conen. Konkret lehne der DAV die geplante Anpassung der Belehrungsvorschriften ab, weil sie rechtsstaatlich untauglich sei und dem Beschuldigten nicht den europäischen Mindeststandard garantiere. Ebenfalls lehnte er die vorgesehene Regelung der Geheimhaltung und Zurückstellung von Benachrichtigungen bei Beschlagnahme und Durchsuchung ab. Änderungen sieht er laut der Stellungnahme bei der Einführung automatisierter Kfz-Kennzeichenabgleichsysteme und bei der Ausdehnung des Verletztenbegriffes für unerlässlich.

Dilken Çelebi, Deutscher Juristinnenbund (djb), nannte die Einführung einer Legaldefinition des Begriffs der „Verletzten“ in der StPO einen wichtigen Schritt zur Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie. Daneben bewertete sie die Verbesserung des Schutzes der Zeuginnen und Zeugen, die zugleich Verletzte und deshalb potentiell in größerer Gefahr seien, durch die Änderungen bezüglich der Angaben zu Wohn- und Aufenthaltsort, positiv. Es mangele dem djb jedoch an einem Anspruch für erwachsene Verletzte eines sexuellen Übergriffs und von Partnerschaftsgewalt auf kostenfreie anwaltliche Vertretung und psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren.

Ali Norouzi, ebenfalls Mitglied im Strafrechtsausschuss des DAV, sah den Entwurf ebenfalls sehr kritisch. Er wolle angesichts des Entwurfs eines „Pizza-mit-Allem-Gesetz“ nicht in Rechtsstaatspessimismus verfallen. Viele Kritikpunkte seien bereits angesprochen worden, weshalb er die Regelung zur Revisionsbegründungspflicht hervorhob, die der einzige Lichtblick des Entwurfs sei.

Christoph Knauer, BRAK, plädierte für Änderungen des Entwurfs, da er als „Flickwerk“gerade nicht der umfassende große Wurf sei, wie er eigentlich nötig sei. Einseitige, verkürzte und unterkomplexe Begründungen für Änderungen seien vor dem Hintergrund der Bedeutsamkeit der Beschuldigtenrechte für den Einzelnen nicht brauchbar. Die Einführung der Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten sei sehr kritisch zu bewerten, so Knauer. Damit werde mit dem Prinzip gebrochen, dass spätestens mit einer Zwangsmaßnahme das Ermittlungsverfahren dem Beschuldigten transparent zu machen ist, um ihm Rechtsschutz zu ermöglichen.

Gerwin Moldenhauer, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, sprach sich für das Ziel des Gesetzgebers aus, das Strafprozessrecht in einer Vielzahl von Einzelaspekten behutsam zu modernisieren. Hervorzuheben sei, dass der Entwurf insbesondere wichtige neue Ermittlungsinstrumente wie beispielsweise die retrograde Auskunft von Postdienstleistern oder die automatische Kennzeichenerfassung biete und bestehende Instrumente nachjustiere. Im Gegensatz zu Knauer sah er die Möglichkeit zur Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten auf richterliche Anordnung hin als sehr wertvoll an.

Alexander Ecker, Oberstaatsanwalt von der Generalstaatsanwaltschaft München, kritisierte, dass die Ermächtigungsgrundlage für die Abfrage von Sendungsdaten bei Postdienstleistern zur Bekämpfung des organisierten Handels mit illegalen Waren nicht weitreichend genug ausgestaltet sei. Die Befugnis der Strafverfolgungsbehörden zur automatischen Erhebung von Fahrzeugkennzeichen sei ebenfalls viel zu eng gefasst, weshalb der praktische Anwendungsbereich damit äußerst begrenzt sei.

Schließlich bewertete Bernard Südbeck, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück, die geplante Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten positiv. Sie schließe eine bestehende Lücke, wodurch bisher bestehende Schwierigkeiten bei der Ermittlung in Fällen der Kinderpornografie, des Drogenhandels und zahlreichen Delikten im Darknet, gelöst würden. Zudem begrüßte er die weiteren Regelungen zur Verbesserung der Arbeit der Ermittlungsbehörden.

Axel Isak, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Baden-Baden, mahnte weiteren Diskussionsbedarf bei diesen Regelungen an.

Am 10. Juni 2021 hat der Bundestag den Regierungsentwurf in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT Drs. 19/30517) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. Am 25. Juni 2021 passierte der Entwurf auch den Bundesrat. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterschrift zugeleitet. 

 

 

Gesetzentwurf zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung – Einziehung von Taterträgen

Gesetzentwürfe: 

 

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat am 10. September 2020 einen Gesetzentwurf zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung – Einziehung von Taterträgen (BT Drs. 19/22113) in den Bundestag eingebracht. Hintergrund ist das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz. Seitdem beschränkt § 34 EGAO gleichzeitig mit § 375a AO die Einziehbarkeit von steuerschuldrechtlich durch Verjährung erloschene Taterträge aus Steuerhinterziehung auf alle am 1. Juli 2020 noch nicht verjährten Steueransprüche. 

Während die Steuerschuld bei Steuerhinterziehung nach 10 Jahren verjährt, verjährt die mögliche Einziehung nach § 76b Abs. 2 StGB erst in 30 Jahren ab Tatbeendigung. Dieses Missverhältnis soll nun aufgelöst werden, damit auch eine Einziehung von Taterträgen in großem Umfang, wie bspw. bei CumEx-Fällen, möglich bleibt. Der Entwurf sieht daher eine gesetzliche Klarstellung dahingehend vor, dass Taterträge aus Steuerhinterziehung, die zwar durch den neuen § 375a AO durch Verjährung erloschen sind, wohl aber der strafrechtlichen Einziehung unterliegen.  

Aus den gleichen Gründen brachte am 10. September 2020 auch die Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein (BT Drs. 19/22119). Sie möchte § 34 EGAO aufheben. 

Am 16. September 2020 fanden beide Entwürfe keine Mehrheit im Finanzausschuss. Es wurde jedoch eine Initiative seitens der Bundesregierung angekündigt. 

 

 

 

 

 

 

 

Gesetzesantrag zur Ermöglichung von Auskunftsverlangen über retrograde und künftige Postsendungsdaten

Gesetzentwürfe: 

 

Der Freistaat Bayern hat einen Gesetzesantrag zur Ermöglichung von Auskunftsverlangen über retrograde und künftige Postsendungsdaten (BR Drs. 401/20) in den Bundesrat eingebracht. Damit möchte das Bundesland gegen den Trend des Versandhandels vorgehen, der mehr und mehr für kriminelle Zwecke eingesetzt wird. Der anonyme und mittels Krypto-Währung abgewickelte Handel mit illegalen Waren über das Darknet habe erheblich zugenommen. Ebenso seien vermehrt Betrugsfälle im Versandhandel zu verzeichnen. Dabei stehe vor allem das Problem der Identifizierbarkeit der Täter im Vordergrund. Ermittlungsansätze ergeben sich dabei beim Übergang der digitalen in die analoge Welt. Als Schlüsselstelle sind dies die Daten, die die Postdienstleister bei der Aufgabe und der Annahme entsprechender Waren festhalten. Für retrograde Auskunftsverlangen besteht jedoch de lege lata keine Verpflichtung der Postdienstleister. Ähnliches ergebe sich für Postsendungen, die sich noch nicht im Gewahrsam des Postdienstleisters befinden. Diese Gesetzeslücke soll der Entwurf nunmehr schließen. Vorgesehen ist die Verankerung einer gesetzlichen Rechtsgrundlage für Auskunftsverlangen der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Postdienstleistern in § 99 Abs. 2 StPO, die sich auf noch nicht ein- oder bereits ausgelieferte Sendungen erstreckt. 

§ 99 Abs. 2 StPO-E:

„(2) Statt einer Beschlagnahme kann der Richter, unter den Voraussetzungen des § 100 auch der Staatsanwalt, von Personen oder Unternehmen, die geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringen, Auskunft über die in Absatz 1 genannten Sendungen verlangen, die vom Beschuldigten herrühren oder für ihn bestimmt sind. Die Auskunft wird auch über solche Sendungen erteilt, die sich bei Eingang des Ersuchens nicht mehr oder noch nicht im Machtbereich der Person oder des Unternehmens befinden.“

Auf Antrag des Freistaates Bayern wurde der Gesetzentwurf am 18. September 2020 den Ausschüssen des Bundesrates zur Beratung zugewiesen. Der federführende Rechtsausschuss sowie der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss empfahlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen (BR Drs. 401/1/20). So entschied auch das Plenum am 27. November 2020.

 

 

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