Corona Verordnung Bund

Änderungshistorie der Rechtsakte:

Änderungshistorie der CoronaEinreiseVO:

KriPoZ-RR, Beitrag 08/2022

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 08.02.2022 – 3 ZB 4/21: Unterbindungsgewahrsam wegen Verstoßes gegen Coronaschutzverordnung zulässig

Sachverhalt:

Bei einer Versammlung in der Kölner Altstadt im Dezember 2020 hat sich der Beschwerdeführer geweigert einen Mund-Nasen-Schutz anzulegen. Die Pflicht zum Tragen eines solchen ergab sich aus der Coronaschutzverordnung des Landes NRW. Bei der Identitätsfeststellung durch die Polizei kam es zu massivem körperlichem Widerstand durch den Beschwerdeführer, woraufhin dieser bis zum Ende der Versammlung in Gewahrsam genommen wurde. Das AG und das LG erklärten die Anordnung mangels Rechtsfehler für zulässig.

Entscheidung des BGH:

Der 3. Strafsenat des BGH hat die zulässige Rechtsbeschwerde verworfen. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 8 der Coronaschutzverordnung NRW bestand eine Pflicht zum Tragen einer Maske im Gebiet Köln Altstadt. Eine solche Anordnung sei ordnungsgemäß ergangen. Auch würden die Rechtsvorschriften kein Verfassungsrecht verletzen. § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW ermächtige zur Freiheitsentziehung. Zur Unterbindung der Ordnungswidrigkeit sei die Maßnahme weder dem Grunde noch der Dauer nach zu beanstanden gewesen.

Anmerkung der Redaktion:

Bei der streitentscheidenden Coronaschutzverordnung NRW handelt es sich um die ab dem 16.12.2020 gültige Fassung. Die aktuelle Coronaschutzverordnung NRW finden Sie hier.

Gesetz zur Änderung des IfSG

Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften: BGBl I 2022, S. 466 ff.

Gesetzesentwurf:

  • Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP: BT Drs. 20/958

Die Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben am 10. März 2022 einen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften eingebracht. Anlass des Entwurfes war das Ende der Geltungsdauer der Rechtsgrundlage für die meisten Schutzmaßnahmen, insbesondere die Regelungen in § 28a Absatz 7 bis 9 und § 28b des IfSG zum 19. März 2022. Der Gesetzesentwurf der Fraktionen sieht vor, dass nach dem 19. März 2022 nur noch die Länder befugt sein sollen bestimmte Maßnahmen zur Maskenpflicht und zur Testpflicht treffen zu dürfen.

Der Entwurf sieht auf Bundesebene außerdem vor:

  • die Maskenpflicht im Luft- und Personenfernverkehr bleibt bestehen
  • Möglichkeit erweiterter Schutzmaßnahmen in sog. „Hot Spots“
  • Befristung dieser Maßnahmen bis spätestens 23. September 2022

Am 14. März 2022 fand eine öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses über den Gesetzesentwurf statt. Eine Liste der Sachverständigen und der Stellungnahmen finden Sie hier.

Am 18. März 2022 wurde vom Bundestag mit 364 Stimmen (277 Gegenstimmen, 2 Enthaltungen) das Gesetz beschlossen. Der Bundesrat hat trotz erheblicher Kritik auf die Einberufung des Vermittlungsausschusses verzichtet und am selben Tag den Gesetzesentwurf angenommen.

Am 18. März 2022 wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet und ist seit dem 20. März 2022 in Kraft getreten.

 

KriPoZ-RR, Beitrag 07/2022

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

 

BVerfG, Beschl. v. 09.02.2022 – 2 BvL 1/20: § 315d StGB ist mit dem Grundgesetz vereinbar

Amtlicher Leitsatz:

Zu Inhalt und Reichweite des Verbots einer Verschleifung strafrechtlicher Tatbestandsmerkmale (Art. 103 Abs. 2 GG).

Sachverhalt:

Vor dem AG Villingen-Schwenningen wird gegen den Angeklagten unter anderem wegen des Vorwurfs des Verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB ein Verfahren geführt. Der Verteidiger des Angeklagten sah den Tatbestand als nicht erfüllt an, da bauartbedingt sehr viel höhere Geschwindigkeiten möglich gewesen wären.

Das AG beschloss daraufhin, das Verfahren auszusetzen und wendete sich gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG an das BVerfG mit der Frage, ob § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das Amtsgericht sah in dem Tatbestandsmerkmal „höchstmögliche Geschwindigkeit“ einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG).

Entscheidung:

Das BVerfG hat entschieden, dass § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Tatbestand genüge dem Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG).

Im Hinblick auf das streitgegenständliche Merkmal „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“ sei dolus directus ersten Grades (Absicht) zu verlangen, nicht das tatsächliche Ausreizen der Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs durch den Täter. Durch Auslegung lasse sich die Norm konkretisieren und durch die Rechtsprechung präzisieren, so der BGH, dessen Argumentation das BVerfG folgt. 

Auch enthalte Art. 103 Abs. 2 GG keine Pflicht, dass Tatbestandsmerkmale so formuliert werden, dass „keines in einem anderen aufgeht.“ Damit liege keine unzulässige Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen vor.

Die Vorschrift des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB wahre auch den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) und verstoße mangels Unverhältnismäßigkeit nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).

Anmerkung der Redaktion:

  • § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in der hier streitgegenständlichen Fassung des Sechsundfünfzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30.09.2017 (BGBl. I S. 3532) ist hier zu finden.
  • Frühere Entscheidungen zu § 315d StGB sind in unserem KriPoZ-RR, Beitrag 20/2021 und Beitrag 12/2019 nachzulesen.

KriPoZ-RR, Beitrag 06/2022

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

KG Berlin, Urteil v. 15.12.2021 – 2 StE 2/20, 2 StE 2/20-1: Lebenslange Freiheitsstrafe im „Tiergartenmord“

Amtliche Leitsätze:

1. Zur Verantwortlichkeit der Zentralregierung der Russischen Föderation für die vorsätzliche Tötung eines Menschen in Berlin.

2. Zur Annahme niedriger Beweggründe und der Schwere der Schuld bei der Tötung eines Regimegegners im Ausland.

Sachverhalt:

Am 23.08.2019 habe der Angeklagte den georgischen Staatsangehörigen tschetschenischer Abstammung in der Berliner Parkanlage „Kleiner Tiergarten“ erschossen. Er habe sich von hinten mit dem Fahrrad dem in Deutschland Asyl suchenden Geschädigten genähert und mehrere Schüsse auf diesen abgegeben. Der Geschädigte sei ehemaliger Kämpfer im Tschetschenienkrieg gewesen, weshalb die Regierung der Russischen Föderation den Auftrag gegeben habe, den Georgier zu liquidieren.

Entscheidung des KG:

Das Kammergericht verurteilte den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe. Der Senat bejahte das Vorliegen von niedrigen Beweggründen und Heimtücke und sprach von „Staatsterrorismus.“ Hintergrund für den Auftrag sei ein politisches Motiv gewesen. Der Angeklagte sei allein zu dem Zweck der Tötung des Geschädigten nach Berlin gereist. Außerdem stellte der Senat die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten fest.

Keiner der Verfahrensbeteiligten legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein.

KriPoZ-RR, Beitrag 05/2022

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urteil v. 27.01.2022 – 3 StR 245/21: Zum Verhältnis von Jugendstrafe, Zuchtmitteln und Nebenentscheidungen

Amtliche Leitsätze:

  1. Erkennt das Tatgericht auf Jugendstrafe, ist es deswegen nicht aus Rechtsgründen gehindert, daneben die Auflage der Schadenswiedergutmachung als selbständiges Zuchtmittel gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG in der Urteilsformel anzuordnen. Dies gilt auch dann, wenn es die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aussetzt und deshalb die inhaltsgleiche Auflage ebenso als Nebenentscheidung infolge der Strafaussetzung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 4 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG durch gesonderten Beschluss erteilen könnte.

  2. Legt das Tatgericht dem Angeklagten die Schadenswiedergutmachung in Form einer Geldzahlung auf, hat es neben der Leistungsfrist – jedenfalls grundsätzlich – den Betrag festzulegen, den er (gegebenenfalls ratierlich) an den Geschädigten zu entrichten hat.

Sachverhalt:

Das LG Duisburg hat den Angeklagten A. wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe und den Angeklagten Z. zu einer Jugendstrafe verurteilt und beide Strafen zur Bewährung ausgesetzt.  Dem wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung Verurteilten Z. wurden zudem Schadens- und Wertersatzzahlungen auferlegt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil des Landgerichts im Hinblick auf die Verurteilungen des Angeklagten A. und des Angeklagten Z. auf und verwies zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurück.

Der Angeklagte A. habe sich, wie der Angeklagte Z., einer besonders schweren räuberischen Erpressung strafbar gemacht. Das LG verneinte eine Zurechnung wegen Mittäterexzess. Treffen die Angriffe jedoch in einem „teilidentischen Handlungsakt“ des Täters zusammen, verwirkliche der Täter den Tatbestand der §§ 253, 255 StGB mehrmals, also in gleichartiger Tateinheit, so der BGH.

Die den Angeklagten Z. betreffende Revision betraf die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung. Eine Verknüpfung von Wertersatzleistungen, anderen Auflagen und Jugendstrafe sei widerspruchsfrei. Es handele sich bei den erteilten Auflagen nicht um Zuchtmittel i.S.v. §§ 13, 15 JGG, sondern um Maßnahmen, die infolge der ausgesetzten Strafe getroffen wurden (§§ 21, 23 i.V.m. 15 JGG). Die Jugendkammer sei sich der Unterscheidung von selbständigen Erziehungsmaßregeln/ Zuchtmitteln und Nebenentscheidungen im Rahmen der Legalbewährung bewusst gewesen.

Weil die Entscheidung des Landgerichts über die Zuchtmittel jedoch zu unbestimmt war, hatte die Revision in der Sache Erfolg. Das LG unterlies es zudem im Tenor den zu zahlenden Betrag festzusetzen.

KriPoZ-RR, Beitrag 12/2022

Hier finden Sie die Pressemitteilungen vom 10.10.2021 und vom 07.02.2022Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

 

BGH, Urteil v. 07.02.2022 – 5 StR 542/20Kein Anspruch auf Einschreiten der Strafverfolgungsorgane gegen Straftäter selbst

Leitsatz der Redaktion:

Es liegt kein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) vor, wenn ein Strafverfolgungsorgan es unterlässt gegen den Angeklagten selbst einzuschreiten. Ein solcher Anspruch existiert nicht.

Sachverhalt:

Das LG Berlin hat die Angeklagten wegen Mordes bzw. Anstiftung zum Mord zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Einen Teil der Mindestverbüßungsdauer hat das Landgericht für alle neun Angeklagte für vollstreckt erklärt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen seien die Angeklagten am Tatabend in ein Berliner Wettbüro eingedrungen, um das Opfer mittels Gebrauch einer Schusswaffe zu töten, wie es dem Tatplan entsprach. Der Anführer der ”Hells Angels“ beauftragte die Angeklagten hierzu. Das LG Berlin bejahte die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe und verurteilte dementsprechend.

Außerdem wurde ein Vollstreckungsabschlag von zwei Jahren angenommen, weil eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK vorgelegen habe. Das LG ging davon aus, dass kein faires Verfahren stattgefunden habe, da nicht auszuschließen sei, dass das LKA Berlin den „Dingen ihren Lauf” ließ, trotz Kenntniserlangung vom Tatplan Monate vor Tatbegehung.

Die Angeklagten legten Revision gegen das Urteil aus sachlichen Gründen ein. Die Staatsanwaltschaft wandte sich in ihrer Revision gegen den gewährten Vollstreckungsabschlag.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hat die Revisionen der Angeklagten mangels Rechtsfehler als unbegründet verworfen. Im Hinblick auf einen der neun Angeklagten hat der Senat den Strafausspruch aufgehoben (”Kronzeugenregelung“ – § 46b StGB).

Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg. Der BGH hob das Urteil bezüglich des Rechtsfolgenausspruches auf. Der Ausspruch sei entfallen, da keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK vorliege. „Denn ein Anspruch eines Straftäters auf Einschreiten der Strafverfolgungsorgane gegen ihn selbst existiert nicht.“, so der BGH.

KriPoZ-RR, Beitrag 04/2022

Die Pressemitteilung finden Sie hier. Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

 

BVerfG, Beschl. v. 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Versagung der Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform

Leitsatz der Redaktion:

Eine Beleidigung i.S.v. § 185 StGB liegt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht nur bei der Sonderform der Schmähkritik vor. Die Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts wird verkannt, wenn aufgrund einer solchen fehlerhaften Maßstabsbildung keine Abwägung mit Gesichtspunkten des Einzelfalles erfolgt.

Sachverhalt:

§ 14 Abs. 3 Telemediengesetz a. F. regelte die Auskunfterteilung eines Diensteanbieters. Danach durfte dieser im Einzelfall über die bei ihm vorhandenen Bestandsdaten Auskunft erteilen. Erforderlich war, dass dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte diente. Grundlage mussten rechtswidrige Inhalte i.S.v. §§ 185 bis 187 StGB sein.

Die Beschwerdeführerin begehrte von den Nutzern einer Social Media Plattform Gestattung von Auskunftsdaten über einen Nutzer, nachdem dieser verschiedene Inhalte über die Beschwerdeführerin einstellte, die diese ehrenrührig herabsetzten. Das Landgericht gestattete teilweise die Auskunftserteilung, für die übrigen Kommentare lehnte es den Straftatbestand des § 185 StGB mangels Diffamierung ab. Auch das Kammergericht beurteilte die Kommentare als persönliche Herabsetzung und Schmähung und stellte damit keine Strafbarkeit für alle Kommentare fest.

Die Beschwerdeführerin rügte daraufhin vor dem BVerfG unter anderem die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, indem sie sich gegen die Entscheidungen wandte.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde an und gab ihr statt. Bei der Beurteilung einer Äußerung als Beleidigung i.S.v. § 185 StGB seien die betroffenen Rechtsgüter, hier Meinungsfreiheit und persönliche Ehre, abzuwägen.

Ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung sei höher zu gewichten als „die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen.“ Auch die Privatsphäre, persönliche Integrität und die gesellschaftlichen Folgen fließen in die Abwägung ein, so das BVerfG. Die Persönlichkeitsrechte von Personen des öffentlichen Lebens oder Amtsträgern seien auch im Internet geschützt, insbesondere bei Hetze oder öffentlicher Verächtlichmachung. Gerade für Personen, die sich öffentlich engagieren müsse ein hinreichender Schutz für ihre Persönlichkeitsrechte garantiert sein.

Das BVerfG beschloss, dass die Entscheidungen der Gerichte gegen diese Anforderungen verstießen, indem sie Bedeutung und Tragweite des APR verkannten.

Es komme nicht auf die Sonderform der Schmähkritik an, sondern, dass eine Abwägung mit dem APR der Beschwerdeführerin zu erfolgen hatte. Dabei genüge nicht die Behauptung als Politikerin sei ein solcher Angriff hinzunehmen. Durch die Unterlassung der Abwägung durch die Gerichte liege eine Verletzung in das Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin und somit Verfassungswidrigkeit vor. Das Kammergericht hat nun über die strafrechtliche Beurteilung der Kommentare zu entscheiden.

Anmerkung der Redaktion:

  • Hintergrund der streitgegenständlichen Kommentare sind Äußerungen der Beschwerdeführerin während einer Parlamentsdebatte im Jahr 1986. 
  • § 14 Abs. 3 Telemediengesetz a. F. wurde durch § 21 Abs. 2 und 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes ersetzt.

KriPoZ-RR, Beitrag 03/2022

Die Pressemitteilung finden Sie hier. Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

 

BGH, Urteil v. 15.12.2021 – 3 StR 441/20: Urteil im NSU-Verfahren auch bezüglich des Angeklagten André E. rechtskräftig

 

Sachverhalt:

Das OLG München hat den Angeklagten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Von weiteren Vorwürfen wurde der Angeklagte freigesprochen.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hat der Angeklagte den Mitangeklagten Böhnhardt, Mundlos und Beate Z. zwischen den Jahren 2009 bis 2011 Bahncards der Deutschen Bahn verschafft. Er habe es dabei für möglich gehalten, dass es sich bei dem Trio um eine Vereinigung handeln könnte, die sich verbunden hat, um Tötungsdelikte und Sprengstoffanschläge zu begehen. Auch war die Möglichkeit der Bahncards (herabgesetzter Preis, hilfsweise Ausweisung unter falscher Identität) dem Angeklagten bewusst.

Freigesprochen wurde der Angeklagte vom Tatvorwurf der Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit Herbeiführen einer schweren Sprengstoffexplosion, zweifacher Beihilfe zum Raub und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zwischen den Jahren 2000 und 2007.

Sowohl der Generalbundesanwalt als auch der Angeklagte haben Revision eingelegt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hat beide Rechtsmittel verworfen. Das Urteil weise weder bezüglich der Verurteilung noch im Hinblick auf den Teilfreispruch einen Rechtsfehler auf (§ 337 StPO). Die tatrichterliche Beweiswürdigung sei im Umfang der gebotenen Darstellung und damit gemäß § 261 StPO erfolgt. Es müssten nicht „(…) alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten ausdrücklich abgehandelt werden.“ Möglichkeiten und Ressourcen der Gerichte ließen dies nicht zu, so der BGH.

Die weitere Verfahrensbeanstandung des Angeklagten wurde wegen Formfehlern verworfen.

Anmerkungen der Redaktion:

Der BGH hat am 12.08.2021 auch die Revision gegen die Hauptangeklagte Beate Z. verworfen. Mit der Verurteilung gegen André R. ist das gesamte Urteil im NSU-Prozess nun rechtskräftig.

KriPoZ-RR, Beitrag 02/2022

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

 

BGH, Urteil v. 16.12.2021 – 1 StR 197/21: BGH präzisiert Rechtsprechung zu Grenzen rechtsstaatswidriger Tatprovokation

Leitsätze der Redaktion:

Eine Straftat kann auf einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation beruhen, wenn der Täter aufgrund des Einwirkens des Verdeckten Ermittlers eine Tat mit erheblich höherem Unrechtsgehalt begeht („Aufstiftung“).

Dabei kommt es auf das Ausmaß des ausgeübten physischen oder psychischen Drucks des Verdeckten Ermittlers und auf den Umfang der Verwicklung in Betäubungsmittelgeschäfte durch den Täter an.      

Sachverhalt:

Das LG Freiburg hat zwei Angeklagte unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen betrieb der Angeklagte H. Handel mit Kokain und Cannabisprodukten in kleinen Mengen. Vorbestraft war weder der Angeklagte H. noch der Mitangeklagte I., der sich mit dem Angeklagten zum gemeinsamen Veräußern von Betäubungsmitteln zusammenschloss.

Ein Verdeckter Ermittler erwarb von beiden Angeklagten zunächst eine kleine Menge Marihuana, anschließend – auf eigene Nachfrage – größere Mengen. Zur Beschaffung der vom Verdeckten Ermittler nachgefragten Mengen konnten die Angeklagten sich weder ihres bisherigen Lieferanten bedienen, noch waren ihnen die gängigen Preise bekannt. Es gelang den Angeklagten die gewünschte Menge über den weiteren Angeklagten Hö. zu beschaffen. Bei der letzten Übergabe der Betäubungsmittel an den Verdeckten Ermittler kam es zum Zugriff durch die Polizei.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hat das Urteil des LG Freiburg im Hinblick auf die Revision des Angeklagten H. teilweise aufgehoben und gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten I. erstreckt. Das LG soll eine weitere Aufklärung betreiben, ob eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation (Verletzung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK) vorgelegen habe, die ein Verfahrenshindernis begründen würde.

Verdeckte Ermittler dürften sich zwar als Scheinkäufer von Betäubungsmitteln ausgeben. Die Tatverdächtigen müssten allerdings bereits „tatgeneigt“ gewesen sein. Problematisch seien hingegen Lockspitzel-Einsätze, die bewirken, dass Personen erst zur Tat angestiftet werden. Bei der Abgrenzung sei entscheidend inwieweit bereits eine Verwicklung in BtMG-Geschäfte vorgelegen habe („Aufstiftung“) und das Ausmaß des ausgeübten psychischen oder physischen Drucks des Verdeckten Ermittlers. 

Die Revision des Angeklagten Hö. hat der 1. Strafsenat hingegen verworfen. Eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation hat der Senat hier verneint, da keine Beeinflussung durch den Verdeckten Ermittler festgestellt werden konnte. Die Tatprovokation des Verdeckten Ermittlers habe weder direkt noch indirekt auf ihn eingewirkt.

Anmerkung der Redaktion:

Die rechtsstaatswidrige Tatprovokation verstößt gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK). Der EGMR verurteilte Deutschland 2014 und 2020 wegen Verstößen gegen das Fairnessgebot. 

Unsere Webseite verwendet sog. Cookies. Durch die weitere Verwendung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Informationen zum Datenschutz

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen.
Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Weitere Informationen zum Datenschutz entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hier können Sie der Verwendung von Cookies auch widersprechen.

Schließen