KriPoZ-RR, Beitrag 09/2022

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 15.12.2022 – 1 StR 295/22: Zur Vereinbarkeit von Blankettstrafnormen mit Art. 103 Abs. 2 GG

Amtlicher Leitsatz:

Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 KraftStDV führt nicht zur Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, weil die Regelung der steuerlichen Erklärungspflicht allein in § 15 Abs. 1 KraftStDV den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügt.

Sachverhalt:

Der Angeklagte wurde vom LG Detmold wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Steuerhinterziehung  und weiterer Delikte zu einer vierjährigen Einheitsjugendstrafe verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen sei der Angeklagte ohne Zulassung und Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis mit einem Pkw gefahren, an dem dieser ein Dublettenkennzeichen montiert hatte. Einer Fahrzeugkontrolle entzog sich der Angeklagte, indem er beschleunigte, mehrere Überholmanöver durchführte und dabei unter anderem eine Schülergruppe nur knapp verfehlte. Die gesamte Flucht- und Verfolgungsfahrt dauerte 15 Kilometer. Der Angeklagte legte gegen die Entscheidung Revision ein. 

Entscheidung des BGH:

Die Revision hat teilweise Erfolg und führt zur Änderung des Schuldspruchs. Der Rechtsfolgenausspruch bleibt bestehen.

Von der Verfolgung vom Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens hat der Senat gemäß § 154a Abs. 2 StPO abgesehen. Ein mehrmals maximales Beschleunigen reiche nicht aus, um § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu bejahen. 

Auch sei der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt. Eine Eintragungspflicht enthalte das Kraftfahrzeugsteuergesetz nicht, diese erfolge allein aus § 15 Abs. 1 KraftStDV. Ob ein Verstoß gegen diese Norm zu einer Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO führen kann, sei umstritten. Der Senat führt die in der Literatur unterschiedlich herrschenden Auffassungen an und stellt fest, dass ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 KraftStDV nicht zur Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO führt. Diese Auslegung wäre nicht mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar.  Es müssen die „Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe also bereits entweder im Blankettstrafgesetz selbst oder in einem in Bezug genommenen Gesetz hinreichend deutlich umschrieben“ sein, so der BGH. Nicht dürfe dies dem Verordnungsgeber eingeräumt werden, welches bei § 15 KraftStDV mangels Erklärungspflicht der Fall sei. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO lägen nicht vor, sodass die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung entfalle. 

Gesetzentwurf zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung – Haupverhandlungsdokumentationsgesetz (DokHVG)

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

Öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss vom 11. Oktober 2023: 

Zum Regierungsentwurf: 

Zum Referentenentwurf:

 

 

 

 

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 08/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 13.12.2022 – 3 StR 372/22: BGH zur Strafbarkeit des „Stealthing“

Amtlicher Leitsatz:

Zum gegen den erkennbaren Willen des Sexualpartners heimlich ohne Kondom ausgeführten Geschlechtsverkehr (sogenanntes „Stealthing“).

Sachverhalt:

Der Angeklagte wurde vom LG Düsseldorf u.a. wegen sexuellen Übergriffs zu einer mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, im Übrigen freigesprochen. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hat der Angeklagte nach einvernehmlichen Oralverkehr mit der später Geschädigten eine Kondompackung geöffnet, wobei er beabsichtigte dieses nicht zu verwenden. Der Angeklagte führte mit der Geschädigten, für die ungeschützter Geschlechtsverkehr nicht in Frage kam, bewusst ohne Kondom den Geschlechtsverkehr durch. Der Angeklagte legte gegen die Entscheidung des LG Düsseldorf wegen Verletzung formellen und materiellen Rechtsmittel ein. 

Entscheidung des BGH:

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Wegen eines unterlassenen Hinweises auf den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt (§ 265 Abs. 1 StPO) in einem Fall, ist die Gesamtstrafe aufzuheben. 

Im Übrigen weise die Entscheidung keine Rechtsfehler auf. Zutreffend sei das LG Düsseldorf von einem sexuellen Übergriff i.S.v. § 177 Abs. 1 StGB ausgegangen. „Stimmt eine Person Geschlechtsverkehr ersichtlich nur unter der Voraussetzung zu, dass dabei ein Kondom genutzt werde, stehen ohne Präservativ vorgenommene sexuelle Handlungen ihrem erkennbaren Willen entgegen.“, so der BGH. Maßgeblich sei demnach die konkret vorgenommene Handlung, wobei zwischen ungeschütztem und geschütztem Geschlechtsverkehr zu differenzieren sei, denn letzteres betreffe die Art und Weise und zeuge damit von anderer Qualität. Dem gehe der Schutz der Gesundheit (Übertragung von Krankheiten, Schwangerschaft) einher. Der Strafsenat verweist dabei auf die frühere Strafschärfung bei Sexualdelikten, in denen kein Kondom verwendet wurde und geht auf die Kondompflicht für den Bereich der Prostitution ein. Diese Aspekte sprächen dafür, dass die sexuelle Selbstbestimmung als geschütztes Rechtsgut nicht unterlaufen werde. 

Ein vermeintlicher Irrtum im vorliegenden Fall ändere nichts an der Bewertung. Eine Einwilligung in den ungeschützten Geschlechtsverkehr habe nicht vorgelegen. Auch brauchte ein entgegenstehender Wille nicht ausdrücklich erklärt zu werden, eine konkludierte Äußerung genüge. 

Anmerkung der Redaktion:

Zum Phänomen „Stealthing“ berichteten Andreas Wißner in der KriPoZ Heft 5/2021 und Johannes Makepeace in der KriPoZ Heft 1/2021.

Mit dem Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) wurde u.a. § 177 StGB neu gefasst. Hintergründe zum Gesetzgebungsverfahren können Sie hier nachlesen. 

KriPoZ-RR, Beitrag 07/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 13.12.2022 – 1 StR 408/21: Bestimmung des Rücktrittshorizonts beim unbeendeten Versuch

Sachverhalt:

Der Angeklagte H. wurde vom LG Stuttgart wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen erschien der Angeklagte zusammen mit dem Mitangeklagten bei dem Geschädigten, nachdem diese zuvor Auseinandersetzungen gehabt hatten. Der Angeklagte führte ein Messer bei sich, welches der Mitangeklagte ergriff und auf den Geschädigten einstach, wobei er ihn im Bereich beider Nieren sowie auf Höhe des unteren linken Lungenflügels traf. Den Tod des Geschädigten nahm der Mitangeklagte dabei billigend in Kauf. Anschließend traten und schlugen erst der Angeklagte und dann mit dem Mitangeklagten gemeinsam auf den Geschädigten ein. Der Mitangeklagte ging davon aus den Geschädigten mit dem Messer nicht lebensgefährlich verletzt zu haben und schoss mit seiner mitgeführten Waffe mehrfach auf den Geschädigten. Dieser überlebte schwer verletzt. Mit den Schüssen war der Angeklagte nicht einverstanden und flüchtete nach dem letzten Schuss. Das LG Stuttgart ist dabei von einem Rücktritt vom unbeendeten versuchten Totschlag ausgegangen. Der Mitangeklagte wurde wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft haben Rechtsmittel eingelegt. 

Entscheidung des BGH:

Der BGH hat die Revisionen als unbegründet abgelehnt. Insbesondere sei die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB) nicht rechtsfehlerhaft erfolgt. Der Angeklagte habe die weitere Ausführung der Tat aufgegeben, mithin endgültig – und nicht nur vorübergehend – Abstand genommen. Für die Bestimmung des Rücktrittshorizonts sei auf die subjektive Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung abzustellen. Ein Vorsatzwechsel dürfe nicht vorliegen.
Im vorliegenden Fall sei maßgeblicher Zeitpunkt das Absehen des Angeklagten vom weiteren Einsatz des Messers. Es liege kein einheitliches Tatgeschehen vor, sodass nicht auf die letzte Ausführungshandlung abzustellen sei. Auch eine Zurechnung des Tötungsvorsatzes über § 25 Abs. 2 StGB liege nicht vor. Neben der Abstandnahme weiterer Messerstiche ergebe sich die Aufgabe auch aus einem Gesamtzusammenhang. Der Angeklagte habe den Schusswaffeneinsatz nicht gebilligt, weshalb der Zeitpunkt der Schläge und Tritte maßgeblich sei.

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Digitalisierung als Chance für die Strafzumessung?

von Prof. Dr. Johannes Kaspar

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Abstract
Über die Schwächen und Probleme des Strafzumessungsrechts und der Strafzumessungspraxis wird schon seit längerer Zeit diskutiert, vor allem mit Blick auf die wenig präzisen rechtlichen Vorgaben sowie die regional unterschiedlichen Strafzumessungsniveaus. Auch der 72. Deutsche Juristentag 2018 in Leipzig hatte sich intensiv mit der Thematik beschäftigt und mehrheitlich (insgesamt eher moderate) Reformen gefordert, darunter die Einführung einer bundesweiten Strafzumessungsdatenbank. Umgesetzt wurde davon bislang nichts. Der Beitrag geht der Frage nach, ob der Einsatz von Datenbanken und anderer digitaler Technologien einschließlich des Einsatzes von Formen „künstlicher Intelligenz“ zur Lösung der genannten Probleme im Bereich der Strafzumessung beitragen könnte.

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KriPoZ-RR, Beitrag 06/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 30.11.2022 – 3 StR 249/22: Zum Anwendungsbereich des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB

Amtliche Leitsätze:

Die Unfähigkeit, einen sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern (§ 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB), kann auch auf der altersmäßigen Entwicklung eines Kindes beruhen. Eine Vergewaltigung unter Ausnutzung dieser Lage steht in Idealkonkurrenz mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern. Insoweit stellt sich die Rechtslage seit der Neufassung des § 177 StGB durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 anders dar als bei dem Tatbestand des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 StGB aF (Abgrenzung von BGHSt 30, 144).

Sachverhalt:

Der Angeklagte wurde vom LG Krefeld unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung und Körperverletzung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen ist der Angeklagte in die zum Tatzeitpunkt einjährige Geschädigte mit seinem Finger eingedrungen, wodurch Blutungen entstanden. Der Angeklagte filmte und verschickte weitere Tathandlungen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte legten Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein. 

Entscheidung des BGH:

Der Strafsenat hat die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Im Hinblick auf die kinderpornografischen Inhalte wurde der Schuldspruch dahingehend geändert, dass kein Verbreiten, sondern eine Drittbesitzverschaffung i.S.d. § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB vorliege.

Der Schuldspruch wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung und Körperverletzung weise hingegen keine Rechtsfehler auf. Zutreffend habe das LG eine Strafbarkeit nach dem milderen § 176a Abs. 2 Nr. 1, § 176 Abs. 1 StGB angenommen. Auch stehe die Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 S. 1 und 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit (Idealkonkurrenz) mit diesen Taten. Der Strafsenat verweist in seinen Ausführungen auf die neue Rechtslage des § 177 StGB, wonach der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung verbessert werden solle. Die Schutzrichtung des § 179 Abs. 1 StGB a.F. hingegen ziele auf den Schutz widerstandsunfähiger Personen ab.

Der Wortlaut, die Systematik, Historie und Sinn und Zweck der Norm sprächen für eine weite Auslegung des Anwendungsbereichs des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Die neue Norm sei weiter formuliert als § 179 Abs. 1 StGB a.F. Auf den Grund der fehlenden Willensbildung komme es nicht mehr an. Der Regelungszusammenhang des neuen § 177 StGB spreche ebenfalls für eine solche Auslegung. Beispielsweise sehe § 177 Abs. 4 StGB einen erhöhten Strafrahmen vor, wenn die fehlende Willensbildung auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht. Bei § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB fehlen bestimmte Gründe, sodass im Umkehrschluss dieser weit auszulegen sei. Der BGH verweist ferner auf den Gesetzgebungsprozess, wonach „sowohl Menschen mit Behinderung als auch Menschen ohne Behinderung zukünftig gleichermaßen von § 177 StGB-E erfasst“ werden sollen (BT-Drucks. 18/9097 S. 23).  

Anmerkung der Radaktion:

Mit dem Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) wurde u.a. § 177 StGB neu gefasst. In § 177 Abs. 1 StGB wird erstmalig die sog. „Nichteinverständnislösung“ gesetzlich geregelt, wonach jede sexuelle Handlung, die gegen den erkennbaren Willen einer Person vorgenommen wird, strafbar ist.

Hintergründe zum Gesetzgebungsverfahren können Sie hier nachlesen. 

Implications and Limitations of the Use of AI in Criminal Justice in Germany

von Prof. Dr. Carsten Momsen

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Abstract
Auch in der deutschen Strafverfolgungspraxis haben Beweiserhebungen in Form von massenhaft erhobenen Daten erheblich an Bedeutung gewonnen. Gleichwohl spielen Big-Data-Analysen (noch) eine größere Rolle als der Einsatz spezifischer KI, da diese über die Sammlung und Analyse der verschiedenen Datenströme hinausgeht. Ein etwas anderes Bild ergibt sich, wenn man die präventive Gefahrenabwehr betrachtet. Hier wird KI zunehmend eingesetzt, vor allem im Bereich der vorausschauenden Polizeiarbeit (Predictive Policing), wo sie über die retrograde Analyse hinausgeht, um echte Vorhersagen zu treffen und damit menschliche Entscheidungen (zumindest) konkret zu prognostizieren oder gar vorwegzunehmen. In den letzten Jahren hat sich ein neues Phänomen herauskristallisiert: Dieselben Werkzeuge werden sowohl im Sicherheitsbereich als auch bei der Strafverfolgung eingesetzt. Diese Gemengelage ergibt sich vor allem aus der Überwachung von „Gefährdern“ im Bereich der präventiven Terrorismusbekämpfung. Neu ist vor allem, dass die rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz in Deutschland nahezu identisch normiert sind. Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der allgemeinen Kriminalität ist der Einsatz der sogenannten „erweiterten DNA-Analyse“ (Forensic DNA Phenotyping – FDP). Auch hier gelingt die Analyse der gespeicherten Daten in großem Umfang nur mit algorithmen-basierten Programmen, die mit bestimmten Suchkriterien ausgestattet und mit sog. „Lerndaten“ gefüttert werden. Damit zeigt sich zugleich der menschliche Einfluss auf das Programm: Desgin des Algorithmus, Auswahl der Lerndaten, Auswahl der Entscheidungs- und Zuordnungskriterien sowie die eigentliche Bewertung des Ergebnisses mit Bezug auf die zutreffende Entscheidung (reichen 95% oder bedarf es 99,9% Übereinstimmung?) werden außerhalb des Datenverarbeitungsvorgangs von menschlichen Akteuren getroffen. Dabei bleiben der nachfolgenden Ebene in der Regel die Handlungs- und Zuordnungsparameter der vorherigen Ebene verborgen.

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Die Erweiterung des § 130 StGB

von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

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Abstract
In einem ungewöhnlich erscheinenden, praktisch aber nicht unüblichen und schon gar nicht unzulässigen sogenannten „Omnibus-Verfahren“ hat der Deutsche Bundestag am 20.10.2022 eine Ergänzung des § 130 StGB beschlossen. Ein neuer Absatz 5 wurde eingeführt, die bisherigen Absätze 5 bis 7 rücken jeweils eine Stelle weiter. Strafbar soll es künftig sein, in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise, die zudem geeignet ist zu Hass oder Gewalt gegen bestimmte Personengruppen oder deren Angehörige aufzustacheln, völkerstrafrechtliche Verbrechen zu billigen, zu leugnen oder gröblich zu verharmlosen. Die Tat muss in einer Versammlung oder öffentlich oder mittels Veröffentlichung von Inhalten (§ 11 Abs. 3 StGB) ausgeführt werden. Aktuelle Ereignisse sind wie so oft am Entstehungsprozess des jungen Gesetzes maßgeblich beteiligt. Daher überrascht es nicht, dass die Kontroversen in der Gesellschaft über das kriegerische Geschehen in der Ukraine auf die Vorschrift übergreifen und diese auch von Diskutanten ins Visier genommen wird, die sich durch Mangel an juristischem Sachverstand nicht von unqualifizierter Kritik der Regelung abhalten lassen.  

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Der Referentenentwurf des Hauptverhandlungsdokumentationsgesetzes: „All right, Mr. Buschmann, we are ready for our close-up.”

von Dr. Eren Basar und Christian Heinelt

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Abstract
Am 22. November 2022 hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) den Referentenentwurf für das „Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung“ (Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – DokHVG) vorgestellt. Das Gesetz soll die Grundlage für eine schrittweise Einführung einer Bild-Ton-Aufzeichnung und einer automatisierten Transkription zur Dokumentation von erstinstanzlichen Hauptverhandlungen vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten in Strafsachen schaffen. Hauptfunktion dieser digitalen Verhandlungsdokumentation soll es sein, den Verfahrensbeteiligten ein „verlässliches, objektives und einheitliches Hilfsmittel für die Aufbereitung des Hauptverhandlungsgeschehens“[1] zur Verfügung zu stellen – die handschriftliche Notiz soll damit als Gedankenstütze ausgedient haben.[2] Unmittelbare prozessuale Wirkungen – gerade auf das Revisionsverfahren – soll die neue Dokumentationsform jedoch nicht entfalten.[3] Der folgende Beitrag stellt den wesentlichen Inhalt des Referentenentwurfs dar und gibt Denkanstöße bezüglich ausgewählter Themenkomplexe.

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