KriPoZ-RR, Beitrag 36/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 08.04.2020 – 3 StR 5/20: Verwenden des Tatmittels bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB auch durch akustische Androhung möglich

Leitsatz der Redaktion:

Für das Verwenden eines Tatmittels bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB genügt es, dass der Täter den Einsatz des mitgeführten Tatmittels akustisch androht und das Opfer auch ohne das Tatmittel zu erkennen davon ausgeht, dass der Täter es einsetzen könnte.

Sachverhalt:

Das LG Mönchengladbach hat den Angeklagten u.a. wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen war der Angeklagte in ein Haus eingestiegen während die Bewohnerinnen im ersten Stock geschlafen hatten, um diverse Wertgegenstände zu entwenden. Nachdem er das Erdgeschoss durchsucht und manche Sachen an sich genommen hatte, hatte er sich in der Küche mit einem Messer bewaffnet und war in den ersten Stock gegangen. Dort war eine Bewohnerin des Hauses erwacht und auf den Angeklagten aufmerksam geworden. Dies hatte dazu geführt, dass der Beschuldigte ihr mit dem Messer gedroht hatte, welches sie aufgrund der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Der Angeklagte wollte mit der Drohung seine Beute und den Rückzug sichern. Das verängstigte Opfer hatte keine Zweifel daran, dass er das Messer tatsächlich mit sich geführt hatte und auch einsetzen würde.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung des LG wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls gem. §§ 252, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB, da der Angeklagte das Messer verwendet habe, um sich im Besitz der gestohlenen Beute zu erhalten.

Das „Verwenden“ im Tatbestand beziehe sich bei den Raubdelikten auf den Einsatz des Tatmittels zur Verwirklichung des Raubtatbestands. Der Gebrauch des objektiv gefährlichen Gegenstands müsse daher gerade dazu dienen, die Wegnahme zu ermöglichen oder den Besitz an der Beute zu sichern. Bei der Drohung müsse das Tatopfer daher das Nötigungsmittel sowie die Androhung seines Einsatzes auch wahrgenommen haben.

Der BGH stellte weiter klar, dass der Weg auf dem das Opfer zu dieser Wahrnehmung gelangt sei, irrelevant sei. Das Opfer müsse das Nötigungsmittel nicht unbedingt optisch wahrnehmen. Es genüge, wenn eine akustische oder gefühlsmäßige Wahrnehmung stattfinde, so der Senat. Denkbar sei daher beispielsweise eine Berührung des Opfers mit dem Tatmittel (Schraubenzieher in den Rücken drücken) oder ein hörbares metallisches Klicken einer Waffe oder eben das rein erzählende Androhen, wie im vorliegenden Fall.

Eine Einschränkung auf bestimmte Arten der Wahrnehmung rechtfertige der Wortlaut der Vorschrift nicht. „Verwenden“ bedeute eine Nutzung für einen bestimmten Zweck und nicht auf eine bestimmte Art und Weise. Ebenso sei das Ergebnis von der Systematik gedeckt, da ein Vergleich mit dem „Beisichführen“ aus § 250 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB ergebe, dass gerade die erhöhte Gefahr für das Opfer und die gesteigerte kriminelle Energie des Täters die Gründe für die erhöhte Strafandrohung seien. Beide Gründe seien jedoch unabhängig von der Art und Weise des Einsatzes des Nötigungsmittels erfüllt.

 

Anmerkung der Redaktion:

Dass auch das verdeckte aber vom Opfer erkannte Tragen einer Waffe für ein Verwenden ausreichen kann entschied der BGH erneut 2008 (BGH, Urt. v. 08.05.2008 – 3 StR 102/08).

Auch die rein taktile Wahrnehmung des gefährlichen Werkzeugs kann genügen, so der BGH im Urt. v. 10.01.2018 – 2 StR 200/17.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 35/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v 27.02.2020 – 3 StR 327/19: Genehmigungsfähigkeit entscheidet nicht über Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB

Amtliche Leitsätze:

1. Handelt der Täter ohne behördliche Erlaubnis, so kommt es für die Erfüllung des Tatbestands des § 284 Abs. 1 StGB nicht darauf an, ob sein Vorhaben materiellrechtlich genehmigungsfähig ist.

2. Beeinträchtigt eine Versagung der Erlaubnis den Täter in seinem Recht auf Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG, so entfällt die Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB gleichwohl jedenfalls dann nicht, wenn der gesetzliche Genehmigungsvorbehalt selbst verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

3. Europarechtliche Vorgaben stehen einer Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB in Verbindung mit dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag vom 15. Dezember 2011 (GlüStV) und dem Niedersächsischen Glücksspielgesetz (NGlüSpG) nicht entgegen.

Sachverhalt:

Das LG Hannover hat den Angeklagten vom Vorwurf der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte zwischen dem 1. Juli 2017 und dem 18. September 2017 eine Spielhalle mit Glücksspielautomaten betrieben, ohne die nach dem GlüStV und dem NGlüSpG erforderliche Genehmigung zu besitzen. Zwar hatte er diese beantragt, jedoch hatte die zuständige Behörde seinen Antrag aufgrund des Abstandsgebots aus § 25 Abs. 1 GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 NGlüSpG negativ beschieden. Im Eilrechtsschutz vor dem VG hatte der Angeklagte zunächst keinen Erfolg. In einem Verfahren eines Konkurrenten entschied das OVG Niedersachsen schließlich, dass die ablehnende Entscheidung der Behörde rechtswidrig gewesen war woraufhin auch der Angeklagte nachträglich die begehrte Erlaubnis erhalten hatte.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob den Freispruch des Angeklagten auf und verwies die Sache zurück an eine andere Strafkammer des LG Hannover.

Unstrittig habe der Angeklagte im entscheidungserheblichen Zeitraum die Spielhalle betrieben ohne über die erforderliche behördliche Erlaubnis zu verfügen. Für eine Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB komme es nicht entscheidend darauf an, ob das Vorhaben materiellrechtlich genehmigungsfähig gewesen sei und damit eine ablehnende behördliche Entscheidung rechtswidrig sei, so der BGH.

Die Verwaltungsakzessorietät des Tatbestands beziehe sich auf einen konkreten Verwaltungsakt, nicht auf das gesamte einschlägige Verwaltungsrecht. Demnach komme es nur auf die formale Wirksamkeit der Erlaubnis und nicht auf deren materielle Rechtmäßigkeit an. Dies sei damit zu begründen, dass es dem Gesetzgeber darauf ankomme, aus Gründen des Rechtsgüterschutzes, das Verwaltungsverfahren zu betreiben und dessen Ausgang abzuwarten.

Es bestehe kein Recht zur Selbsthilfe bei einer falschen behördlichen Entscheidung, da nicht die Gefährlichkeit des Vorhabens, sondern das Unterlaufen des behördlichen Verfahrens Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit sei.

Auch die nachträglich erteilte Genehmigung stelle keinen Strafaufhebungsgrund dar, da ansonsten der rechtskräftige Abschluss eines etwaigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von den Strafverfolgungsbehörden abgewartet werden müsse. Diese Vorgehensweise würde jedoch der Natur der Strafnorm als abstraktes Gefährdungsdelikt zuwiderlaufen. Verhindert werden solle gerade nicht der bloße Ungehorsam gegenüber der Verwaltung, sondern das behördlich unkontrollierte Tätigwerden.

Anderes ergebe sich auch nicht aus einem möglichen Verstoß der behördlichen Entscheidung gegen Art. 12 Abs. 1 GG oder aus europarechtlichen Vorgaben.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 34/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 18.02.2020 – 3 StR 430/19: Zum Anspruch auf schriftliche Übersetzung eines Strafurteils

Amtliche Leitsätze:

1. Der Angeklagte hat grundsätzlich keinen Anspruch auf schriftliche Übersetzung eines nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Strafurteils, wenn er verteidigt ist, er und sein Verteidiger bei der Urteilsverkündung anwesend waren und dem Angeklagten die Urteilsgründe durch einen Dolmetscher mündlich übersetzt worden sind.

2. Ein berechtigtes Interesse des Angeklagten an einer schriftlichen Übersetzung des Urteils wird nicht allein dadurch begründet, dass nach der Urteilsverkündung kein Kontakt zwischen ihm und seinem Verteidiger bestand.

Sachverhalt:

Das LG Trier hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls, Diebstahls, versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls und versuchten Diebstahls verurteilt.

Der Revision liegt folgendes prozessuale Geschehen zugrunde:

An der Urteilsverkündung vor dem LG hatten der Angeklagte, sein Verteidiger sowie ein Simultandolmetscher teilgenommen. Danach ist das schriftliche Urteil dem Verteidiger zugestellt und formlos an den Angeklagten versandt worden, jedoch ohne eine schriftliche Übersetzung zu enthalten. Dagegen hat sich der Angeklagte gewendet und beantragt, eine Übersetzung zu erhalten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH entschied, dass das LG das Urteil auch ohne schriftliche Übersetzung wirksam gemäß § 37 Abs. 3 StPO zustellen konnte.

Ein Anspruch des Angeklagten auf eine schriftliche Übersetzung ergebe sich nicht aus § 187 GVG, nicht aus der zugrundeliegenden Richtlinie 2010/64/EU sowie weder aus Art. 6 EMRK noch aus dem Grundgesetz.

Zunächst ergebe sich aus der Auslegung des § 187 GVG kein genereller Übersetzungsanspruch, so der BGH.

Aus Abs. 2 der Norm gehe klar hervor, dass nach der gestuften Regelung regelmäßig keine schriftliche Übersetzung erfolgen müsse, wenn der Angeklagte verteidigt sei und ein Dolmetscher beteiligt war. Maßgeblich sei, dass der Angeklagte seine prozessualen Rechte wahrnehmen könne. Etwas Anderes müsse nur in Sonderkonstellationen gelten, etwa wenn der Angeklagte eigene Sachkunde vorweisen und daher der Verteidiger seine Funktion nicht ausreichend wahrnehmen könne. Auch die Behauptung, der Kontakt zum eigenen Verteidiger habe nicht ausgereicht, könne keinen Anspruch pauschal begründen.

Zudem habe der Gesetzgeber gerade keinen umfassenden Übersetzungsanspruch schaffen wollen, sondern eine praxistaugliche Regelung, die dem Grundsatz eines fairen Verfahrens gerecht werde.

Diese Auslegung verstoße auch nicht gegen die Richtlinie 2010/64/EU, da sie das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren berücksichtige. Der Verteidiger sei zur Einlegung und Begründung einer Revision berufen, nicht der Angeklagte, daher genüge es, wenn der Rechtsanwalt das Urteil kenne und der Angeklagte die Möglichkeit habe, im Rahmen des Mandatsverhältnisses Absprachen mit seinem Rechtsanwalt zu treffen.

Ebenfalls ergebe sich aus der Richtlinie direkt kein Anspruch des Angeklagten, da die Richtlinie vollumfänglich in nationales Recht umgesetzt worden sei und der EU-Bürger somit keinen unmittelbaren Anspruch aufgrund eines Umsetzungsdefizits ableiten könne.

Auch Art. 6 EMRK gebiete keine schriftliche Übersetzung des Urteils, so der Senat, da sich nach der Rechtsprechung des EGMR ein Anspruch auf Übersetzung nur auf solche Schriftstücke beziehe, die der Angeklagte lesen und verstehen müsse, um ein faires Verfahren zu erhalten. Dies gelte nicht für das schriftliche Urteil. Etwaige bestehende Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger stellten dabei keine relevante Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Angeklagten dar.

Schließlich ergebe sich aus ähnlichen Erwägungen auch kein Anspruch auf Übersetzung direkt aus dem Grundgesetz.

 

Anmerkung der Redaktion:

§ 187 GVG setzt die Richtlinie 2010/64/EU um, die das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen im Strafverfahren regelt. Die Richtlinie hatte der deutsche Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren im Jahr 2013 umgesetzt. Weitere Informationen erhalten Sie hier.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 33/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 07.04.2020 – 3 StR 44/20: Kunstgerechte und medizinisch indizierte Behandlung kann sexuelle Handlung i.S.d. § 184h Nr. 1 StGB sein

Amtliche Leitsätze:

1. Eine ärztliche Behandlung, die der Täter ohne Approbation vornimmt, kann nach den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Maßstäben eine sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB sein, auch wenn die Behandlung medizinisch indiziert war und für sich genommen lege artis vorgenommen wurde.

2. Eine Person unter sechzehn Jahren kann dem Täter im Rahmen eines Schülerpraktikums anvertraut im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB sein.

3. Ein Behandlungsverhältnis gemäß § 174c Abs. 1 StGB setzt keine Approbation des Täters voraus.

Sachverhalt:

Das LG Oldenburg hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen war der Angeklagte als niedergelassener Arzt tätig gewesen, obwohl er seine Approbation bereits verloren hatte.

In diesem Zusammenhang hatte er bei einem Opfer eine osteopathische Behandlung durchgeführt, bei der er gegen den Willen der Patientin mehrmals seinen Finger in ihre Vagina eingeführt hatte.

Einem weiteren 14jährigen Opfer, das ein Schülerpraktikum bei dem Angeklagten absolvierte, hatte er eine osteopathische Behandlung gegen Regelschmerzen angeboten und dabei seine Hand auf den Schamhügel der Patientin gelegt, um sich sexuell zu erregen.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte das Urteil des LG und sah sich nur bezüglich der zweiten Tat zu weiteren Ausführungen genötigt.

Das Ruhenlassen der Hand auf dem Schamhügel der Patientin stelle eine sexuelle Handlung i.S.d. §§ 174 Abs. 1, 184h Nr. 1 StGB dar. Bei ambivalenten Handlungen, die nicht schon objektiv durch ihr äußeres Erscheinungsbild sexualbezogen seien, komme es auf die Bewertung eines objektiven Beobachters an, der alle Einzelfallumstände kenne, so der BGH.

Dabei müssten auch die Ziele und Absichten des Täters in die Bewertung eingestellt werden.

Den Streit, ob eine indizierte und lege artis durchgeführte medizinische Behandlung überhaupt als sexuelle Handlung gewertet werden und den Tatbestand erfüllen könnte, musste der BGH in diesem Fall nicht entscheiden, da jedenfalls aufgrund der fehlenden Approbation des Angeklagten eine regelgerechte Durchführung der Behandlung ausscheide, so der Senat.

Danach sei die Berührung des Schamhügels als ambivalente Handlung in diesem Fall tatbestandsmäßig gewesen, da der Angeklagte die Behandlung von sich aus vorschlug, ohne die Patientin ausreichend aufzuklären. Außerdem habe der Angeklagte gehandelt, um sich sexuell zu erregen und im Nachgang der Behandlung angesprochen, dass der die Schülerin „daten“ würde, wenn er in ihrem Alter wäre. Dies zeige den deutlichen Sexualbezug auf.

Schließlich sei die Patientin dem Angeklagten als seine Schülerpraktikantin auch anvertraut i.S.d. § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB gewesen. Auf eine Unterscheidung anhand der Berufsbezogenheit des Praktikums komme es nicht an, da das ganztätige Praktikum immerhin drei Wochen dauern sollte und der Angeklagte Aufgaben des Lehrers faktisch wahrnehmen sollte.

Abschließend stellte der BGH klar, dass ein Behandlungsverhältnis i.S.d. § 174c Abs. 1 StGB weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach seiner Historie eine wirksame Approbation des Arztes voraussetze.

 

Anmerkung der Redaktion:

Zu Scheinuntersuchungen und nicht indizierten Behandlungen hatte der BGH bereits entschieden, dass diese unter den Tatbestand fallen: BGH, Urt. v. 10.03.2016 – 3 StR 437/15 und BGH, Urt. v. 14.03.2012 – 2 StR 561/11.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 32/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 07.04.2020 – 6 StR 52/20: Versprochene Förderung der Karriere gegen Sex erfüllt Tatbestand der Bestechlichkeit

Amtlicher Leitsatz:

Stellt ein Beamter, dem insoweit zumindest die Möglichkeit der Einflussnahme zu Gebote steht, die Förderung der Karriere einer Bediensteten bei der Stellenbesetzung gegen sexuelle Gunstgewährung in Aussicht, so erfüllt dies den Tatbestand der Bestechlichkeit auch dann, wenn die konkrete Art der Förderung im Unbestimmten bleibt.

Sachverhalt:

Das LG Braunschweig hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen war der Beschuldigte als Polizeibeamter Leiter einer Polizeiinspektion in Niedersachsen gewesen. In dieser Funktion hatte er die Möglichkeit, bei Besetzungsverfahren und der Vergabe unbefristeter Tarifstellen, Vorschläge und Zweitbeurteilungen an seine vorgesetzte Behörde abzugeben. Befristete Tarifstellen hatte er sogar selbstständig vergeben können. Bei einem Gesprächstermin mit einer Angestellten des Landeskriminalamts hatte der Angeklagte ihr angeboten, sie bei künftigen Stellenbesetzungen wohlwollend zu berücksichtigen, wenn sie Karriere in seiner Polizeiinspektion machen wolle. Dafür hatte er sexuelle Gefälligkeiten der Angestellten als Gegenleistung gefordert. Eine konkrete Stelle nannte der Angeklagte der Zeugin nicht.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung wegen Bestechlichkeit, da das Inaussichtstellen der Einflussnahme auf das berufliche Fortkommen der Zeugin zutreffend vom LG als pflichtwidrige Diensthandlung angesehen worden sei.

Eine Diensthandlung und nicht die bloße Dienstausübung sei gegeben, wenn das Handeln zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehöre und von ihm in dienstlicher Eigenschaft vorgenommen werde. Ebenfalls ausreichend sei eine Handlung, die dem Amtsträger aufgrund seiner amtlichen Stellung faktisch möglich, jedoch verboten sei.

Bei Ermessensentscheidungen ergebe sich die Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung aus der Beeinflussung durch etwaige sachfremde Erwägungen.

Nach diesen Maßstäben habe eine pflichtwidrige Diensthandlung vorgelegen. Die Einflussnahme auf eine Stellenbesetzung stelle eine Ermessensentscheidung dar, die auch nicht deshalb lediglich als Dienstausübung anzusehen sei, weil eine konkrete Stelle vom Angeklagten nie angesprochen worden sei. Indem der Beschuldigte als Dienststellenleiter eine Einstellung bei seiner Polizeiinspektion in Aussicht stellte, sei die Diensthandlung in ihrem sachlichen Gehalt erkennbar und festgelegt gewesen und habe mehr beinhaltet als das Versprechen seines allgemeinen Wohlwollens. Lediglich die konkrete Stelle in seiner Dienststelle sei unklar geblieben. Die Pflichtwidrigkeit ergebe sich eindeutig aus den sachfremden Erwägungen, namentlich der Bereitschaft der Zeugin zu sexuellen Dienstleistungen, die entgegen Art. 33 Abs. 2 GG bei der Stellenbesetzung vom Angeklagten berücksichtigt werden sollten.

 

Anmerkung der Redaktion:

Anforderungen an die Bestimmtheit der konkreten Diensthandlung hatte der BGH im Jahr 2004 aufgestellt und dabei entschieden, dass die Voraussetzungen nicht überspannt werden dürfen und eine zukünftige Diensthandlung gerade nicht in allen Einzelheiten bestimmt sein muss. Die Entscheidung finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 31/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 26.11.2019 – 2 StR 557/18: Zur Entscheidung über vollzugslockernde Maßnahmen als Sorgfaltswidrigkeit im Rahmen des § 222 StGB

Amtliche Leitsätze:

1. Eine gerichtliche Überprüfung der Frage, ob die Gewährung einer vollzugsöffnenden Maßnahme sorgfaltswidrig war, hat den der Vollzugsbehörde zustehenden Beurteilungsspielraum und das ihr eingeräumte Ermessen zu berücksichtigen und die getroffene Entscheidung bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen.

2. Gewährte Vollzugslockerungen und hierzu erteilte Weisungen sind im Allgemeinen stichprobenartig auf ihr Einhaltung zu überprüfen. Frequenz, Art und Ausmaß solcher Kontrollen unterliegen als Annex zur getroffenen Prognoseentscheidung demselben Beurteilungs- und Ermessensspielraum wie die Grundentscheidung über die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen.

3. Zur Vorhersehbarkeit im Sinne des Fahrlässigkeitstatbestandes bei komplexen Geschehensabläufen, insbesondere bei selbst- und fremdgefährdendem Verhalten eines Dritten.

Sachverhalt:

Das LG Limburg hat die Angeklagten, die jeweils in leitender Funktion als Bedienstete unterschiedlicher Justizvollzugsanstalten tätig waren, wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte sich der rechtskräftig verurteilte K. selbst zum Haftantritt in der JVA, in der die Angeklagte D. als stellvertretende Anstaltsleitung und Vollzugsabteilungsleiterin gearbeitet hatte, gemeldet. K. war bereits mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und anderen Verkehrsdelikten in Erscheinung getreten und hatte aufgrund dieser Delikte eine mehrjährige Hafterfahrung. Die Angeklagte D. hatte in diesem Zusammenhang, entgegen der Einschätzung eines Kollegen, der das Aufnahmegespräch mit dem Häftling geführt hatte, entschieden, den Verurteilten in den offenen Vollzug zu verlegen und ihm unbegleitete Vollzugslockerungen zu gewähren.

Beanstandungen hatte es danach nie gegeben. Der Verurteilte war auch nie negativ aufgefallen.

Nach einem Monat war der Verurteilte in die JVA, die der Angeklagte W. geleitet hatte, verlegt worden. Der Angeklagte hatte nach einer Zugangskonferenz mit dem Verurteilten und anderen Bediensteten entschieden, den offenen Vollzug aufrecht zu erhalten und später aufgrund der guten Führung des Häftlings, diesen noch auszudehnen.

Der Häftling hatte an 223 Tagen Dauerausgänge und an 89 Tagen Langzeitausgänge ohne Beanstandungen absolviert. Kontrollen der weisungsbedingten Ausgänge hatten nur bei dem auswärtigen Arbeitgeber des Verurteilten stattgefunden, eine weitere Kontrolle der Einhaltung der Weisungen (insbesondere der Weisung, kein KFZ zu führen) war unterblieben.

Daher war es unbemerkt geblieben, dass der Häftling während seiner Ausgänge regelmäßig mit einem KFZ am Straßenverkehr teilgenommen hatte und sogar einen Autoschlüssel an seinem Schlüsselbund bei sich führte, wenn er in die JVA zurückkehrte.

Nach zwei Jahren im offenen Vollzug war der Häftling während eines Ausgangs beim Führen eines KFZ von einer Polizeistreife entdeckt und zum Anhalten bewegt worden. Aus Angst, seine Vollzugslockerungen zu verlieren, hatte der Verurteilte beschleunigt und bei der sich anschließenden Verfolgungsfahrt mit den Polizeibeamten als Geisterfahrer eine junge Autofahrerin getötet.

Das LG wertete die Entscheidung für Vollzugslockerungen beim Verurteilten K. und die unterlassenen Kontrollen als Pflichtwidrigkeitsverstoß und hat die Angeklagten W. und D. wegen fahrlässiger Tötung der Autofahrerin verurteilt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH sprach beide Angeklagte frei, da die rechtsfehlerfreien Sachverhaltsfeststellungen des LG eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung nicht trügen.

Eine Sorgfaltspflichtverletzung sei bei beiden Angeklagten nicht zu erkennen. Bei der Festlegung des zu wahrenden Sorgfaltsmaßstabs bestimmten sich Art und Maß nach den Anforderungen, die bei objektiver Betrachtung der Gefahrenlage ex ante an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden zu stellen seien, so der BGH.

Damit habe sich der Sorgfaltsmaßstab für die beiden Angeklagten aus dem rheinland-pfälzischen Justizvollzugsgesetz ergeben. Dieses habe die Angeklagten in Umsetzung des verfassungsrechtlich garantierten Resozialisierungsanspruchs des Angeklagten berechtigt, bei Vollzugslockerungen vertretbare Risiken einzugehen.

Vollzugslockernde Maßnahmen seien nur dort zu versagen, wo eine konkrete Flucht- oder Missbrauchsgefahr bestünde. Bei dieser Gefahrenprognose stehe den Beamten ein Beurteilungsspielraum zu, der zu mehreren vertretbaren Entscheidungen führen könne. Eine in diesem Rahmen gerade noch vertretbare Entscheidung sei gerichtlich hinzunehmen und könne, da sie den gesetzlichen Anforderungen genüge, auch keine Sorgfaltsverstoß nach § 222 StGB darstellen.

Der Beurteilungsspielraum bei Prognoseentscheidungen sei nur übertreten, wenn eine falsche Prognose aufgrund einer relevant unvollständigen oder unzutreffenden Tatsachengrundlage oder unter nicht vertretbarer Bewertung der festgestellten Tatsachen zustande gekommen sei.

Dies sei in dem vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Es habe keine Pflicht der Angeklagten D. bestanden, noch weitere Vorstrafenakten des Verurteilten anzufordern, da keine besonderen Umstände für die Angeklagte ersichtlich gewesen seien, die eine weitergehende Aufklärung erforderlich gemacht hätten. Auch die abweichende Bewertung durch ihren Kollegen habe dazu keinen Anlass geboten, da dies lediglich eine abweichende fachliche Bewertung auf gleicher Tatsachengrundlage gewesen sei.

Demnach sei die Prognoseentscheidung der Angeklagten D. aus der ex ante-Perspektive fachlich und rechtlich vertretbar gewesen, da sie alle Umstände in ihre Abwägung einbezogen habe, so der Senat.

Gleiches gelte für den Angeklagten W. Zwar könne sich aus den unterlassenen Kontrollmaßnahmen eine Sorgfaltspflichtverletzung ergeben, dies könne jedoch dahinstehen, weil der eingetretene Kausalverlauf der Tötung – aufgrund einer Geisterfahrt während einer Verfolgungsjagd mit der Polizei – vom Angeklagten W. nicht vorhersehbar gewesen sei. Trete der Erfolg einer Fahrlässigkeitstat erst durch das Zusammenwirken mehrerer Umstände ein, müssten alle diese Umstände für den Täter vorhersehbar sein, so der Senat. Nach diesen Maßstäben habe der komplexe Geschehensablauf, der zum Tod der jungen Autofahrerin geführt habe, außerhalb des für den Angeklagten vorhersehbaren gelegen.

 

Anmerkung der Redaktion:

Erst im Jahr 2019 hatte das BVerfG entschieden, dass die pflichtwidrige Versagung von Vollzugslockerungen den Resozialisierungsanspruch des Verurteilten verletze. Genaueres dazu finden Sie im KriPoZ-RR, Beitrag 40/2019.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 30/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 07.04.2020 – 3 StR 90/20: Ruhen der Verjährungsfrist bei Sexualdelikten

Leitsatz der Redaktion:

Das Ruhen der Verjährung bei Sexualdelikten gem. § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB richtet sich einzig und allein nach der Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers und muss nicht teleologisch reduziert werden.

Sachverhalt:

Das LG Oldenburg hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte in der ersten Hälfte des Jahres 1993 sein Opfer zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Ein Ermittlungsverfahren wegen dieses Vorwurfs war 1999 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Erörterungsbedürftig war für den BGH ausschließlich die Frage der Verjährung der Tat.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung durch das LG, da die Tat entgegen der Ansicht der Revision noch nicht verjährt sei.

Die Verjährungsfrist ruhe bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers. Daran ändere auch die Gesetzesänderung des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB vom 27.01.2015 nichts, da die Tat vor Änderung der Norm nicht verjährt war und damit kein Rückwirkungsverbot bestanden habe. Demnach finde die neue Regelung, die auf das 30. Lebensjahr abstellt, Anwendung.

Zudem sei die Norm auch nicht teleologisch zu reduzieren und die Verjährung nur bis zur Einleitung des ersten Ermittlungsverfahrens ruhen zu lassen. Ob die Tat bereits vor Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers Gegenstand von Ermittlungen gewesen sei, entfalte keine Relevanz. Dafür spreche schon der klare Wortlaut des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB, der eine andere Auslegung nicht zulasse. Zudem müsse auch aus Gründen der Rechtsklarheit und –sicherheit auf die Vollendung des 30. Lebensjahres abgestellt werden, so der BGH.

Nähme man ein Ende des Ruhens der Verjährung ab Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden von der Tat an, erfinde man ein Kriterium, welches im Gesetz überhaupt nicht angelegt sei und zudem erhebliche Nachweisschwierigkeiten bereite. Auch der Gesetzgeber habe bei Änderung der Norm allein die Perspektive der Opfer vor Augen gehabt, die genug Zeit haben sollten, um die Tat zu verarbeiten und Anzeige zu erstatten. Die schon vorher vorhandene Kritik der Literatur habe der Gesetzgeber bewusst nicht aufgenommen.

 

Anmerkung der Redaktion:

Informationen zur Änderung des § 78b StGB finden Sie hier.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 29/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 28.04.2020 – 5 StR 15/20: Zum Versuchsbeginn beim Einbruchdiebstahl

Amtlicher Leitsatz:

Versuchsbeginn beim Einbruchdiebstahl.

Leitsatz der Redaktion:

Der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB genügt regelmäßig, um einen Versuchsbeginn zu bejahen.

Sachverhalt:

Das LG Flensburg hat den Angeklagten u.a. anderem wegen versuchten Diebstahls verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte Zigaretten aus einem Automaten entwenden wollten und dafür bereits Werkzeug bereitgelegt und den Automaten mit einer Decke abgedeckt gehabt. Daraufhin hatte er versucht eine Steckdose für seinen Trennschleifer zu finden, was ihm nicht gelungen war. Zum Einsatz des weiteren, für diesen Fall gedachten, Werkzeugs kam es nicht mehr, da der Angeklagte davon ausgegangen war, entdeckt worden zu sein.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung wegen versuchten Diebstahls der Zigaretten und nutze die Gelegenheit, um Aussagen zum Versuchsbeginn bei Einbruchdiebstählen zu treffen.

Grundsätzlich versuche eine Tat, wer aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschritten habe. Dafür müsse der Täter Handlungen vorgenommen haben, die nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen sollten.

Ein weiterer erforderlicher Willensimpuls zur Erfolgsherbeiführung spreche daher meist gegen die Annahme des Versuchsbeginns, so der BGH. Abgrenzungskriterium sei hierbei die konkrete Gefährdung des Rechtsguts aus Tätersicht. Bei Qualifikationen und Regelbeispielen komme es meist auf den Versuchsbeginn des Grunddelikts an, daher sei bei § 242 ff. StGB maßgeblich, ob aus Tätersicht durch seine Handlung bereits die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf die Beute bestehe.

Dafür genüge schon der erste Angriff auf etwaige Schutzmechanismen, wenn sich der Täter nach Überwindung selbiger, einen ungehinderten Zugriff ohne weitere wesentliche Zwischenschritte erhofft. Dasselbe gelte bei mehreren hintereinanderliegenden Schutzmechanismen, wenn deren Überwindung in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehe. Daher genüge für einen Versuch des Einbruchdiebstahls gem. §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB regelmäßig der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens.

Demnach habe die Verhüllung des Automaten für den Angeklagten den ersten Schritt zum Aufbrechen des Automaten bedeutet und damit den Versuchsbeginn ausgelöst.

 

Anmerkung der Redaktion:

Der Senat hob damit seine entgegenstehende Rechtsprechung auf. Er hatte in einem anderen Verfahren (BGH, Beschl. v. 04.07.2019 – 5 StR 274/19), das abgebrochene Aufbohren eines Türschlosses nicht als Versuchsbeginn zum Wohnungseinbruchdiebstahl angesehen.

Damit schließt sich der Senat nun der Rechtsprechung des 4. Senats an, der bereits beim Wohnungseinbruchdiebstahl das unmittelbare Ansetzen bei Vornahme der strafschärfenden Handlung ohne Verwirklichung des Grundtatbestands für den Versuchsbeginn ausreichen lassen hatte. Den KriPoZ-RR Beitrag zu dieser Entscheidung finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 28/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 14.04.2020 – 5 StR 37/20: Amtsanmaßung ist kein eigenhändiges Delikt

Amtlicher Leitsatz:

Bei einer Tat nach § 132 Alt. 1 StGB ist eine Begehung in Mittäterschaft möglich; es handelt sich nicht um ein „eigenhändiges Delikt“.

Sachverhalt:

Das LG Berlin hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in Tateinheit mit Amtsanmaßung sowie wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen war der Angeklagte Mitglied einer Bande, die sich zusammengeschlossen hatte, um ältere Menschen zu täuschen und deren Wertsachen zu erbeuten.

Dazu gaben sich manche Bandenmitglieder aus einem Callcenter heraus als Polizeibeamte aus und täuschten die angerufenen Opfer über das Bestehen einer Gefahr für ihre Wertsachen. Diese Gefahr sollte dadurch gebannt werden, dass die Opfer ihre Wertsachen einem vorbeikommenden Polizeibeamten aushändigen sollten. Diese Rolle hatte der Angeklagte übernommen, ohne sich jedoch selbst gegenüber den Opfern als Beamter auszugeben. Für das Abholen der Beute hatte der Beschuldige jeweils ein Drittel als Lohn erhalten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung wegen Amtsanmaßung in Mittäterschaft (§§ 132 Alt. 1, 25 Abs. 2 StGB). Zwar habe sich der Angeklagte nicht selbst gegenüber den Opfern als Polizeibeamter ausgegeben, jedoch seien ihm die Tathandlungen der Täter im Callcenter mittäterschaftlich zuzurechnen. Dies sei möglich, da § 132 Alt. 1 StGB kein eigenhändiges Delikt sei. Solche Delikte zeichneten sich dadurch aus, dass nicht eine Rechtsgutsverletzung oder –gefährdung den maßgeblichen Strafgrund darstelle, sondern die Vornahme einer besonderen, verwerflichen Handlung. § 132 StGB schütze jedoch den Staat und seine Behörden als abstraktes Gefährdungsdelikt davor, dass Dritte den Schein amtlichen Tätigwerdens erweckten. Damit stünde der Schutz des Rechtsguts im Vordergrund und nicht das Verbot eines besonderen Verhaltens.

Damit sei eine Mittäterschaft grundsätzlich möglich. Die Anforderungen des § 25 Abs. 2 StGB seien auch in diesem Einzelfall erfüllt gewesen, da der Angeklagte durch das Abholen der Beute, die Täuschung seiner Mittäter erst wirklich glaubhaft erscheinen lassen habe und durch seine Beteiligung an der Beute auch ein erhebliches Interesse am Taterfolg gehabt habe.

 

Anmerkung der Redaktion:

Zuletzt hatte der BGH diese Frage noch offen gelassen. Den Beschluss finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 27/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 22.01.2020 – 3 StR 526/19: Wohnungseigenschaft gem. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB bleibt auch nach Tod der Bewohner erhalten

Leitsatz der Redaktion:

Auch nach dem Tod der Bewohner behält ein abgeschlossener und überdachter Raum, der weiterhin voll funktionstüchtig als Unterkunft von Menschen dienen kann, seine Eigenschaft als Wohnung i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB.

Sachverhalt:

Das LG Verden hat den Angeklagten unter anderem wegen Wohnungseinbruchdiebstahls verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen war den Angeklagte in mehrere Häuser von kürzlich verstorbenen Personen eingebrochen, deren Standorte er aus den Todesanzeigen in der Tageszeitung herausgeschrieben hatte. Dabei hatte ihm ein Mittäter zur Seite gestanden.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hielt das Urteil des LG aufrecht, da die Häuser der Verstorbenen als Wohnungen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen seien.

Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut der Vorschrift, da nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Zweck eines Gebäudes über dessen Wohnungseigenschaft entscheide und nicht dessen tatsächlicher Gebrauch. Auch aus der Systematik der Diebstahlsdelikte lasse sich dieses Ergebnis ableiten, da § 244 Abs. 4 StGB die dauerhaft genutzte Privatwohnung als qualifizierende Voraussetzung enthält. Somit ist die tatsächliche Nutzung im Umkehrschluss bei § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB gerade kein Tatbestandsmerkmal. Darüber hinaus gebrauche das Gesetz das Merkmal der Wohnung in §§ 123 Abs. 1, 201a Abs. 1 Nr. 1 und 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Nur bei § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB werde dabei eine tatsächliche Bewohnung gefordert. Dies folge jedoch aus dem unterschiedlichen Schutzzweck der Norm und habe daher keine Bedeutung für die Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB.

Schließlich spreche auch der Schutzzweck der Norm für die Auslegung des LG, da die Vorschrift das Eigentum und die häusliche Integrität schütze. Diese Rechtsgüter könnten jedoch auch bei Dritten berührt sein, wenn sie einen Bezug zu den Räumlichkeiten hätten, so der BGH.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die dauerhaft genutzte Privatwohnung als Qualifikationstatbestand (§ 244 Abs. 4 StGB) wurde 2017 in das Gesetz eingefügt, dabei sollten u.a. Banden, die regelmäßig Wohnungseinbruchdiebstähle begehen, besser verfolgt und härter bestraft werden können. Weitere Informationen finden Sie hier.

 

 

 

Unsere Webseite verwendet sog. Cookies. Durch die weitere Verwendung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Informationen zum Datenschutz

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen.
Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Weitere Informationen zum Datenschutz entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hier können Sie der Verwendung von Cookies auch widersprechen.

Schließen