Referentenentwurf zur zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung

Gesetzentwürfe: 

Am 22. November 2023 hat das BMJ einen Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung auf den Weg gebracht. Ziel der Richtlinie ist es, eine Definition für terroristische Straftaten zu schaffen. Zudem soll die Ein- und Rückreise aus Risikogebieten für ausländische terroristische Kämpfer („Foreign Terrorist Fighters“) als strafbare Handlung eingestuft werden und die Terrorismusfinanzierung ebenfalls umfassend unter Strafe gestellt werden.

Obwohl Deutschland mit den Tatbeständen der §§ 129a, 129 StGB und §§ 89a, 89b und 89c StGB „gut aufgestellt“ sei, habe die Europäische Union Defizite in der Umsetzung der Terrorismusrichtlinie gerügt. Diesen soll nun mit dem Gesetzentwurf begegnet werden.

Dazu werden § 89a und § 89c StGB wie folgt geändert:

  • „In § 89a Abs.1 StGB wird definiert, was unter einer terroristischen Straftat zu verstehen ist und der Straftatenkatalog wird ausgeweitet. Damit werden die Vorgaben des Artikels 3 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung umgesetzt. § 89a Abs.2 StGB wird um den Tatbestand der Einreise als Straftat im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten ergänzt und damit Artikel 9 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung umgesetzt. In § 89a Abs. 2a StGB wird eine Versuchsstrafbarkeit normiert, um den Anforderungen des Artikels 14 Abs. 3 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung Rechnung zu tragen. In § 89a Abs. 2b StGB wird die versuchte Anstiftung zu einer terroristischen Straftat pönalisiert und damit die Vorgaben des Artikels 6 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung umgesetzt.
  • 89c StGB wird um bestimmte Handlungen erweitert, deren Finanzierung den Tatbestand einer Terrorismusfinanzierung erfüllt und damit werden die Vorgaben des Artikels 11 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung umgesetzt. Ebenso wird in § 89c Abs. 8 StGB eine Versuchsstrafbarkeit eingeführt, um den Voraussetzungen des Artikels 14 Abs. 3 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung nachzukommen.“

Erste Stellungnahmen zum Referentenentwurf finden Sie hier. Am 8. Mai hat das Bundeskabinett den vorgelegten Entwurf beschlossen. Am 5. Juli 2024 nahm der Bundesrat zu dem Entwurf Stellung (BR-Drs. 240/24 (B)). 

Am 23. September 2024 haben sich zahlreiche Sachverständige im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zu den geplanten Änderungen geäußert. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Hierbei wurde der Entwurf von den Sachverständigen unterschiedlich bewertet. Während die Umsetzung der europäischen Richtlinie als notwendig erachtet wurde, haben sich insbesondere die Sachverständigen aus dem rechtswissenschaftlichen Bereich gegenüber den Ergänzungen kritisch geäußert. Das Vorhaben expandiere den strafrechtlich relevanten Bereich  zu weit und ist insoweit dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ausgesetzt. Insbesondere Prof. Dr. Katharina Beckemper (Universität Leipzig) und Dr. Anneke Petzsche (Humboldt-Universität zu Berlin) bewerteten den Entwurf differenziert. Während beide die Vorlage grundsätzlich begrüßten und Beckemper betonte, dass der Entwurf den Vorgaben des europäischen Rechts entspreche, so kritisierten beide die erhebliche Vorverlagerung der (Versuchs-)Strafbarkeit. Petzsche hob hervor, dass sich die gesetzlichen Veränderungen an rechtsstaatlichen Grundsätzen messen lassen müssen. Prof. Dr. Arndt Sinn von der Universität Osnabrück schloß sich diesen Erwägungen grundsätzlich an, sah jedoch einige der Änderungen schon nicht unionsrechtlich determiniert. Von der Einführung dieser Vorschriften sollte dahingehend abgesehen werden. Zudem regt Sinn an, die Regelungsstruktur des § 89a StGB zu überdenken – und ggf. an die Richtlinienstruktur anzupassen. Prof. Dr. Mark A. Zöller von der LMU München konstatiert, dass bei der Ausgestaltung des deutschen Terrorismusstrafrecht bereits vor der Aushandlung der EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung im Jahre 2017 Fehler einzugestehen sind. Die viel zu weite Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Vorfeld terroristischer Verhaltensweisen sei mit dem deutschen Strafrechtssystem nur schwerlich in Einklang zu bringen. RA Stefan Conen aus Berlin will erkennen, dass alle Stellungnahmen der Sachverständigen von Zweifeln an der Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs mit den Grundlagen des deutschen Strafrechts geprägt sind; jedoch könne die Diskussion um das Terrorismusstrafrecht allein auf europäischer Ebene geführt werden, da es sich bei der Richtlinie um zwingende europäische Vorgaben handele. Zwar lasse der Entwurf erkennen, dass eine über den europarechtlichen Vorgaben hinausgehende Ausdehnung der Strafbarkeit vermieden werden wollte, jedoch gelinge dies dem Entwurf nicht. Conen appellierte insoweit, dass der Entwurf an keiner Stelle über das für die Umsetzung Notwendige hinausgehen sollte.

Die als Sachverständigen eingeladenen Praktiker begrüßten weitgehend die vorgeschlagenen Änderungen. Dirk Peglow (BRK) attestierte dem Entwurf großes Potenzial, bisherige Lücken in der Strafverfolgung zu schließen; insbesondere die Konkretisierung und Erweiterung des Katalogs terroristischer Straftaten sei zu begrüßen. Anders als die Stimmen aus der Rechtswissenschaft erachtete es Peglow als sachgerecht, die Vorfeldstrafbarkeit weiter auszudehnen. Durch die Änderungen könnte terroristische Vorfeldaktivität besser erkannt und verfolgt werden. Alexander Poitz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, sah es als zwingend notwendig, dass die Sicherheitsbehörden personell gestärkt und mit weitergehenden, wirksamen Befugnissen ausgestattet werden. Hierbei betonte Poitz, dass aus strafrechtlicher Perspektive insbesondere die Terrorismusfinanzierung stärker bekämpft werden müsse. Eine ähnliche Stoßrichtung wies auch die Stellungnahme von Wolfram Nettersheim, Staatsanwaltschaft beim BGH, auf. Dieser sprach sich in seiner Stellungnahme für eine Ausweitung der (Vorfeld-)Strafbarkeit im Bereich der terroristisch-motivierten Verhaltensweisen aus. Nettersheim begrüßte insbesondere die Einführung einer einheitlichen Definition einer terroristischen Straftat. Gleichzeitig warnte Nettersheim, dass die materiell-strafrechtlichen Gesetzesänderungen nur von Belang seien, wenn mit ihnen auch neue strafprozessuale Ermächtigungen eingeführt werden. Dr. Andreas Schmidtke, Richter am OLG Düsseldorf, begrüßte den Entwurf uneingeschränkt; dass nunmehr die bestehenden Umsetzungsdefizite geschlossen werden sei positiv zu bewerten. Jedoch müssten die vorgeschlagenen Änderungen des Strafgesetzbuches punktuell nachgebessert werden; Schmidtke sah durch die Ausweitung der Vorfeldstrafbarkeit die Grenzen der Legitimität staatlichen Strafens teilweise überschritten. Die strafprozessualen Änderungen begegnen dagegen durchgreifenden Bedenken. Insoweit müsse sichergestellt werden, dass die prozessualen Befugnisse und die materiellrechtlichen Strafbarkeiten nicht auseinanderfallen.

Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz zur Modernisierung des Strafgesetzbuchs

Am 23. November hat das BMJ ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des Strafgesetzbuches veröffentlicht.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann:
„Die Fortentwicklung des Strafrechts ist eine Kernaufgabe der Rechtspolitik. Daher müssen wir fragen: Setzt der Staat im Strafrecht die richtigen Prioritäten? Passen unsere Straftatbestände noch ausnahmslos in die Zeit? Es war dringend nötig, die Fragen zu stellen. Wir haben nun das Strafgesetzbuch systematisch durchgesehen und überprüft, welche Straftatbestände historisch überholt sind, sodass sie gestrichen oder angepasst werden müssen. Wir gehen damit eine überfällige Modernisierung der Strafrechtspolitik an. Das stärkt Akzeptanz und Wirksamkeit unseres Rechtsstaats.“

Der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag, das StGB systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche zu überprüfen, sei Ausdruck einer liberalen und evidenzbasierten Strafrechtspolitik.

Folgende Straftatbestände sollen aufgehoben, bzw. angepasst werden:  

  • § 134 StGB – Verletzung amtlicher Bekanntmachungen
    Insbesondere durch die digitale Veröffentlichung sei der Tatbestand nicht mehr zeitgemäß. Strafwürdige Fälle könnten zudem über §§ 267, 274 und 303 StGB erfasst werden.
  • § 142 StGB – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
    Bei Unfällen mit bloßen Sachschäden soll zukünftig alternativ zur Wartepflicht eine Meldepflicht eingeführt werden. Die notwendigen Informationen sollen dann digital an eingerichtete Meldestellen übermittelt werden.
  • § 184f StGB – Ausübung verbotener Prostitution
    Die Ausübung verbotener Prostitution soll künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
  • §§ 211, 21, 213 StGB – Mord, Totschlag, minder schwerer Fall des Totschlags
    Da die Begriffe „Mörder“ und „Totschläger“ der Lehre vom Tätertyp aus der NS-Zeit entspringen, sollen die Tatbestände sprachlich angepasst werden.
  • § 217 StGB – Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung 
    Da die Vorschrift gegen das Grundgesetz verstößt, soll der Tatbestand aus deklaratorischen Gründen aufgehoben werden.
  • § 235 StGB – Entziehung Minderjähriger 
    Der Straftatbestand soll an die Rechtsprechung des EuGH angepasst werden (EuGH, Urt. v. 19.11.2020 – C-454/19; EuGH, Beschl. v. 16.5.2022 – C-724/21), da eine Ungleichbehandlung einer Entziehung Minderjähriger in Deutschland und im Ausland im Widerspruch zur Freizügigkeit der Unionsbürger stehe.
  • § 265a StGB – Erschleichen von Leistungen 
    Der Straftatbestand soll künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
  • § 266b StGB – Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten
    Aufgrund des Wegfalls von Scheckkarten soll die Tatbestandsvariante gestrichen werden.
  • § 284 ff StGB – Unerlaubtes Glücksspiel 
    Da entsprechende Verstöße gem. § 28a des Glücksspielstaatsvertrages der Länder geahndet werden können, sollen die §§ 284 bis 287 StGB aufgehoben werden. Eine Strafbarkeit verbleibt bei Manipulation des Spiels wegen Betrugs (§ 263 StGB).
  • § 290 StGB – Unbefugter Gebrauch von Pfandsachen
    Mangels Bedeutung in der Rechtspraxis soll der Tatbestand aufgehoben werden.
  • § 316a StGB – Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer
    „Die hohe Strafandrohung, die ohnehin eine restriktive Auslegung der Norm erfordert, der historische Hintergrund und die systematische Einordnung im Achtundzwanzigsten Abschnitt des StGB (Gemeingefährliche Straftaten) begründen seit längerem Zweifel an der kriminalpolitischen Legitimation des Tatbestandes“, so das Eckpunktepapier. Der Tatbestand soll ebenfalls gestrichen werden.
  • § 323b StGB – Gefährdung einer Entziehungskur 
    Auch diese Vorschrift soll aufgehoben werden, da sich dahinter kein relevantes Kriminalitätsphänomen verberge.
  • § 352 StGB – Gebührenüberhebung 
    Eine Privilegierung der Berufsgruppen der Anwält:innen, Notar:innen, Gerichtsvollzieher:innen oder Bezirksschornsteinfeger:innen durch § 352 StGB gegenüber § 263 StGB sei rechtspolitisch nicht begründbar. Die Norm soll daher ebenfalls aufgehoben werden.

Daneben erwähnt das Eckpunktepapier auch Tatbestände, die bereits Gegenstand anderer Vorhaben sind oder waren:

  • § 184b StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte
    Eine Reduzierung der Strafandrohung für die Tatbestandsalternativen des § 184b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 StGB wurde bereits am 17. November 2023 auf den Weg gebracht. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.
  • § 202a ff. StGB – Ausspähen von Daten, Abfangen von Daten, Vorbereitung des Ausspähens und Abfangens von Daten
    Zur Vorbereitung eines Entwurfs fand am 30. Juni 2023 und 4. Oktober 2023 ein Symposium mit Expert:innen statt. Die Auswertung soll Eckpunkte für diesen erfassen und in der ersten Jahreshälfte 2024 vorgelegt werden.
  • § 219a StGB – Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft
    Der Tatbestand wurde bereits aufgehoben. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.

 

Das 7. Forum zum Recht der Inneren Sicherheit (FORIS) – Big Data im Sicherheitsrecht

von Ruben Doneleit und Isabella Klotz

Beitrag als PDF Version 

Am 15. September 2023 fand zum nunmehr siebten Mal (und erstmals unter neuem Namen[1]) das Forum zum Recht der Inneren Sicherheit (FORIS) in Mainz statt. Die Schirmherrschaft für die Tagung hatte auch in diesem Jahr die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyerübernommen. Tagungsort war deshalb wiederum die am Rhein gelegene Mainzer Staatskanzlei. Dieses Jahr lautete das Thema der vom Institut für Digitalisierung und das Recht der Inneren Sicherheit (IDRIS) der LMU München gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz ausgerichteten Veranstaltung „Big Data im Sicherheitsrecht“.

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KriPoZ-RR, Beitrag 50/23

Die Entscheidung im Original finden Sie hier. Die Pressemitteilung ist hier verfügbar.

Amtliche Leitsätze: 

  1. Das grundrechtsgleiche Recht des Art. 103 Abs. 3 GG enthält kein bloßes Mehrfachbestrafungsverbot, sondern ein Mehrfachverfolgungsverbot, das Verurteilte wie Freigesprochene gleichermaßen schützt.

  2. Es entfaltet seine Wirkung auch gegenüber dem Gesetzgeber, wenn dieser die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erneute Strafverfolgung durch die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens schafft.

  3. Das in Art. 103 Abs. 3 GG statuierte Mehrfachverfolgungsverbot trifft eine Vorrangentscheidung zugunsten der Rechtssicherheit gegenüber der materialen Gerechtigkeit. Diese Vorrangentscheidung steht einer Relativierung des Verbots durch Abwägung mit anderen Rechtsgütern von Verfassungsrang nicht offen, sodass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wiederaufnahmerechts insoweit kein Gestaltungsspielraum zukommt.

  4. 103 Abs. 3 GG umfasst nur eine eng umgrenzte Einzelausprägung des Vertrauensschutzes in rechtskräftige Entscheidungen. Er schützt den Einzelnen allein vor erneuter Strafverfolgung aufgrund der allgemeinen Strafgesetze, wenn wegen derselben Tat bereits durch ein deutsches Gericht ein rechtskräftiges Strafurteil ergangen ist.

  5. Im Rahmen dieses begrenzten Schutzgehalts verbietet Art. 103 Abs. 3 GG die Wiederaufnahme von Strafverfahren zum Nachteil des Grundrechtsträgers nicht generell, jedenfalls aber die Wiederaufnahme aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel.

  6. Freigesprochene dürfen darauf vertrauen, dass die Rechtskraft des Freispruchs nur aufgrund der zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft geltenden Rechtslage durchbrochen werden kann. Der Grundsatz ne bis in idem erkennt die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in ein freisprechendes Strafurteil an und Art. 103 Abs. 3 GG verleiht diesem Vertrauensschutz Verfassungsrang.

 

Sachverhalt:

Der Verfassungsbeschwerde ging im Jahr 1983 ein Freispruch des Beschwerdeführers wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung und des Mordes voraus. Im Dezember 2021 trat schließlich § 362 Nr. 5 StPO in Kraft, der es ermöglichte, das Verfahren gegen den Beschwerdeführer aufgrund neuer Tatsachen wieder aufzunehmen.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG erklärte § 362 Nr. 5 StPO für nichtig. Die Norm verstoße gegen das Mehrverfolgungs- und Rückwirkungsverbot. Der Senat stellt zunächst klar, dass der Schutz des Art. 103 Abs. 3 GG gleichermaßen einem Verurteilten sowie einem Freigesprochenen zugutekommt. Das Verbot der Mehrfachverfolgung richte sich ebenso an den Gesetzgeber und könne nicht durch eine einfachgesetzliche Regelung umgangen werden. Weiterhin betont der Senat, dass die Rechtssicherheit vor der materiellen Gerechtigkeit stehe.

Ermöglicht § 362 Nr. 5 StPO die Wiederaufnahme von Verfahren, die bei dem Inkrafttreten der Norm bereits abgeschlossen waren, liege darüber hinaus ein Fall der sog. „echten“ Rückwirkung vor. Diese sei grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig, sodass auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG vorliege.

 

 

 

Antrag der Fraktion der CDU/CSU – IP-Adressen rechtssicher speichern und Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

Öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss am 11. Oktober 2023: 

 

 

 

 

Antrag der Fraktion der CDU/CSU – IP-Adressen rechtssicher speichern und Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen

Gesetzentwürfe: 

Im September brachte die Fraktion CDU/CSU einen Entschließungsantrag zur rechtssicheren Speicherung von IP-Adressen zum Schutz vor Kindesmissbrauch in den Bundestag ein (BT Drs. 20/3687). 

Im Jahr 2021 seien laut BKA mehr als 39.000 Fälle des Herstellens, Besitzens und der Verbreitung von Fotos und Videos von Kindesmissbrauch erfasst worden, ein Anstieg zum Vorjahr um mehr als 50 Prozent. Die Taten seien aber größtenteils nicht aufzuklären, weil in Deutschland die notwendigen IP-Adress-Daten für die Ermittlungen nicht zur Verfügung stehen. Der vom EuGH benannte Rahmen der Möglichkeiten zur Speicherung solle nach Ansicht der Fraktion vollumfänglich genutzt werden. Das vorgeschlagene „Quick-Freeze-Verfahren“ sei jedenfalls nach einhelliger Einschätzung der Ermittlungsbehörden untauglich. 

Die Bundesregierung soll mit dem Antrag aufgefordert werden, 

„unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den vom Europäischen Gerichtshof eingeräumten gesetzgeberischen Spielraum zur Speicherung von IP-Adressen zur Verfolgung der Straftaten des sexuellen Kindesmissbrauchs und der Kinderpornographie umsetzt und dabei insbesondere

  • eine praxistaugliche Regelung zur Speicherung von Portnummern trifft, damit digitale Tatortspuren dem Verursacher sicher zugeordnet werden können;
  • eine sechsmonatige Speicherverpflichtung vorsieht;
  • ein geeignetes, hohes Datenschutzniveau und gleichzeitig sichere und schnelle Abrufverfahren einführt, einschließlich einer Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft bei Gefahr im Verzuge.“ 

Am 11. Oktober 2023 fand hierzu im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Meinungen der Sachverständigen waren sehr konträr. Unterstützung fand der Antrag der Fraktion durch Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger und den Vertreter:innen aus der Polizei und der Justiz. Wollschläger wog den durch den Antrag bedingten Grundrechtskonflikt zwischen Freiheit und Sicherheit zugunsten der Sicherheit ab. Ein milderes und gleich wirksames Mittel sei nicht ersichtlich, hieß es in seiner Stellungnahme. Zudem sei die vorgeschlagene Regelung auch im Vergleich zur vom EuGH beanstandeten Vorratsdatenspeicherung angemessen, denn Deutschland sei „völker-, unions- und verfassungsrechtlich verpflichtet, Kinder vor sexuellem Missbrauch effektiv zu schützen“. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter betonte in seiner Stellungnahme, dass auch das bisher vorgesehene „Quick-Freeze-Verfahren“ nicht ausreichend sei. Martina Link (BKA) zeigte anhand von Statistiken, dass schon eine 14-tägige Speicherung von IP-Adresse die Chance auf eine Identifizierung des Täters verdopple. Dr. Benjamin Krause von der ZIT sprach sich daher ebenso wie der Deutsche Richterbund für die „Einführung einer EuGH-konformen Speicherung von IP-Adressen“ aus. Für die Verfolgung von Straftaten im Internet sei die IP-Adresse schließlich meist der einzige Ermittlungsansatz. 

Gegenwind erhielt der Antrag der Fraktion CDU/CSU von Dr. Sabine Witting von der Universität Leiden. Sie verwies darauf, dass nicht nur das Recht auf Sicherheit, sondern auch das Recht auf Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten von der vorgeschlagenen Speicherung der IP-Adressen betroffen sei. Diese gelte es abzuwägen und nicht gegeneinander auszuspielen. Für eine Speicherung der IP-Adressen über einen Zeitraum von 6 Monaten gebe es keine evidenzbasierte Begründung. Problematisch sah sie ebenfalls dynamische IP-Adressen, deren Speicherung bis jetzt überhaupt noch nicht höchstrichterlich geklärt sei. Auch Dr. Mayeul Hiéramente vom DAV sah die sechsmonatige Frist zur Speicherung sehr kritisch und zweifelte, ob nicht der EuGH ein solches Gesetz erneut kippen werde, da es europarechtswidrig sei. Ebenso verwies der Verein Digitale Freiheitsrechte in seiner Stellungnahme auf einen unverhältnismäßigen Eingriff in garantierte Rechte. Hadmut Dänisch attestierte Deutschland, nicht die geforderten rechtsstaatlichen Qualitäten zu besitzen, um die Vorratsdatenspeicherung überhaupt EuGH-konform betreiben zu können. Dies liege vor allem an der politischen Infiltration der Strafverfolgungsbehörden. Er unterstellte der Fraktion CDU/CSU, den Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern nur als Vorwand zu nutzen, da es eigentlich um „die Verfolgung politisch Andersdenkender“ gehe. Für Dr. Bijan Moini von der Gesellschaft für Freiheitsrechte überwogen ebenfalls die Nachteile des Vorschlags. Er sprach von einer „anlasslosen Massenspeicherung“, die von Dritten zweckentfremdet werden könnte. Prof. Ulrich Kelber (Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) erinnerte noch einmal an den Korridor, den der EuGH klar gesteckt habe und der zwingend einzuhalten sei. Das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat werde weiter untergraben, wenn ein verabschiedetes Gesetz kurz darauf erneut ein „höchstrichterliches Stopp-Signal“ erhalte. 

Am 18. Januar 2024 wurde der Antrag gemäß einer Beschlussvorlage des Rechtsausschusses (20/9527) abgelehnt. 

 

Strafrechtlicher Schutz gemeinnütziger Tätigkeit

Gesetzentwürfe:

 

Der Freistaat Bayern hat einen Gesetzesantrag zum strafrechtlichen Schutz gemeinnütziger Tätigkeit in den Bundesrat eingebracht. 

Gemeinnützige Tätigkeit sei ein tragender Pfeiler der Gesellschaft und von zentraler Bedeutung für das Zusammenleben. Ohne sie wären Leistungen in den Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit über die Flüchtlingshilfe, das sicherheitsrelevante Ehrenamt (Feuerwehren, Katastrophenschutz, Rettungsdienst – vgl. § 115 Absatz 3 StGB) und die Vereinsarbeit bis hin zum Umweltschutz nicht möglich. 

Trotz ihres herausragenden Einsatzes seien Menschen, die sich gemeinnützig engagieren immer wieder Ziel von Angriffen physischer und psychischer Art. Insbesondere betreffe dies kommunale Mandatsträger, Flüchtlingshelfer oder Schiedsrichter. Solche Verrohungstendenzen führten nicht nur zu Einschränkungen im persönlichen Lebensbereich der Betroffenen, sie gefährden zugleich das Funktionieren des Systems gemeinnütziger Tätigkeit und damit die Belange des Gemeinwohls. 

Das StGB trage der besonderen Schutzbedürftigkeit gemeinnützig tätiger Personen bislang nicht ausreichend Rechnung. Es fehle an einer Regelung, „welche den erhöhten Unrechtsgehalt entsprechender Taten zum Ausdruck bringt und für die Rechtsanwender wie auch potenziellen Täter den Blick dafür schärft, dass ein Täterverhalten, das geeignet ist, gemeinnütziges Engagement des Geschädigten zu beeinträchtigen, strafschärfend berücksichtigt werden kann“, heißt es in dem Gesetzesantrag. 

Um die besondere Bedeutung des Ehrenamts und die besondere Schutzwürdigkeit dieser Personen zu dokumentieren, soll die Regelung zur Strafzumessung in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB dahingehend ergänzt werden, dass bzgl. der verschuldeten Auswirkungen der Tat auch solche in Betracht kommen, „die geeignet sind, das gemeinnützige Engagement des Geschädigten nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen“. 

§ 46 Abs. 2 S. 2 StGB soll daher wie folgt geändert werden: 

In § 46 Absatz 2 Satz 2 werden nach den Wörtern „die verschuldeten Auswirkungen der Tat“ ein Komma und die Wörter „auch die Eignung, gemeinnütziges Engagement des Geschädigten nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen“ eingefügt.

Am 29. September 2023 hat sich der Bundesrat erstmals mit dem Gesetzesantrag befasst und ihn im Anschluss an die Plenarsitzung zwecks weiterer Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Der federführende Rechtsausschuss sowie der Ausschuss für Innere Angelegenheiten haben dem Bundesrat die Einbringung in den Bundestag empfohlen (BR Drs. 470/1/23). Ein entsprechender Beschluss wurde in der Plenarsitzung vom 20. Oktober 2023 gefasst. 

 

 

Verbot volksverhetzender Inhalte und verfassungswidriger Kennzeichen im Zusammenhang mit der Dienstausübung

Gesetzentwürfe: 

 

Das Land NRW hat einen Gesetzesantrag zur Änderung des StGB in den Bundesrat eingebracht. Geplant ist die Einfügung eines § 341 StGB, der das Vertrauen in die rechtsstaatliche Amtsführung schützen soll. „Wer als Amtsträgerin oder Amtsträger in dienstlichem Zusammenhang in einer Weise, die geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in rechtstaatliches Handeln von Behörden oder sonstigen Stellen der öffentlichen Verwaltung zu erschüttern, volksverhetzende Inhalte äußert oder einer Person zugänglich macht oder Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet, wird zukünftig mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Der Tatbestand ist so gefasst, dass auch das Teilen solcher Inhalte in sogenannten geschlossenen Chatgruppen mit einem konkreten und bestimmten Personenkreis oder die Weiterleitung solcher Inhalte in diese Gruppen strafbar sein kann, sofern dies in Zusammenhang mit der Dienstausübung geschieht“, so der Entwurf. 

Hintergrund der Landesinitiative sind einige Vorfälle der letzten Jahre, in denen sich Amtsträger und Amtsträgerinnen in Chatgruppen  rassistisch, antisemitisch oder fremdenfeindlich äußerten. Die Kommunikation wurde über private Endgeräte in geschlossenen Gruppen geführt, hatte aber einen Zusammenhang mit der Ausübung der Dienstgeschäfte. Durch den individualisierten Kolleg:innenkreis konnten die Vorfälle weder nach § 130 StGB noch nach § 86a StGB verfolgt werden, da die kommunizierten Inhalte so nicht mit einem unkontrollierbaren größeren Personenkreis geteilt worden waren. Die Folge seien negative Auswirkungen auf das Vertrauen der Bürger:innen in die Integrität des öffentlichen Dienstes gewesen. Zu befürchten sei eine Erosion der rechtsstaatlichen Kultur in dienstlichen Gruppen oder ganzen Behörden, welche zu einer nicht mehr an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichtete Dienstausübung führe. Daher sei „zur Wahrung der Integrität des öffentlichen Dienstes bzw. der rechtstaatlichen Behördenkultur insgesamt sowie des Vertrauens der Allgemeinheit in den öffentlichen Dienst als Funktionsbedingungen des öffentlichen Dienstes die Schaffung eines neuen Straftatbestands erforderlich“.

§ 341 StGB soll wie folgt gefasst werden: 

„§ 341 Volksverhetzende Inhalte und verfassungswidrige Kennzeichen im Zusammenhang mit der Dienstausübung

(1) Wer als Amtsträger im Zusammenhang mit der Dienstausübung in einer Weise, die geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in rechtstaatliches Handeln von Behörden oder sonstigen Stellen der öffentlichen Verwaltung zu erschüttern,

  1. die in § 130 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 oder Absatz 4 bezeichneten Inhalte (§ 11 Absatz 3) gegenüber einer anderen Person äußert oder einer anderen Person zugänglich macht oder
  2. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Absatz 1 Nummer 1, 2 und Nummer 4 bezeichneten Parteien, Vereinigungen oder Organisationen verwendet,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Auf Absatz 1 Nummer 2 ist § 86 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Für den Begriff der Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 gilt § 86a Absatz 2 entsprechend.

(3) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.“

Am 29. September 2023 hat sich der Bundesrat erstmalig mit dem Gesetzesantrag befasst und ihn im Anschluss zwecks weiterer Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Der federführende Rechtsausschuss sowie der Ausschuss für Innere Angelegenheiten haben dem Bundesrat die Einbringung in den Bundestag empfohlen (BR Drs. 449/1/23). Ein entsprechender Beschluss wurde in der Plenarsitzung am 20. Oktober 2023 gefasst. Am 6. Dezember 2023 brachte der Bundestag den Gesetzentwurf (BT Drs. 20/9646) schließlich in den Bundestag ein. 

 

 

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ALLGEMEINE BEITRÄGE

Die völkerstrafrechtliche Dimension des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine
von Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Claus Kreß, LL.M.

Vorsichtige Schritte in die richtige Richtung - Überlegungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts
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Der Rechtsstaat und das Fahren ohne Fahrschein (§ 265a StGB) - Was kostet die Verfolgung eines umstrittenen Straftatbestands?
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Warum § 362 Nr. 5 StPO aufgehoben werden sollte
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Herausforderungen des § 229 StPO in Post-Pandemie-Zeiten
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Der Richtervorbehalt bei der körperlichen Untersuchung 
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Perspektiven einer Kompetenzerweiterung der Europäischen Staatsanwaltschaft 
von Dr. Sarah Pohlmann 

ENTSCHEIDUNGEN/ANMERKUNGEN

BGH nimmt erstmalig zum Straftatbestand des Völkermordes gem. § 6 VStGB Stellung 
BGH, Beschl. v. 30.11.2022 - 3 StR 230/22

Anmerkung zum Beschluss des BGH vom 30.11.2022 - 3 StR 230/22
von Kira Dillen 

BUCHBESPRECHUNGEN

Sonja Fleck: Hasskriminalität in Deutschland. Eine Untersuchung des Phänomenbereichs mit europäischen und internationalen Bezügen und Erstellung eines Lagebildes der Praxis seit der Aufnahme von Vorurteilsmotiven in § 46 Abs. 2 StGB
von Prof. Dr. Anja Schiemann

Fabian Klahr: Schuld und Strafmaß. Modelle der Bestimmung rechtlicher Schuld im Strafrecht und die Methodik der Strafmaßfindung im Rahmen der Sanktionenentscheidung 
von Prof. Dr. Anja Schiemann

TAGUNGSBERICHT

Tagungsbericht zum 8. Deutsch-Taiwanesischen Strafrechtsforum in Passau (3. bis 7. Juli 2023): "Das Strafrecht der Zukunft"
von Dr. Oliver Harry Gerson, Elisa Holzinger, Ulrike Koch, Yi-Chien Lin, Romina Milles und Lena Nerb

Zugänge zum Recht - zugängliche Rechte? Fünfter Kongress der deutschsprachigen Rechtssoziologie-Vereinigungen 
von Akad. Rätin a.Z. Büşra Akay

 

 

 

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 49/23

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Leitsatz der Redaktion:

Nach § 30a Abs. 1 BtMG baut auch Betäubungsmittel an, wer die alltägliche Betreuung einer Cannabisplantage übernimmt.

Sachverhalt:

J erwarb ein Anwesen mit Scheune und errichtete dort im Auftrag einer Drogenhandel betreibenden Organisation eine Cannabisplantage. Zeitweise anfallende Tätigkeiten, wie bspw. das Umtopfen, wurden von den Mitgliedern der Organisation durchgeführt, während der Angeklagte alltäglich anfallende Aufgaben erledigte. Dieser war daher überwiegend alleine auf der Plantage und kontaktierte J nur bei Problemen. Der Angeklagte versprach sich dadurch eine Entlohnung von insgesamt 4.000 – 5.000 Euro. Weiterhin war ihm bewusst, dass die aufgezogenen Pflanzen anschließend gewinnbringend weiterverkauft werden sollten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH wiederholt, dass der Angeklagte wegen seiner untergeordneten Stellung in der Organisation und seiner nicht über die Aufzuchtphase hinausgehenden Relevanz nur Gehilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge war.

Darüber hinaus habe er sich (täterschaftlich) des bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Der BGH führt aus, dass der Anbau in Ausgestaltung der Aufzucht sämtliche gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Tätigkeiten erfasst, die auf den Wachstum der in den Anlagen I bis III des BtMG genannten Pflanzen gerichtet sind. Umfasst werden unter anderem das Bewässern, Düngen und Belichten. Durch seine zweimonatige Bewirtschaftung bzw. das Wahrnehmen der regelmäßig anfallenden Aufgaben, habe sich der Angeklagte daher gleichfalls des täterschaftlichen Anbaus von Betäubungsmitteln strafbar gemacht.

 

 

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