Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes bei Rauschtaten

Gesetzentwürfe: 

 

Am 8. Juni 2018 stellte der Freistaat Sachsen einen Gesetzesantrag zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes bei Rauschtaten in der 968. Sitzung des Bundesrates vor (BR Drs. 204/18). 

In der Praxis wird bei Straftaten unter Rauschmitteleinfluss häufig der herabgesetzte Strafrahmen gem. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt. Bei einer rauschbedingten Schuldunfähigkeit sieht der Strafrahmen des § 323a StGB Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor. Beides sei unbefriedigend und erwecke den Eindruck, dass Alkohol- und Rauschmittelkonsum in der Regel zu milderen Strafen führe und sende ein verheerendes rechtspolitisches Signal an potentielle Straftäter. 

Mit dem Gesetzesantrag bezweckt der Freistaat Sachsen den regelmäßigen Ausschluss der strafmildernden Strafrahmenverschiebung nach § 21 StGB bei selbstverschuldetem Rausch. Darum soll eine ergänzende Klarstellung in § 21 StGB aufgenommen werden, wonach eine Strafrahmenmilderung regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn die erhebliche Verminderung der Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, auf einem selbstverschuldeten Rausch beruht.

Des Weiteren soll im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 323a StGB der Schwere der Rauschtat stärkeres Gewicht verliehen werden. Für § 323a StGB ist in dem Gesetzentwurf kein eigenständiger Strafrahmen mehr vorgesehen. Dieser soll vielmehr derjenigen Vorschrift entnommen werden, die die Rauschtat objektiv erfüllt. Um ein systematisches Spannungsverhältnis zur Fahrlässigen Tötung zu vermeiden, ist im gleichen Zug eine Strafverschärfung bei § 222 StGB in Fällen der Leichtfertigkeit vorgesehen, damit die Rauschtat nicht mit einer höheren Strafe bedroht wird als die fahrlässige Tötung durch einen voll schuldfähigen Täter. Die Strafobergrenze soll auf zehn Jahre Freiheitsstrafe angehoben werden. 

Im Anschluss an die Sitzung wurde der Gesetzesantrag zur weiteren Beratung an die Fachausschüsse überwiesen. Obwohl diese sich für eine Einbringung des Antrags in den Bundesrat aussprachen, fand er in der Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2018 nicht die erforderliche Mehrheit von 35 Stimmen. 

Am 29. Mai 2019 brachte der Freistaat Sachsen erneut seinen Antrag zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes bei Rauschtaten (BR Drs. 265/19) in den Bundesrat ein. Dort wurde er am 7. Juni 2019 vorgestellt und zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen. Dieser empfiehlt dem Bundesrat den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen (BR Drs. 265/1/19). Am 28. Juni 2019 stand der Antrag Sachsens wieder auf der Tagesordnung, wurde aber kurzfristig abgesetzt. 

 

 

 

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur fortlaufenden Untersuchung der Kriminalitätslage und ergänzenden Auswertung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik (Kriminalstatistikgesetz – KStatG)

Gesetzentwürfe:

  • Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT Drs. 19/2000
  • Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT Drs. 19/15259
  • Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Dunkelfeld Opferbefragungen: BT Drs. 19/5894

 

Am 15. Mai 2018 brachte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Gesetzentwurf zur fortlaufenden Untersuchung der Kriminalitätslage in den Bundestag ein (BT Drs. 19/2000). Um ein sinnvolles Konzept zur Kriminalitätsbekämpfung entwickeln zu können, brauche die Politik eine regelmäßig aktualisierte Bestandsaufnahme. Diese soll über die bloße Kriminal- und Strafverfolgungsstatistik hinausgehen, so wie es bereits im Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht (2006) gefordert, bislang aber noch nicht umgesetzt wurde. Da der Sicherheitsbericht seit 2006 auch nicht fortgesetzt wurde, ist bereits eine Lücke von mehr als 10 Jahren in der Berichtslegung entstanden.

Der Gesetzentwurf sieht einen umfassenden Sicherheitsbericht im Zweijahresrhythmus vor, der die Feststellungen der PKS und der Strafverfolgungsstatistiken ergänzt und einordnet. Dazu sollen auch repräsentative Befragungen der Bevölkerung zur Aufklärung des Dunkelfeldes vorgenommen werden. In einem weiteren Schritt sei dann noch die Aussagekraft der Strafrechtspflegestatistiken durch eine weitere bundesgesetzliche Grundlage zu verbessern.

Am 28. September 2018 beriet der Bundestag in erster Lesung über den Fraktionsentwurf und überwies ihn im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Inneres und Heimat. Dort fand am 18. Februar 2019 eine öffentliche Anhörung statt. Gleichzeitig stand im Mittelpunkt der Anhörung ein Antrag der Fraktion zu aussagekräftigen Opfer-Dunkelfeldbefragungen (BT Drs. 19/5894). Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Experten waren sich insoweit einig, dass eine regelmäßige und fortlaufende Berichterstattung über die Kriminalitätslage nötig sei. Otto Dreksler, Leitender Polizeidirektor a.D. betonte, dass jeder wisse, dass es in der PKS von Bund und Ländern „Lücken“ gebe und in der Bevölkerung der Eindruck bestehe, dass bestimmte Zuschreibungen, wie bspw. der Bereich der „arabisch gesinnten Migranten“ nicht korrekt durchgeführt werde. Es sei daher „ausdrücklich zu begrüßen“, dass sich die Bundesregierung mit dem Thema „periodischer Sicherheitsbericht“ beschäftige, meinte Sebastian Fiedler vom BDK. Insbesondere sei es sinnvoll Daten aus weiteren Untersuchungen miteinzubeziehen. Bspw. aus Abwasseruntersuchungen im Hinblick auf den Konsum von Betäubungsmitteln. Neben weiteren Vorschlägen zur Durchführung und Einbeziehung zusätzlicher Daten und Berichten über vergangene Sicherheitsberichte in anderen Bundesländern, ging es um die Dunkelfeld-Opferbefragung. Dr. Johannes Dieckmann vom Brandenburgischen Institut für Gesellschaft begrüßte eine jährliche Dunkelfelderhebung und schätzte die Kosten für die derzeit avisierte Stichprobengröße von 100.000 auf 1,2 Mio. Euro. Stephanie Schmidt von der Universität Jena sprach sich für eine „Perspektivenerweiterung“ aus. In den Bericht sollten neben racial und social profiling auch Körperverletzungen im Amt Eingang finden, da einige Personengruppen großes Misstrauen gegenüber staatlichen Handelns hegten. 

Am 30. Oktober 2020 sollte der Bundestag abschließend über den Entwurf der Grünen entscheiden. Der Ausschuss für Inneres und Heimat hatte bislang in seiner Beschlussvorlage die Ablehnung des Entwurfs empfohlen (BT Drs. 19/15259). Die Entscheidung wurde jedoch kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt. Schließlich kam es am 5. November 2020 zur abschließenden Entscheidung, in der der Entwurf mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD unter Enthaltung der Stimmen der FDP und der Linksfraktion abgelehnt wurde. 

 

 

Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679

Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 vom 20. November 2019: BGBl I 2019, S. 1724 ff. 

Gesetzentwürfe: 

Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung)
Richtlinie (EU) 2016/680

 

Durch die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72 ) und die Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89) ergeben sich grundlegende Änderungen im Datenschutzrecht. 

Der Gesetzentwurf sieht vor, den Bereich des Strafverfahrensrechts sowie des übrigen Verfahrensrechts an die neuen Regelungen anzupassen.

Am 9. Oktober 2018 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/4671).

Am 12. Oktober 2018 wurde im Bundestag über den Entwurf in erster Lesung zusammen mit dem Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) debattiert. Das 2. DSAnpUG-EU sieht ebenfalls Änderungen in der Strafprozessordnung, im Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung und im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vor. Der Regierungsentwurf wurde im Anschluss an die Sitzung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. 

Auch der Bundesrat beschäftigte sich in seiner Plenarsitzung am 19. Oktober 2018 mit dem Regierungsentwurf. Während der Rechtsausschuss dem Bundesrat empfahl zu dem Entwurf Stellung zu nehmen und einige Änderungen zu verlangen, riet der Ausschuss für Innere Angelegenheiten dazu keine Einwendungen zu erheben. 

Am 20. Februar 2019 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Experten erörterten Probleme rund um die Notwendigkeit von Transparenz bei Ermittlungen, der Verwertbarkeit von Zufallsfunden und der Schaffung von Datenpools. 

Kritik an dem Entwurf äußerte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Ulrich Kelber. Aus datenschutzrechtlicher Sicht sei eine so weite Befugnis personenbezogene Daten zu verarbeiten abzulehnen. Dies gehe über die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden hinaus. Schließlich habe das BVerfG in der Entscheidung zum BKAG festgelegt, inwieweit Daten aus heimlichen Ermittlungsmaßnahmen verarbeitet werden dürften. Thomas Petri, Bayerischer Landesbeauftragter für Datenschutz, hingegen vermisste eine vollständige Umsetzung der EU-Richtlinie, da der Entwurf keine ausreichende Regelung zur Verarbeitung personenbezogener Daten treffe. Er betonte, dass der StPO bislang eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von V-Leuten fehle. Hier sollte der Gesetzgeber in Zukunft eine Regelung schaffen. Er lehnte insgesamt eine sog. Mitziehautomatik ab. Dies bedeutet, dass bei jedem erneuten Anlass personenbezogene Daten fortgeschrieben werden können, ohne dass eine zeitliche Obergrenze für eine Löschung gegeben ist. 

Dr. Georg Gieg, Richter am Oberlandesgericht Bamberg befand den Entwurf überwiegend inhaltlich wie handwerklich gelungen. So würden auch die vom BVerfG gemachten Vorgaben als Orientierungshilfe für eingriffsintensive Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen dienen. Der Datenschutz natürlicher Personen sei durch den Entwurf nicht herabgesetzt. OStA Matthias Kegel begrüßte die Erlaubnis zur Erhebung von Standortdaten, denn dadurch werde eine Vollzugslücke geschlossen. Durch die Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes auf das gesamte Strafverfahren und für alle Länder werde eine Zersplitterung vermieden und alle Personen datenschutzrechtlich gleich behandelt. StA Victoria Bunge erklärte zudem, es gebe noch Nachbesserungsbedarf bei der Verarbeitung besonderer Daten wie Herkunft oder Gesundheit. Das Fazit von OStA Dr. Lisa Kathrin Sander war dahingehend ähnlich. Sie betonte noch einmal , dass eine Verfahrensordnung eine größtmögliche Handhabbarkeit und Praktikabilität bedürfe. Aus staatsanwaltlicher Sicht seien praktische Belange noch nicht ausreichend berücksichtigt worden. Auf die praktischen Belange ging auch OStA Dr. Gerwin Moldenhauer ein. Er kritisierte, dass durch die Neuregelung viele polizeipräventive Zufallserkenntnisse nicht mehr zugänglich sein werden. Zufallsfunde seien jedoch für die Strafverfolgung wichtig und es widerspreche strafprozessualen Grundsätzen und gehe über die Anforderungen des BVerfG hinaus. Ria Halbritter von der Vereinigung Berliner Strafverteidiger befand den Entwurf grundsätzlich für „gut“ bemängelte aber auch seine fehlende Anwenderfreundlichkeit 

Das Gesetz wurde am 20. November 2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

 

 

 

Gesetzentwurf zur Änderung des § 130 StGB

Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes und des Strafgesetzbuches vom 4. Dezember 2022: BGBl I 2022, S. 2146 ff.

 

Gesetzentwürfe: 

 

Am späten Abend des 20. Oktober 2022 stimmte der Bundestag für einen Regierungsentwurf zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes. In einem Omnibusverfahren wurde der Entwurf um eine sachfremde Änderung im StGB ergänzt. Hintergrund war ein Änderungsantrag der Fraktionen SPD, Grüne und FDP zur Änderung des § 130 StGB wegen eines von der Europäischen Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens. Deutschland wird vorgeworfen, die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nur unzureichend  vorgenommen zu haben. § 130 StGB soll nun ein Abs. 5 hinzugefügt werden, der klarstellt, „dass das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen nach deutschem Recht strafbar ist, wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. Der Entwurf wurde gegen die Stimmen der Fraktion der AfD angenommen. Am 25. November 2022 verzichtete der Bundesrat auf eine Einberufung des Vermittlungsausschusses und billigte den Entwurf. 

Das Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes und des Strafgesetzbuches vom 4. Dezember 2022 (BGBl I 2022, S. 2146 ff.) wurde am 8. Dezember 2022 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 bereits einen Tag später in Kraft.

 


19. Legislaturperiode: 

Gesetzentwürfe: 

 

Gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB steht es unter Strafe, in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufzustacheln oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen aufzufordern. 
Ebenso regelt § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB, dass sich auch derjenige strafbar macht, welcher in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.

Nach Ansicht der Fraktion der AfD, müsse auch die in Deutschland lebende deutsche Bevölkerung, welche sich aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft, ihrer ethnischen oder kulturellen Zugehörigkeit oder ihrem Bekenntnis zur deutschen Nation von anderen sich in Deutschland aufhaltenden Personen denklogisch unterscheide, als eine „nationale, rassische oder durch ihre Herkunft bestimmte Gruppe“ gesehen werden. Damit stelle die deutsche Bevölkerung einen „Teil der Bevölkerung“ im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB dar. Dies sei bislang von der Justiz nicht anerkannt worden. Auch die Literatur thematisiere nur selten die Möglichkeit einer Volksverhetzung gegen Deutsche und verneine sie mit der Begründung, dass  der Gesetzeswortlaut „Teile der Bevölkerung“ zu unbestimmt sei. Dies führe zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung und Schutzlos-Stellung der mehrheitlichen deutschen Bevölkerung. Schließlich könne der öffentliche Frieden auch dann gefährdet sein, wenn sich Hetze gegen Deutsche in ihrer Eigenschaft als solche wende. 

Die AfD schlägt daher vor, zum Schutz der deutschen Bevölkerung und zum Schutz des öffentlichen Friedens, eine (nicht abschließende) Legaldefinition des Tatbestandsmerkmals  „Teile der Bevölkerung“ vorzunehmen und darin klarzustellen, dass auch Angehörige des deutschen Volkes Teile der Bevölkerung im Sinne dieser Norm seien.

Der Gesetzentwurf wurde am 27. April 2018 im Plenum diskutiert und zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dieser hat am 15. Mai 2019 die Ablehnung des Entwurfs empfohlen (BT Drs. 19/10248). 

Unabhängig vom Antrag der AfD hat das BMJV am 4. September 2019 einen Referentenentwurf zur Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland vorgelegt. Aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung des BGH seien die vom Ausland ausgehenden Handlungen im Bereich der §§ 86, 86a und 130 StGB nicht mehr angemessen erfasst. Gleiches gelte ebenso für § 111 StGB. Anlehnend an die Systematik der §§ 89a bis 89c StGB soll ein jeweils gesonderter Absatz in die Tatbestände eingefügt werden, der die Strafbarkeit unter bestimmten Voraussetzungen auf die im Ausland begangene Handlungen erstreckt.

    • „Bei den §§ 86, 86a und 130 StGB-E muss das „Verbreiten“ zu einer „im Inland wahrnehmbaren“ Verbreitung führen, ein „der Öffentlichkeit Zugänglichmachen“ muss gegenüber der „inländischen“ Öffentlichkeit erfolgen und bei § 111 StGB-E muss die Aufforderung – die sich auf eine im Inland zu begehende Tat bezieht – „im Inland wahrnehmbar“ sein. 
    • Bei § 130 StGB-E muss die Tat zudem geeignet sein, den inländischen öffentlichen Frieden zu stören.“

Am 23. Juni 2021 hat der Bundestag die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in einer abschließenden Beratung ohne weitere Aussprache angenommen. 

 

 

Referentenentwurf des BMJV zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung

Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 18. April 2019, BGBl. I, S. 466

Gesetzentwürfe: 

 

Die Richtlinie (EU) 2016/943 vom 8. Juni 2016 verpflichtet die Mitgliedstaaten zum zivilrechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Solche können einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen. Die Geschäftsgeheimnisse genießen in Deutschland derzeit ihren Schutz nur über die §§ 17 bis 19 UWG sowie über die §§ 823, 826 BGB (ggf. i.V.m. § 1004 BGB analog). Dies reicht für die Umsetzung der Richtlinie, die bis zum 9. Juni 2018 zu erfolgen hat, allerdings nicht aus.

Der Gesetzentwurf sieht daher ein neues Stammgesetz vor – das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) – das vor rechtswidriger Erlangung, rechtswidriger Nutzung und rechtswidriger Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen schützen soll. 

Neben allgemeinen Regelungen, wie die Definition des Begriffs des Geschäftsgeheimnisses (§ 1 Nr. 1 GeschGehG) und Handlungsverboten (§ 3 GeschGehG), werden im zweiten Abschnitt Ansprüche des Inhabers eines Geschäftsgeheimnisses gegen den Rechtsverletzer formuliert. Hierzu zählen Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung (§ 5 GeschGehG), Vernichtung, Herausgabe und Rückruf (§ 6 GeschGehG), Auskunft (§ 7 GeschGehG), und Schadensersatz bei fahrlässiger oder vorsätzlicher Verletzung (§ 9 GeschGehG). Ebenso finden sich neue Regelungen  zum zivilgerichtlichen Verfahren.

Im vierten Abschnitt des Gesetzentwurfs findet sich die Strafvorschrift des § 22 GeschGehG. Dieser entspricht im Wesentlichen den bisherigen §§ 17 bis 19 UWG, die anhand der Anforderungen geändert und an die Begriffe des neuen  GeschGehG angepasst wurden: 

  • § 22 Abs. 1 GeschGehG entspricht den Straftatbestände aus § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. 
    Hier ergibt sich die Besonderheit, dass bei dem subjektiven Tatbestandsmerkmal zugunsten eines Dritten, bei Vorliegen der Rechtfertigungsgründe aus § 4 ausgeschlossen ist. Bislang konnten sich Beschäftigte wegen Whistleblowings nach § 17 Abs. 1 UWG strafbar machen, wenn sie Informationen über ein rechtswidriges Verhalten des Arbeitgebers weitergaben. Es gibt somit die Möglichkeit eines „rechtlich zulässigen“ Whistleblowings. 
  • § 22 Abs. 2 GeschGehG entspricht zum Teil § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. und stellt die Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen unter Strafe, die durch fremde Handlungen nach Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 erlangt wurden.
  • § 22 Abs. 3 GeschGehG entspricht § 18 UWG a.F.  Hier wurde ergänzt, dass die anvertrauten Vorlagen oder Vorschriften technischer Art geheim sein müssen.
  • § 22 Abs. 4 GeschGehG entspricht § 17 Abs. 4 UWG a.F. und enthält einen Qualifikationstatbestand (vorher nur Regelbeispiel)
  • § 22 Abs. 5 GeschGehG entspricht § 17 Abs. 3 und § 18 Abs. 2 UWG a.F. und ordnet eine Versuchsstrafbarkeit an. 
  • § 22 Abs. 6 GeschGehG entspricht § 17 Abs. 6, § 18 Abs. 4 und § 19 Abs. 5 UWG a.F.
  • § 22 Abs. 7 GeschGehG entspricht dem Strafantragserfordernis des § 17 Abs. 5, § 18 Abs. 3 und § 19 Abs. 4 UWG a.F.

In KriPoZ 2/2018, 115 ff. hat sich Prof. Dr. Tobias Reinbacher bereits mit der „Strafbarkeit des Whistleblowings nach § 17 UWG im Lichte der Geheimnisschutzrichtlinie“ beschäftigt und nach Lösungswegen gesucht. Den Beitrag finden Sie hier.

Die BRAK hat am 23. Mai 2018 erstmals zu dem Entwurf Stellung genommen. Die Stellungnahmen finden Sie hier

Am 10. September haben der federführende Rechtsausschuss, der Ausschuss für Kulturfragen und der Wirtschaftsausschuss dem Bundesrat empfohlen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Art. 76 Abs. 2 GG Stellung zu nehmen. 

Erläuterung, 970. BR, 21.09.18: „Der Ausschuss für Kulturfragen empfiehlt dem Bundesrat, darum zu bitten, die in § 1 Absatz 2 GeschGehG-E genannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Geheimhaltung, Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen zu konkretisieren. Weiterhin soll jedenfalls die Klarstellung erfolgen, dass auch schulrechtliche Bestimmungen über den Betrieb und den Besuch von Schulen in freier Trägerschaft dem vorliegenden Gesetz vorgehen.

Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, um Prüfung der Erforderlichkeit einer Klarstellungsregelung zu bitten, dass der besondere Schutz von Immaterialgüterrechten durch Spezialgesetze unberührt bleibt (§ 1 Absatz 3 GeschGehG-E). Ferner sollen in § 12 Satz 1 und § 23 Absatz 1, 2 und 3 GeschGehG-E im Interesse der Rechtsklarheit Formulierungen geändert werden.

Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, eine Klarstellung bezüglich § 17 GeschGehG-E zu fordern. Die bisherige Formulierung der sofortigen Vollstreckung des Ordnungsmittels lege den Schluss nahe, dass ein Rechtsmittel gegen die Festsetzung keine aufschiebende Wirkung haben soll. Dieses Verständnis würde jedoch im Widerspruch zu der (wohl) anwendbaren Regelung des § 570 Absatz 1 der Zivilprozessordnung stehen, wonach eine Beschwerde dann aufschiebende Wirkung hat, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungsmittels zum Gegenstand hat. Auch sei eine Präzisierung der gemäß § 18 GeschGehG-E gerichtlich angeordneten Geheimhaltungspflicht wünschenswert, um Rechtsklarheit zu schaffen.

Des Weiteren wird empfohlen anzuregen, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Änderung von § 19 Absatz 1 Satz 1 GeschGehG-E dahingehend zu prüfen, dass an die Stelle der Formulierung „auf eine bestimmte Anzahl von Personen“ die Formulierung „auf einen bestimmten Personenkreis“ tritt, da es der umzusetzenden Richtlinie nicht um eine quantitative, sondern um die qualitative Frage gehe, zu bestimmen, welche Personen Zugang zu Dokumenten oder zur mündlichen Verhandlung erhalten sollen.“

In seiner Plenarsitzung am 21. September hat der Bundesrat beschlossen, in Kürze eine entsprechende Stellungnahme abzugeben. 

Am 9. Oktober 2018 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung beschlossen und in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/4724). Dem Entwurf sind die Stellungnahme des Normenkontrollrates, des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung beigefügt. 

Der Bundestag beriet am 18. Oktober 2018 erstmals über den Regierungsentwurf und über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Schutz von Whistleblowern (BT Drs. 19/4558). Beide Entwürfe wurden im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz weitergeleitet. Dort fand am 12. Dezember eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Experten äußerten sowohl Kritik als auch Lob für den Gesetzentwurf der Bundesregierung und machten Vorschläge, wie man den Anforderungen der Richtlinie besser gerecht werden könne. Der Deutsche Gewerkschaftsbund bezeichnete den Entwurf als „Maulkorb zulasten der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen.“ Es drohe „eine Legalisierung der ausufernden, missbräuchlichen Geheimhaltungspraxis, die jetzt schon in vielen Unternehmen auf der Tagesordnung ist.“  Darum sollte nach Ansicht des DGB eine Vorrangregelung für die Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften geschaffen werden. Auch im Hinblick auf die Medien wurde durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Partsch Kritik geübt. Diese und ihre Vertreter seien durch die vorgesehene Rechtfertigungslösung schlechter gestellt, was dazu führe, dass Recherchen und deren Veröffentlichung gefährdet seien. Investigative Journalisten seien erheblichen strafrechtlichen Risiken ausgesetzt. Arne Semsrott gab zu bedenken, es gebe „schwerwiegende Regelungslücken“ in Bezug auf die Definition des Geschäftsgeheimnisses. Es sei dadurch zu befürchten, dass Unternehmen illegitim gegen die Aufdeckung von rechtswidrigen Vorgängen vorgehen. Prof. Dr. Christoph Ann und Prof. Dr. Henning Harte-Bavendamm sahen den Entwurf angesichts der unübersichtlichen Materie als gelungen an. Zwar gebe es kleinere Grauzonen, ansonsten bewege er sich im Rahmen der EU-Richtlinie. Allerdings seien die Regelungen zum Whistleblowing unbefriedigend. Da auf EU-Ebene der Entwurf einer Whistleblower-Richtlinie bereits vorliege, sollte lediglich eine Zwischenlösung angestrebt werden. 

Am 31. Januar 2019 brachte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag in den Bundestag ein, das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen nachzubessern (BT Drs. 19/7453). Der Gesetzentwurf verfehlen nicht nur das Umsetzungsziel in wesentlichen Punkten, sondern hätte zudem bis zum 9. Juli 2018 umgesetzt werden müssen. Es fehle an einer rechtssicheren Definition des Begriffs des Geschäftsgeheimnisses und an einer klaren Umsetzung der Bereichsausnahmen für Arbeitnehmer, Journalisten und Hinweisgebern. Der vorgelegte Gesetzentwurf könne allenfalls als Interimslösung dienen, sofern zeitnah ein umfassendes Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern erlassen wird.

Auch die Fraktion Die Linke brachte am 14. Februar 2019 einen Antrag zur Nachbesserung des Gesetzentwurfs zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in den Bundestag ein (BT Drs. 19/7704). Der Entwurf führe zu einer Einschüchterung der Arbeitspraxis von Betriebsräten, Journalisten und Whistleblowern. Ferner sei die EU-Richtlinie nur unzureichend umgesetzt. Die Fraktion kritisiert ebenso wie Die Grünen den ausufernden Begriff des Geschäftsgeheimnisses. Über beide Anträge hat der Bundestag am 15. Februar 2019 erstmals debattiert und sie im Anschluss zur weiteren Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen. 

Am 13. März 2019 hat der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz den Entwurf eines Geschäftsgeheimnisgesetzes zur Annahme empfohlen. Nach Erklärung der Koalitionsfraktionen seien nach der öffentlichen Anhörung einige Änderungen am Entwurf vorgenommen worden. Die Fraktion der FDP ist der Ansicht, die Verbesserungen seien nicht weitgehend genug. Ein Antrag der AfD zu weiteren Änderungen sowie Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wurden abgelehnt. 

Am 21. März 2019 hat der Bundestag den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf (BT Drs. 19/4724) mit den Änderungen des Rechtsausschusses (BT Drs. 19/8300) angenommen. Die Anträge der Fraktion Die Linke (BT Drs. 19/7704) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT Drs. 19/7453) wurden endgültig abgelehnt. 

Am 12. April 2019 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf der Bundesregierung gebilligt und damit das parlamentarische Verfahren beendet. Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung wurde am 25. April 2018 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I, S. 466) und trat einen Tag später in Kraft.  

 

 

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs und weiterer Gesetze – Aufhebung der Ersatzfreiheitsstrafe

Gesetzentwürfe: 

Am 19. April 2018 brachte die Fraktion die Linke einen Gesetzentwurf zur Streichung der Ersatzfreiheitsstrafe in den Bundestag ein (BT Drs. 19/1689). 

Die Ersatzfreiheitsstrafe sei in ihrer aktuellen Konzeption ein Instrument der Diskriminierung von Einkommens- und vermögensschwachen Menschen. Da Strafe in der heutigen Rechtspraxis kein Selbstzweck sein darf, seien sämtliche Strafzwecke wie Resozialisierung, Schuldausgleich und Prävention in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Insbesondere die freiheitsentziehende Strafe komme als ultima-ratio nur dann in Betracht, wenn andere Mittel nicht hinreichend wirksam sind. 

Ersatzfreiheitsstrafen werden überwiegend wegen Bagatelldelikten – wie bspw. „Schwarzfahren“ – gegen mittellose Personen verhängt, wenn diese die entsprechende Geldstrafe nicht zahlen können. Daher sei es notwendig, die Armutsdelikte künftig verstärkt mit sozialstaatlichen Maßnahmen zu begegnen. Dadurch könnten auch die Justizvollzugsanstalten entlastet werden. 

Der Gesetzentwurf sieht daher die ersatzlose Streichung der Ersatzfreiheitsstrafe im StGB vor. Statt dessen soll eine bundesgesetzliche Regelung geschaffen werden, die eine gemeinnützige Arbeit zur Abwendung der Pfändung regelt. 

Am 28. Juni 2018 debattierte der Bundestag erstmals über den Entwurf. Im Anschluss wurde er an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dort wurde der Entwurf schließlich am 20. Februar 2019 beraten.

Am 3. April 2019 fand im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Mehrheit der Experten sprach sich gegen eine Aufhebung der Ersatzfreiheitsstrafe aus. So wies Rechtsanwalt Ali Norouzi darauf hin, dass der Gesetzentwurf zwar auf den ersten Blick sympathisch sei, er aber eine Antwort auf die Frage schuldig bliebe, was als Alternative zur Verfügung stehe, wenn der zur Geldstrafe Verurteilte nicht fähig oder willens sei, eine gemeinnützige Arbeit zu übernehmen. Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel betonte, dass mit dem Gesetzentwurf kein gleichwertiger Ersatz geschaffen werde. Die vorgeschlagene Alternative zur freiwilligen gemeinnützigen Arbeit verliere zudem an Strafcharakter. Gleichzeitig kritisierte er – ebenfalls wie der Entwurf – den Umrechnungsquotienten, nach dem ein Tagessatz der Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht. Hier sei eine Reduktion des Quotienten angebracht. Frank Rebmann von der Staatsanwaltschaft Heilbronn erklärte, die Ersatzfreiheitsstrafe sei ein unersetzliches und hochwirksames Instrument zur Realisierung der Geldstrafe. Ohne diese Möglichkeit bliebe das Strafrecht ein „zahnloser Tiger“, wenn eine Gruppe von vermögens- und einkommenslosen sowie arbeitsunfähigen oder -unwilligen Verurteilten im Ergebnis straffrei ausgingen. OStA Lars Burgard und Richter am BGH Prof. Dr. Markus Jäger sahen darin ebenfalls eine Preisgabe des staatlichen Strafanspruchs. Wegen einer faktischen Sanktionslosigkeit sei dadurch schon die Normgeltung vieler Straftatbestände gefährdet. Prof. Dr. Alexander Baur von der Universität Hamburg sprach sich ebenfalls gegen eine Streichung der Ersatzfreiheitsstrafe aus, plädierte aber für eine sinnvolle und konsequentere Anwendung des Opportunitätsprinzips. Bagatellkriminalität sollte auch nur dann verfolgt werden, wenn eine strafrechtliche Sanktionierung geboten sei. 

Uwe Meyer-Odewald, Leiter der JVA Plötzensee, sprach sich für den Entwurf zur Streichung der Ersatzfreiheitsstrafe aus. Gemeinnützige Arbeit sei der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe grundsätzlich vorzuziehen, da die derzeitige Lösung zulasten des Justizvollzuges und am Bedarf der Betroffenen vorbei gehe. Eine Justizvollzugsanstalt könne keine intensive Betreuung leisten, die aber für viele Einsitzende nötig sei. Zudem bestehe ein Ungleichgewicht zwischen den rund 150 EUR Kosten der JVA pro Tag und den Tagessätzen von 10 bis 15 EUR. Nicole Bögelein vom Institut für Kriminologie der Universität Köln gab zu bedenken, dass die Ersatzfreiheitsstrafe aus einem sozialen Problem resultiere. Menschen dürften schließlich nicht aus Armutsgründen im Gefängnis landen. 

Auf die Frage nach einer Lösung der Problematik, konnte keiner der Experten einen „Königsweg“ nennen. Es seien persönliche Lösungen für Menschen mit persönlichen Problemen gefragt und eine Härtefallregelung bei unverschuldeter Zahlungsunfähigkeit. 

Am 24. Oktober 2019 sprach sich der Rechtsausschuss in seiner Beschlussempfehlung gegen den Entwurf der Fraktion Die Linke aus (BT Drs. 19/14483). Ein entsprechender Beschluss wurde am 23. Juni 2021 ohne weitere Aussprache durch den Bundestag in einer abschließenden Beratung gefasst. 

 

 

 

 

 

 

 

Anwesenheitsrecht des Angeklagten

Gesetzentwürfe:

Zur Umsetzung der Richtlinie 2016/343/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren bedarf es im deutschen Recht punktueller Änderungen in der Strafprozessordnung. Der Referentenentwurf des BMJV schlägt Neuerungen mit Bezug zum Anwesenheitsrecht des Angeklagten in der Hauptverhandlung, insbesondere in der Revisionshauptverhandlung, vor.

So soll bei einer zulässigen Abwesenheitsverhandlung (§ 231 Abs. 2 StPO) eine Hinweispflicht für den Angeklagten eingeführt werden. Ebenso soll in Fällen der Abwesenheit in der Berufungs- und Revisionsverhandlung zur Anpassung an die Richtlinie eine ausdrückliche Belehrung des Angeklagten über seine Rechte aus § 329 Abs. 7 StPO (Ausbleiben des Angeklagten; Vertretung in der Berufungshauptverhandlung) und § 356a StPO (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung) ergänzt werden.

Des Weiteren sieht der Entwurf eine klarstellende Ergänzung in § 350 Abs. 2 S. 2 StPO (Revisionshauptverhandlung) vor. Es soll deutlich werden, dass es im Ermessen des Gerichts liegt, ob der inhaftierte Angeklagte der Revisionsverhandlung zugeführt wird oder nicht.

Die BRAK hat am 11. Juli 2018 eine Stellungnahme zu dem Referentenentwurf veröffentlicht und sieht darin eine „in weiten Teilen überzeugende und begrüßenswerte Konzeption zur Umsetzung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung, wie es europarechtlich nunmehr durch Art. 8 f. RL 2016/343/EU determiniert ist.“ Die Stellungnahme finden Sie hier

Auf Empfehlung des Rechtsausschusses erhob der Bundesrat in seiner Plenarsitzung am 21. September 2018 gemäß Art. 76 Abs. 2 GG keine Einwendungen.

Am 26. September 2018 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf (BT Drs. 19/4467) nun auch in den Bundestag eingebracht. Dort wurde er am frühen Morgen des 30. November 2018 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und AfD nach zweiter und dritter Lesung und auf Empfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (BT Drs. 19/6138) angenommen. 

In seiner Plenarsitzung am 14. Dezember 2018 stimmte der Bundesrat dem verabschiedeten Gesetz ebenfalls zu. Es wurde am 20. Dezember 2018 verkündet und trat am darauffolgenden Tag in Kraft.

 
 
 
 
 

Gesetzentwurf zur Straffreiheit für Fahren ohne Fahrschein

Gesetzentwürfe: 

Am 16. Juni 2022 brachte die Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf zur Straffreiheit für Fahren ohne Fahrschein in den Bundestag ein (BT Drs. 20/2081) und startet damit erneut die Diskussion um die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens. Der Entwurf ist wortgleich zu der Initiative aus 2018 (BT Drs. 19/1115). Die Fraktion zog bereits damals einen Vergleich zum Falschparken heran, welches nur als eine Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Sie lehnt es im Zuge dessen ab, den Straftatbestand des § 265a StGB zu einer Ordnungswidrigkeit herab zu stufen. Dies begründet sie mit dem erhöhten Beförderungsentgelt, das mit 60 EUR höher liege, als die meisten „Knollen“ für Parksünder. Schließlich würde zu guter Letzt durch die geforderte Entkriminalisierung des Schwarzfahrens Polizei und Justiz  sowie die Staatskasse entlastet. 

Am 26. Januar 2023 wurde der Gesetzentwurf zusammen mit einem Entwurf zur Entkriminalisierung des Containerns erstmals im Bundestag beraten und im Anschluss an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. Dort fand am 19. Juni 2023 eine Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Expert:innen waren sich überwiegend einig, dass das Fahren ohne Fahrschein künftig nicht mehr als Straftat geahndet werden solle. Neben dem Vorschlag § 265a StGB ersatzlos zu streichen oder das Schwarzfahren als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen, wurde vorgeschlagen, die Fahrpreise des ÖPNV zu senken oder einen kostenfreien öffentlichen Personennahverkehr einzurichten. Markus Kühn vom Sozialdienst Katholischer Männer in Köln betonte, dass niemand eine Ersatzfreiheitsstrafe antrete, der sich ein Ticket leisten könne. Das Fahren ohne Fahrschein sei daher eher ein soziales Problem. Der gleichen Ansicht war auch Dr. Angelika Allgayer, Richterin am BGH, die die Lösung des Problems nicht im Strafrecht, sondern in der Ausgabe von Sozialtickets sah, um ein „normgetreues Verhalten möglich zu machen“. Dennoch sprach sie sich für einen Erhalt des § 265a StGB aus, da betrugsnahes Verhalten strafrechtlich zu würdigen sei. Neben den Sozialmaßnahmen hielt Dr. Jana Zapf vom Deutschen Richterbund eine Beschränkung auf solche Fälle für sinnvoll, in denen ein Kontrollmechanismus bei der Beförderungserschleichung umgangen werde, da dies mit einer erhöhten kriminellen Energie einhergehe. Benjamin Derin vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein, Ali B. Norouzi vom Deutschen Anwälteverein und Arne Semsrott von der Initiative Freiheitsfonds sprachen sich eindeutig für eine ersatzlose Streichung des § 265a StGB aus, da es um einen rein zivilrechtlichen Konflikt ohne strafwürdiges Unrecht gehe, dessen Schäden im Bagatellbereich lägen. Um eine Doppelbelastung zu vermeiden, solle das Zivilrecht diesen Konflikt auch lösen. Prof. Dr. Roland Hefendehl fand ebenfalls deutliche Worte. Die ersatzlose Streichung der Beförderungserschleichung sei „nicht nur kriminalpolitisch sinnvoll, sondern verfassungsrechtlich geboten“. Eine alternative Lösung über das Ordnungswidrigkeitenrecht lehnte er ab. Eine Geldstrafe oder ein Bußgeld sei noch schwieriger einzutreiben, als der zivilrechtliche Anspruch. Auch Derin und Semsrott lehnten eine Herabstufung des Schwarzfahrens zur Ordnungswidrigkeit ab. Dies führe nur zu einer Verlagerung des eigentlichen Problems und konterkariere das Ziel, mir einer Entkriminalisierung die Justiz zu entlasten. Prof. Dr. Michael Kubiciel von der Universität Augsburg und Prof. Dr. Andreas Mosbacher, Richter am BGH, sprachen sich zwar für eine Entkriminalisierung des Schwarzfahrens aus, sahen aber beide eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit als vorzugswürdig an. Dabei handle es sich um eine kriminalpolitische Ermessensentscheidung, so Kubiciel. Es sei aus normativen Gründen nicht zwingend erforderlich, auf eine staatliche Sanktionierung zu verzichten. Mosbacher betonte, man solle sich aus Gründen der Ressourcennutzung in der Strafjustiz auf die Verfolgung wirklich strafwürdigen Unrechts konzentrieren. Das Schwarzfahren lasse sich als Bagatellunrecht im Ordnungswidrigkeitenrecht daher gut verorten. 

 


19. Legislaturperiode: 

Am 12. März 2018 brachte die Fraktion DIE LINKE einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches – Straffreiheit für Fahren ohne Fahrschein (BT Drs. 19/1115) in den Bundestag ein. Mit dem Entwurf soll der Straftatbestand des § 265a StGB gestrichen und das Fahren ohne Fahrschein nunmehr nicht mehr strafrechtlich sanktioniert werden. 

Wer ohne gültigen Fahrschein ein öffentliches Verkehrsmittel nutzt, macht sich bislang gem. § 265a Abs. 1 StGB wegen Beförderungserschleichung strafbar. Dies kann eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe nach sich ziehen. Nicht selten können die Geldstrafen wegen Zahlungsunfähigkeit nicht beglichen werden und  es kommt im Ergebnis dann zu einer Ersatzfreiheitsstrafe. 

Nach Ansicht der Fraktion treffe dies am häufigsten arme und hilfsbedürftige Menschen sowie Obdachlose, die sich einen Fahrschein nicht leisten können und denen dann zudem eine Eintragung ins Strafregister mit weiterer stigmatisierender Wirkung drohe. Des Weiteren komme es einer Doppelbestrafung gleich, wenn die Verkehrsbetriebe zusätzlich ein nicht unerheblich erhöhtes Beförderungsentgelt erheben. Die dadurch intendierte abschreckende Wirkung könne sich nie entfalten, weil die Gelder für die Beförderung schlichtweg nicht aufgebracht werden können. Das Strafrecht mit seiner Ultima-Ratio-Funktion dürfe daher hier nicht unverhältnismäßig hart zur Anwendung gelangen. Da bei der Beförderungserschleichung weder Personen noch Sachen zu schaden kommen, reiche es aus, wenn die Verkehrsbetriebe selbst für einen Ausgleich des finanziellen Schadens sorgen. Dies solle nicht den staatlichen Stellen aufgebürdet werden, da eine solche Privilegierung der Verkehrsbetriebe gegenüber anderen Gläubigern zudem auch nicht gerechtfertigt sei.

Als Vergleich zieht die Fraktion das Falschparken heran, welches nur als eine Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Sie lehnt es im Zuge dessen jedoch ab, den Straftatbestand des § 265a StGB zu einer Ordnungswidrigkeit herab zu stufen. Dies begründet sie mit dem erhöhten Beförderungsentgelt, das mit 60 EUR höher liege, als die meisten „Knollen“ für Parksünder. Schließlich würden zu guter Letzt durch eine Entkriminalisierung auch Polizei und Justiz  sowie die Staatskasse entlastet. 

Am 18. April 2018 brachte auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung des Schwarzfahrens in den Bundestag ein (BT Drs. 19/1690). Auch die Grünen ziehen einen Vergleich zu den Parkverstößen. Die Fraktion betont jedoch, dass eine Entkriminalisierung des Schwarzfahrens nicht mir einer Legalisierung gleichzusetzen sei. Darum sieht der Gesetzentwurf der Grünen die Aufhebung des Tatbestandes der Beförderungserschleichung in § 265a Abs. 1 StGB in Verbindung mit der Schaffung eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes vor. Damit seien die Strafverfolgungsbehörden und die Justiz und schließlich durch den Wegfall von Ersatzfreiheitsstrafen auch der Strafvollzug entlastet. 

Beide Entwürfe wurden am 20. April 2018 im Plenum diskutiert und zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen.

Am 7.11.2018 fand eine öffentliche Anhörung zur Strafbarkeit des Schwarzfahrens  im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz statt. Sachverständige aus Wissenschaft, Justiz und Verbänden legten ihre Sicht auf Gesetzentwürfe der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen dar. Die beiden Entwürfe wurden kontrovers diskutiert. Die Staatsanwälte sprachen sich dafür aus, den Gesetzestext beizubehalten. Die Richter zeigten sich dagegen für Änderungen offen.

Die Abgeordneten interessierten sich vor allem für die Unterschiede zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht und deren Bedeutung für die Ahndung der Beförderungserschleichung.  Auch die Frage der besseren Kontrolle der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr wurde erörtert.

Die Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Mit der Entkriminalisierung des Schwarzfahrens beschäftigten sich auch schon Lorenz/Sebastian in KriPoZ 6/2017. Den Beitrag finden Sie hier

Am 10. September 2019 brachte der Freistaat Thüringen einen Gesetzesantrag zum „Fahren ohne Fahrschein“ als Ordnungswidrigkeit (BR Drs. 424/19) in den Bundesrat ein. Auch er sieht vor, die Tatbestandsalternative der Beförderungserschleichung zu streichen und einen neuen Ordnungswidrigkeitentatbestand der unbefugten Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels einzuführen. Die Landesinitiative wurde am 20. September im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss an die Ausschüsse überwiesen. 

Am 27. Januar 2021 hat der Rechtsausschuss seine Beschlussempfehlung (BT Drs. 19/26271) zu den Entwürfen der Linken und der Grünen vorgelegt und empfahl dem Bundestag beide Entwürfe abzulehnen. Ein gleichlautender Beschluss erging am 23. Juni 2021 ohne weitere Aussprache. 

 

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor ausländischen Gefährdern

Gesetzentwürfe: 

 

Am 28. Februar 2018 bracht die Fraktion der AfD einen Gesetzentwurf zum Schutz der Bevölkerung vor ausländischen Gefährdern (BT Drs. 19/931) in den Bundestag ein. Die derzeit geltenden Regelungen in Asyl- und Aufenthaltsgesetz seien nicht ausreichend, um die Bevölkerung vor gewalttätigen und bereits straffällig gewordenen Ausländern zu schützen. Ebenso könne durch deren Aufenthalt die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden. Die Fraktion betont, dass es insbesondere keine gesetzlichen Möglichkeiten gebe Gefährder in Haft zu nehmen, soweit eine Erteilung der Wohnsitzauflage und das Verbot sozialer Kontakte und die Nutzung bestimmter Kommunikationsmittel oder -dienste nach § 56 AufenthG nicht ausreichen, um eine Gefahr zu beseitigen. Dass die derzeitigen Regelungen zum Schutz der Bevölkerung nicht ausreichen, zeige das Beispiel des Attentats auf den Berliner Breitscheidplatz.

Darum soll durch eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes eine gesetzliche Meldepflicht für Ausländer eingeführt werden, gegen die eine Ausweisungsverfügung (§ 53 AufenthG) oder eine Abschiebeanordnung nach § 58a AufenthG besteht. Ebenso soll die Möglichkeit der Anordnung einer Haft eingeführt werden, wenn Meldepflichten oder Verbote sozialer Kontakt oder der Nutzung bestimmter Kommunikationsmittel oder -dienste unzureichend erscheinen. Die Möglichkeit der Haft soll dabei so lange bestehen, bis die Ausweisung vollzogen wurde. 

Des Weiteren sieht die Fraktion die Einführung eines § 56a AsylG vor: Während des laufenden Asylverfahrens soll demnach auch hier ein Haftgrund für den Fall geschaffen werden, dass von den Antragstellern eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter ausgeht. Außerdem soll die zuständige Behörde eine räumliche Beschränkung im Falle des Vorliegens jedweder Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter anordnen können. Dazu soll das Tatbestandsmerkmal der „erheblichen Gefahr“ in § 59b Abs. 1 Nr. 4 AsylG gestrichen werden. 

Zuletzt hatte die Fraktion der AfD eine Kleine Anfrage (BT Drs. 19/561) zur Anwendung der elektronischen Fußfessel bei islamistischen Gefährdern und schweren Straftaten gestellt. Die Antwort der Bundesregierung finden Sie hier.

Am 1. März 2018 beschäftigte sich der Bundestag in erster Lesung mit dem eingebrachten Entwurf. Teil der Debatte war ebenfalls ein Antrag der AfD mit dem Titel „Zuständigkeit des Bundes für die Abwehr von Gefahren“ (BT Drs. 19/932). Im Anschluss an die Debatte wurden die beiden Vorlagen zur weiteren Beratung an den federführenden Innenausschuss überwiesen. Dieser hat sich in seiner Beschlussempfehlung (BT Drs. 19/2226) gegen den Gesetzentwurf der AfD sowie gegen den Antrag zur „Zuständigkeit des Bundes für die Abwehr von Gefahren“ ausgesprochen. 

Am 1. Februar 2019 debattierte der Bundestag über einen Antrag der FDP zur Reform der föderalen Sicherheitsarchitektur und stimmte zugleich über beide Vorhaben der AfD ab. Gegen die Stimmen der Fraktion wurden beide Entwürfe einhellig abgelehnt. 

 

 

Cannabis-Modellprojekte

Anträge:

 

Die Fraktion der FDP brachte am 25. Januar 2018 einen Antrag zur Ermöglichung von Cannabis-Modellprojekten in den Bundestag ein (BT Drs. 19/515). Darin wird die Bundesregierung aufgefordert,

  1. die Grundlagen für die Genehmigung von Modellprojekten zur Erforschung der kontrollierten Abgabe von Cannabis als Genussmittel zu schaffen
    und diese Modellprojekte zu ermöglichen. Sollten hierzu gesetzliche Änderungen notwendig sein, so ist dem Bundestag eine Gesetzesvorlage bis zum 31.5.2018 vorzulegen;
  2. die bisherigen Antragssteller aktiv zur erneuten Antragsstellung aufzufordern und bei der Antragsstellung zu unterstützen;
  3. weitere interessierte Länder und Kommunen, die ein Cannabis-Modellprojekt zur Verwendung als Genussmittel umsetzen möchten, ebenfalls zu beraten und zu unterstützen;
  4. dem Bundestag über die Durchführung dieser Maßnahmen und über die Modellprojekte bis zum 31.8.2017 zu berichten (BT Drs. 19/515, S. 1 f.)

Die Fraktion ist der Meinung, es sei an der Zeit neue Wege zu beschreiten. Eine Bekämpfung des Cannabis-Konsums durch Repression sei gescheitert. Das Ziel soll sein, die Verbreitung zu kontrollieren und den Gesundheits- und Jugendschutz nach vorne zu bringen. Dazu benötige es wissenschaftliche Grundlagen, die durch die Cannabis-Modellprojekte gewonnen werden könnten. Sie sollen der Erforschung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis als Genussmittel dienen. Dabei müsse jedoch sichergestellt werden, dass Minderjährige keinen Zugang zu den ausgegebenen Cannabis-Produkten erhalten.

Auf eine kleine Anfrage der FDP zur kontrollierten Abgabe von Cannabis gab die Bundesregierung an, es gebe in Deutschland etwa 1,2 Millionen Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die monatlich oder häufiger Cannabis konsumieren. Davon gaben 630.000 Personen an, sogar wöchentlich oder häufiger Cannabis zu konsumieren (BT Drs. 19/310). Dies zeige, dass die präventive Wirkung der Strafandrohung nicht den gewünschten Erfolg erziele.

Durch eine kontrollierte Abgabe von Cannabis als Genussmittel wäre die Qualität der Produkte regelbar und kontrollierbar, so dass Konsumenten nicht dem Risiko ausgesetzt seien, verunreinigte Produkte zu erhalten. Des Weiteren könnten durch eine Besteuerung wichtige Einnahmen generiert werden, die dann der Suchtprävention zugute kommen können. Auch die Strafverfolgungsbehörden könnten erheblich entlastet werden, wenn Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis weitgehend nicht mehr verfolgt werden müssten. Insgesamt werde so ein Beitrag zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung geleistet. 

Bislang haben ebenfalls die Stadt Münster und der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Modellprojekte zur Abgabe von Cannabis als Genussmittel beantragt. Die Anträge wurden allerdings durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) abgelehnt. Ein solches Projekt verstoße gegen den Schutzzweck des Betäubungsmittelgesetzes und sei auch nicht zur Verhinderung von Drogenabhängigkeiten geeignet.

Nachdem der Bundestag im Januar 2017 die Abgabe von Cannabis als Medizin ermöglichte (Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 6. März 2017: BGBl I 2017, Nr. 11. S. 403 ff.), beschäftigte er sich im Mai 2017 mit dem Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes. Nachdem sich der Gesundheitsausschuss gegen den Entwurf aussprach, wurde eine Legalisierung von Cannabis durch die Bundesregierung abgelehnt.

Am 27.6.2018 fand eine öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses statt, in der es um Anträge der Fraktionen von FDP und Die Linke sowie um einen Cannabis-Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ging. Eine mögliche Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis ist unter Experten weiter heftig umstritten. Es wurden der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap, der Suchtforscher Rainer Thomasius, der Rechtsexperte Lorenz Böllinger, der Sachverständige Uwe Wicha, Leiter einer Klinik für Drogenrehabilitation und ein Sprecher der Bundesärztekammer gehört. Psychiater sehen in Cannabis eine problematische Droge, deren Auswirkungen auf die Psyche noch nicht vollständig erforscht sind. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) verwies auch auf Wechselbeziehungen zwischen dem Cannabiskonsum und der Abhängigkeit von anderen Drogen wie Alkohol, Amphetaminen, Kokain und Nikotin.

Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Am 29. Oktober 2020 ist der Antrag vom Bundestag neben dem Cannabiskontrollgesetz abgelehnt worden.

 

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