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Kriminalpolitische Zeitschrift
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Siebenundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings vom 3. März 2020: BGBl. I 2020 Nr. 11, S. 431 ff.
Gesetzentwürfe:
Das BMJV hat einen Referentenentwurf zur Einführung der Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings auf den Weg gebracht.
Grundsätzlich ist Cybergrooming gem. § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB strafbar. Man versteht darunter das gezielte Ansprechen von Kindern im Internet, das lediglich mit dem Ziel einer Anbahnung von sexuellen Kontakten stattfindet. Nicht erfasst ist jedoch bislang die Versuchsstrafbarkeit (§ 176 Abs. 6 2. HS StGB), wenn der Täter lediglich glaubt, auf ein Kind einzuwirken, in Wirklichkeit aber mit einer erwachsenen Person kommuniziert.
Kinder gelangen bei der Nutzung digitaler Dienste immer wieder in die Gefahr Opfer von Cybergrooming zu werden. Der Tatbestand des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB ist daher weit gefasst und stellt bereits frühe Vorbereitungshandlungen unter Strafe. Dieser Schutz reiche aber angesichts der fortschreitenden Anonymität des Internets nicht aus. Es dürfe aus general- und spezialpräventiven Gründen für eine Strafbarkeit nicht alleine von der Vorstellung des Täters abhängen, ob das kontaktierte Opfer tatsächlich ein Kind ist oder nicht.
Darum sieht der Referentenentwurf eine entsprechende Einführung der Versuchsstrafbarkeit in § 176 Abs. 6 vor:
„(6) Der Versuch ist strafbar. Dies gilt nicht für Taten nach Absatz 4 Nummer 4 und Absatz 5. Bei Taten nach Absatz 4 Nummer 3 ist der Versuch nur in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, auf ein Kind einzuwirken.“
Des Weiteren weist das BMJV in dem Referentenentwurf darauf hin, dass zusätzlich ein Änderungsbedarf bei der Subsidiaritätsklausel des Straftatbestands der sexuellen Belästigung (§ 184i StGB) bestehe. Der BGH hat im März 2018 (BGH, Beschl. v. 13.3.2018 – 4 StR 570/17) entschieden, dass § 184i Abs. 1 StGB auch von Strafvorschriften mit schwererer Strafandrohung verdrängt wird, die keine Sexualdelikte sind, wie zum Beispiel von einer Körperverletzung. § 184i Abs. 1 StGB soll daher zusätzlich eine Änderung erfahren, die die Subsidiaritätsklausel auf die Vorschriften des 13. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB begrenzt.
Der Kriminalpolitische Kreis hatte bereits zu einer möglichen Einführung der Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings Stellung genommen. Die Stellungnahme finden Sie hier.
Am 26. Juni 2019 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf vorgelegt.
Die Ausschüsse des Bundesrates haben sich bereits mit dem Entwurf beschäftigt und am 6. September 2019 ihre Empfehlungen (BR Drs. 365/1/19) vorgelegt. Der Innenausschuss sieht den Gesetzentwurf als nicht weitgehend genug an. Eine Versuchsstrafbarkeit sollte seiner Auffassung nach generell gegeben sein, und nicht nur für den Fall, dass der Täter irrig annehme, dass er auf ein Kind eingewirkt habe. Des Weiteren spricht sich der Rechtsausschuss im Sinne einer effektiveren Strafverfolgung dafür aus, Verdeckten Ermittlern (VE) die Möglichkeit zu schaffen, sog. Keuschheitsproben abgeben zu können. Voraussetzung für das Hochladen kinderpornografischer Inhalte im Rahmen eines verdeckten Einsatzes soll sein, dass es sich dabei um rein fiktionale Darstellungen von Kinderpornografie handele. Dies sei verfassungsrechtlich insoweit unbedenklich, da die VE schwerste Straftaten im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht nur aufklären, sondern auch verhindern könnten. Außerdem wird in der Empfehlung der Ausschüsse gefordert, den Versuch des sexuellen Missbrauchs an Kindern auch dann zu bestrafen, wenn die Missbrauchshandlung durch das Zeigen pornografischer Schriften erfolge.
Am 20. September 2o19 fasste der Bundesrat in seiner Plenarsitzung den Entschluss, eine entsprechende Stellungnahme an die Bundesregierung weiterzuleiten. Sobald diese sich dazu geäußert hat, wird sich der Bundesrat erneut zwecks Beratung und Entscheidung mit dem Entwurf beschäftigen.
Am 11. Oktober 2019 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/13836). Am 17. Oktober 2019 wurde er im Plenum vorgestellt und zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dort fand am 6. November 2019 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der geladenen Experten und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Sachverständigen waren sich in einigen Punkten einig, hielten aber auch Teile der geplanten Neuregelungen für bedenklich.
Prof. Dr. Thomas Weigend betonte, dass er eine Regelung vorziehe, die zielgenau den „untauglichen Versuch“ des Einwirkens auf ein Kind erfasse, statt eine allgemeine Versuchsstrafbarkeit einzuführen. Allerdings kritisierte er die dahingehende Formulierung im Gesetzentwurf, die auf die irrige Annahme der Einwirkung auf ein Kind abziele, denn die Vollendung der Tat scheitere gerade nicht an der irrigen Annahme des Täters, sondern daran, dass er tatsächlich nicht auf ein Kind einwirke. OStA Thomas Goger sprach sich jedoch gegen die Einführung eines „untauglichen Versuchs aus“, da er es nicht für nachvollziehbar halte, dass im Gegenzug dazu ein tauglicher Versuch – und damit die konkrete Gefahr der Einwirkung auf ein echtes Kind – nicht strafbar sei.
Peter Egetmaier sah die Wichtigkeit der geplanten Änderung für die Praxis. Die Ermittlungsbehörden seien auf ein Instrumentarium für die effektive Bekämpfung von Straftaten im Bereich des sexuellen Missbrauchs angewiesen. Eine Gefährderansprache sei hier lediglich „ein stumpfes Schwert“. Holger Kind vom Bundeskriminalamt teilte diese Ansicht und mahnte auch eine grundlegende Verbesserungen der Rahmenbedingungen an. Dazu gehöre nicht nur mehr Personal, sondern auch die Möglichkeit, Kommunikationsdaten von Tätern im Rahmen einer Vorratsdatenspeicherung zu erfassen.
Prof. Dr. Dominik Brodowski sah die Möglichkeit des Einsatzes von „Scheinkindern“ durch Ermittler kritisch. Damit werde ein prozessuales Problem mit Mitteln des materiellen Strafrechts gelöst. Zudem erhob er Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der vom Bundesrat empfohlenen Einführung einer Möglichkeit zur Abgabe von „Keuschheitsproben“ durch die Ermittler.
Prof. Dr. Thomas Fischer sprach sich gegen die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit aus, da hiermit eine Vorverlagerung der Strafbarkeitsgrenze betrieben werde. Der konkrete Bezug zu einer Rechtsgutsverletzung könne so nicht mehr hergestellt werden, was unter den Gesichtspunkten des Schuldprinzips und des legitimen Strafzwecks bedenklich sei. Keine Bedenken erhob er gegen die Einführung von „Keuschheitsproben“ beim Einsatz von Verdeckten Ermittlern. Das kinderpornografische Material dürfe allerdings nur im Rahmen von bereits laufenden Ermittlungsverfahren verwendet werden und lediglich fiktive Darstellungen enthalten.
Eine Vorverlagerung der Strafbarkeit sah auch Dr. Jenny Lederer vom Deutschen Anwaltverein, die darum ebenfalls eine Versuchsstrafbarkeit ablehnte, den Vorschlag der Bundesrates zum Thema „Keuschheitsprobe“ aber unterstützte.
Am 17. Januar 2020 wurde das Gesetz zur Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings in 3. Lesung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und AfD beschlossen. Die übrigen Fraktionen enthielten sich ihrer Stimme. Auf Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz wurde zunächst in zweiter Lesung auf Wunsch der Fraktion der Grünen getrennt über den Artikel 1 Nr. 1 lit. b der Ausschussfassung (Versuchsstrafbarkeit) abgestimmt. Neben den Grünen stimmten auch die Fraktion der FDP und der Linken dagegen, konnten sich aber nicht gegen die Stimmen der Koalitionsfraktionen und der AfD durchsetzen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht: „Wenn Täter Kindern Nachrichten schreiben oder Bilder schicken, um Kontakte für spätere Missbrauchstaten aufzubauen, ist das schon heute eine Vorstufe zum sexuellen Kindesmissbrauch. Manchmal glauben Täter aber nur, sie würden mit Kindern chatten. In Wahrheit haben sie aber Kontakt mit Polizeibeamten oder den Eltern, die ihre Kinder schützen wollen. Auch dies ist künftig strafbar. Denn die Täter handeln in der gleichen schrecklichen Absicht, das Vertrauen eines Kindes für eine spätere Missbrauchstat zu gewinnen.“
Zu den künftig erweiterten Ermittlungsbefugnissen äußerte sie: „Wir dürfen nie vergessen, dass hinter kinderpornografischen Bildern schreckliche Missbrauchstaten an Kindern stehen. Manchmal dauert der Missbrauch noch an. Ich will den Ermittlern alle rechtsstaatlich zulässigen Instrumente an die Hand geben, damit die Täter, aber auch die Hintermänner und Portalbetreiber schnell ermittelt und verurteilt werden können. Um Zugang zu den Portalen zu bekommen, wird immer häufiger von den Ermittlern verlangt, dass sie selbst Bilder und Videos hochladen. Für mich ist klar, dass Polizeibeamte keine echten Aufnahmen verwenden dürfen. Deshalb werden die Ermittler künftig computergenerierte Bilder verwenden können, um Zugang zu den Portalen zu bekommen. Diese computergenerierten Bilder sehen echten Bildern täuschend ähnlich, zeigen aber niemals echte Kinder.“
Am 14. Februar 2020 billigte der Bundesrat die vom Bundestag beschlossene Verschärfung der Strafbarkeit von Cybergrooming. Das Siebenundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings vom 3. März 2020 wurde am 12. März 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt am 13. März 2020 in Kraft.
von Rechtsreferendar Martin Linke
2019, Verlag C.H. Beck, ISBN:978-3-406-70383-6, S. 3361, Euro 179,00.
I. Einleitung
Ende November 2018 erschien mit der 30. Auflage des Schönke/Schröder eine Jubiläumsausgabe des Klassikers. 4 Jahre sind vergangen, seit die letzte Auflage auf den Markt kam. Ein Werk, das in einiger Regelmäßigkeit erscheint, zu rezensieren, ist mit Schwierigkeiten verbunden. Die Vorzüge des betreffenden Kommentars wurden bereits in früheren Rezensionen hinreichend gewürdigt.[1] Diese Vorzüge bleiben auch in der 30. Auflage bestehen. Die Qualität des Schönke/Schröder ist weiterhin hervorragend. Eingegangen werden soll im Folgenden stichprobenartig auf einige nach Auffassung des Rezensenten besonders hervorzuhebende Neuerungen. Die Besprechung erfolgt entsprechend der Normierung im StGB.
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Gesetzentwürfe:
Am 16. November 2022 hat die Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung des Containerns von Lebensmitteln in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 20/4421), nachdem sie in der vergangenen Legislaturperiode mit einem Antrag gescheitert war. Der Entwurf sieht vor einen Absatz 2 in den § 248a StGB einzufügen. Von der Strafverfolgung soll entsprechend abzusehen sein, wenn sich die Tat auf Lebensmittel bezieht, die vom Eigentümer in einem Abfallbehältnis, welches der Abholung und Beseitigung durch einen Entsorgungsträger dient, deponiert oder anderweitig zur Abholung bereitgestellt wurden.
Am 26. Januar 2023 wurde der Gesetzentwurf zusammen mit einem Entwurf zur Entkriminalisierung des Schwarzfahrens erstmals im Bundestag beraten und im Anschluss an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. Dort fand am 17. April 2023 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.
Die Expert:innen begrüßten grundsätzlich eine Entkriminalisierung des Containerns, kritisierten jedoch den Gesetzentwurf im Einzelnen. Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi erklärte, dass die vorgeschlagenen Regelungen strafrechtssystematisch inkonsistent seien. Er schlug vor, im Rahmen des Containerns das Absehen von Strafe für den Diebstahl und die Unterschlagung einzuführen. Mit der vorgeschlagenen Regelung würden Ressourcen für ein Scheinproblem vergeudet. Prof. Dr. Michael Kubiciel von der Universität Augsburg sah dies ähnlich. Es werde versucht, erstmalig eine strafprozessuale Vorschrift in das StGB zu implementieren, um damit das materielle Ziel der Entkriminalisierung des Containerns zu verfolgen. Damit werde das System allgemeingültiger Einstellungsvorschriften in der Strafprozessordnung durchbrochen. Einen nennenswerten Effekt für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sah er nicht. Prof. Dr. Olaf Hohmann von der Universität Greifswald betonte, dass die europarechtliche Legaldefinition des Begriffs „Lebensmittel“ verkannt werde. Zudem gebe es derzeit ausreichende Möglichkeiten, einem geringen Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat Rechnung zu tragen. Eine Entlastung der Ermittlungsbehörden und Strafgerichte könne nicht eintreten, wenn beim Containern neben dem Diebstahl weitere Delikte verfolgt werden müssen. Er nannte den Gesetzentwurf daher bloße Symbolik. Rechtsanwalt Stefan Conen sah dies anders. Das zwingende Absehen von Verfolgung sei im materiellen Strafrecht kein Neuland. Der Gesetzentwurf ziele in die richtige Richtung und sei auch gesetzestechnisch möglich, gehe jedoch noch nicht weit genug. Auch Prof. Dr. Ali B. Norouzi vom DAV erklärte, die Vorschläge seien weder überflüssig noch systemfremd. Sozialpolitik sei die beste und wirksamste Kriminalpolitik und auch wenn es um Symbolik gehe, so sei aber auch symbolische Entkriminalisierung am Ende eine faktische Entkriminalisierung. Elisa Kollenda, Ernährungsexpertin von der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland regte an, die Bundesregierung solle durch einen gesetzlichen Rahmen bereits die Überschussproduktion und Verschwendung von Anfang und entlang der gesamten Lieferkette verhindern. Jochen Brühl von der Tafel Deutschland begrüßte die geführte Debatte zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung. Auch er rief dazu auf, dass Containern überflüssig zu machen.
19. Legislaturperiode:
Am 15. April 2019 hat die Fraktion Die Linke einen Antrag zur Entkriminalisierung des Containerns (BT Drs. 19/9345) in den Bundestag eingebracht. Die Entnahme von Lebensmitteln aus der Supermarktmülltonne stellt derzeit einen Diebstahl oder ggf. auch einen Hausfriedensbruch dar. Doch die Motivation dahinter ist keinesfalls die Schädigung des Eigentums des Supermarktes. Nach Ansicht der Fraktion sei es unnötig, dem Containern mit dem „scharfen Schwert des Strafrechts“ als letztes Mittel staatlichen Zwanges zu begegnen. Die Entnahme der Lebensmittel aus der Mülltonne stelle schließlich kein missbilligendes Verhalten dar. Vielmehr reduziere es die Lebensmittelverschwendung.
Die Fraktion fordert daher die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, „durch den die Aneignung entsorgter Lebensmittelabfälle von der Strafverfolgung ausgenommen wird, beispielsweise indem solche Lebensmittelabfälle als herrenlose Sachen definiert werden.“
Am 10. Dezember 2020 fand hierzu im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Experten äußerten sich fast einhellig kritisch zu dem Antrag. In seiner Stellungnahme erläuterte Prof. Dr. Thomas Fischer, warum er den Vorschlag des Entschließungsantrags rechtlich und praktisch nicht für sinnvoll erachte. Denn nicht verkaufsfähige aber genießbare Lebensmittel als herrenlose Sache zu definieren, passe nicht in die bestehende strafrechtliche Systematik. Sinnvoller sei es, die bestehenden Alternativen zur Verwertung noch genießbarer Lebensmittel zu fördern. Prof. Dr. Michael Kubiciel betonte, dass das BVerfG die geltende Rechtslage bereits explizit als verfassungskonform bezeichnet habe und sah daher weder einen verfassungsrechtlichen noch kriminalpolitischen Handlungsbedarf. Die Rechtsprechung trage den unterschiedlichen Fällen der Aneignung von Abfällen bereits jetzt ausreichend Rechnung. Auch er sah die Straflosigkeit des Containers nicht als effektivste Strategie, die Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Nicole Luther von der Staatsanwaltschaft Tübingen betonte ebenfalls, dass das Strafrecht und das Strafprozessrechts genügend Instrumente zur Verfügung habe, angemessen auf Taten wie solche des Containerns zu reagieren. Schließlich sei das Strafrecht sei kein geeignetes Mittel, um auf gesellschaftliche Missstände zu reagieren. Prof. Dr. Anja Schiemann verwies in ihrer Stellungnahme auf die meist mitverwirklichten Straftatbestände des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung, weshalb die vorgeschlagene Gesetzesänderung wenig zielführend sei. Es bedürfe sinnvollerer nationaler Strategien, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. So könnten beispielsweise Lebensmittelmärkte ab einer bestimmten Größe nicht verkaufsfähige aber genießbare Lebensmittel unverschlossen bereitstellen, sofern für sie diesbezüglich Haftungs-, Bußgeld- oder Strafbarkeitsrisiken ausgeschlossen seien. Rechtsanwalt Max Malkus und Prof. Dr. Annika Dießner bevorzugten die vorgeschlagene Lösung des Antrags der Linksfraktion. Malkus erläuterte, dass es seiner Meinung nach sachgerecht sei, das Eigentumsrecht an weggeworfenen Lebensmitteln mit Blick auf die „Sozialbindung des Eigentums“, die Lebensmittelverschwendung und das Rechtsempfinden der Bevölkerung von der Strafverfolgung auszunehmen. Die bestehenden Möglichkeiten zur Einstellung von Strafverfahren ohne Auflage seien jedenfalls dann nicht geeignet vor einer übermäßigen Strafverfolgung zu schützen, wenn die Einstellung an der Weigerung der Staatsanwaltschaft scheitere. Es brauche daher eine in erster Linie gesetzgeberische Wertungsentscheidung. Auch Prof. Dr. Annika Dießner hielt eine Entkriminalisierung des Containerns für angebracht. Es widerspreche in diesem Zusammenhang dem Ultima-Ratio-Grundsatz, ein solches als Diebstahl zu verfolgen. Nicht zuletzt trage dies auch der sich wandelnden Einstellung der Gesellschaft im Hinblick auf die Lebenmittelverschwendung Rechnung.
Am 27. Januar 2021 hat der Rechtsausschuss in seiner Beschlussempfehlung (BT Drs. 19/26270) die Ablehnung des Antrags der Linken empfohlen.
Wie schon im Jahr 2019, brachte daraufhin die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen am 28. Januar 2021 einen Entschließungsantrag – „Containern von Lebensmitteln erlauben und entkriminalisieren“ (BT Drs. 19/26236) in den Bundestag ein. Die Bundesregierung soll darin aufgefordert werden:
„den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vorzulegen, mit dem Absehen von Strafe oder Straffreierklärung bei der Wegnahme von weggeworfenen noch genießbaren Lebensmitteln zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an gemeinnützige Organisationen oder Verteilstellen (Containern) ermöglicht wird und als erstem Schritt zur Vereinheitlichung der Strafverfolgungspraxis gemeinsam mit den Ländern auf eine Änderung der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) so hinzuwirken, dass wegen Geringfügigkeit von der Verfolgung abgesehen bzw. ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung grundsätzlich abgelehnt wird,
einen ordnungsrechtlichen Rahmen zu schaffen, der Lebensmittelmärkten gebietet, noch genießbare Lebensmittel zu spenden bzw. erreichbar zugänglich zu machen, und unangemessene Haftungsrisiken für unverschlossenes Bereitstellen ausschließt,
endlich in geeigneter Weise durch eine bundeseinheitliche Verwaltungsanweisung Rechtsicherheit zu schaffen und sicherzustellen, dass für Lebensmittel, die für den Verkauf ungeeignet sind und die an gemeinnützige Organisationen gespendet werden, keine Umsatzsteuer anfällt, das heißt dabei von einer Bemessungsgrundlage von 0 Euro auszugehen, wie es bereits für die Abgabe von Lebensmitteln kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums der Fall ist.“
Nach fast einem halben Jahr hat sich der Bundestag schließlich am 23. Juni 2021 wieder mit dem Antrag der Linken befasst und ihn ohne weitere Aussprache in einer abschließenden Beratung abgelehnt.
Am 13. Februar 2019 fand in Berlin in den Räumlichkeiten der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz eine rechtspolitisch wie wissenschaftlich spannende Tagung zum Thema „Islam und Recht II“ statt, die vom Landtag Rheinland-Pfalz, dem Deutschen Richterbund und der Gesellschaft für Rechtspolitik (gfr) gemeinsam veranstaltet wurde.
Gesetzentwürfe:
Am 9. April 2019 hat das Bundesland Bayern einen Gesetzesantrag zur Verbesserung der Bekämpfung der Cyberkriminalität in den Bundesrat eingebracht. Die starke Nutzung des Internets wirke sich in allen Bereichen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft aus und bringe nicht nur Freiräume, sondern aufgrund der vielfältigen Missbrauchsmöglichkeiten auch ein großes Maß an Verwundbarkeit mit sich. Dies verdeutlichten die bekannt gewordenen „Datenleaks“ der letzten Jahre und die zuletzt vermehrten Cyberattacken mit Trojanern. Cyberkriminalität bedrohe insbesondere die Grundlagen von Demokratie, Staat und Wirtschaft und sei geeignet, das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit staatlicher Organe zu erschüttern. Es sei Aufgabe des Strafrechts, die Verantwortlichen solcher Angriffe zu ermitteln und schuldangemessen zu bestrafen. Der Schutz der derzeit durch die §§ 202a ff. und §§ 303a ff. StGB gewährt werde, sei unzureichend. Ihre Strafrahmen liegen ganz überwiegend im unteren Bereich. Zudem fehle es an Qualifikationstatbeständen und Regelbeispielen mit erhöhter Strafandrohung. Diese Bagatellisierung setze sich im Strafverfahrensrecht fort, wo den Ermittlern strafprozessuale Befugnisse für erfolgversprechende Ermittlungen in der digitalen Welt nicht zur Verfügung stünden. Darum habe der Strafrechtsausschuss der Justizministerkonferenz und der Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz bereits 2011 die Gemeinsame Arbeitsgruppe Justiz/Polizei (GAG) damit beauftragt, sich mit dem Thema Cybercrime zu befassen. Diese hat sich unter Federführung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz mit den aktuellen Rechtsfragen bei der Bekämpfung von Cybercrime befasst und 2013 einen Abschlussbericht vorgelegt. Die Justizminister und Justizministerinnen haben von diesem auf der Herbstkonferenz 2018 Kenntnis genommen und das BMJV gebeten, die Empfehlungen der Arbeitsgruppe zu würdigen und die erforderlichen gesetzgeberischen Schritte zu unternehmen.
Der Gesetzentwurf soll die unangemessene Bagatellisierung der Computer- und Datendelikte beseitigen. Dazu passt er die Strafrahmen der §§ 202a ff. und § 303a f. StGB an und schafft Qualifikationstatbestände und Regelbeispiele mit erhöhten Strafrahmen. Ferner wird der Straftatenkatalog der §§ 100a Abs. 2, 100b Abs. 2 und 100g Abs. 2 StPO um die qualifizierten Begehungsweisen der Cybercrime Delikte erweitert.
Am 12. April 2019 wurde der Gesetzentwurf im Bundesrat vorgestellt und zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Während sich im Folgenden der federführende Rechtsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten für eine Einbringung des Entwurfes in den Bundestag aussprachen, empfiehlt der Wirtschaftsausschuss dem Bundesrat dies nicht zu tun (BR Drs. 168/1/19).
Am 28. Juni 2019 beriet der Bundesrat über den Vorschlag Bayerns. Er fand für eine Einbringung in den Bundestag jedoch nicht die erforderliche absolute Mehrheit.
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Öffentliche Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat am 8. April 2019:
Zweites Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme vom 18. Mai 2021: BGBl. I 2021, S. 1122 ff.
Gesetzentwürfe:
Cyberangriffe werden immer ausgefeilter und stellen für den Staat, die Wirtschaft und die Gesellschaft, aber auch für die Individualinteressen eine große Gefahr dar, wenn z.B. persönliche Daten aus sozialen Netzwerken ohne Einverständnis der Betroffenen weiter verbreitet werden. Die zunehmende Verbreitung von Internet of Things (IoT)-Geräten verschärft die Lage, da sie regelmäßig nicht unter Sicherheitsaspekten entwickelt werden. Ohne großen Aufwand können sie zu Bot-Netzen zusammengeschaltet werden. Da Cybersicherheit nicht statisch sein kann, bedarf es einer ständigen Anpassung und Weiterentwicklung an Schutzmechanismen.
Daher soll mit einem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (IT-SiG 2.0) ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, mit dem Maßnahmen zum Schutz der Gesellschaft bzw. der Bürger, zur Stärkung des Staates bzw. zum Schutz der öffentlichen Informationstechnik und für eine resiliente Wirtschaft getroffen werden.
Insbesondere zum Schutz der Bürger soll ein IT-Sicherheitskennzeichen ins Leben gerufen werden, mit dem die IT-Sicherheit einzelner Produkte für den Endnutzer transparent wird.
Zudem sieht der Referentenentwurf vor, die Befugnisse des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik sowie der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden zum Schutz der Bundesverwaltung und der Gesellschaft zu erweitern. Dazu sollen u.a. ergänzende Anpassungen am materiellen Strafrecht und am Strafverfahrensrecht erfolgen:
„Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand Täter oder Teilnehmer einer Straftat im Sinne von § 100g Absatz 1 StPO ist, so dürfen die Staatsanwaltschaft sowie die Behörden und Beamten des Polizeidienstes auch gegen den Willen des Inhabers auf Nutzerkonten oder Funktionen, die ein Anbieter eines Telekommunikations- oder Telemediendienstes dem Verdächtigen zur Verfügung stellt und mittels derer der Verdächtige im Rahmen der Nutzung des Telekommunikations- oder Telemediendienstes eine dauerhafte virtuelle Identität unterhält, zugreifen. Sie dürfen unter dieser virtuellen Identität mit Dritten in Kontakt treten. Der Verdächtige ist verpflichtet, die zur Nutzung der virtuellen Identität erforderlichen Zugangsdaten herauszugeben. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Zugangsdaten auch herauszugeben sind, wenn sie geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Jedoch dürfen die durch Nutzung der Zugangsdaten gewonnenen Erkenntnisse in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Verdächtigen oder einen in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen des Verdächtigen nur mit Zustimmung des Verdächtigen verwendet werden.“
Da bei der rechtswidrigen Verbreitung illegal erlangter Daten die Provider eine erhebliche Rolle spielen, sollen diese mit dem Gesetzentwurf zur Löschung, Meldung und zu Bestandsauskünften bei Cybercrime-Vorfällen verpflichtet werden.
Am 7. Mai 2020 gab das BMI einen neuen Referentenentwurf zum IT-Sicherheitsgesetz 2.0. in die Ressortabstimmung. Er enthält insbesondere Regelungen, die dem Bundesamt für Sicherheit mehr Kompetenzen einräumen und mehr Personalstellen zusprechen. Der neue Entwurf enthält elf neue Paragrafen und viele kleine Wortlautänderungen im Vergleich zum ersten Referentenentwurf. Die wichtigste Neuerung dürfte aber sein, dass alle Änderungen des StGB und der StPO gestrichen wurden. Den Forderungen zur Einführung des digitalen Hausfriedensbruchs, des Zugänglichmachen von Leistungen im Darknet zur Begehung von Straftaten (§ 126a StGB-E) und zur Verpflichtung zur Herausgabe von Passwörtern (§ 163g StPO-E) wurde demnach nicht mehr nachgekommen.
Im November 2020 wurde ein weiterer Referentenentwurf des BMI mit Bearbeitungsstand vom 19. November 2020 öffentlich. Laut Entwurf sind schwerpunktmäßig folgende Änderungen vorgesehen:
Am 27. Januar 2021 brachte die Bundesregierung Ihren Entwurf zum IT-Sicherheitsgesetz 2.0 in den Bundestag ein (BT Drs. 19/26106). Die geplanten Neuregelungen zur Bestandsdatenauskunft (BT Drs. 19/25294) wurde nun auch hier im Entwurf umgesetzt.
Am 12. Februar 2021 debattierte der Bundesrat über den Gesetzentwurf und verwies ihn im Anschluss zur weiteren Beratung an die Ausschüsse.
Im Bundestag fand im Ausschuss für Inneres und Heimat am 1. März 2021 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Experten bewerteten den vorliegenden Gesetzentwurf als ungenügend. Sebastian Artz äußerte, dass der Entwurf mehr zurück als nach vorn blicke. Das BSI sei durch die schnellen Innovationszyklen im IT-Bereich gar nicht in der Lage, mit der Entwicklung der Technik Schritt zu halten. Daher sei ein „dynamisches Regelwerk“ notwendig, das nicht versuche lediglich die Vergangenheit zu regulieren. Manuel Atug betonte, dass einmal mehr die Gelegenheit vertan wurde, das BSI unabhängig aufzustellen. Es sei „Handlanger der Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste“ geworden. Als Grund dafür sah er insbesondere die Befugnis, erkannte Sicherheitslücken für die Strafverfolgung offenzuhalten und zu nutzen. Dies bemängelte ebenfalls Linus Neumann vom Chaos Computer Club: „Dadurch verlieren wir die einzige vertrauenswürdige Institution. Das ist ein herber Verlust für die Bürger.“ Prof. Dr. Klaus Gärditz nahm insbesondere die Regelung zur Überprüfung der sicherheitspolitischen Vertrauenswürdigkeit ausländischer IT-Technologie in den Blick und äußerte diesbezüglich verfassungsrechtliche und verwaltungsrechtliche Bedenken. Die Eingriffsvoraussetzungen seien zu unbestimmt. Ebenso fehle die Möglichkeit einer rechtlichen Überprüfung. Von der praktischen Umsetzbarkeit der Regelung abgesehen, laufe der Bundestag Gefahr seine Glaubwürdigkeit zu beschädigen, wenn er eine solche „Placebo-Norm“ verabschiede. Dr. Sven Herpig bemängelte genauso wie Manuel Atug die fehlende Evaluierung des bestehenden Gesetzes. Er sah trotz der geplanten Änderungen die Möglichkeit, unsichere IT-Produkte in Deutschland auf den Markt zu bringen. Damit werde besonders dem Verbraucherschutz durch den Entwurf nicht genüge getan. Martin Schallbruch drang im Interesse der Wirtschaft auf eine Verbesserung des Entwurfs.
Am 23. April 2021 wurde der Regierungsentwurf zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme nach einer halbstündigen Aussprache mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen in der geänderten Fassung des Innenausschusses (BT Drs. 19/28844) angenommen. Die Oppositionsfraktionen stimmten gegen den Entwurf.
Am 7. Mai 2021 beschäftigte sich der Bundesrat abschließend mit dem Regierungsentwurf und verzichtete auf eine Vermittlungsverfahren. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung vorgelegt. Zusätzlich fasste der Bundesrat eine Entschließung, in der er kritisiert, dass der Bund der Forderung nach einer stärkeren Einbindung der Länder nicht nachgekommen sei. Außerdem übt er Kritik daran, dass gerade eine Unterrichtungspflicht der Länder nicht berücksichtigt wurde. Die Bundesregierung sei daher aufgefordert, hierfür eine normative Grundlage zu schaffen.
Am 27. Mai 2021 wurde das zweite Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme vom 18. Mai 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2021, S. 1122 ff.). Es tritt vorbehaltlich des Absatzes 2 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Art. 1 Nr. 4, 6 und 12 treten am 1. Dezember 2021 in Kraft.
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Öffentliche Anhörung am 3. April 2019
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