Hier finden Sie alle Beiträge des KriPoZ-RechtsprechungsReports aus dem Jahr 2022. Die aktuellen Beiträge finden Sie hier.
Das BVerfG wiederholt die einstweilige Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde im Wiederaufnahmeverfahren (§ 362 Nr. 5 StPO). Weil sich weder die Sach- noch die Rechtslage geändert haben, bleibt der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 37/2022
Im sog. „Ku’damm-Raser-Fall“ hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Es liege kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG durch die Annahme der Fachgerichte, der Beschwerdeführer habe mit Tötungsvorsatz gehandelt. Für die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit liege eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vor. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 36/2022
BGH, Urt. v. 8.8.2022 – 5 StR 372/21: BGH zur Anwendung des § 261 StGB n.F.
Der BGH bestimmt wann § 261 Abs. 4 StGB vorliegt und wann in Fällen der Anwendung der neuen Gesetzesvorschrift eine Einziehung nach der früheren Rechtslage erfolgen kann. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 35/2022
BGH, Beschl. v. 25.10.2022 – 5 StR 276/22: Beurteilung der Erforderlichkeit einer Notwehrhandlung
Für die zur Beurteilung der Erforderlichkeit einer Notwehrhandlung gebotene ex ante-Betrachtung i.S.d. § 32 StGB ist entscheidend, wie sich die Lage aus Sicht eines objektiven und umfassend über den Sachverhalt orientierten Dritten in der Tatsituation des Angeklagten nach der unter Beachtung des Zweifelssatzes zu bildenden tatrichterlichen Überzeugung darstellt. Geprägt wird die Tatsituation eines Verteidigers dabei auch durch den ihm in diesem Moment zugänglichen Erkenntnishorizont; maßgeblich ist nicht die Sicht eines allwissenden Beobachters, sondern die Perspektive des sorgfältig beobachtenden Verteidigers. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 34/2022
BGH, Beschl. v. 15.11.2022 – 6 StR 68/22: „3-2-1-0“ Der BGH zur bandenmäßigen Begehungsweise
Eine Bande i.S.d. § 244a Abs. 1 StGB setzt drei Mitglieder voraus. In die konkrete Tatbegehung muss das dritte Mitglied nicht eingebunden sein, jedoch ist erforderlich, dass eine Mitwirkung vorliegt und die Einzeltat Ausfluss der Bandenabrede ist. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 33/2022
Es ist nicht erforderlich, dass der Hang i.S.d. § 64 StGB alleinige Ursache für die Anlasstaten ist. Ein symptomatischer Zusammenhang besteht bereits dann, wenn der Hang mitursächlich für die Straftatenbegehung war. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 32/2022
BGH, Beschl. v. 19.10.2022 – 4 StR 168/21: Zur Reichweite des § 16 Abs. 2 StGB
Der BGH bestimmt, dass ein milderes Gesetz i.S.d. § 16 Abs. 2 StGB allein eine privilegierende lex specialis darstellt. § 184 c Abs. 1 StGB a.F. im Verhältnis zu § 184 b Abs. 1 StGB a.F. erfüllt diese Voraussetzung nicht. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 31/2022
Die § 20 Abs. 1 S. 1 und 2 sowie § 21 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 S. 1 und 2 BVerfSchG sind verfassungswidrig. Die Übermittlung personenbezogener Daten ist mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 30/2022
Der Strafsenat bestimmt, dass eine physische Abhängigkeit nicht vorliegen muss, um einen Hang zu bejahen. Vielmehr spiele die soziale Gefährdung als typische Begleiterscheinung hier mit hinein. Damit hält der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 29/2022
Der für Staatsschutzsstrafsachen zuständige 3. Strafsenat bestätigt die Verurteilung u.a. wegen Mordes, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und das Vorbehalten der Anordnung der Sicherungsverwahrung. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 28/2022
BGH, Urt. v. 21.09.2022 – 6 StR 47/22: Kein Totschlag durch Unterlassen im “Flutkanal-Prozess“
Der BGH bestätigt, dass die Angeklagten nicht mit dem Eintritt des Todes rechneten oder sich damit abfanden und damit eine Strafbarkeit gemäß §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB nicht vorliegt. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 27/2022
Bei der Freiwilligkeit kommt es nicht auf den Einfluss von außen an, sondern darauf, ob der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 26/2022
Die Verwerfung einer Revision durch Beschluss (§ 349 Abs. 2 StPO) – ohne vorherige Durchführung einer mündlichen Verhandlung – verstößt nicht gegen das Prozessgrundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 25/2022
BGH, Beschl. v. 12.05.2022 – 5 StR 398/21: Kein Strafantrag per „einfacher“ E-Mail
Ein Verfahrenshindernis liegt vor, wenn der erforderliche schriftliche Strafantrag der Aufsichtsstelle i.S.d. § 158 Abs. 2 StPO lediglich mittels einfacher E-Mail gestellt wurde. Ein elektronisches Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein (§ 32a Abs. 3 StPO). ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 24/2022
CBD-Blüten stellen Betäubungsmittel i.S.d. BtMG dar und fallen nicht unter eine Ausnahmevorschrift für Cannabis. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 23/2022
Der BGH bestimmt, dass im Falle von Scheinbewerbungen auf Stellenangebote eine Täuschungshandlung über die Ernsthaftigkeit einer Bewerbung nicht deshalb bejaht werden könne, weil nicht ausdrücklich auf die Motivation der Bewerbung eingegangen werde. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 22/2022
Der EuGH stellt klar, dass nationale Regelungen gegen Unionsrecht verstoßen, wenn die Speicherung der Daten präventiv, allgemein und unterschiedslos erfolge. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 21/2022
BGH, Urt. v. 07.09.2022 – 6 StR 52/22: Lebensgefährliche Insulingabe – BGH verneint Tötungsvorsatz
Trotz „extrem hoher Gefährlichkeit“ des Handelns, hat der BGH wegen fehlendem voluntativen Vorsatzelementes den Tötungsvorsatz verneint. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 20/2022
BGH, Beschl. v. 09.08.2022 – 3 StR 206/22: BGH bestimmt Grenzwert für weiteres Betäubungsmittel
Der BGH bestimmt den Beginn einer nicht geringen Menge i.S.v. §§ 29a, 30 BtMG für die Substanz 2C-B (Bromdimethoxyphenethylamin, BDMPEA). ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 19/2022
BGH, Beschl. v. 10.05.2022 – 4 StR 99/22: Sicherungsverwahrung und Strafzumessung
Die zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung ist kein bestimmender Strafzumessungsumstand. Es bedarf keiner Erörterung einer Unterbringung, wenn diese zugleich angeordnet ist. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 18/2022
Eine normative Betrachtung ist erforderlich, um die strafbare Tötung auf Verlangen von der straflosen Beihilfe zum Suizid abzugrenzen. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 17/2022
Das Verwertungsverbot des § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO gilt absolut und auch zugunsten von Mitbeschuldigten. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 16/2022
BVerfG, Beschl. v. 14.07.2022 – 2 BvR 900/22: Eilantrag wegen Wiederaufnahme hat teilweise Erfolg
Dem grundrechtlichen Schutz aus Art. 103 Abs. 3 sowie Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 1 GG kommt unter den vorliegenden Umständen ein größeres Gewicht zu als dem durch die Untersuchungshaft gesicherten staatlichen Strafverfolgungsinteresse. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 15/2022
Bezugspunkt für ein tatbestandsausschließendes Einverständnis in eine Freiheitsberaubung im Sinne des § 239 StGB ist der potentielle Fortbewegungswille und nicht die aktuelle Fortbewegungsfreiheit. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 14/2022
Das Sicherungsverfahren kann unabhängig vom psychischen Zustand des Beschuldigten durchgeführt werden. Dies ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang der §§ 413 ff. StPO und des § 71 Abs. 1 StGB. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 13/2022
Es liegt kein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) vor, wenn ein Strafverfolgungsorgan es unterlässt gegen den Angeklagten selbst einzuschreiten. Ein solcher Anspruch existiert nicht. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 12/2022
BGH, Urt. v. 24.03.2022 – 3 StR 375/20: Geldstrafe neben Freiheitsstrafe (§ 41 StGB)
Verhängt das Tatgericht neben der Freiheits- keine Geldstrafe nach § 41 StGB, obgleich die Verteidigung dies beantragt hat, ist es verfahrensrechtlich nicht analog § 267 Abs. 3 Satz 2 und 4 StPO verpflichtet, die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen darzulegen. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 11/2022
Der BGH bestimmt für weitere Betäubungsmittel Grenzwerte einer „nicht geringen Menge“ gemäß § 30a Abs. 1 BtMG. Hierfür bislang nicht geregelte Werte seien vor dem Hintergrund des verwirklichten Verbrechens in § 30a Abs. 1 BtMG erforderlich. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 10/2022
Das OLG Celle hat entschieden, dass der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft zulässig sei. Die Neuregelung in § 362 Nr. 5 StPO sei insbesondere mit dem Verbot der Doppelbestrafung in Art. 103 Abs. 3 GG vereinbar. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 09/2022
Der BGH hat entschieden, dass § 3 Abs. 2 Nr. 8 der Coronaschutzverordnung NRW und die bußgeldbewehrte Anordnung kein Verfassungsrecht verletzen und damit die Rechtsbeschwerde des Betroffenen verworfen. Zur Unterbindung der Ordnungswidrigkeit war die angeordnete Freiheitsentziehung nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW nicht zu beanstanden. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 08/2022
BVerfG, Beschl. v. 09.02.2022 – 2 BvL 1/20: § 315d StGB ist verfassungskonform
Das Tatbestandsmerkmal „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“ verstößt nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz in Art. 103 Abs. 2 GG. Betroffen vom Verschleifungsverbot sei nur die Auslegungsebene und nicht die Beweiswürdigung. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt eine mit dem Grundgesetz konforme Vorschrift dar. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 07/2022
Das Kammergericht Berlin hat einen russischen Staatsangehörigen unter anderem wegen Mordes verurteilt. Dieser habe von einer staatlichen Stelle innerhalb der Regierung der Russischen Föderation den Auftrag erhalten den Geschädigten aus politischen Motiven zu liquidieren. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 06/2022
Neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe können sowohl Zuchtmittel i.S.v. §§ 13, 15 JGG angeordnet werden als auch inhaltsgleiche Auflagen als Nebenentscheidung gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 2 und 4 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG erteilt werden. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 05/2022
Eine fehlerhafte Maßstabsbildung ist gegeben, wenn angenommen wird, dass eine Beleidigung (§ 185 StGB) aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann vorliege, wenn die Äußerung „lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähkritik“ zu verstehen sei. Erfolgt daraufhin keine Abwägung der betroffenen Rechtspositionen, liegt eine Verletzung in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vor. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 04/2022
BGH, Urteil v. 15.12.2021 – 3 StR 441/20: Urteil im NSU-Verfahren rechtskräftig
Der BGH hat die Revision des Angeklagten gegen die Verurteilung wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 03/2022
Für eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation („Aufstiftung“) kommt es auf das Ausmaß des ausgeübten Drucks des Verdeckten Ermittlers sowie auf den Umfang der Verwicklung in Betäubungsmittelgeschäfte durch den Täter an. ⇒KriPoZ-RR, Beitrag 02/2022
Ein besonderer Antrag der Staatsanwaltschaft für die Einziehung von Tatmitteln im Sicherungsverfahren ist nicht erforderlich. Seit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 413 StPO zum 01.07.2021 erfolgt zur Vereinfachung des Verfahrens die Einziehung im Sicherungsverfahren nach den gleichen prozessualen Regeln wie im Strafverfahren. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 01/2022