Nathalie Isabelle Thorhauer: Jurisdiktionskonflikte im Rahmen transnationaler Kriminalität – Zur Koordination der Strafgewalten über nationale Personen und Unternehmen in der Europäischen Union

von Oliver Michaelis, LL.M., LL.M. 

Beitrag als PDF Version 

2019, Nomos Verlag, Baden-Baden, ISBN: 978-3-8487-5396-3, S. 853, Euro 146,00

I. Einleitung 

Thorhauer gliedert ihre Arbeit in eine Einleitung, acht Themenkapitel (Kapitel 1-8, S. 60-794) und ihr Ergebnis (S. 795-803).

weiterlesen …

Mani Jaleesi: Die Kriminalisierung von Manipulationen im Sport – Eine Untersuchung zum Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben gem. § 265c und § 265d StGB

von Dipl.-Jur. Till Pörner

Beitrag als PDF Version 

2020, Nomos Verlag, Baden-Baden, ISBN: 978-3-8487-6662-8, S. 321, Euro 84,00

I. Einleitung

Mani Jaleesi widmete sich in seinem Promotionsvorhaben mit den Strafvorschriften zum Sportwettbetrug und Manipulationen im Sport einem Untersuchungsgegenstand, welcher in der jüngeren Vergangenheit Inhalt einer Vielzahl weiterer Publikationen war. So wurde die Einfügung der §§ 265c ff. StGB in das Kernstrafrecht seitens der Rechtswissenschaft von Beginn an kontrovers diskutiert. An dieser Stelle setzt daher auch Jaleesi an, dessen 321 Seiten langes Werk unter der Betreuung von Prof. Dr. Gereon Wolters 2019 an der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen wurde.

weiterlesen …

KriPoZ-RR, Beitrag 41/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 21.04.2021 – 3 StR 300/20: Fristsetzung für Beweisanträge auch bei Wiedereintritt in Beweisaufnahme

Amtliche Leitsätze:

  1. Bestimmt der Vorsitzende des Tatgerichts nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen, steht einer Bescheidung von nach deren Ablauf gestellten Beweisanträgen im Urteil nicht grundsätzlich entgegen, dass wieder in die Beweisaufnahme eingetreten worden ist. Dies gilt jedoch ausnahmsweise nicht für solche Beweisanträge, die sich erst aus der Beweisaufnahme nach Wiedereintritt ergeben.

  2. Hierzu sind regelmäßig Darlegungen im Beweisantrag erforderlich.

Sachverhalt:

Das LG Oldenburg hat den Angeklagten wegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, räuberischer Erpressung, Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung und Diebstahls verurteilt. Der erhobenen Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:

Im Hauptverfahren hatte die Vorsitzende der Strafkammer eine Frist zur Stellung weiterer Beweisanträge bis zum 21. Mai 2019 gesetzt, nach deren Ablauf die Beweisanträge im Urteil beschieden werden könnten. Am 17. Juni 2019, also nach Fristablauf hatte der Angeklagte weitere Beweisanträge gestellt. Am 15. Juli war die Kammer erneut in die Beweisaufnahme eingetreten, woraufhin der Angeklagte am 19. August und 3. September 2019 weitere Beweisanträge gestellt hatte. Die Beweisaufnahme war endgültig am 24. Oktober 2019 geschlossen worden. Alle nach Fristablauf vom Angeklagten gestellten Beweisanträge sind dann jedoch nicht durch Beschluss in der Hauptverhandlung, sondern im Urteil beschieden worden.

Der Angeklagte hat hierin einen Verstoß gegen § 244 Abs. 6 Satz 1 StPO gesehen und Verfahrensrüge erhoben.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hielt die Revision für unbegründet.

Zwar brauche es grundsätzlich nach § 244 Abs. 6 Satz 1 StPO einen Ablehnungsbeschluss vor dem Ende der Beweisaufnahme, allerdings sei die Norm durch das Gesetz zu effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens dahingehend geändert worden, dass nach einer angemessenen Frist für weitere Beweisanträge nach der Beweisaufnahme auch die Bescheidung von nicht mehr fristwahrenden Anträgen im Urteil möglich sei.

Auch, wenn nach Fristablauf wieder in die Beweisaufnahme eingetreten werde und weitere Beweise erhoben würden, könne das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, so der BGH. Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut des § 244 Abs. 6 Satz 3, bzw. nach den Änderungen des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens, Satz 4 StPO. Dieser erfordere im Tatbestand lediglich Beweisanträge nach Fristablauf und keine Unmöglichkeit der fristgemäßen Stellung. Diese Voraussetzungen seien auch erfüllt, wenn nach Fristablauf noch weitere Beweise erhoben würden.

Dieses Verständnis stimmte auch mit dem Willen des Gesetzgebers überein, der im Gesetzgebungsverfahren für den Fall eines erneuten Eintritts in die Beweisaufnahme ausgedrückt hätte, dass eine erneute Frist nur für solche Beweisanträge gesetzt werden müsse, die sich aus den Informationen der erneuten Beweisaufnahme ergeben hätten.

Für alle anderen Beweisanträge sollte die ursprüngliche Frist ihre Wirkung behalten.

Diese Auslegung stimme auch mit Sinn und Zweck der Gesetzesänderung durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens überein, da so eine Verfahrensverzögerung mit Beweisanträgen verhindert werden könne und gleichzeitig das Beweisantragsrecht für Antrage, die sich aus der weiteren Beweisaufnahme ergeben, nicht beschnitten werde.

Da es durch diese Auslegung zu Unsicherheiten darüber kommen könne, ob ein Beweisantrag, der nach Fristablauf gestellt wurde, nun auf Erkenntnissen der weiteren Beweisaufnahme beruhe oder nicht, müsse ein solcher Zusammenhang im Beweisantrag dargelegt werden.

Dieses Ergebnis laufe auch nicht dem Anspruch auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren zuwider.

 

Anmerkung der Redaktion:

Alle Informationen zum Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 finden Sie hier.

Informationen zum Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019, welches die hier in Rede stehende Regelung allerdings inhaltlich nicht verändert hat, finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 40/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 25.02.2021 – 1 StR 423/20: Kostenentscheidung und Einziehung

Amtlicher Leitsatz:

Zur Kostenentscheidung bei Verringerung der Einziehung durch das Revisionsgericht.

Sachverhalt:

Das LG Mannheim hat die Angeklagten jeweils wegen Marktmanipulation verurteilt und Einziehungsanordnungen getroffen.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten die Angeklagten eine informations- und handlungsgestützte Manipulation beim Aktienhandel begangen.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob die Einziehungsentscheidungen auf.

Indem das LG sämtliche von den Angeklagten erzielten Erlöse aus dem Verkauf ihrer Aktien abgeschöpft hat, habe es einen sachlichrechtlichen Fehler begangen.

Die von den Angeklagten begangene informations- und handlungsgestützte Manipulation rechtfertige, im Gegensatz zur handelsgestützten, lediglich die Einziehung der Wertsteigerung der Aktien, nicht jedoch den gesamten Erlös aus dem Aktienverkauf, da dieser an sich nicht tatbestandsmäßig ist.

Daher sei der einzuziehende Betrag zu verringern.

Die Kostenentscheidung über die zusätzlichen Verfahrenskosten, die lediglich die Einziehungsentscheidung betreffen, beruhe für das Revisionsverfahren auf § 473 Abs. 4 Satz 1, 2 StPO und im Übrigen auf § 465 Abs. 2 und § 464d StPO, so der BGH.

Da sich der Einziehungsumfang für die Angeklagten erheblich verringert habe, müsse sich dieser Teilerfolg auch in der Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO niederschlagen. Daher sei die zusätzliche Rechtsanwaltsgebühr (Nr. 4142 der Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 zum RVG) anzupassen und die zusätzlich entstehende Gerichtsgebühr (Teil 3 Hauptabschnitt 4 Vorbemerkung 3.4 Abs. 1 Satz 2 Abschnitt 4 Nr. 3440 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) zu ermäßigen. Dies folge daraus, dass die Angeklagten den zunächst höheren Gebührenbetrag nicht veranlasst hätten.

Gleiches gelte für die zusätzlichen Verteidigergebühren im Verfahren der ersten Instanz. Auch diese Differenz zum eigentlichen Betrag haben die Angeklagten nicht veranlasst, da sie sich anhand der Höhe des Einziehungsbetrags bemesse.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 39/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 30.03.2021 – 3 StR 474/19: Zur Einziehung von Taterträgen bei juristischen Personen

Amtliche Leitsätze:

  1. Erteilte Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz sind nicht deshalb strafrechtlich unbeachtlich, weil sie durch die Vorlage falscher amtlicher Endverbleibserklärungen erschlichen wurden.

  2. Der Einziehung von Taterträgen bei einer juristischen Person gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nF steht nicht entgegen, dass deren Organwalter bei Erlangung des Vorteils gutgläubig waren.

  3. Das bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten zu beachtende Abzugsverbot (§ 73d Abs. 1 Satz 2 StGB nF) gilt auch für einen gutgläubigen Drittbegünstigten.

Sachverhalt:

Das LG Stuttgart hat den Angeklagten S. wegen bandenmäßiger Ausfuhr von Gütern aufgrund erschlichener Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz in zwei Fällen, davon in einem Fall in zwei tateinheitlichen Fällen, unter Einstellung zweier Vorwürfe wegen Verjährung und Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.

Die Angeklagte B. hat es wegen Beihilfe zur bandenmäßigen Ausfuhr von Gütern aufgrund erschlichener Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz in drei Fällen, davon in einem Fall in sechs tateinheitlichen Fällen sowie in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen, unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Daneben hat es gegen die Einziehungsbeteiligte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.730.044€ angeordnet.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten die Angeklagten als Angestellte eines Waffenherstellers Verträge über Waffenlieferungen mit der mexikanischen Regierung abgeschlossen. Als Grundlage für die Ausfuhrgenehmigung der Waffen hatte die Regierung bescheinigt, dass die Waffen in Mexiko verbleiben würden und lediglich in solchen Bundesstaaten eingesetzt würden, die von der deutschen Regierung als unproblematisch eingestuft werden.

Die Angeklagten hatten damit gerechnet, dass diese Endverbleibserklärungen hinsichtlich konkreter Bundesstaaten unrichtig sein könnten. Sie waren jedoch nicht davon ausgegangen, dass der Verbleib in den konkret angegebenen Bundesstaaten Inhalt der jeweiligen Ausfuhrgenehmigung geworden war.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hielt die Verurteilungen für rechtsfehlerfrei. Das LG habe den Inhalt der verwaltungsrechtlichen Genehmigung revisionsrechtlich unproblematisch ausgelegt und sei zu dem tragbaren Ergebnis gekommen, dass die Verwendung der Gewehre in konkreten Bundesstaaten nicht Bestandteil der Genehmigung geworden sei.

Dass die Genehmigung, an dessen Nichtbestehen die Strafbarkeit geknüpft werde, mit Hilfe unrichtiger Angaben erschlichen worden sei, ändere an diesem Ergebnis nichts.

Auch bei rechtsmissbräuchlich erlangten Genehmigungen sei kein Handeln ohne Genehmigung anzunehmen. Eine unter unrichtigen Angaben erteilte Genehmigung sei zwar rechtswidrig, allerdings nicht nichtig und behalte somit auch im Strafrecht ihre Gültigkeit bis sie widerrufen oder zurückgenommen werde, so der BGH.

Der Streit, ob eine Durchbrechung der Verwaltungsakzessorietät in solchen Fällen angezeigt sei, in denen die behördliche Genehmigung lediglich eine Rechtfertigung bilde und nicht die Tatbestandsmäßigkeit entfallen lasse, könne hier dahinstehen.

Denn im KrWaffKG gebe es Regelungen, die eine erschlichene Genehmigung einer nicht vorhandenen Genehmigung gleichstellten. In den für diesen Fall relevanten Normen, habe der Gesetzgeber jedoch bewusst auf diese Gleichstellung verzichtet. Daher könne davon ausgegangen werden, dass die Verwaltungsakzessorietät nicht durchbrochen werden sollte.

Hinsichtlich der Einziehungsentscheidung führte der BGH aus, dass die Voraussetzungen des § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB auch dann erfüllt seien, wenn der Drittbegünstigte bei Erlangung des Vorteils gutgläubig gewesen sei. Dies sie bereits nach alter Rechtslage der Fall gewesen, was der Gesetzgeber mit der Reform der Vermögensabschöpfung auch nicht habe ändern wollen.

Ebenfalls ändere die Gutgläubigkeit der Einziehungsbeteiligten nichts an der Anwendung des Bruttoprinzips und der Ausnahme des § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB. Bei der Einziehung handele es sich auch nach der Gesetzesreform nicht um eine Maßnahme mit strafähnlichem Charakter, sodass es auf ein schuldhaftes Verhalten des Drittbegünstigten und eine etwaige Gutgläubigkeit seiner Organe nicht ankommen könne. Etwas anderes folge auch nicht aus der Streichung der Härtefallklausel in § 73c Abs. 1 StGB aF, da diese Streichung vom Gesetzgeber bewusst nicht mit einer Ausnahme beim Bruttoprinzip kompensiert worden sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

Alles zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 38/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 29.04.2021 – 2 BvR 1543/20: Wenn die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist, du aber unbedingt etwas zur Begründetheit sagen willst…

Leitsatz der Redaktion:

Die Zustimmung zu einer Verständigung im Strafprozess nach § 257c Abs. 3 Satz 3 StPO muss ausdrücklich und nicht lediglich konkludent erklärt werden.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hat Verfassungsbeschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung des LG Lüneburg und den bestätigenden BGH-Beschluss erhoben.

In dem dort geführten Strafverfahren hatte der vorsitzende Richter einen Verständigungsvorschlag gemacht, den der Beschwerdeführer angenommen und daraufhin auch gestanden hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte keine ausdrückliche Zustimmungserklärung abgegeben.

Diese Verständigung sei nach Ansicht des Beschwerdeführers deshalb rechtsfehlerhaft zustande gekommen.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da sie mangels ausreichender Angaben zur Fristwahrung unzulässig gewesen sei, machte allerdings dennoch Ausführungen zur Begründetheit.

Demnach spreche, laut BVerfG, einiges dafür, dass die Entscheidungen der Fachgerichte den verfassungsrechtlichen Vorgaben an das wirksame Zustandekommen einer Verständigung nicht gerecht geworden seien.

Grundsätzlich begegne eine Verständigung im Strafprozess keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sie nach den Vorgaben der Strafprozessordnung zustande komme.

Demnach sei das ebenfalls für die Staatsanwaltschaft geltende Zustimmungserfordernis ein wesentlicher Bestandteil der Verständigung, um die Verantwortung der StA zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards zu stärken.

Dieses Zustimmungserfordernis müsse allerdings auch die Transparenzregeln des Verständigungsverfahrens wahren und daher sei zu verlangen, dass sowohl die Zustimmung des Angeklagten als auch die der StA ausdrücklich – und nicht lediglich konkludent – im Prozess erklärt werden, so das BVerfG. Ansonsten sei eine Kontrolle des Verständigungsgeschehens nicht zur Gänze möglich, da eine lediglich konkludente Zustimmung, Raum für informelle Absprachen und sog. Deals lasse, die aufgrund der Gefährdung des Schuldprinzips, nicht mit der Verfassung vereinbar seien.

Die strengen formalen Regelungen zum Verständigungsverfahren erfüllten eine wesentliche Schutzfunktion, was dazu führe, dass ein Verstoß gegen solche grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer Verständigung führe. Gehe das Gericht dennoch von dessen Wirksamkeit aus, beruhe das Urteil regelmäßig auf diesem Verfahrensfehler.

 

Anmerkung der Redaktion:

Das BVerfG hatte im März 2013 entschieden, dass das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 eine verfassungsgemäße Ausgestaltung der Verständigung sicherstelle. Das Urteil finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 37/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 15.04.2021 – 5 StR 371/20: Drogendeal mit Folgen

Amtlicher Leitsatz:

Zur Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung in Fällen, in denen der Käufer von Betäubungsmitteln gegen den Verkäufer die Zahlung von Wechselgeld mit Nötigungsmitteln durchzusetzen sucht.

Sachverhalt:

Das LG Berlin hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und mit Sachbeschädigung sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt. Von einer Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung hat es abgesehen.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten der Angeklagte und sein Bekannter beim späteren Geschädigten Betäubungsmittel gekauft, wobei ihnen später aufgefallen war, dass sie einen um 5,00€ zu geringen Betrag als Wechselgeld vom Geschädigten erhalten hatten.

Als sie das Opfer dann in der Nähe wieder erkannt hatten, waren sie entschlossen gewesen, die fehlenden 5,00€ zu erlangen. Da der Geschädigte die Forderung verneint hatte, hatte sich eine körperliche Auseinandersetzung mit gegenseitigen Körperverletzungen entwickelt.

Nachdem der Geschädigte von seinen Freunden aus der Situation entfernt worden war und an einer nahe gelegenen S-Bahn-Station gestanden hatte, war der Angeklagte erneut auf diesen zugegangen und hatte ihm erneut kräftig ins Gesicht geschlagen, um sich für eine Schnittwunde zu rächen, die der Geschädigte dem Angeklagten in der ersten Auseinandersetzung zugefügt hatte.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da das Unterlassen der Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung rechtsfehlerhaft gewesen sei.

Das LG habe sich nicht zu der Tatsache geäußert, dass eine solche Verurteilung schon nahe gelegen hätte, wenn der Angeklagte es nur für möglich gehalten hätte, dass seine Wechselgeldforderung nicht bestand bzw. nicht von der Rechtsordnung gebilligt ist. Selbst bei tatsächlichem Bestehen der Forderung, hätte es sich dann bei einem solchen Vorstellungsbild des Angeklagten um einen untauglichen Versuch gehandelt.

Zu der Frage, ob sich der Angeklagte vorgestellt hatte, dass sein Anspruch unter Umständen nicht von der Rechtsordnung gedeckt sei, habe das LG keine Feststellungen getroffen, was eine revisionsrechtliche Überprüfung verhindere.

Zur objektiven zivilrechtlichen Lage führte der BGH aus, dass ein Rückzahlungs- oder -übereignungsanspruch ausscheide, da gem. § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG alle schuldrechtlichen und dinglichen Vereinbarungen betreffend des Geschäfts nichtig gewesen seien. Demnach habe ein Anspruch auf Zahlung des Wechselgeldes nicht entstehen können. Ein Vindikationsanspruch der ursprünglich gezahlten Banknoten sei vom Angeklagten nicht geltend gemacht worden. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch scheitere an § 817 S. 2 BGB.

Weiterhin sei die unterbliebene Rücktrittsprüfung und die Zurechnung des vom Bekannten des Angeklagten genutzten gefährlichen Werkzeugs rechtsfehlerhaft.

 

Anmerkung der Redaktion:

2003 hatte der BGH entschieden, dass ein Betäubungsmittelhändler, der seinem Kunden aufgrund dessen Täuschung Betäubungsmittel zur späteren Bezahlung überlässt, keinen Anspruch auf Rückgabe der Betäubungsmittel hat und daher auch kein Anspruch auf Geldersatz bei Verbrauch dieser bestehe. Das Eintreiben einer solchen vermeintlichen Forderung mit Nötigungsmitteln erfülle dann den § 253 Abs. 1 StGB. Das Urteil finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 36/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 19.04.2021 – 1 BvR 1732/14: Dritte Verfassungsbeschwerde gegen Bestandsdatenauskunft ohne Erfolg

Leitsatz der Redaktion:

Die bloße Behauptung, Telemediendienste zu nutzen, genügt nicht, um die wahrscheinliche persönliche Betroffenheit von einer heimlichen Auskunftsabfrage darzulegen.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführenden haben sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Regelungen zur (Bestands-)Datenauskunft in § 180a des Landesverwaltungsgesetztes Schleswig-Holstein und § 8a Abs. 1 des Landesverfassungsschutzgesetztes Schleswig-Holstein sowie gegen § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG in der Fassung des Gesetzes vom 26. Februar 2007 gewendet.

Sie sähen sich in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt.

Die Befugnisse zum Datenabruf für Polizei- und Verfassungsschutzbehörden bei Telekommunikations- und Telemediendiensteanbietern seien unverhältnismäßig, da die Eingriffsschwellen zu niedrig angesetzt und die Vorgaben an Transparenz, Rechtsschutz und Kontrolle nicht gewahrt seien.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an, da sie zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet seien.

Soweit sich die Beschwerden gegen § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG und gegen die Befugnisse der §§ 180a Abs. 4 LVwG, 8a Abs. 1 Satz 1 LVerfSchG in Bezug auf Telemediendiensteanbieter richteten, seien sie unzulässig.

Zum einen sei bezüglich der §§ 15 Abs. 5 Satz 4 TMG und 8a Abs. 1 Satz 1 HS 1 LVerfSchG Verfristung nach § 93 Abs. 3 BVerfGG eingetreten, da die Jahresfrist seit Inkrafttreten der Normen bereits verstrichen sei und die inhaltlichen Änderungen der Regelungen im Nachgang keinen nicht schon vorher bestehenden Regelungsinhalt eingeführt hätten, so das BVerfG.

Hinsichtlich der Befugnisse in § 180a Abs. 4 LVwG und § 8a Abs. 1 Satz 1 HS 2 LVerfSchG zum Datenabruf bei Telemediendiensteanbietern hätten die Beschwerdeführenden keine hinreichende persönliche Betroffenheit geltend gemacht.

Zwar genüge bei Ausforschungsbefugnissen, die eine Mitteilung ihres Vollzugs an den Betroffenen nicht vorsehen, die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführende von staatlichen Ausforschungsmaßnahmen betroffen sei. Diese Wahrscheinlichkeit müsse allerdings nachvollziehbar dargelegt und verdichtet sein. Der allgemeine Hinweis auf die Nutzung von Telemediendiensten durch die Beschwerdeführenden als Abgeordnete genüge für eine solche hinreichend verdichtete Wahrscheinlichkeit nicht, da es im Gegensatz zu Telekommunikationsdiensten bei Telemediendiensten eine Fülle von Angeboten mit mal intensiverer und mal wenig intensiver Datenspeicherung gebe. Daher sei es auch für die Nutzer solcher Dienste nicht gleichermaßen wahrscheinlich in das Visier staatlicher Überwachungsbehörden zu gelangen. Es komme immer auf den jeweiligen Nutzer und den jeweiligen genutzten Telemediendienst an. Daher genüge die pauschale Behauptung, man nutze solche Dienste, nicht, um die persönliche Betroffenheit von einer Ausforschungsmaßnahme zu begründen.

Im Übrigen seien die Verfassungsbeschwerden unbegründet, da die Befugnisse zum Datenabruf bei Telekommunikationsdienstleistern den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügten.

Die Befugnisse sähen jeweils ausreichende Eingriffsschwellen in Form einer konkreten Gefahr, teilweise für nur bestimmte gewichtige Rechtsgüter, im Einzelfall vor. Damit genügten sie den Anforderungen des BVerfG sowohl für den Bestandsdatenabruf bei Telekommunikationsdiensteanbietern als auch den Abruf solcher Daten über dynamische IP-Adressen zu nachrichtendienstlichen Zwecken, da sie zweckgebunden und zum Schutz gewichtiger Rechtsgüter eingesetzt werden müssten.

 

Anmerkung der Redaktion:

Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen zur Bestandsdatenauskunft (Bestandsdatenauskunft I im Jahr 2012 und II im Jahr 2020) bereits festgelegt, dass der Gesetzgeber sowohl Übermittlungs- als auch Abrufbefugnisse schaffen muss, die die Verwendungszwecke der Daten hinreichend begrenzen, mithin die Datenverwendung an bestimmte Zwecke, tatbestandliche Eingriffsschwellen und einen hinreichenden gewichtigen Rechtsgüterschutz binden.

 

 

 

Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches und des Tierschutzgesetzes – Stellungnahmen

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

Öffentliche Anhörung im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft am 17. Mai 2021

 

 

 

Entwurf zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte

Gesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte sowie Bekämpfung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen: BGBl. I 2021, S. 4250 ff.

Gesetzentwürfe: 

 

Am 12. Mai 2021 beschloss die Bundesregierung einen Formulierungshilfe zur „Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte.“ Dort werden nun drei Initiativen in einem Entwurf zusammengefasst. Neben dem § 126a StGB – Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten soll ein § 176e StGB – Verbreitung und Besitz von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und ein § 192a StGB – Verhetzende Beleidigung in das StGB eingefügt werden. 

Betroffene aus bestimmten Gruppen oder Minderheiten berichteten immer wieder von erhaltenen Schreiben, in denen sie beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet wurden. § 130 StGB stellt die Äußerung verhetzender Inhalte, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören, unter Strafe. Durch die §§ 185 ff. StGB wird die Einzelperson vor Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung und damit vor einer Verletzung ihrer Ehre geschützt. Nicht erfasst seien derzeit aber Inhalte, die „das Recht der Betroffenen auf gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben“ angreifen und ihre Menschenwürde verletzen, wie z.B. bei antisemitischen oder islamfeindlichen Schreiben. Der Entwurf sieht daher die Einführung eines § 192a StGB-E vor, der dem „Schutz der Ehre betroffener Personen gilt und als Tathandlung das Gelangenlassen [Zusenden, Anbieten, Überlassen, Zugänglichmachen] von verhetzenden Inhalten (§ 11 Abs.  3 StGB) im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr, 1 lit. c StGB (Volksverhetzung) in schriftlicher und (fern-)mündlicher Form an eine Person beinhaltet, die einer bestimmten Personenmehrheit zugehörig ist“. Die Tathandlung soll schließlich der in § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB (Verbreitung pornografischer Inhalte) entsprechen. 

„§ 192a StGB – Verhetzende Beleidigung

Wer einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, die Menschenwürde anderer dadurch anzugreifen, dass er eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, an eine andere Person, die zu einer der vorbezeichneten Gruppen gehört, gelangen lässt, ohne von dieser Person hierzu aufgefordert zu sein, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Am 24. Juni 2021 nahm der Bundestag den Regierungsentwurf zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Feindeslisten in der Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 19/30943) mit den Stimmen der Fraktionen CSU/CSU und SPD an. Die übrigen Fraktionen stimmten dagegen. Die Fassung des Rechtsausschusses enthält neben der Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Feindeslisten auch die Einführung des § 176e StGB sowie die Einführung des § 192a StGB – Verhetzende Beleidigung. 

Am 25. Juni 2021 passierte der Regierungsentwurf bereits den Bundesrat. Das Gesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte sowie Bekämpfung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (BGBl. I 2021, S. 4250 ff.) wurde am 21. September im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 

 

 

 

 

Unsere Webseite verwendet sog. Cookies. Durch die weitere Verwendung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Informationen zum Datenschutz

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen.
Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Weitere Informationen zum Datenschutz entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hier können Sie der Verwendung von Cookies auch widersprechen.

Schließen