KriPoZ-RR, Beitrag 61/2019

Die Entscheidungen im Original finden Sie hier: Frankreich, Schweden und Belgien.

EuGH, Urt. v. 12.12.2019 – C-566/19 PPU, C-626/19 PPU, C-625/19 PPU, C-627/19 PPU: Französische, Schwedische und Belgische Staatsanwaltschaften dürfen Europäische Haftbefehle ausstellen

Amtliche Leitsätze:

C-566/19 PPU & C-626/19 PPU:

Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass unter den Begriff „ausstellende Justizbehörde“ im Sinne dieser Bestimmung die Beamten der Staatsanwaltschaft eines Mitgliedstaats fallen, die mit der Strafverfolgung betraut sind und der Leitung und Kontrolle ihrer Vorgesetzten unterliegen, sofern ihnen ihr Status eine Gewähr für Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive im Rahmen der Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls verschafft.

Der Rahmenbeschluss 2002/584 ist dahin auszulegen, dass die einem wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz innewohnenden Anforderungen, in deren Genuss eine Person kommen muss, gegen die ein Europäischer Haftbefehl zur Strafverfolgung erlassen wird, erfüllt sind, wenn nach den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats die Voraussetzungen für den Erlass dieses Haftbefehls und insbesondere seine Verhältnismäßigkeit Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle in diesem Mitgliedstaat sind.

C-625/19 PPU:

Der Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die einem wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz innewohnenden Anforderungen, in deren Genuss eine Person kommen muss, gegen die ein Europäischer Haftbefehl zur Strafverfolgung erlassen wurde, erfüllt sind, wenn nach den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats die Voraussetzungen für die Ausstellung dieses Haftbefehls und insbesondere seine Verhältnismäßigkeit in diesem Mitgliedstaat gerichtlich überprüft werden.

C-627/19 PPU:

Der Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die die Zuständigkeit für den Erlass eines Europäischen Haftbefehls zur Vollstreckung einer Strafe einer Behörde übertragen, die zwar an der Rechtspflege in diesem Mitgliedstaat mitwirkt, aber selbst kein Gericht ist, jedoch keinen gesonderten Rechtsbehelf gegen die Entscheidung dieser Behörde, einen solchen Europäischen Haftbefehl zu erlassen, vorsehen.

Sachverhalt:

In den nationalen Ausgangsverfahren hatten niederländische Gerichte über die Auslieferung zur Strafverfolgung bzw. Strafvollstreckung aufgrund Europäischer Haftbefehle aus Frankreich, Schweden und Belgien zu entscheiden.

Aufgrund dieser Verfahren hatten die Niederländer dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die betreffenden Staatsanwaltschaften als „ausstellende Justizbehörde“ anzusehen seien.

Entscheidung des EuGH:

Nach Ansicht des EuGH genügen die betreffenden Staatsanwaltschaften den Anforderungen der EU-Richtlinie und dürfen daher Europäische Haftbefehle ausstellen.

Zur Begründung führte der EuGH aus, dass die französische Staatsanwaltschaft zwar keine richterliche oder gerichtliche Organisation sei, aber die französischen Rechts- und Organisationsvorschriften dennoch eine genügende Unabhängigkeit von Weisungen der Exekutive sicherstellten. Weder die Möglichkeit des Justizministers allgemeine Weisungen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege zu erteilen, noch der hierarchische Aufbau der Behörde sei unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet, die Unabhängigkeit der Staatsanwälte in den konkreten Verfahren zu gefährden. Daher fielen die französischen Staatsanwaltschaften unter den Begriff der „ausstellenden Justizbehörde“.

Zudem stellte der Gerichtshof klar, dass das Erfordernis einer Möglichkeit zur gerichtlichen Kontrolle des Haftbefehls im Ausstellungsstaat bei Ausstellung durch eine Behörde, die kein Gericht sei, keine Voraussetzung für die Einordnung als ausstellende Justizbehörde darstelle. Die Schaffung eines solchen Rechtsbehelfs sei nur eine Möglichkeit, das von der Richtlinie geforderte Rechtsschutzniveau sicherzustellen.

Da das französische und schwedische Recht eine solche Rechtsschutzmöglichkeit vorsehe, bestünden an der unabhängigen Prüfung der Voraussetzungen und der Verhältnismäßigkeit des Haftbefehls keine Bedenken.

Bezüglich der belgischen Staatsanwaltschaft führte der EuGH aus, dass die Vorschriften über den Europäischen Haftbefehl keine besonderen Rechtsschutzmöglichkeiten forderten, wenn der Haftbefehl – wie in diesem Verfahren – nicht der Strafverfolgung, sondern der Strafvollstreckung diene. In einem solchen Fall genüge es, dass dem Verfolgten ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz im Strafverfahren zuteil werde. Stütze sich der Haftbefehl dann auf das rechtskräftige Urteil, bestünden keine Zweifel an der Berücksichtigung eines effektiven Grundrechtsschutzes.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die Urteile stellen eine Fortentwicklung und Präzisierung der Rechtsprechung des EuGH zu den Anforderungen an die den Europäischen Haftbefehl ausstellende Behörde dar. Erst im Mai 2019 hatte der EuGH entschieden, dass die deutschen Staatsanwaltschaften nicht unabhängig genug für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls seien. Das Urteil finden Sie hier.

Eine korrespondierende Entscheidung des OLG Hamm finden Sie hier.

Dem Urteil folgte eine Debatte zur Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften in Deutschland, aufgrund derer die FDP-Fraktion einen Gesetzesentwurf „zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft“ in den Bundestag einbrachte. Weitere Informationen erhalten Sie hier.

KriPoZ-RR, Beitrag 60/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 23.10.2019 – 2 StR 139/19: Versuchsbeginn beim Eingehungsbetrug in mittelbarer Täterschaft

Leitsatz der Redaktion:

Entlässt der Hintermann den Tatmittler aus seinem unmittelbaren Herrschaftsbereich, ist darin dann noch kein Versuchsbeginn zu sehen, wenn die Tatbegehung erst nach einer längeren Zeit erfolgen soll oder eine konkrete Rechtsgutsgefährdung beim Opfer noch nicht eingetreten ist.

Sachverhalt (gekürzt):

Das LG Wiesbaden hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in zwei Fällen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sieben Fällen verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte ein Bekannter des Angeklagten 2017 einen im Jahr 2008 gestohlenen PKW der Marke Bentley angekauft. Dem Angeklagten war daraufhin aufgefallen, dass das Fahrzeug eine sog. Doublette darstellte, also ein Fahrzeug mit gefälschter Fahrzeugidentifikationsnummer. Er hatte dann den gutgläubigen Zeugen S mit der Bitte kontaktiert, das Fahrzeug im Kundenauftrag zu verkaufen und ihm gefälschte Fahrzeugpapiere vorgelegt. Auf dieses Angebot hatte sich ein Interessent gemeldet, zu einem Vertragsschluss war es jedoch nicht gekommen.

In einer weiteren Tat, hatte der Angeklagte eine Garage angemietet, um in dieser mit seinen Bekannten von diesen gestohlene Autos „aufzubereiten“, also unter anderem die Fahrzeugidentifikationsnummer zu verändern. Die PKWs wurden vor einem Verkauf von der Polizei sichergestellt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da die Feststellungen eine Verurteilung wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und wegen schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung nicht trügen.

Die Einschaltung des Zeugen S sei als mittelbare Täterschaft zu werten, was Auswirkungen auf die Beurteilung des Versuchsbeginns habe. Im Grundsatz sei der Versuchsbeginn bei Beteiligung eines mittelbaren Täters schon dann zu sehen, wenn der Hintermann die Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen habe, so der BGH. Mit dem Entlassen des Tatmittlers sei ein unmittelbares Ansetzen für den Hintermann zu bejahen, wenn dieser die Vorstellung gehabt habe, dass die Tatbegehung in engem Zusammenhang mit seiner Einwirkung geschehe.

Etwas anderes müsse gelten, wenn die Tatbegehung erst nach längerer oder ungewisser Zeit erfolgen soll, das Opfer also nach der Vorstellung des mittelbaren Täters noch nicht oder nur möglicherweise konkret gefährdet ist.

In diesen Fällen sei auch für das unmittelbare Ansetzen des Hintermanns der Versuchsbeginn des Tatmittlers maßgeblich.

Zu diesen Gesichtspunkten blieben die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils zu unkonkret.

Ebenso habe das LG nicht tragfähig begründet, warum eine Mittäterschaft des Angeklagten vorliegen solle, indem er die Garage anmietete.

Bei jeder Bandentat sei vereinzelt festzustellen, welchen Grad der Tatbeteiligung die Handlung eines Bandenmitglieds erfülle, dies gelte vor allem bei der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe. Hier sei eine wertende Gesamtbetrachtung mithilfe folgender Kriterien vorzunehmen: Interesse an der Durchführung der Tat, Umfang der Tatherrschaft und der Wille zur Tatherrschaft. Die ledigliche Förderung der Ausführung der eigentlichen Tathandlung genüge für eine (Mit-)Täterschaft gerade nicht.

Auch diese Fragestellung könne anhand der Feststellungen des LG nicht abschließend beurteilt werden, sodass eine Aufhebung des Urteils geboten gewesen sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die breit diskutierte Frage nach dem Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft hat der BGH schon hier diskutiert.

KriPoZ-RR, Beitrag 59/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 17.10.2019 – 3 StR 170/19: Zur prozessualen Tat

Leitsatz der Redaktion:

Wird ein Teilgeschehen der prozessualen Tat in der Anklage einem anderen, nicht ermittelbaren Täter zugerechnet und stellt sich dann heraus, dass dieses Teilgeschehen doch vom Angeklagten verwirklicht worden ist, unterliegt auch dieses der Kognitionspflicht aus § 264 StPO.

Sachverhalt:

Das LG Düsseldorf hat den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern in vier Fällen verurteilt und ihn von einem weiteren Tatvorwurf freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch richtete sich die Revision der StA.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte als Zahlungsstelle für Flüchtlinge fungiert und deren Zahlungen für die Schleusung nach Abzug einer Provision an die eigentlichen Schleuser weitergeleitet. Als dem Teilfreispruch zugrundeliegender Sachverhalt wurde vom LG festgestellt, dass der Angeklagte einen Anruf von einer sich in Deutschland aufhaltenden Eritreerin erhalten haben soll, die dem Angeklagten mitgeteilt haben soll, dass ihr Mann in Libyen von Schleusern gefangen gehalten werde und mit seiner Enthauptung bedroht worden sei. Der Angeklagte solle daraufhin von der Frau 1000€ als Gegenleistung für die Freilassung und Schleusung ihres Mannes zuzüglich einer 13,4 prozentigen Provision für sich selbst gefordert haben. Das Geld hatte die Frau am Hauptbahnhof einem – in jedem Fall anderen – unbekannt gebliebenen Mann gegeben, was zur Freilassung und Schleusung ihres Mannes geführt hatte.

Das LG hatte sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte den Anruf tatsächlich entgegengenommen hatte, da es auch möglich sei, dass der Angeklagte derjenige gewesen war, der das Geld am Bahnhof angenommen hatte. Für diese Geldannahme könne der Angeklagte allerdings nicht belangt werden, da diese Tat nicht angeklagt gewesen sei.

Entscheidung des BGH:

Der BGH gab der Revision der StA statt, da das LG seine umfassende Kognitionspflicht aus § 264 StPO nicht erfüllt habe.

Die Strafkammer sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Annahme des Geldes am Hauptbahnhof nicht Teil der angeklagten prozessualen Tat gewesen sei.

Die angeklagte Tat im prozessualen Sinne umfasse den gesamten umschriebenen geschichtlichen Vorgang. Maßgeblich sei nicht nur das dem Angeklagten angelastete, sondern sein gesamtes Verhalten, soweit es einen einheitlichen Vorgang mit der angeklagten Tat bilde. Dies gelte auch für Tatsachen, die sich erst in der Hauptverhandlung ergeben (§ 264 Abs. 1 StPO). Eine Grenze der Kognitionspflicht sei erst erreicht, wenn das zugrundeliegende Geschehen vollständig verlassen werde und die Identität der angeklagten Tat nicht mehr gewahrt sei.

Maßgebliche Abgrenzungskriterien seien die Merkmale, die eine Tat als einmaliges und unverwechselbares Geschehen kennzeichneten, zum Beispiel: Ort und Zeit des Vorgangs, das Täterverhalten, die Handlungsrichtung und das Objekt des Täterverhaltens.

Daraus ergebe sich, dass auch ein Verhalten, das in der Anklage noch einer anderen Person zugerechnet worden war, das sich aber im Rahmen der Hauptverhandlung als Verhalten des Angeklagten darstelle, als Bestandteil der angeklagten Tat gewertet werden könne, wenn es sich um ineinander übergehende und sich überschneidende Geschehensabläufe handele, so der BGH.

Da die Annahme des Geldes am Hauptbahnhof schon in der Anklage beschrieben worden sei, könne deren strafrechtliche Relevanz vom LG durchaus geprüft werden, wenn sich in der Hauptverhandlung herausstelle, dass der Angeklagte das Geld persönlich in Empfang genommen habe.

Nach den oben genannten Kriterien, handele es sich noch um den angeklagten Verfahrensstoff, sodass das LG diesen rechtlich zu würdigen gehabt hätte.

Anmerkung der Redaktion:

Maßgeblich für die Beurteilung der Identität des geschichtlichen Vorgangs ist die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung (BGH, Urt. v. 20.12.1995 – 2 StR 113/95).

KriPoZ-RR, Beitrag 58/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 21.08.2019 – 3 StR 7/19: Konkurrenzverhältnis Urkundenfälschung und –unterdrückung

Leitsatz der Redaktion:

Die durch Beschädigen einer echten Urkunde begangene Urkundenunterdrückung nach § 274 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB tritt hinter der Urkundenfälschung im Sinne des § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB im Wege der Konsumtion zurück.

Sachverhalt:

Das LG Verden hat den Angeklagten wegen Geldfälschung in Tateinheit mit Betrug in zwei Fällen, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Urkundenunterdrückung in acht Fällen verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Beschuldigte mit anderen Mittätern Bescheinigungen der DEKRA und des TÜV gefälscht, um Autofahrern, die sich einer MPU unterziehen mussten, bei der Wiedererlangung ihres Führerscheins zu helfen. Dazu hatten sie sich Papier in der Art besorgt, wie es von den Prüfstellen verwendet wird und auf diesem Papier eine bestandene MPU bescheinigt. Anschließend waren die Vernietung und das Siegel des originalen Zeugnisses gelöst und auf dem von ihnen erstellten Zeugnis angebracht worden.

Entscheidung des BGH:

Der BGH gab der Revision des Angeklagten statt, da die rechtliche Würdigung des LG rechtsfehlerhaft sei.

Verwirkliche dieselbe Handlung eines Täter die Verletzung mehrerer Gesetze, sei grundsätzlich von Tateinheit (§ 52 StGB) auszugehen.

Ausnahmen von diesem Grundsatz seien nur in den Fällen der Gesetzeskonkurrenz zu machen, also in Fällen der Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion.

Typisch für die Konsumtion sei es, dass die verschiedenen Tatbestände in einem kriminologischen Zusammenhang stünden und der Schuldgehalt der Tat schon durch die Nennung des schwereren Delikts im Schuldspruch genügend zum Ausdruck komme. Insofern bestehe gerade kein Rangverhältnis zwischen den verschiedenen Delikten wie beispielsweise bei der Subsidiarität.

Die Konsumtion erfasse somit typische Begleittaten, selbst wenn diese ein anderes Rechtsgut schützten, so der BGH.

Auch in dem zu entscheidenden Fall sprächen die Unterschiedlichen Rechtsgüter der §§ 274 und 267 StGB zwar für die Annahme von Tateinheit, allerdings sei die Urkundenunterdrückung eine typische Begleittat bei der Verfälschung einer echten Urkunde, denn es sei kein Fall denkbar, bei dem eine echte Urkunde verfälscht werde, ohne das zugleich eine Beschädigung dieser Urkunde stattfinde. Auch die unterschiedlichen Vorsatzgrade hätten für die konkurrenzrechtliche Bewertung keine Relevanz. Somit enthalte das Beschädigen einer Urkunde keinen eigenständigen und über die Verfälschung hinausgehenden Unrechtsgehalt.

 

Anmerkung der Redaktion:

Den Streit, ob die Gutachten den begutachteten Personen gehören oder auch den Fahrerlaubnisbehörden (vgl. BGH, Urt. v. 29.01.1980 – 1 StR 683/79), brauchte der BGH in diesem Fall nicht zu entscheiden.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 57/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 14.05.2019 – 3 StR 65/19: Tateinheit beim Drogenkauf auf Kommission

Leitsatz der Redaktion:

Bezahlt ein Drogendealer bei seinem Lieferanten mehrere Lieferungen rückwirkend, werden die unterschiedlichen Lieferungen tateinheitlich nach § 52 Abs. 1 StGB verbunden.

Sachverhalt:

Das LG Kleve hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte in drei Lieferungen Betäubungsmittel bei seinem Lieferanten „auf Kommission“ erhalten und gewinnbringend weiterverkauft. Erst danach hatte er die Lieferungen zusammen bezahlt.

Das LG hat die drei Lieferungen als drei tatmehrheitliche Fälle des Handeltreibens gewertet.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da die konkurrenzrechtliche Betrachtung rechtsfehlerhaft gewesen sei.

Maßgeblich für die Verwirklichung mehrerer Tatbestände in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) sei die Überlagerung der Ausführungshandlungen. Zu diesen Ausführungshandlungen gehöre beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auch das Bezahlen der Lieferungen. Daher sei anerkannt, dass Tateinheit gegeben sei, wenn ein Dealer bei seinem Lieferanten in einem Vorgang eine frühere Lieferung bezahle und direkt neue Betäubungsmittel erhalte.

Diese Wertung müsse auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden, so der BGH. Daher sei die Bezahlung des Lieferanten für mehrere zurückliegende Lieferungen das verbindende Element der Handlungen und mache sie zu teilidentischen Ausführungshandlungen. Dies begründe somit Tateinheit.

 

Anmerkung der Redaktion:

Im Oktober 2019 hatte der BGH zuletzt entschieden, dass die gleichzeitige Besitzausübung über verschiedene Betäubungsmittelmengen bei hinzutreten besonderer Umstände eine tateinheitliche Verknüpfung bewirken kann (BGH, Beschl. v. 10.10.2019 – 4 StR 329/19).

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 56/2019

Die Pressemitteilung finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 26.11.2019 – 2 StR 557/18: Keine fahrlässige Tötung nach Gewährung von Vollzugslockerungen

Leitsatz der Redaktion:

Gewähren Strafvollzugsbedienstete einem Gefangenen im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums Vollzugslockerungen und wägen dabei alle maßgeblichen Argumente sorgfaltspflichtgemäß gegeneinander ab, sind sie für die unvorhersehbaren Folgen eines Fluchtversuchs nicht verantwortlich.

Sachverhalt:

Das LG Limburg hat die Angeklagten – beide Abteilungsleiter in verschiedenen Justizvollzugsanstalten – wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten sie einem Strafgefangenen Vollzugslockerungen mit der Maßgabe gewährt, dass dieser kein Kraftfahrzeug führen dürfe. Während seines Freigangs war der Häftling dennoch mit einem Auto gefahren und in eine Polizeikontrolle geraten. Er hatte versucht zu flüchten und dabei eine junge Frau getötet. Dafür war er wegen Mordes verurteilt worden.

Entscheidung des BGH:

Der BGH sprach die beiden Angeklagten frei.

Die Verlegung des Gefangenen in den offenen Vollzug sowie die Gewährung von Vollzugslockerungen seien nicht sorgfaltswidrig gewesen. Beide hätten im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums und auf Grundlage einer den Landesbestimmungen entsprechenden Entscheidungsgrundlage zwischen der Sicherheit der Allgemeinheit und dem Resozialisierungsinteresse des Gefangenen abgewogen. Somit sei die Gewährung der Lockerungen kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Fahrlässigkeitstat.

Ob möglicherweise Kontroll- oder Überwachungspflicht verletzt worden sind, hatte der BGH nicht zu entscheiden, da eine etwaige Verletzung mangels Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts auch keinen Fahrlässigkeitsvorwurf hätte begründen können, so der Senat.

 

Anmerkung der Redaktion:

Der Volltext der Entscheidung ist mittlerweile veröffentlicht worden. Mehr dazu finden Sie im KriPoZ-RR, Beitrag 31/2020.

 

KriPoZ-RR, Beitrag 55/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 18.09.2019 – 3 StR 337/19: Kein Schlechterstellungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO, wenn Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben wird (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO)

Leitsatz der Redaktion:

Gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO kann die Aufhebung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dazu führen, dass trotz des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) ein Freispruch entfällt.

Sachverhalt:

Das LG Lüneburg hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen und seine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik angeordnet.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen war der Beschuldigte in Libyen überfallen und schwer traumatisiert worden, was schon vor seiner Flucht nach Deutschland zu einer unbehandelten posttraumatischen Belastungsstörung geführt hatte.

Am Tattag war es zwischen Freunden des Angeklagten und einer fremden Person zu einer Auseinandersetzung gekommen, die zu einer abrupten Reaktivierung der Todesängste im Sinne einer Retraumatisierung beim Beschuldigten geführt hatte. Er hatte daraufhin im Affekt einen Stein auf das Gesicht des am Boden liegenden Opfers geworfen, was zu einem Schädelhirntrauma und Gesichtsschädelfrakturen geführt hatte.

Das LG nahm eine gemäß § 20 StGB schuldlose Tat an und ordnete die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB an.

Entscheidung des BGH:

Der BGH gab der vom Angeklagten auf seine Unterbringung beschränkten Revision statt, was jedoch auch zur Aufhebung des Freispruchs führt.

Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus halte sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da das LG keinen länger dauernden Zustand der geistigen Krankheit ausreichend festgestellt habe.

Zwar sei ein anhaltender Zustand der Schuldunfähigkeit nicht erforderlich, jedoch seien die Voraussetzungen des § 63 StGB nicht schon bei einem vorübergehenden Defekt erfüllt.

Bei einer nicht krankhaften psychischen Auffälligkeit, die die Schwelle zur schweren anderen seelischen Abartigkeit nicht überschreite, sondern nur in besonderen Stresssituationen zu Tage trete, sei eine Unterbringung nicht möglich.

Die dadurch bedingte Aufhebung der Maßregelanordnung führe auch zur Aufhebung des Freispruchs, da das Schlechterstellungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO keine Wirkung entfalte.

Durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 habe der Gesetzgeber in § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO die Möglichkeit schaffen wollen, einen Angeklagten anstelle einer Unterbringung schuldig zu sprechen. Ziel der Regelung sei es, eine alleinige Revision des Angeklagten gegen die Unterbringung zu verhindern, denn eine solche berge die Gefahr, dass die Tat letztlich unbestraft bleibe. Wenn sich nämlich in einem neuen Verfahren die Schuldfähigkeit des Angeklagten herausstelle, damit eine Anordnung nach § 63 StGB nicht mehr möglich sei aber der Freispruch noch Bestand habe, wäre eine Sanktionierung ausgeschlossen.

Dies führe im Ergebnis dazu, dass die Beschränkung der Revision auf die Anordnung der Unterbringung nicht zulässig sei und auch der Freispruch aufzuheben sei, so der BGH.

 

Anmerkung der Redaktion:

Das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 54/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 22.08.2019 – StB 17/18: Verfahren gegen Franco A. vor dem OLG eröffnet

Leitsatz der Redaktion:

Zur Beurteilung der Frage, ob ein dringender Tatverdacht gegeben ist, hat das Gericht im Zwischenverfahren alle maßgeblichen Gesichtspunkte wertend gegeneinander abzuwägen.

Sachverhalt:

Das OLG Frankfurt hat den Tatvorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat als nicht hinreichend erwiesen angesehen und daher die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Franco A. vor dem Landgericht beschlossen.

Dem ehemaligen Soldaten wird vorgeworfen, sich mehrere Schusswaffen und Sprengmittel ohne die erforderliche Genehmigung beschafft zu haben, um einen oder mehrere Anschläge gegen hochrangige Politiker der Bundesrepublik Deutschland oder Persönlichkeiten der Gesellschaft zu begehen. Dafür hatte er sich als geflüchteter Syrer registrieren lassen, um den Tatverdacht im Sinne seiner völkisch-nationalistischen Gesinnung auf einen Flüchtling zu lenken und dadurch die politische Debatte in Deutschland zuungunsten einer offenen und toleranten Gesellschaft zu beeinflussen.

Gegen die Entscheidung des OLG Frankfurt hat der GBA  Beschwerde zum BGH erhoben.

Entscheidung des BGH:

Der BGH gab der Beschwerde statt und eröffnete das Hauptverfahren gegen den Beschuldigten vor dem OLG Frankfurt gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 GVG.

Zur Begründung führte der Senat an, dass Franco A. zwar, was der Begründung des OLG entsprach, sieben Monate vor seiner Festnahme untätig geblieben war. Dieser Umstand genüge allerdings vor dem Hintergrund der Komplexität der Anschlagspläne des Angeklagten und der erhofften Reichweite seiner geplanten Taten nicht, um den hinreichenden Tatverdacht zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat auszuräumen.

Das Gericht habe im Zwischenverfahren alle maßgeblichen Gesichtspunkte zur Beurteilung des hinreichenden Tatverdachts abzuwägen. Im vorliegenden Fall sei eine Vielzahl von Gründen denkbar gewesen, warum der Angeklagte mit der weiteren Vorbereitung oder Durchführung seiner geplanten Tat gewartet hatte. Zwar sei für eine Strafbarkeit nach § 89a StGB mehr als bloßer bedingter Vorsatz bezüglich des „Ob“ der geplanten Gewalttat erforderlich. Sei der Täter jedoch zur Durchführung fest entschlossen und warte nur auf den aus seiner Sicht perfekten Zeitpunkt, sei der Tatbestand erfüllt.

Damit sei von einem dringenden Tatverdacht auch bezüglich des § 89a StGB auszugehen und das Hauptverfahren erstinstanzlich vor dem OLG Frankfurt zu eröffnen, so der BGH.

 

Anmerkung der Redaktion:

Der Fall Franco A. hatte 2017 zu einem großen Medienecho und einer breiten Debatte um rechtsextreme Gefährder in der Bundeswehr geführt. Einen Bericht der Tagesschau finden Sie hier. Die Pressemitteilung des GBA finden Sie hier.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 53/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 18.09.2019 – 1 StR 320/18: Anordnungsvoraussetzungen der selbstständigen Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB

Amtlicher Leitsatz:

Anordnungsvoraussetzungen für die selbstständige Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB ist, dass zum Zeitpunkt der Sicherstellung bereits ein Verdacht wegen einer Katalogtat nach § 76a Abs. 4 Satz 3 StGB bestand und die Sicherstellung wegen dieses Verdachts erfolgte.

Sachverhalt:

Das LG München I hat die von der StA beantragte Einziehung bzw. den Verfall einer Geldzählmaschine und eines Auszahlungsanspruchs vom Beschuldigten abgelehnt.

Nach der staatsanwaltschaftlichen Antragsschrift stamme das Geld aus dem Verkauf von Kokain und sei vor der Lagerung mit der Geldzählmaschine abgezählt worden.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen waren das Geld und die Zählmaschine bei einer Durchsuchung der Wohnung des Bruders des Beschuldigten, in der dieser ein Schlafzimmer hatte, aufgefunden worden. Die Durchsuchung war aufgrund eines Verdachts wegen illegalen Arzneimittelhandels gegen den Bruder beantragt worden. Das Geld war entweder vom Beschuldigten selbst oder von einer unbekannten Person durch eine nicht bekannte Straftat erlangt worden und lagerte seit dem im Schlafzimmer des Beschuldigten.

Die Beschlagnahme der Gegenstände wurde mit der Begründung bestätigt, dass das Geld wahrscheinlich aus den Straftaten des Bruders stamme und der Beschuldigte durch Verstecken des Geldes, seinem Bruder zu dessen Taten Beihilfe geleistet hätte.

Im Anschluss daran war von der StA ein weiteres Verfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts einer Straftat nach § 29a Abs. 1 Ziff. 2 BtMG eingeleitet und im Rahmen dieses Verfahrens, die selbstständige Einziehung der Zählmaschine und des Geldes angeordnet worden.

Das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen Beihilfe zu den Taten seines Bruders war später eingestellt worden, da ihm ein Hilfeleisten durch das Verstecken des Geldes nicht nachgewiesen werden konnte.

Aufgrund dieses Wechsels der Bezugstat der Beschlagnahme und der späteren Einziehung, lehnte das LG die Einziehung ab.

 

Entscheidung des BGH:

Der BGH verwarf die Revision der StA.

Zwar habe sich das LG rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass die Gegenstände aus irgendeiner rechtswidrigen Tat herrührten und damit grundsätzlicher der selbstständigen Einziehung nach § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB unterlägen, jedoch sei ebenfalls nicht zu beanstanden, dass das LG davon ausgegangen sei, dass die Sicherstellung der Gegenstände nicht auf dem Verdacht einer Katalogtat beruhe.

Bewusst habe der Gesetzgeber die neu eingeführte und nicht verurteilungsbasierte selbstständige Einziehung auf solche Fälle beschränkt, bei denen die Sicherstellung wegen des Verdachts einer Katalogtat nach § 76a Abs. 4 Satz 3 StGB angeordnet werde.

Diese schon durch den Wortlaut sehr klaren Einschränkungen seien Ausdruck des Art. 14 GG und damit zwingend zu beachten.

Sie würden leerlaufen, wenn die StA im Nachhinein weitere nicht zu bestätigende Verdachtsmomente einer Katalogstraftat annehme.

Das Vorliegen des Verdachts schon bei der Sicherstellung der Gegenstände, werde auch von der grundsätzlichen Konzeption der StPO gefordert. Nach dieser sei nämlich jede Maßnahme aufgrund des vorliegenden Verdachtsgrades ex ante zu überprüfen. Eine nachträgliche Umdeutung der Verdachtslage könne eine eingreifende strafprozessuale Maßnahme im Regelfall nicht rechtfertigen.

Zudem sorge das Erfordernis, dass die Sicherstellung schon wegen eines Verdachts einer Katalogtat erfolgen muss, für die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes gegen die Beschlagnahme, denn so könne der Beschuldigte die Maßnahme direkt durch den Ermittlungsrichter überprüfen lassen, was nicht möglich wäre, wenn die Staatsanwaltschaft zu einem nachträglichen Zeitpunkt eine Verknüpfung zwischen Sicherstellung und Katalogtatverdacht herstellen könnte.

Da in diesem Verfahren die Durchsuchung allein aufgrund des Verdachts des illegalen Arzneimittelhandels durchgeführt worden sei und kein Verdacht einer Katalogtat bestanden habe, sei der Antrag der StA zu Recht abgelehnt worden.

 

Anmerkung der Redaktion:

§ 76a Abs. 4 StGB ist durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung im April 2017 eingeführt worden. Alles zum Gesetzgebungsverfahren finden Sie hier.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 52/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 08.10.2019 – 5 StR 441/19: Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB) auch möglich, wenn Anlasstat nicht im öffentlichen Verkehrsraum erfolgte

Leitsatz der Redaktion:

Die Anlasstat für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB, die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen wird, muss nicht zwingend im öffentlichen Verkehrsraum erfolgen.

Sachverhalt:

Das LG Bremen hat den Angeklagten u.a. wegen versuchten Totschlags verurteilt und die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen war der Angeklagte mit einem Transporter auf das Opfer zugefahren, um es zu töten. Die Tat hatte sich jedoch im Hof eines Wohnhauses und nicht im öffentlichen Verkehrsraum abgespielt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH verwarf die Revision als unbegründet und führte aus, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht voraussetze, dass die Anlasstat im öffentlichen Verkehrsraum erfolgt sei.

Dafür spreche zum einen der insoweit uneingeschränkte Gesetzeswortlaut.

Zum anderen bestätige dies auch der Telos der Norm, da sie bezwecke, fahrungeeignete Täter als Kraftfahrzeugführer vom Straßenverkehr fernzuhalten. Wer sein Fahrzeug als Waffe einsetze und den Fahrvorgang derart pervertierte, bestätige, dass er aufgrund charakterlicher Eignungsmängel nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet sei. Dabei sei es irrelevant, ob die Pervertierung des Fahrvorgangs im öffentlichen Straßenverkehr erfolge oder nicht, denn diese Umstände hingen oftmals einfach vom Zufall ab, so der BGH.

Anmerkung der Redaktion:

Mit dieser Auslegung bestätigt der BGH die obergerichtliche Rechtsprechung des OLG Oldenburg. Das Urteil finden Sie hier.

Unsere Webseite verwendet sog. Cookies. Durch die weitere Verwendung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Informationen zum Datenschutz

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen.
Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Weitere Informationen zum Datenschutz entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hier können Sie der Verwendung von Cookies auch widersprechen.

Schließen