KriPoZ-RR, Beitrag 23/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 26.10.2022 – 4 StR 248/22: Mitinsassen als Tatobjekte verbotener Kraftfahrzeugrennen

Sachverhalt:

Das LG Berlin hat den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß §§ 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. b und d, 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 5 StGB  zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und Einziehungs- sowie Entscheidungen zur Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis getroffen. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 286 km/h hat der Angeklagte mit drei weiteren im Pkw befindlichen Personen eine Straße befahren, deren Höchstzulassungsgeschwindigkeit zwischen 30 bis 50 km/h lag. Die hiermit einhergehenden Gefahren nahm der Angeklagte dabei billigend in Kauf. Im weiteren Verlauf kollidierte das Fahrzeug mit einem Baum, wobei die Mitfahrer tödlich verletzt wurden. Der Angeklagte hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt. 

Entscheidung des BGH:

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.  Eine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs konnte der Strafsenat nicht feststellen. Zu einem hierfür erforderlichen  „Beinahe-Unfall“ sei es im ersten Streckenabschnitt nicht gekommen. Keine Rechtsfehler weise hingegen die Entscheidung des LG Berlin bezüglich der Verurteilung wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge auf. Der Strafsenat führt aus, dass Insassen des Fahrzeugs sowohl Tatobjekte i.S.d. § 315c Abs. 1 StGB sein können als auch gemäß § 315d Abs. 2 und 5 StGB. Der persönliche Schutzbereich umfasse „andere Menschen“ insoweit diese keine Tatbeteiligten nach § 28 Abs. 2 StGB darstellen. Hierdurch sollen Strafbarkeitslücken vermieden werden, die aufgrund der unzureichenden Sanktionierung der Beteiligung an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen entstanden waren, erörtert der Senat unter Verweis auf Rechtsprechung und Literatur. 

KriPoZ-RR, Beitrag 22/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier. Die Pressemitteilung finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 22.3.2023 – 6 StR 324/22: Zum heimtückischen Vorgehen i.S.v. § 211 Abs. 2 StGB

Sachverhalt: 

Der Angeklagte wurde vom LG Neuruppin wegen Totschlags gemäß § 212 Abs. 1 StGB verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen waren die Geschädigte und der Angeklagte ein Paar. Der Angeklagte habe beim Versuch, sich zu trennen, die Geschädigte beleidigt und gegen eine Tür gestoßen. Am Tattag trafen sich die beiden in einem ehemaligen Bunker. Nach vorausgegangen Auseinandersetzungen, entschloss sich der Angeklagte die Geschädigte mit einem mitgeführten Stechbeitels zu töten, um „endgültig von ihr loszukommen“. Der Angeklagte traf die Geschädigte mit sieben Stichen, teilweise in Rücken und Nacken, woraufhin diese verstarb. Eine Verurteilung wegen Mordes hat das Gericht mangels Vorliegen von Mordmerkmalen, insbesondere der Heimtücke, verneint. Der Tatplan sei erst kurz vor der Tat gefasst worden. Hiergegen haben die Staatsanwaltschaft und Nebenklage Rechtsmittel eingelegt. 

Entscheidung des BGH:

Die Revisionen haben Erfolg. Der Strafsenat hat das Urteil aufgehoben. Das LG habe rechtsfehlerhaft das Vorliegen des Mordmerkmals der Heimtücke und eine Strafbarkeit wegen Mordes (§ 211 StGB) verneint. Problematisch sei hier der Zeitpunkt der für die Heimtücke vorausgesetzten Arglosigkeit. Beim planmäßigen Locken in einen Hinterhalt komme es, nach ständiger Rechtsprechung, bei der Arglosigkeit nicht auf den Beginn der Tötungshandlung an. Somit könne die Heimtücke auch in bei der Tatausführung noch fortwirkenden Vorkehrungen liegen, sofern Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ununterbrochen fortbestehen würden. Das in Frage stehende Locken in den Bunker sei vom LG nicht ausreichend geprüft worden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte aufgrund seines vorherigen Verhaltens und Wunsches der endgültigen Trennung, den Tötungsvorsatz bereits früher fasste. 

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Insbesondere über die Frage der Arglosigkeit und weiterer Mordmerkmale hat das neue Tatgericht zu entscheiden. 

KriPoZ-RR, Beitrag 21/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier. Die Pressemitteilung ist hier verfügbar. 

BVerfG, Beschl. v. 24.2.2023 – 2 BvR 117/20, 2 BvR 962/21: Ablehnung der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung wegen Unverhältnismäßigkeit verfassungswidrig

Leitsatz der Redaktion:

Bei einer sehr langen Dauer der Freiheitsentziehung erfordert die Ablehnung der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung eine besondere Begründungstiefe.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 1970 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Darüber hinaus wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Der Beschwerdeführer befindet sich seit fast 50 Jahren in Strafhaft, zuletzt im offenen Vollzug. Mehrmals beantragte der Beschwerdeführer erfolglos eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung. Die Entscheidungen wurden mit einer ungünstigen Gefahrenprognose aufgrund fehlender Aufarbeitung der Anlasstaten und einem fehlenden sozialen Empfangsraum begründet. Das Vorliegen der besonderen Schwere der Schuld wurde dennoch verneint. Der Beschwerdeführer erhob Verfassungsbeschwerde. Die fachgerichtlichen Entscheidungen würden sein Freiheitsgrundrecht verletzen. 

Entscheidung des BVerfG:

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet, entschied die 2. Kammer des Zweiten Senats. Die Begründungen der Fachgerichte genügen nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wodurch eine Verletzung in Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG vorliege. Bei der Gesamtwürdigung sei die Verantwortbarkeit eines eventuellen Rückfalls mit dem Freiheitsanspruch des Verurteilten unter Berücksichtigung der gefährdeten Rechtsgüter in ein Verhältnis zu setzen. Hierbei steigen die Anforderungen der Begründung mit der zunehmenden Dauer der Freiheitsentziehung, insbesondere, wenn die besondere Schwere der Schuld nicht mehr besteht, so die Kammer. Vorliegend würden die Beschlüsse eine solche Begründungstiefe nicht aufweisen. Folgende Aspekte seien durch die Fachgerichte nicht ausreichend berücksichtigt worden:

1. Lebensalter des Beschwerdeführers

Eine Grundrechtsverletzung setze voraus, dass im Abwägungsprozess verkannt wurde, dass hierdurch Grundrechte betroffen werden. Die Fachgerichte haben bei der Entscheidung über die Strafaussetzung das Lebensalter und die Länge der Vollzugsdauer nicht berücksichtigt. Dadurch sei jedoch ein geringes Maß an künftiger Straftatenbegehung zu erwarten. Auch aus einem unbearbeiteten Persönlichkeitsdefizit könne nicht ohne Weiteres auf eine Rückfälligkeit geschlossen werden. 

2. Verhalten im offenen Vollzug 

Ebenso sei das Verhalten im offenen Strafvollzug unzureichend berücksichtigt worden. Den habe der Beschwerdeführer beanstandungsfrei absolviert. Auch nicht berücksichtigt wurden die ordnungsgemäß durchgeführten Langzeitausgänge. Dagegen wurde der Besitz von Gegenständen, die im Zusammenhang mit der Sexualität des Beschwerdeführers stehen, in der Entscheidung berücksichtigt. Dieser spreche jedoch nicht zugleich für die Gefahr künftiger Straftatenbegehung. 

3. Auflagen und Weisungen 

Der Beschwerdeführer lehnte eine Überführung in eine betreute Wohnform ab. Hieraus sei nicht auf einen fehlenden geeigneten sozialen Empfangsraum zu schließen. Vielmehr hätte die Möglichkeit der Erteilung von Weisungen in Form von Betreuung und Kontrolle in Betracht gezogen werden müssen. Insbesondere sei dies vor dem Hintergrund geboten, dass durch den Sachverständigen keine Impulsivität festgestellt werden konnte. 

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ALLGEMEINE BEITRÄGE

Hinweisgeberschutz in der Warteschleife
von Prof. Dr. Anja Schiemann und Paula Schnabel

Warum die "Letzte Generation" (noch) keine kriminelle Vereinigung ist
von Prof. Dr. Dr. Milan Kuhli und Judith Papenfuß

Zeugnisverweigerungsrecht für empirisch-kriminologische Forschung 
von Prof. (em.) Dr. Arthur Kreuzer 

Einführung zu Frederik T. Davis: "Judicial Review of Deferred Prosecution Agreements - A Comparative Study"
von Prof. Dr. Carsten Momsen

Judicial Review of Deferred Prosecution Agreements - A Comparative Study
von Frederik T. Davis

Die Mission der Cyberagentur in Halle - im Fokus: die Cyberresiliente Gesellschaft 
von Dr. Nicole Selzer, Prof. Dr. Katja Andresen und Prof. Dr. Christian Hummert 

ENTSCHEIDUNGEN/ANMERKUNGEN

BGH äußert sich zur Strafbarkeit des "Stealthing" 
BGH, Beschl. v. 13.12.2022 -  3 StR 372/22

Die Spezifität von Konsens im Sexualstrafrecht - zur Strafbarkeit von Stealthing 
Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 13.12.2022 - 3 StR 372/22 
von Ass. iur. Marc Bauer 

Manipulation des zum Geschlechtsverkehr verwendeten Kondoms als sexueller Übergriff 
Anmerkung zu AG Bielefeld, Urt. v. 2.5.2022 - 10 Ls-566 Js 962/21-476/21
von Barbara Wiedmer

BUCHBESPRECHUNGEN

Andreas Ruch und Tobias Singelnstein (Hrsg.): Auf neuen Wegen. Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft aus interdisziplinärer Perspektive. Festschrift für Thomas Feltes zum 70. Geburtstag 
von Prof. Dr. Anja Schiemann

Yanik Bolender: Das neue Widerstandsstrafrecht. Eine strafrechtsdogmatische Untersuchung der §§ 113, 114, 115 und 323c Abs. 2 StGB vor dem Hintergrund des 52. StÄG
von Prof. Dr. Anja Schiemann 

TAGUNGSBERICHT 

"Wenn die Strafe zweimal droht - Übertragung von Strafverfahren und Jurisdiktionskonflikte"
von Florian Fütterer

 

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 20/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 7.2.2023 – 6 StR 9/23: Kein innerer Tatzusammenhang bei außerhalb der Tatausführung liegendem Verhalten

Sachverhalt:

Das LG Rostock hat den Angeklagten wegen Verstößen gegen das BtMG, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und tateinheitlicher Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Daneben wurden Unterbringungs- und Einziehungsentscheidungen getroffen. Straferschwerend hat das LG berücksichtigt, dass „es sich bei dem Angeklagten um einen Nazi-Verblendeten handelt.“ Dies ergebe sich aus Gegenständen mit antisemitischen Inhalten, die bei der Wohnungsdurchsuchung sichergestellt worden waren. Der Angeklagte hat Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt.

Entscheidung des BGH:

Die Revision hat im Hinblick auf den Strafausspruch Erfolg. Die straferschwerende Bewertung bei der Strafzumessung sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Grundlage gemäß § 46 Abs. 1 StGB sei die persönliche Schuld und die Bedeutung der Tat für die Rechtsordnung. Das Gesetz normiere in § 46 Abs. 2 StGB darüber hinaus, dass auch die Gesinnung des Täters Berücksichtigung finden könne. Erforderlich sei hierfür jedoch ein innerer Zusammenhang mit der Tat. „Ein außerhalb der Tatausführung liegendes Verhalten und die Lebensführung des Angeklagten müssen […] mit der Straftat zusammenhängen, auf diese Weise Schlüsse auf ihren Unrechtsgehalt zulassen oder Einblick in die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat gewähren.“, führt der Strafsenat aus. Dies gelte ebenso vor dem Hintergrund der durch gesetzliche Normierung stärker hervorgehobenen rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründe und Ziele des Täters. Denn der Schuldgrundsatz gebiete auch hier einen zwingenden inneren Zusammenhang zur Tat. 

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. 

Anmerkung der Redaktion:

Mit den Gesetzen zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 12.6.2015 (BGBl. I S. 925) und zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom 30.3.2021 (BGBl. I S. 441) wurde § 46 Abs. 2 S. 2 StGB um das Wort „antisemitische“ erweitert. Die Änderung ist am 3.4.2021 in Kraft getreten. 

KriPoZ-RR, Beitrag 19/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 20.12.2022 – 2 StR 341/22: Anforderungen an mittäterschaftlichen Tatbeitrag an bandenmäßiger Urkundenfälschung

Sachverhalt:

Die Angeklagten wurden vom LG Darmstadt wegen banden- und gewerbsmäßiger Hehlerei, Urkundenfälschung und Betrugs zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Als Bandenmitglieder verschafften sich die Angeklagten ihre Einnahmen durch den Verkauf gebrauchter, manipulierter Pkws. Darüber hinaus veräußerten sie Mietfahrzeuge unter Nutzung gefälschter Papiere. Hierbei gingen die Angeklagten arbeitsteilig vor und teilten sich die Einnahmen. In den vorliegend relevanten Fällen wurden die Angeklagten in den Verkauf des Pkws nicht eingebunden. Der gesondert Verfolgte führte den Kaufvertrag durch. In einem Fall, in dem es zur Sicherstellung eines Fahrzeugs kam, berechnete das LG den Betrugsschaden unter Hinzuziehung des Nutzungsausfalls des Zeugen. Die Angeklagten legten Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein.

Entscheidung des BGH:

Die Revisionen haben teilweise Erfolg. Die Einziehungsentscheidung und Schuldsprüche einiger Fälle weisen, laut BGH, Rechtsfehler auf. Dies betreffe insbesondere Fälle, in denen die Strafkammer von Mittäterschaft im Hinblick auf banden- und gewerbsmäßige Urkundenfälschung ausgegangen war. Zwar sei grundsätzlich eine mittäterschaftliche Begehungsweise möglich. Hierfür genüge ein fördernder Tatbeitrag. Ein solcher sei vom LG allerdings nicht festgestellt worden. Die Angeklagten seien in den aufgezeigten Fällen nicht beteiligt gewesen. Es fehlte an der erforderlichen persönlichen Einbindung bei Vertragsunterzeichnung der Pkw, sodass kein Herstellen und Gebrauchen vorliege, so der BGH. „Allein seine Einbindung in die Bandenstruktur sowie sein Wissen um die Tatbeiträge seiner Tatgenossen vermag seinen eigenen mittäterschaftlichen Tatbeitrag an der banden- und gewerbsmäßigen Urkundenfälschung nicht zu ersetzen.“, führt der Senat aus. 

Auch hinsichtlich der Verurteilung wegen tateinheitlichen Betruges weise das Urteil Rechtsfehler auf. Der Vermögensschaden gemäß § 263 Abs. 1 StGB müsse spiegelbildlich zum Vermögensvorteil stehen (sog. „Kehrseitentheorie“). Ein Nutzungsausfall, wie vom LG angenommen, stelle mangels korrespondierenden Vorteils keinen Vermögensschaden dar. 

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer zurückverwiesen. 

Hinweisgeberschutz in der Warteschleife

von Prof. Dr. Anja Schiemann und Paula Schnabel

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Abstract
Kurz vor der Ziellinie hatte der Bundesrat das Hinweisgeberschutzgesetz gestoppt. Dabei hätte bereits im Dezember 2021 die EU-Richtlinie 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden,[1] in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Die Länder haben nicht nur kritisiert, dass die vorliegende Fassung des Hinweisgeberschutzgesetzes weit über die EU-Vorgaben hinausgehe, sondern auch, dass auf die Unternehmen aufgrund der organisatorisch notwendigen Anpassungen zum Hinweisgeberschutz erhebliche Kosten zukommen. Jetzt wählt die Bundesregierung einen anderen Weg und splittet den Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes in zwei Entwürfe auf. Der erste neu eingebrachte Entwurf ist weitgehend identisch mit dem im Bundesrat gescheiterten, nimmt allerdings ausdrücklich Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richterinnen und Richter im Landesdienst aus dem Anwendungsbereich aus. Durch diesen Trick, so meint die Bundesregierung, sei keine Zustimmung des Bundesrats mehr erforderlich. Zudem wird der mühsame Weg der Anrufung des Vermittlungsausschusses umgangen, der zu weiteren Verzögerungen der Umsetzung der Richtlinie führen würde. Eile ist deswegen geboten, weil die EU-Kommission wegen der fehlenden Umsetzung der Richtlinie bereits vor längerer Zeit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat und Deutschland in diesem Jahr auch vor dem EuGH verklagt hat, weil es mit der Umsetzung der Richtlinie nicht vorankommt.

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Warum die „Letzte Generation“ (noch) keine kriminelle Vereinigung ist

von Prof. Dr. Dr. Milan Kuhli und Judith Papenfuß

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Abstract
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der viel diskutierten Frage, ob die „Letzte Generation“ eine kriminelle Vereinigung i.S.d § 129 StGB darstellt. Der Beitrag beschreibt dazu die Struktur und Aktivitäten der „Letzten Generation“, gibt einen Überblick zu § 129 StGB und widmet sich dann der Frage, ob die mitgliedschaftliche Beteiligung in oder die Unterstützung der „Letzten Generation“ eine Strafbarkeit nach § 129 Abs. 1 StGB begründet.

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Zeugnisverweigerungsrecht für empirisch-kriminologische Forschung

von Prof. (em.) Dr. Arthur Kreuzer 

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Abstract
Anlass für den Beitrag ist eine anhängige Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlagnahme von Forschungsdateien eines Rechtspsychologen. Der Beitrag begründet die dringliche Mahnung, unverzüglich ein strafprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht samt Beschlagnahmeverbot für die empirisch-kriminologische Forschung zu schaffen. Ausnahmsweise anhand eigener früher Forschungserfahrung wird die Unverzichtbarkeit strikter Verschwiegenheitszusagen beispielsweise bei Intensivinterviews nachgewiesen. Nur aufgrund zugesicherter und rechtlich abgesicherter Vertraulichkeit kann man die Potenziale qualitativer Forschungsmethoden ausschöpfen. Sie ermöglichen wichtigen zusätzlichen Erkenntnisgewinn für die Wissenschaft. Vor allem bereichern sie eine wissensbasierte Kriminalpolitik und Justizpraxis. Rechtliche Überlegungen zur anhängigen Verfassungsbeschwerde werden eingebracht. Außerdem wird der sich dem Gesetzgeber aktuell stellende Handlungsbedarf aufgezeigt.

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Einführung zu Frederick T. Davis „Judicial Review of Deferred Prosecution Agreements – A Comparative Study“

von Prof. Dr. Carsten Momsen 

Beitrag als PDF Version 

Beitrag von Frederik T. Davis: Judicial Review of Deferred Prosecution Agreements – A Comparative Study 

Abstract
Frederick T. Davis legt eine umfassende rechtsvergleichende Studie zur Handhabung von sog. „Deferred Prosecution Agreements“ (DPA) und „Non Prosecution Agreements“ (NPA) vor. Er vergleicht aus der Perspektive des ausgewiesenen und in vielen Rechtsordnungen erfahrenen Praktikers und Wissenschaftlers die Verfahrenspraxis in den Vereinigten Staaten mit der Verfahrenspraxis acht verschiedener europäischer und außereuropäischer Länder, welche anders als die Vereinigten Staaten eine gesetzliche Regelung für D/NPAs eingeführt haben oder diese intensiv diskutieren. Deutschland ist folgerichtig nicht Bestandteil dieses Rechtsvergleichs, denn weder gibt es eine Regelung noch wird sie ernsthaft diskutiert. Obwohl Deutschland nicht der Strafrechtskultur der Leitentscheidung und des Richterrechts angehört, steht es in seiner Praxis insoweit den Vereinigten Staaten näher als die europäischen Nachbarn. Davis zeigt die Vor- und Nachteile informeller Verfahren aus der Sicht der amerikanischen Praxis auf. In dieser Einleitung werden entsprechende Überlegungen für das deutsche Rechtssystem angestellt und der Vergleich insoweit auf Deutschland als zehntes Land erstreckt.

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