Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren

Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren vom 2. Juli 2013: BGBl I 2013 Nr. 34, S. 1938

Gesetzentwürfe:

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 17/12578 –: BT Drs. 17/13528

Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens

Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017: BGBl I 2017 Nr. 58, S. 3202 ff.
 
Berichtigung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 1. November 2017: BGBl I 2017 Nr. 71, S. 3630

 

Gesetzentwürfe:

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 796/1/16
Stellungnahme des Bundesrates vom 10. Februar 2017: BR Drs. 796/16
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: BT Drs. 18/12785

Gesetzesbeschluss des Bundestages: BR Drs. 527/17
Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 527/1/17

 

Gesetzesinitiativen auf Länderebene:

  • Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg zur Erweiterung des Umfangs der Untersuchungen von DNA-fähigem Material: BR Drs. 117/17

Anlagen:

 

Im Oktober letzten Jahres hatte die von Heiko Maas einberufenen Expertenkommission zur Reform des Strafverfahrens ihren umfangreichen Abschlussbericht vorgelegt. Am 27.5.2016 wurden einige der Empfehlungen im Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens umgesetzt. 

Der Referentenentwurf führt eine einzelfallbezogene Erscheinenspflicht von Zeugen bei der Polizei, Änderungen im Befangenheitsrecht und die Möglichkeit einer Fristsetzung im Beweisantragsrecht ein. Des Weiteren ist eine „moderat(e)“ Erweiterung des Einsatzes audiovisueller Aufzeichnungen von Vernehmungen im Ermittlungsverfahren vorgesehen. Daneben sollen Beschuldigtenrechte gestärkt werden. Ebenfalls vorgesehen sind Anpassungen der §§ 81e und 81h StPO, um die Erfassung von sog. DNA-Beinahetreffern bei der DNA-Reihenuntersuchung zu ermöglichen. Nach dem Fall der getöteten Studentin in Freiburg wurden Stimmen laut, die Auswertung von DNA Spuren noch umfassender zu erweitern. Bislang darf das DNA Material nicht auf Merkmale wie Augen-, Haar- oder Hautfarbe analysiert werden, auch wenn sich die Suche nach dem Täter dadurch eingrenzen ließe. Justizminister Heiko Maas will das Thema auf der nächsten Justizministerkonferenz zur Sprache bringen.

Am 14. Dezember hat die Bundesregierung schließlich den vom BMJV vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens beschlossen.

Am 3. Februar 2017 beantragte das Land Baden-Württemberg (BR Drs. 117/17) die Änderung der strafprozessualen Vorschrift zur molekulargenetischen Untersuchung (§ 81e StPO). Dies ist die erste konkrete Initiative um die zulässigen Feststellungsmöglichkeiten auf Augen-, Haar- oder Hautfarbe sowie biologisches Alter zu erweitern. Der Gesetzantrag wird durch das Land Bayern unterstützt.

In seiner Sitzung vom 10. Februar 2017 hat der Bundesrat zum Gesetzentwurf der Bundesregierung Stellung genommen. Dabei ging der Bundesrat auch auf die Möglichkeit zur Änderung der strafprozessualen Vorschrift zur molekulargenetischen Untersuchung (§ 81e StPO) ein.

Am 9. März 2017 hat der Bundestag nach erster Beratung den Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT Drs. 18/11277) zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen. Dort fand am 29. März 2017 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und ihre Stellungnahmen finden Sie hier.

Im Mittelpunkt der Anhörung stand der Aspekt der vermehrte Videoaufzeichnung von Vernehmungen. Ganz überwiegend stieß diese bei den Sachverständigen auf Zustimmung. Die Videoaufzeichnung ist derzeit nur bei Vernehmungen von Zeugen in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs möglich. Nach dem Gesetzentwurf soll es in Zukunft eine verpflichtende Videoaufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen in Ermittlungsverfahren bei Tötungsdelikten geben oder in Fällen, in denen der Beschuldigte besonders schutzbedürftig sei. Dies soll der Optimierung der Wahrheitsfindung dienen und ggf. eine persönliche Ladung von Zeugen zur Hauptverhandlung verzichtbar machen. Die Sachverständigen begrüßten die angestrebte Neuregelung. Gerade in Fällen des sexuellen Missbrauchs sei es deswegen seltener zu Revisionsverfahren gekommen. Des Weiteren gebe es für die Vernehmungsprotokolle keinen Qualitätsmaßstab, was in der Hauptverhandlung gelegentlich zu Beweisproblemen führe. Zwei der Sachverständigen sprachen sich sogar dafür aus, die Videoaufzeichnung nicht nur auf die Tötungsdelikte zu beschränken, sondern auf alle Vernehmungen zu erstrecken. Gegenstimmen sind jedoch der Meinung, dass ein solches Vorgehen nicht der Verfahrensbeschleunigung diene und der Einsatz von Videotechnik bei der Vernehmung in das Ermessen der Vernehmungsperson zu stellen sei. Der Beschuldigte produziere bei der Aufzeichnung ein zusätzliches Beweismittel und schränke damit auch seine Verteidigungsmöglichkeit ein.

Ein weiterer zentraler Aspekt der Anhörung war die Möglichkeit von Verzögerungen des Hauptverfahrens durch Befangenheitsanträge. Dies wurde durch die Sachverständigen unterschiedlich bewertet, was nicht zuletzt auch an den verschiedenen Rollen von Richtern und Anwälten lag. Während die Sachverständigen auf der einen Seite darin eine sinnvolle Regelung sahen, um eine bewusste Verzögerung des Verfahrens durch schubweise eingebrachte Beweisanträge zu verhindern, sahen sie auf der anderen Seite darin eine Beschneidung eines ganz wesentlichen Instruments der Verteidigung.

Am 22. Juni 2017 wurde der Regierungsentwurf (BT Drs. 18/11277) in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 18/12785) in der zweiten und dritten Lesung gegen das Votum der Opposition und zweier SPD-Abgeordneter beschlossen. Der Regierungsentwurf „zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze“ (BT Drs. 18/11272) wurde einvernehmlich für erledigt erklärt. Die dort angestrebten Änderungen wurden in den ersteren Gesetzentwurf übernommen.

Konkret wurde beschlossen, die Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entlasten um „eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann“. Dazu wird bspw. die Nötigung zum Privatklagedelikt.
In Ermittlungsverfahren werden die Zeugen nun verpflichtet bei der Polizei zu erscheinen. Zwecks einer verbesserten Dokumentation werden Vernehmungen in Zukunft vermehrt aufgezeichnet. Dies soll die Wahrheitsfindung optimieren und das Erscheinen von Zeugen  vor Gericht u.U. nicht erforderlich machen. Dies beschleunige das Verfahren, ebenso, wie die künftige alleinige Zuständigkeit zur Bestellung von Pflichtverteidigern durch den Ermittlungsrichter.
Des Weiteren sollen mehrere Änderungen helfen, dass Hauptverfahren schneller durchführen zu können. Befangenheitsanträge kurz vor Beginn der Hauptverhandlung schließen den abgelehnten Richter zunächst nicht mehr aus. Auch das Beweisantragsrecht erfährt Neuerungen um eine Konfliktverteidigung zu vermeiden, wird aber nicht eingeschränkt.
Die vehement geforderte Erweiterung der DNA-Analyse ist nun ebenfalls beschlossene Sache. In Zukunft werden auch Beinahetreffer, die ein Verwandtschaftsverhältnis aufzeigen, als Beweismittel verwendbar sein.
Aber nicht nur das Hauptverfahren wird vereinfacht. An vielen Stellen werden auch die  Revisions- und Strafvollstreckungsverfahren modifiziert und damit beschleunigt.

Hinsichtlich des für erledigt erklärten Gesetzentwurfs wurden folgende Teile in das beschlossene Änderungsgesetz aufgenommen:
Das Fahrverbot ist künftig auch im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität als Nebenstrafe möglich, auch wenn das begangene Delikt nicht im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen steht. Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung wird § 266a StGB um zwei Regelbeispiele für besonders schwere Fälle erweitert. Zum Schutz der Umwelt wird nun das „leichtfertige Töten und Zerstören von streng geschützten wildlebenden Tier- und Pflanzenarten und von bestimmten besonders geschützten wildlebenden Vogelarten“ unter Strafe gestellt.
Der zuletzt in der öffentlichen Anhörung vom 30. Mai 2017 sehr umstrittene Einsatz von Spionage-Software zwecks Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung wird nun ebenfalls gesetzlich verankert.
Verfahrensrechtlich besteht für Bewährungshelfer demnächst die Möglichkeit, wichtige Erkenntnisse über einen Verurteilten an die Polizei und andere staatliche Stellen weiterzuleiten.

Am 7. Juli 2017 hat der Bundesrat in seiner Plenarsitzung die umfangreichen Änderungen im Straf- und Strafprozessrecht gebilligt, die der Bundestag zuvor am 22. Juni 2017 beschlossen hatte.

Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 wurde am 23. August im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt vorbehaltlich des Art. 3 Nr. 17 lit. b und Nr. 23 tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Art. 3 Nr. 17 lit. b und Nr. 23 tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.

Am 8. November 2017 wurde eine Berichtigung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens im Bundesgesetzblatt verkündet.

 

 

Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes und der Strafprozessordnung

Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017: BGBl I 2017 Nr. 58, S. 3202 ff.

 

Gesetzentwürfe:

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 792/1/16
Stellungnahme des Bundesrates vom 10. Februar 2017: BR Drs. 792/16
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: BT Drs. 18/12785

 

Auch dieser Gesetzentwurf vom 6.6.2016 dient der Steigerung der Effizienz der Strafverfolgung. Im materiellen Strafrecht ist vorgesehen, den Katalog strafrechtlicher Sanktionen um die Möglichkeit der generellen Verhängung eines Fahrverbots als Nebenstrafe zu erweitern. Die Nebenstrafe soll nicht nur bei Straftaten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz oder einer Pflichtverletzung im Straßenverkehr verhängt werden können, sondern nach § 44 Abs. 1 StGB-E bei allen Straftaten. Insofern wird auf die lebhaft diskutierte und umstrittene Anhebung der Verhängung eines Fahrverbots zur Hauptstrafe verzichtet.

Der in der Praxis zu Anwendungsschwierigkeiten führende Richtervorbehalt bei der Blutprobenentnahme nach § 81a Abs. 2 StPO wird entschärft durch eine vorrangige Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft bei Straßenverkehrsdelikten. Für Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft besteht die Anordnungsbefugnis dann fort, wenn der Untersuchungserfolg durch Verzögerung gefährdet würde.
Des Weiteren wird eine Ausnahmevorschrift von der nach § 454b Abs. 2 StPO zwingend vorgesehenen Unterbrechung der Strafvollstreckung zum Halb- oder Zweidrittelstrafzeitpunkt geschaffen, um die vollständiger Vorabverbüßung nicht suchtbedingter Freiheitsstrafen für eine Zurückstellung der suchtbedingten Freiheitsstrafen unter den Voraussetzungen des § 35 BtMG zu ermöglichen.
Außerdem werden in Bezug auf die Erteilung von Auskünften, Akteneinsicht und Datenverwendung für verfahrensübergreifende Zwecke die Normen im 8. Buch der StPO um Regelungen ergänzt, die die Befugnisse des Bewährungshelfers klarstellend präzisieren.

Am 21. Dezember 2016 hat das Bundeskabinett den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf beschlossen. Bundesjustizminister Heiko Maas: „Die Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten erweitert die Möglichkeiten strafrechtlicher Sanktionen. Dadurch geben wir den Strafgerichten ein zusätzliches Mittel an die Hand, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken.“

In seiner Sitzung vom 10. Februar 2017 hat der Bundesrat keine grundlegenden Bedenken gegen die Pläne der Bundesregierung geäußert. In seiner Stellungnahme schlug er lediglich kleinere Änderungen vor, um das Gesetz noch praxistauglicher zu gestalten. Des Weiteren regte der Bundesrat an eine Klarstellung zum geplanten Wegfall des Richtervorbehalts zur Blutprobenentnahme vorzunehmen. Die Stellungnahme wird nun der Bundesregierung zwecks Gegenäußerung zugeleitet. Anschließend werden die Dokumente dem Bundestag zur weiteren Entscheidung vorgelegt.

Am 2. März 2017 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf (BT Drs. 18/11272) in den Bundestag eingebracht. Die vorgeschlagenen Änderungen des Bundesrates lehnt sie überwiegend ab. Der Entwurf wurde am 9. März 2017 erstmals im Bundestag beraten und zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen.

Am 22. März 2017 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen finden Sie hier. Die Regelungen zum Fahrverbot als Nebenstrafen wurden dabei größtenteils positiv bewertet. Ein Experte empfahl eine Ergänzung des Entwurfs aus Verfassungsgründen. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordere, dass der Gesetzgeber ausdrücklich das Ziel angeben soll, kurze Freiheitsstrafen zu vermeiden beziehungsweise Geldstrafen zu reduzieren. Die Sachverständigen merkten positiv an, dass die Sanktionsmöglichkeit insbesondere im Jugendstrafrecht eine besondere erzieherische Wirkung entfalten könne. Zudem ginge von ihr eine „erhebliche individualabschreckende und generalpräventive Wirkung“ aus. Kritische Stimmen bezeichnen das Fahrverbot als „untaugliches Mittel“ und weisen auf die Bedenken hin, die im Rahmen des Fahrverbots bei Straftaten im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen geltend gemacht werden.

Deutlich kontroverser stehen sich die Sachverständigen gegenüber, die die Regelung zur Blutprobenentnahme bewerten. Ein Experte bezweifelt den praktischen Sinn, die Anordnungskompetenz auf die Staatsanwaltschaft zu übertragen, da die Argumente, die gegen den Richtervorbehalt sprechen, ebenso gegen eine staatsanwaltschaftliche Anordnungskompetenz sprechen würden. Faktisch würde die Polizei während 22 – 06 Uhr die Blutprobenentnahme selbst anordnen, sodass für eine polizeiliche Anordnungskompetenz plädiert werde. Dem wird entgegen gehalten, dass die Blutprobenentnahme mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen verbunden sei, den man auch durch die nachträgliche richterliche Überprüfung nicht rückgängig machen könne. Deshalb müsse am Richtervorbehalt festgehalten werden.

Am 31. Mai 2017 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz erneut eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Den Schwerpunkt der Anhörung bildeten die neuen Eingriffsbefugnisse der Quellen-TKÜ und der Online-Durchsuchung sowie die zu deren Realisierung notwendige Infiltration technischer Geräte mithilfe des sogenannten Staatstrojaners. Beide Maßnahmen wurden sehr ambivalent betrachtet. Besonders kritisch wurde dabei die Reichweite der Eingriffsbefugnisse bewertet, die innerhalb der Strafprozessordnung beispiellos wäre. Einige Experten halten die Regelung bisher für zu unbestimmt und bemängeln, dass der Wortlaut zu viel Auslegungsspielraum lasse. Darüber hinaus wird ebenfalls vorgebracht, dass die geplante Gesetzesänderung eine Gefahr für die IT-Sicherheit darstelle. Vertreter der Strafverfolgungsbehörden halten die Erweiterung der Maßnahmen für geboten, um ihre Aufgaben effektiv erfüllen zu können.

Am 22. Juni 2017 wurde der Regierungsentwurf „zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze“ (BT Drs. 18/11272) einvernehmlich für erledigt erklärt. Die dort angestrebten Änderungen wurden in einen anderen Entwurf der Bundesregierung zur „effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 18/12785) aufgenommen. Jener Entwurf wurde  in der zweiten und dritten Lesung gegen das Votum der Opposition und zweier SPD-Abgeordneter angenommen.

Konkret wurde beschlossen, die Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entlasten um „eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann“. Dazu wird bspw. die Nötigung zum Privatklagedelikt.
In Ermittlungsverfahren werden die Zeugen nun verpflichtet bei der Polizei zu erscheinen. Zwecks einer verbesserten Dokumentation werden Vernehmungen in Zukunft vermehrt aufgezeichnet. Dies soll die Wahrheitsfindung optimieren und das Erscheinen von Zeugen  vor Gericht u.U. nicht erforderlich machen. Dies beschleunige das Verfahren, ebenso, wie die künftige alleinige Zuständigkeit zur Bestellung von Pflichtverteidigern durch den Ermittlungsrichter.
Des Weiteren sollen mehrere Änderungen helfen, dass Hauptverfahren schneller durchführen zu können. Befangenheitsanträge kurz vor Beginn der Hauptverhandlung schließen den abgelehnten Richter zunächst nicht mehr aus. Auch das Beweisantragsrecht erfährt Neuerungen um eine Konfliktverteidigung zu vermeiden, wird aber nicht eingeschränkt.
Die vehement geforderte Erweiterung der DNA-Analyse ist nun ebenfalls beschlossene Sache. In Zukunft werden auch Beinahetreffer, die ein Verwandtschaftsverhältnis aufzeigen, als Beweismittel verwendbar sein.
Aber nicht nur das Hauptverfahren wird vereinfacht. An vielen Stellen werden auch die  Revisions- und Strafvolstreckungsverfahren modifiziert und damit beschleunigt.

Hinsichtlich des für erledigt erklärten Gesetzentwurfs wurden folgende Teile in das beschlossene Änderungsgesetz aufgenommen:
Das Fahrverbot ist künftig auch im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität als Nebenstrafe möglich, auch wenn das begangene Delikt nicht im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen steht. Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung wird § 266a StGB um zwei Regelbeispiele für besonders schwere Fälle erweitert. Zum Schutz der Umwelt wird nun das „leichtfertige Töten und Zerstören von streng geschützten wildlebenden Tier- und Pflanzenarten und von bestimmten besonders geschützten wildlebenden Vogelarten“ unter Strafe gestellt.
Der zuletzt in der öffentlichen Anhörung vom 30. Mai 2017 sehr umstrittene Einsatz von Spionage-Software zwecks Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung wird nun ebenfalls gesetzlich verankert.
Verfahrensrechtlich besteht für Bewährungshelfer demnächst die Möglichkeit, wichtige Erkenntnisse über einen Verurteilten an die Polizei und andere staatliche Stellen weiterzuleiten.

Am 7. Juli 2017 hat der Bundesrat in seiner Plenarsitzung die umfangreichen Änderungen im Straf- und Strafprozessrecht gebilligt, die der Bundestag zuvor am 22. Juni 2017 beschlossen hatte.

Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 wurde am 23. August im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt vorbehaltlich des Art. 3 Nr. 17 lit. b und Nr. 23 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Art. 3 Nr. 17 lit. b und Nr. 23 tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.

 

Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung

Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017: BGBl I 2017 Nr. 22, S. 872 ff.
 

Gesetzentwürfe:

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 418/1/16

Stellungnahme des Bundesrates: BR Drs. 418/16 (B)

Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung: BT Drs. 18/10146

Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung –Drucksachen 18/9525, 18/10146, 18/10307 Nr. 7 –: BT Drs. 18/11640

 

Die Bundesregierung hat am 21. Juli 2016 die Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beschlossen. Zuvor hatte sie am 13. Juli 2016 den Referentenentwurf des BMJV vom 09. März 2016 als Regierungsentwurf auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf ist am 08. Septeber 2016 durch die Bundesregierung in den Bundestag eingebracht worden.

Der Referentenentwurf des BMJV enthält eine vollständige Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Ziel ist die Bereitstellung eines gesetzlichen Instrumentariums zur effektiven rechtsstaatlichen Einziehung. Zunächst wird eine terminologische Veränderung vorgenommen und der Verfall nunmehr als „Einziehung von Taterträgen“ bezeichnet. Kernstück des Reformvorhabens ist die grundlegende Neuregelung der Opferentschädigung. Darüber hinaus werden „Abschöpfungslücken“ geschlossen und redaktionelle Änderungen und gesetzliche Klarstellungen vorgenommen. So ist im Rahmen des § 73 Abs. 3 StGB umstritten, ob sog. Verschiebungsfälle vom Wortlaut umfasst sind – von § 73b Abs. 1 Nr. 2 StGB-E sind sie ausdrücklich erfasst.

Verfassungsrechtlich bedenklich ist die Vorschrift des § 76a StGB-E, der uneingeschränkt die selbstständige Einziehung erlaubt, wenn wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann. Nach Abs. 4 – und dies dürfte unverhältnismäßig sein – bedarf es im Rahmen der Organisierten Kriminalität oder des Terrorismus noch nicht einmal mehr der Feststellung einer bestimmten Straftat, es ist ausreichend, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass das sichergestellte Gut aus Straftaten jenes Bereiches stammt. Zum Referentenentwurf gibt es bereits einige Aufsätze, s. z.B. Bittmann, NZWiSt 2016, 131 und Köllner/Cyrus/Mück, NZI 2016, 329.

Zum Regierungsentwurf: Bittmann, KriPoZ 2016, 120 ff.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 23. September 2016 auf einen aus seiner Sicht notwendigen Änderungsbedarf hingewiesen. So möchte er u.a. prüfen lassen, ob weitere Beweiserleichterungen bei Vermögen unklarer Herkunft, insbesondere aus den Bereichen der organisierten Kriminalität und des Terrorismus, möglich sind und welche Auswirkungen das geplante Gesetz im Insolvenzrecht hat. Die Stellungnahme wird dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt. Die Bundesregierung nimmt zu den Änderungswünschen teils zustimmend, teils ablehnend Stellung. In vielen Punkten sagt sie eine Prüfung im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu.

Am 23. November 2016 fand eine öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses statt. Die dabei angehörten Sachverständigen beurteilen den Gesetzentwurf der Bundesregierung sehr unterschiedlich. Sie äußern teilweise Bedenken, die sowohl die Verfassungsmäßigkeit einzelner Normen als auch deren Praktikabilität anbelangen. Allerdings fand der Entwurf auch Zuspruch, da er unnötig komplizierte Regelungen des geltenden Rechts beseitige und das Verfahren vereinfache. Die vollständige Liste der Sachverständigen können Sie hier abrufen.

Am 23. März 2017 hat der Bundestag die geänderte Fassung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und SPD beschlossen. Der Bundesrat äußerte in seiner Sitzung vom 31. März 2017 keine Bedenken und verzichtete auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses.

 Das Gesetz wurde am 21. April 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 1. Juli 2017 in Kraft.

 

Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen

Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen vom 21. Oktober 2016: BGBl. I 2016 Nr. 50, S. 2372 ff.

 

Gesetzentwürfe:

Anhörung vom 06. Juni 2016

 

Das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) soll am 1. Juli 2017 in Kraft treten. Intention des Gesetzes ist ein besserer Schutz von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern. Es wird jedoch auch zu einer stärkeren Bürokratisierung führen. Der Familienausschuss hat das Prostituiertenschutzgesetz am 5.7.2016 in leicht geänderter Fassung verabschiedet. Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz am 7.7.2016 in 2. und 3. Lesung beschlossen. Am 23.9.2016 hat der Bundesrat das Gesetz verabschiedet.

Prostituierte müssen sich in Zukunft bei Behörden anmelden, um ihrer Arbeit nachgehen zu können, ein Punkt, der von Sexarbeits- und Frauenverbänden unter dem Stichwort „Zwangsouting“ kritisiert wurde. Dieser Kritik will der Entwurf dadurch begegnen, dass eine Anmeldung auf Wunsch auch unter einem Aliasnamen möglich ist. Daneben unterliegen Bordelle in Zukunft einer Erlaubnispflicht gem. § 12 ProstSchG. Für die Erlaubnis haben die Bordellbetreiber ein Betriebskonzept und diverse Unterlagen einzureichen und es wird ihre Zuverlässigkeit i.S. des § 15 ProstSchG überprüft. Außerdem müssen die Bordellbetreiber gewisse Mindeststandards einhalten und z.B. für sachgerechte Notrufsysteme, angemessene Ausstattung mit Sanitäreinrichtungen und geeignete Aufenthalts- und Pausenräume sorgen. Daneben trifft sie die Pflicht, für Sicherheit und Gesundheitsschutz Sorge zu tragen, insbesondere auf die Einhaltung der Kondompflicht hinzuwirken. Die Kondompflicht – deren Einführung in der kriminalpolitischen Debatte ebenfalls umstritten ist – ist in § 32 ProstSchG ausdrücklich normiert und verpflichtet neben der Prostituierten auch den Sexkäufer, ein Kondom zu nutzen. Verstöße stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können nach § 33 ProstSchG mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden.

Der Familienausschuss änderte z.B. den Gesetzentwurf in Bezug auf das Werbeverbot für gewisse Praktiken. Das Werbeverbot gilt nun auch für den Sex mit Schwangeren.

Der Artikel 1 § 36 ist bereits am 22. Oktober 2016 in Kraft getreten. Im Übrigen tritt dieses Gesetz am 1. Juli 2017 in Kraft.

Gesetzentwurf zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings

Gesetz zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings sowie Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Zwangsprostitution: BGBl. I 2021, S. 3513 ff.

Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen vom 1. März 2017: BGBl I 2017, Nr. 11, S. 386 ff.

19. Wahlperiode

Gesetzentwürfe: 

 

Am 16. Februar 2021 veröffentlichte das BMJV einen Referentenentwurf zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings. Der zuvor veröffentliche Evaluierungsbericht zeige, dass trotz der Neufassung des § 238 StGB immer noch Probleme in der Verfolgungspraxis bestünden. Insbesondere die Tatbestandsmerkmale „beharrlich“ sowie „schwerwiegend“ knüpfen hohe Anforderungen an ein strafrechtlich relevantes Verhalten. Der Grundtatbestand des § 238 Abs. 1 StGB sowie die Qualifikationen des § 238 Abs. 2 und 3 StGB sei als nicht hinreichend bewertet worden um schwerwiegende Konstellationen zu erfassen. Der Referentenentwurf sieht daher vor § 238 StGB neu zu fassen, um eine bessere und einfachere Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen. In § 238 Abs. 1 StGB soll der Begriff „beharrlich“ durch den Begriff „wiederholt“ ersetzt werden, das Tatbestandsmerkmal „schwerwiegend“ soll einen Austausch gegen das Tatbestandsmerkmal „nicht unerheblich“ erfahren. Die Qualifikationsvorschrift des § 238 Abs. 2 StGB soll in Regelbeispiele umgewandelt werden. 

Des Weiteren bestehe aufgrund der steigenden Fälle von Cyberstalking auch hier ein Nachbesserungsbedarf. Sog. Stalkingware ermöglicht es den Tätern, unbefugt auf Email- oder Social Media-Konten der Opfer zuzugreifen und sie auszuspähen. Genauso problematisch seien die Fälle, in denen die Täter unter der Identität des Opfers ebensolche Konten anlegen und unter deren Namen abträgliche Erklärungen oder Fotos des Opfers veröffentlichen. Daher sollen aus Gründen der Rechtssicherheit und Bestimmtheit im Handlungskatalog des § 238 Abs. 1 StGB typische Begehungsformen des Cyberstalkings aufgenommen werden. 

Am 24. März 2021 beschloss das Kabinett den Regierungsentwurf , der im Vergleich zum Referentenentwurf insbesondere in Abs. 2 den Katalog der Begehungsformen noch weiter ausdehnt. 

§ 238 StGB – Nachstellung

„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1. die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,

2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,

3. unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person

a)  Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder

b)  Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,

4. diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,

5. zulasten dieser Person oder einer ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a begeht,

6. eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,

7. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht, oder

8. eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,

2. das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,

3. dem Opfer durch täglich oder nahezu täglich begangene Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten nachstellt,

4. dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens neun Monaten nachstellt,

5. bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,

6. eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,

7. einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder

8. über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.“

Dazu Justizministerin Christine Lambrecht: „Wir möchten die Betroffenen besser schützen. Es müssen mehr Stalking-Fälle vor Gericht kommen und die Täter konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Der Straftatbestand hat bisher zu hohe Hürden. Diese Hürden senken wir jetzt deutlich.“

Am 21. April 2021 hat die Bundesregierung ihren Entwurf in den Bundestag eingebracht und am 22. April 2021 erstmals beraten. Er wurde im Anschluss der Debatte an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. 

Am 7. Mai 2021 beschäftigte sich auch der Bundesrat erstmalig mit dem Entwurf. Aus den Fachausschüssen kam Kritik. Der Rechts- sowie der Innenausschuss empfahlen dem Bundesrat, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen (BR Drs. 251/1/21). Sie fordern Präzisierungen und Klarstellungen. Insbesondere der Innenausschuss gab zu bedenken, dass die neuen Begrifflichkeit sozialadäquates Verhalten unter Strafe stellen und die Handhabung der Norm erschweren würden. Die Stellungnahme (BR Drs. 251/21 (B)) des Bundesrates wird nun der Bundesregierung zwecks Gegenäußerung zugeleitet. Sie bezieht sich zum einen auf eine Erweiterung des Katalogs der Regelbeispiele für besondere schwere Fälle, zum anderen auf eine Prüfung, ob ein Einsatz von Abhörgeräten, GPS-Trackern oder Drohnen vom Tatbestand erfasst werden könne. 

Am 19. Mai 2021 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Experten sprachen sich überwiegend für einen Nachbesserungsbedarf aus. Dr. Oliver Piechaczek begrüßte den Regierungsentwurf. Dieser trage den Ergebnissen der Evaluierung des § 238 StGB Rechnung und werde die Beweisproblematik in der Praxis erleichtern. Auch Leonie Steinl sah in den geplanten Änderungen eine Vereinfachung der Handhabung des Tatbestandes, gerade in Bezug auf die unbestimmten Rechtsbegriffe. Sie regte jedoch an, das neu vorgesehene Tatbestandsmerkmal „nicht unerheblich“ genauer zu definieren. Claudia Hurek sprach sich ebenfalls für den Entwurf und damit für eine praktische Handhabung des Tatbestandes aus. Dr. Clemens Prokop lenkte den Blick in seiner Stellungnahme auch auf die Opfer. Da die strafrechtliche Eingriffsschwelle abgesenkt werde, könnten Eskalationen in der Zukunft besser verhindert werden. Das Problem der Sanktionierung von Bagatellen erschien ihm unbegründet. Dies sah Prof. Dr. Jörg Eisele anders. Um dies zu verhindern, sollte seiner Ansicht nach besser von einer „erheblichen“ Beeinträchtigung gesprochen werden, um nicht bereits leichteste Beeinträchtigungen tatbestandlich zu erfassen. Außerdem sei es vorzugswürdig, das Merkmal „beharrlich“ durch das Merkmal „wiederholt“ zu ersetzen, da die innere Einstellung des Täters nur schwer nachweisbar sei. Dr. Rainer Spatscheck sah die vorgesehene Absenkung der Strafbarkeitsschwelle in seiner Stellungnahme als nicht zielführend an. Zwar sehe er die starke psychische Belastung der Opfer, es sei aber nicht zielführend die derzeit in § 238 StGB enthaltenen unbestimmte Rechtsbegriffe durch andere zu ersetzen. Anne-Kathrin Krug beurteilte den Gesetzentwurf als in wesentlichen Teilen gelungen. Allerdings seien einige sehr häufig vorkommende Handlungsweisen nur unzureichend erfasst, während für andere derart hohe Anforderungen gesetzt wurden, dass eine Anwendung kaum zum Tragen kommen könne. Beate Köhler berichtete aus der Praxis und sah daher in jeder Änderung eine Chance den Opferschutz zu verbessern. 

Am 24. Juni 2021 hat der Bundestag den Regierungsentwurf in der Fassung des Rechtsausschusses angenommen. Bereits einen Tag später passierte das Gesetz auch den Bundesrat. 

Das Gesetz zur effektiveren Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings sowie Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Zwangsprostitution wurde am 17. August 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2021, S. 3513 ff.). Es tritt am 1. Oktober 2021 in Kraft. 

 

 

 


18. Wahlperiode

Gesetzentwürfe:

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 420/1/16

Antrag des Landes Niedersachsen: BR Drs. 420/2/16

Stellungnahme des Bundesrates: BR Drs. 420/16 (B)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz: BT Drs. 18/10654

 

Das Bundeskabinett hat am 13. Juli 2016 den Referentenentwurf des BMJV zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen beschlossen.

Die 2007 ins Strafgesetzbuch eingefügte noch recht „junge“ Vorschrift des § 238 StGB sollte einen besseren Opferschutz gegen beharrliche Nachstellung gewährleisten. Da der Straftatbestand als Erfolgsdelikt ausgestaltet ist, bedarf es nach geltender Rechtslage einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung. Dieser Nachweis, lässt sich häufig nicht führen. Nach derzeitiger Rechtslage führen bisher nur ein bis zwei Prozent der Anzeigen nach Paragraf 238 zu einer Verurteilung. Daher wird im Entwurf § 238 Abs. 1 StGB in ein potentielles Gefährdungsdelikt umgewandelt.

Es soll für die Tatbestandsverwirklichung zukünftig ausreichen, dass die Handlung des Täters objektiv geeignet ist, beim Betroffenen eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung herbeizuführen. Nach geltendem Recht dagegen führt eine Befragung der Opfer häufig dazu, festzustellen, dass es zu keiner gravierenden Änderung der Lebensgestaltung, wie z.B. Wohnortwechsel kam, so dass das Verfahren mangels Tatbestandsverwirklichung eingestellt werden muss. Nach dem Entwurf wird nun eine eigenständige Bewertung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts zur Schwere der Beeinträchtigung unabhängig vom eingetretenen „Taterfolg“ erforderlich. Zudem soll der Stalking-Paragraf zukünftig aus dem Katalog der Privatklagedelikte der StPO gestrichen werden. Eine weitere Neuerung, die mit dem Gesetzentwurf eingeführt werden soll, betrifft darüber hinaus das Gewaltschutzverfahren.

Weiterhin sieht der Referentenentwurf vor, den Auffangtatbestand der „andere(n) vergleichbare(n) Handlung“ mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und einer zu großen Ausweitung der Strafbarkeit zu streichen.

Am 23. September 2016 hat der Bundesrat über die von der Bundesregierung geplante Verschärfung beraten und einen geringen Änderungsbedarf festgestellt. Die Stellungnahme des Bundesrates wurde der Bundesregierung zugeleitet. Am 14. Oktober 2016 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Dieser Entwurf greift Anregungen der Gesetzesanträge der Länder Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen nach einer Erweiterung des § 238 StGB auf. Auch dieser Entwurf gestaltet den Tatbestand des § 238 Absatz 1 StGB in ein potentielles Gefährdungsdelikt um und stellt dabei auf die objektive Geeignetheit der Handlung des Täters ab, eine Beeinträchtigung der Lebensgestaltung seitens des Opfers herbeizuführen.

Flankierend ist zur Stärkung des Opferschutzes die Streichung der Nachstellung aus dem Katalog der Privatklagedelikte, die Einführung der gerichtlichen Bestätigung von in Gewaltschutzverfahren geschlossenen Vergleichen sowie die Erweiterung des § 4 GewSchG auf Verstöße gegen Verpflichtungen aus einem gerichtlich bestätigten Vergleich vorgesehen.

Am 09. November 2016 fand eine öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses statt, bei der die Experten das Änderungsvorhaben durchaus kontrovers betrachteten – Einigkeit bestand jedoch hinsichtlich des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs. Ursprünglich sah der Regierungsentwurf vor, auf die Aufnahme einer Handlungsgeneralklausel, wie sie bisher in § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB enthalten ist, zu verzichten. Nachdem einige Sachverständige jedoch diesbezüglich Bedenken im Hinblick auf mögliche Schutzlücken geäußert hatten, wurde angeregt die Handlungsgeneralklausel beizubehalten. Die Stellungnahmen der Sachverständigen können Sie hier abrufen.

Am 15. Dezember 2016 hat der Bundestag gegen das Votum der Opposition den Gesetzentwurf in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (18/10654) angenommen.
Am 10. Februar 2017 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf gebilligt. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt. Es tritt nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe

Einundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben vom 11. April 2017: BGBl I 2017 Nr. 20, S. 815 f.

 

Gesetzentwürfe:

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz: BT Drs. 18/11445

 

Der Regierungsentwurf sieht die Einführung von zwei neuen Straftatbeständen ins StGB vor. Gem. § 265c StGB-E soll der sog. Sportwettbetrug künftig unter Strafe gestellt werden, d.h. Manipulationsabsprachen bei Wettbewerben, auf die eine Sportwette gesetzt werden soll. Nach § 265d StGB-E werden Manipulationsabsprachen bei hochklassigen Wettbewerben mit berufssportlichem Charakter bestraft.

Für beide Straftatbestände werden in § 265e StGB-E Regelbeispiele eines besonders schweren Falls normiert und Vorteile großen Ausmaßes oder gewerbs- und bandenmäßiges Handeln erfasst. Die Strafbarkeit von Wettbetrug und Spielmanipulation ist als relatives Strafantragsdelikt ausgestaltet, antragsberechtigt sind neben dem Verletzten die nationale oder internationale Sportorganisation, die den jeweiligen sportlichen Wettbewerb organisiert oder in Auftrag gegeben hat.

Der DAV moniert, dass es an nachvollziehbaren, empirisch gefestigten Grundlagen für die Notwendigkeit einer Ausweitung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes über die anerkannten Rechtsgüter hinaus fehle. Durch die Ausgestaltung der Straftatbestände als abstrakte Gefährdungsdelikte käme es zu einer bedenklichen Vorverlagerung der Strafbarkeit. Regelungslücken, so Nuzinger/Rübenstahl/Bittmann, WiJ 2016, 34, seien zudem nicht erkennbar. Zu den geplanten Straftatbeständen hat Kubiciel einen Beitrag in jurisPR-StrafR 3/2016 Anm. 1 und Krack einen Beitrag in ZIS 2016, 540 veröffentlicht.

Bei den Sachverständigen stößt der Entwurf auf ein unterschiedliches Echo – die entsprechenden Stellungnahmen finden Sie hier.

Am 9. März 2017 hat der Bundestag in Zweiter und Dritter Lesung den Regierungsentwurf  beschlossen. Durch den Gesetzentwurf soll zudem für die neuen Straftatbestände unter besonderen Voraussetzungen eine Befugnis zur Überwachung der Telekommunikation geschaffen werden.

Bundejustizminister Heiko Maas:
„Mit dem heute beschlossenen Gesetzentwurf weisen wir Betrug und Manipulation im Sport in die Schranken. Sport hat eine Vorbildfunktion. Große Wettkämpfe wie die Olympischen Spiele oder Welt- und Europameisterschaften zeigen die immense gesellschaftliche und auch wirtschaftliche Bedeutung des Sports. Sport kann Werte wie Fairness und Chancengleichheit vermitteln. Sportwettbetrug und die Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe bewirken aber genau das Gegenteil. Außerdem schädigen sie in betrügerischer Weise das Vermögen anderer. Weil andere Maßnahmen nicht gegriffen haben, müssen wir solchen Methoden mit den Mitteln des Strafrechts reagieren. So sorgen wir dafür, dass der Sport auch künftig nur für das steht, was ihn ausmacht: Integrität und fairen Wettkampf.“

In seiner Sitzung am 31. März 2017 stimmte auch der Bundesrat dem Gesetzentwurf zu. Zukünftig wird der Sportwettbetrug oder die Manipulation von Wettkämpfen im Profisport mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren sanktioniert. In besonders schweren Fällen ist eine Bestrafung bis zu fünf Jahren möglich.

Das Gesetz trat am 19. April in Kraft.

Gesetz zur Aufhebung des § 103 StGB

Gesetz zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten vom 17. Juli 2017: BGBl I 2017 Nr. 48, S. 2439 ff.

 

Gesetzentwürfe:

  • Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 20. Februar 2017: BT Drs. 18/11243
  • Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Januar 2017
  • Gesetzesantrag der Länder Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Thüringen: BR Drs. 214/16
  • Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Neuordnung der Beleidigungsdelikte einzelner MdB und der Fraktion DIE LINKE: BT Drs. 18/8272
  • Gesetzentwurf zur Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen einzelner MdB und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT Drs. 18/8123
  • Gesetzentwurf des Bundesrates: BT Drs. 18/10980

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 214/1/16

Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung: BT Drs. 18/11616

Beschlussempfehlung und Bericht der Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz: BT Drs. 18/12602

 

Nach dem „Schmähgedicht“ von Böhmermann auf den türkischen Präsidenten Erdoğan, ist der im Dornröschenschlaf liegende § 103 StGB in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dieser Straftatbestand der sog. „Majestätsbeleidigung“ bzw. „Präsidentenbeleidigung“ soll nun als nicht mehr zeitgemäßes „Sonderstrafrecht“ gestrichen werden. Beleidigungen gegen diesen Personenkreis hätten dem Antrag zufolge in aller Regel keinen privaten Hintergrund, sondern seien Teil des öffentlichen Diskurses. Die Länder sehen es darüber hinaus kritisch, dass eine Strafverfolgung in diesen Fällen von einer Entscheidung der Bundesregierung abhängt. Diese sei in der schwierigen Lage, einen Ausgleich zwischen der überragenden Bedeutung der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit und den Erwartungen der ausländischen Regierung herbeiführen zu müssen.

Nach einem entsprechenden Gesetzentwurf von sechs Bundesländern sprachen sich auch die Ausschüsse des Bundesrates für eine Streichung aus.

Am 16. Dezember 2016 hat der Bundesrat in der Plenarsitzung die Einbringung einer Gesetzesinitiative in den Bundestag zur sofortigen Streichung des § 103 StGB beschlossen. Als nächstes wird sich die Bundesregierung mit der Länderinitiative beschäftigen. Der Gesetzentwurf wird dann zusammen mit ihrer Stellungnahme an den Bundestag zur Entscheidung weitergeleitet.

Am 25. Januar 2017 hat der Bundesrat schließlich seinen Gesetzentwurf (BT Drs. 18/10980) zur Streichung des § 103 StGB in den Bundestag eingebracht. Die Bundesregierung macht in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrates klar, dass sie das gleichlautende Anliegen unterstütze, aber am eigenen Entwurf festhalte. Der Gesetzentwurf soll als besonders eilbedürftig behandelt werden, damit das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden kann.

Am 23. Februar hat die Bundesregierung ihren Entwurf vom 20. Februar 2017 in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 18/11243). Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Gesetz mit dem kurzen Wortlaut „§ 103 StGB wird aufgehoben“ im Januar 2018 in Kraft treten. Hinsichtlich des Zeitpunktes besteht jedoch Uneinigkeit zwischen Bundestag und Bundesrat. Wie aus der Stellungnahme hervorgeht, soll das Gesetz nach Meinung des Bundesrates am Tage nach seiner Verkündung in Kraft treten. Der Bundestag hält an seinem Vorschlag ohne nähere Begründung fest.

Am 28. April 2017 hat der Bundestag erstmals über den Gesetzentwurf debattiert und ihn zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen. Dort fand am 17. Mai 2017 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Experten waren sich uneinig, ob eine Streichung des § 103 StGB sinnhaftig sei. Zwei der vier Sachverständigen waren dafür, den Majestätsbeleidigungsparagrafen beizubehalten. Als Argument für eine Abschaffung wurde angeführt, dass Staatsoberhäupter genauso gut durch § 185 StGB geschützt seien. Ebenso gebe es auch keine völkerrechtlichen Gründe die dagegen sprechen. Dies wurde von den Gegnern des Vorhabens jedoch anders gesehen. Bei der Beleidigung von Staatsoberhäuptern gehe es in erster Linie nicht um die persönliche Ehre, sondern um den repräsentierten Staat. Schutzzweck des § 103 StGB sei auch, die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten zu schützen. Die vier Gesetzentwürfe zur Abschaffung des Straftatbestandes der Majestätsbeleidigung seien nur als Reaktion auf das Schmähgedicht von Jan Böhmermann in den Bundestag eingebracht worden. Zuletzt wurde zu Bedenken gegeben, dass es auch ohne die Abschaffung des § 103 StGB in Staaten mit einem anderen Rechtsverständnis als Ehrverletzung empfunden werden könne, wenn ein solches Verfahren mit einem Freispruch endet oder eingestellt wird. 

Am 1. Juni 2017 fand im Bundestag die zweite und dritte Lesung statt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde mit Empfehlung des Rechtsausschusses (BT Drs. 18/12602) einstimmig angenommen. Die Gesetzentwürfe der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen (BT Drs. 18/8123), der Fraktion Die Linke (BT Drs. 18/8272) und der Gesetzentwurf des Bundesrates (BT Drs. 18/10980) wurden abgelehnt. Damit setzte sich die Bundesregierung – was den Zeitpunkt der Streichung des § 103 StGB angeht – durch. Das Gesetz soll im Januar 2018 in Kraft treten.

Am 7. Juli 2017 hat der Bundesrat in seiner Plenarsitzung den Gesetzesbeschluss des Bundestages gebilligt und auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtet.

Am 21. Juli 2017 wurde das Gesetz zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt am 1. Januar 2018 in Kraft.

 

 

Gesetz zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuches

Gesetz zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuches vom 22. Dezember 2016: BGBl I 2016, Nr. 65, S. 3150

Gesetzentwürfe:

Beschlussempfehlung und Bericht des 6. Ausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT Drs. 18/10509

Nachdem sich die Vertragsstaaten des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs auf der Konferenz in Kampala endlich auf die Definition eines Straftatbestands der Aggression einigen konnten, ist der deutsche Gesetzgeber nach dem Grundsatz der Komplementarität in der Pflicht, einen ebensolchen Verbrechenstatbestand einzuführen.

Die Gerichtsbarkeit des IStGH wird für den Tatbestand der Aggression nach der Ratifizierung durch mindestens 30 Vertragsstaaten, frühestens jedoch nach dem 1. Januar 2017 aktiviert. Der deutsche Gesetzgeber hat sein Völkerstrafgesetzbuch nun zum 1. Januar 2017 aktualisiert und mit § 13 VStGB das Verbrechen der Aggression unter Strafe gestellt. Dadurch wurde der bisherige § 80 StGB („Vorbereitung eines Angriffskriegs“) durch § 13 VStGB ersetzt und die Strafbarkeit erweitert: es ist nun erstmals auch die tatsächliche Durchführung eines Angriffskrieges strafbar, während bislang lediglich die Vorbereitung eines Angriffskriegs strafrechtlich erfasst war.

 

 

Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG)

Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG) vom 30. Juni 2016: BGBl. I 2016 Nr. 31, S. 1514 ff.
 

Gesetzentwürfe:

Stellungnahme des Bundesrates vom 26. Februar 2016: BR Drs. 19/16 (B)

Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung: BT Drs. 18/7826

Beschlussempfehlung und Bericht zu den  Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 18/7482, 18/7826, 18/7918 Nr. 3 –: BT Drs. 18/8099

 

Anlagen:

  • Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie): Richtlinie 2014/57/EU

 

  • Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72 EG der Kommission: Verordnung (EU) Nr. 596/14

 

Das Recht des Marktmissbrauchs wurde vom europäischen Gesetzgeber im Nachgang der Finanzkrise durch die Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und die Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD II) reformiert. Beide sind ab dem 3.7.2016 anzuwenden bzw. in nationales Recht umzusetzen.

Daher hat die Bundesregierung im Januar 2016 einen entsprechenden Regierungsentwurf eines ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (1. FiMaNoG) vorgelegt, das der Bundestag im April nach Anhörung von Sachverständigen im Finanzausschuss mit einigen Änderungen verabschiedet hat. Durch das Gesetz sollen Kleinanleger besser geschützt werden. Dazu werden auch Straf- und Bußgeldvorschriften verschärft und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit weiteren Aufsichtsbefugnissen ausgestattet. Die MAR regelt das Insiderrecht und das Marktmanipulationsverbot unmittelbar so dass durch das 1. FiMaNoG einige Vorschriften im WpHG gestrichen werden mussten. Neuregelungen zur Durchsetzung und Sanktionierung des europäischen Marktmissbrauchsrechts finden sich in §§ 4, 38 und 39 WpHG. § 38 WpHG sanktioniert entgegen der Mindestvorgabe in der MAD nicht nur schwerwiegende vorsätzliche Marktmanipulationen und Insiderhandel, sondern vorsätzliche Verstöße unabhängig von der Schwere der Auswirkungen. Nach der geplanten Neuregelung können zudem Primär- und Sekundärinsider gleichermaßen für vorsätzliche Insiderverstöße mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft werden. Zudem werden leichtfertige Insiderverstöße und leichtfertige oder vorsätzliche Marktmanipulationen in Zukunft mit höheren Geldbußen von bis zu 5 Millionen Euro für natürliche Personen und von bis zu 15 Millionen Euro und 15 % des Gesamtumsatzes für juristische Personen geahndet.

Die Regelungen sind ausweislich des Artikel 17 zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft getreten.

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