Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder

Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte vom 27. Juni 2024, BGBl I Nr. 213

Gesetzentwürfe: 

 

Am 17. November 2023 hat das BMJ einen Referentenentwurf zur Anpassung der Mindeststrafe des § 184b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 StGB auf den Weg gebracht.

Durch die Neufassung des § 184b StGB im Juni 2021 wurden die Strafrahmen der Tatbestandsvarianten des § 184b Abs. 1 S. 1 StGB und des § 184b Abs. 3 StGB angehoben und stellen seither ein Verbrechen dar. Eine Regelung für minder schwere Fälle wurde nicht getroffen und eine Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen entfällt nunmehr aufgrund des Verbrechenscharakters.  Die Rückmeldung aus der Praxis habe gezeigt, dass „dies bei Verfahren, die einen Tatverdacht am unteren Rand der Strafwürdigkeit zum Gegenstand haben, dazu führt, dass eine tat- und schuldangemessene Reaktion nicht mehr in jedem Einzelfall gewährleistet ist“, so der Entwurf. Besonders fraglich erscheine die Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wenn die beschuldigte Person ersichtlich nicht mit pädokrimineller Energie gehandelt habe, bspw. wenn kinderpornographische Inhalte an Lehrer:innen oder die Schulleitung weitergeleitet wurden, um über den Vorfall zu informieren. Ebenso können Inhalte ungewollt in den Besitz des/der Empfänger:in gelangen.

Der Referentenentwurf sieht daher vor, den Strafrahmen der Tatbestandvariante des § 184b Abs. 1 S. 1 StGB von einem Jahr auf sechs Monate und der Variante des § 184b Abs. 3 StGB von einem Jahr auf drei Monate herabzusenken. Somit wird den Strafverfolgungsbehörden wieder die Möglichkeit eröffnet, Verfahren, die sich am unteren Rand der Strafwürdigkeit befinden, gem. §§ 153 153a StPO einzustellen. Die Grenze der Höchststrafen soll jedoch beibehalten werden, um künftige schwere Taten angemessen sanktionieren zu können.

Die neue Regelung soll insbesondere auch dem großen Anteil jugendlicher Täter:innen zugute kommen, die aus „jugendlicher Unbedarftheit, Neugier, Abenteuerlust oder Imponierstreben“ und nicht aus pädophilen Motiven heraus handeln.

Am 7. Februar 2024 hat die Bundesregierung den vorgelegten Regierungsentwurf beschlossen. Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann dazu: 

„Die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte ist eine schwere Straftat. Sie kann mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Das ist richtig so und daran wird sich nichts ändern. Die Änderung des unteren Strafrahmens aus dem Jahr 2021 hat jedoch zu zahlreichen Problemen in der Praxis der Strafverfolgung geführt. Insbesondere droht Menschen, die solches Material ungewollt – etwa im Rahmen einer WhatsApp-Eltern-Gruppe – zugespielt bekommen haben, eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr. Vergleichbares gilt beispielsweise auch im Falle von Lehrerinnen und Lehrern, die bei Schülern kinderpornographisches Material auf dem Handy entdeckt und es weitergeleitet haben, um betroffene Eltern zu alarmieren. Um den Staatsanwaltschaften und Gerichten die Möglichkeit zurückzugeben, flexibel und verhältnismäßig auf jeden Einzelfall angemessen reagieren zu können, werden wir im Wesentlichen zur alten Rechtslage zurückkehren. Das ist ein dringender Wunsch insbesondere von Strafverfolgern, Staatsanwälten und Gerichten sowie der Landesjustizministerinnen und Landesjustizminister. Dieses Einvernehmen in der gesamten Fachwelt rührt insbesondere daher, dass künftig die Strafverfolgung wieder effizienter und zielgerichteter organisiert werden kann. Das ist in Anbetracht dieses schrecklichen Kriminalitätsfeldes auch dringend nötig.“

Am 14. März 2024 wurde der Entwurf in erster Lesung beraten und im Anschluss an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. In seiner Plenarsitzung am 22. März 2024 hat sich der Bundesrat erstmals mit der Anpassung des § 184b StGB beschäftigt und keine Einwendungen erhoben. Am 10. April 2024 fand im Rechtsausschuss eine Öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Die Sachverständigen waren einhellig der Ansicht, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 184b StGB im Juni 2021 „über das Ziel hinausgeschossen“ sei. Alexander Boger von der Staatsanwaltschaft Ravensburg erklärte, dass seither eine Einstellung der Verfahren selbst bei „Fällen mit geringstem Unrechtsgehalt“ nicht mehr möglich sei, was letztlich zu einer Verzögerung der Ermittlungen in schwerwiegenden Fällen beitrage. Auf der anderen Seite bestehe auch die Situation, dass ahnungslose Personen „harten Ermittlungsmaßnahmen“ unterzogen würden und sich Durchsuchungen oder Beschlagnahmen ausgesetzt sähen, so Alexander Poitz von der Gewerkschaft der Polizei. Davor hätten die Expert:innen bereits vor der Reform gewarnt und die Praxis rufe nun nach einer Reform, erklärte Dr. Oliver Piechaczek vom Deutschen Richterbund. Rainer Becker von der Deutschen Kinderhilfe schlug die Einführung von minderschweren Fällen in § 184b StGB vor, die mit einem entsprechend niedrigen Strafrahmen versehen werden könnten. Er betonte, dass die geplante Gesetzesänderung gegen eine EU-Richtlinie verstoße, die Kinderpornografie in jeglicher Form als schwere Straftat einstufe. Fälle, in denen bspw. Eltern vor Kinderpornografie warnen und Beweisbilder verschicken, sollten ganz von der Strafverfolgung ausgenommen werden. Dem stimmten PD Dr. Anja Schmidt von der Goethe- Universität Frankfurt und Kerstin Klaus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, nicht zu. Auch in solchen Fällen bedürfe es der Möglichkeit der strafrechtlichen Beurteilung durch Ermittler:innen, so Klaus. Schmidt betonte zudem, dass mit der Weitergabe solcher Bilder auch immer eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Kinder einhergehe. Weiterhin sahen die Sachverständigen bei einem Ausschluss mehrerer Tatumstände ein Risiko für die gezielte Ausnutzung solcher Lücken. Prof. Dr. Jörg Eisele von der Universität Tübingen lehnte auch eine Einführung minderschwerer Fälle ab, da damit keine Einstellung von Verfahren erreicht werde. Dafür bedürfe es der vorgesehenen Senkung der Mindeststrafe. Abseits der Diskussion um die Änderung des Strafrahmens in § 184b StGB regte Prof. Dr. Beate Naake vom Kinderschutzbund an, den Begriff der „Kinderpornografie“ ganz aus dem Strafrecht zu streichen, da er eine Einvernehmlichkeit suggeriere, die von diesen Delikten gerade nicht ausgehe. Überwiegend waren sich die Expert:innen am Ende der Anhörung jedenfalls einig, dass die bestehende Regelung in § 184b StGB verfassungswidrig sei, weil sie gegen das Übermaßverbot bei der Strafverfolgung verstoße. Eine entsprechende Prüfung sei bereits vor dem BVerfG anhängig.

Am 16. Mai 2024 hat der Bundestag den Regierungsentwurf in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 20/11419) beschlossen. Dieser hatte auf Antrag der Koalitionsfraktionen eine Folgeänderung in § 127 StGB vorgenommen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass zum Vergehen herabgestufte Delikte entsprechend erfasst bleiben. Am 14. Juni 2024 passierte der Gesetzentwurf den Bundesrat. Das Gesetz wurde am 27. Juni 2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 des Strafgesetzbuches: BGBl. I 2024, Nr. 213) und trat bereits einen Tag später in Kraft.

 

 

 


19. Legislaturperiode: 

Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. Juni 2021: BGBl. I 2021, S. 1810 ff. 

Gesetzentwürfe: 

 

Am 31. August 2020 hat das BMJV einen Referentenentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder veröffentlicht. 

Die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder sei eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Herausforderungen und eine zentrale Aufgabe des Staates. Der technische Wandel habe dazu beigetragen, das Gefährdungspotential für Kinder nicht nur in der virtuellen, sondern auch in der realen Welt zu erhöhen. So biete z.B. das Darknet viel Raum, um kinderpornographisches Material zu verbreiten. Der Verbreitung und dem Konsum liege aber immer real sexualisierte Gewalt gegen Kinder zugrunde. Die Zahl der bekannt gewordenen Fälle sei in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Daher sei es notwendig, die entsprechenden Straftatbestände zu ändern, um ihre Schutzfunktion für Kinder zu verbessern. Vorgesehen sind hierzu u.a. Verschärfungen der Strafrahmen sowie eine effektivere Ausgestaltung der Strafverfolgung. Flankiert werden die Änderungen durch ein Bündel von Maßnahmen, die insbesondere die Prävention betreffen. 

Die Änderungen im StGB: 

Der bisherige Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern soll in drei Straftatbestände aufgespalten werden. Begrifflich soll der sexuelle Missbrauch als „sexualisierte Gewalt gegen Kinder“ neugefasst werden und damit das Unrecht dieser Straftaten klarer umschreiben und einer Bagatellisierung entgegenwirken. 

  • § 176 Sexualisierte Gewalt gegen Kinder 
  • § 176a Sexualisierte Gewalt gegen Kinder ohne Körperkontakt mit dem Kind 
  • § 176b Vorbereitung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder
  • § 176c Schwere sexualisierte Gewalt gegen Kinder 
  • § 176d Sexualisierte Gewalt gegen Kinder mit Todesfolge

Dabei soll bereits der Grundtatbestand des § 176 StGB-E als Verbrechen ausgestaltet werden. Mit der Änderung der Begrifflichkeit des Missbrauchs soll keine Anwendung von Gewalt oder eine Drohung mit Gewalt zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich sein. Vielmehr soll ein klares Signal gesetzt werden, dass der sexualisierten Gewalt gegen Kinder „mit aller Kraft entgegengetreten wird“. Von einer Strafverfolgung kann im Einzelfall abzusehen sein, wenn es sich in Fällen einvernehmlicher sexueller Handlungen um annähernd gleichaltrige Personen handelt. 

Alle bisherigen Tathandlungen, die keinen Körperkontakt mit einem Kind voraussetzen (das Vornehmen sexueller Handlungen vor einem Kind, das Bestimmen eines Kindes zu sexuellen Handlungen, das Einwirken auf ein Kind durch pornographischen Inhalt oder durch entsprechende Reden, das Anbieten eines Kindes für eine der zuvor genannten Tatbestandsvarianten sowie eine teilweise Versuchsstrafbarkeit) werden in § 176a StGB-E. – Sexualisierte Gewalt gegen Kinder ohne Körperkontakt mit dem Kind zusammengefasst. Um auch hier das Unrecht der Tat angemessen abbilden zu können, soll der Strafrahmen auch bei diesen Straftatbeständen auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren angehoben werden (vorher: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren). Für das Vorzeigen pornographischer Inhalte soll zudem eine Versuchsstrafbarkeit eingeführt werden. Vergleichbar mit dem Cybergrooming soll der Täter auch dann strafbar sein, wenn seine Tatvollendung daran scheitert, dass er irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind. Damit werde zugleich die Strafverfolgung erleichtert. 

§ 176b StGB-E – Vorbereitung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder erfasst u.a. das Cybergrooming und soll auch hier den Unrechtsgehalt der Tat angemessener umschreiben. Der Strafrahmen (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) soll beibehalten werden. Das Anbieten oder Nachweisen eines Kindes für sexualisierte Gewalt bzw. das Verabreden zu einer solchen Tat soll künftig mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft werden, da sie besonders verwerflich sei. 

Im Falle der schweren sexualisierten Gewalt gegen Kinder (§ 176c StGB-E) sieht der Entwurf die Streichung der minder schweren Fälle vor. Auch hier soll das Unrecht der Tat deutlicher zum Vorschein gebracht werden und sich stärker als bisher im Strafmaß widerspiegeln. § 176c Abs. 1 StGB-E umfasst dabei alle Tathandlungen, die bislang unter § 176a Abs. 2 StGB gefasst werden und nimmt den alten Strafrahmen auf. § 176c Abs. 2 StGB-E regelt die Tatbestandsvariante, bei der der Täter in der Absicht handelt, die Tat zum Gegenstand pornographischer Inhalte zu machen (entspricht § 176a Abs. 3 StGB). Minder schwere Fälle sollen künftig nicht mehr erfasst sein. Die schwere körperliche Misshandlung und die Gefahr des Todes wird wie bislang von § 176a Abs. 5 StGB in § 176c Abs. 3 StGB-E geahndet. Die Qualifikation bei Wiederholungstaten (§ 176a Abs. 1 StGB) geht aufgrund der Hochstufung des Grundtatbestandes (§ 176 Abs. 1 StGB-E) zum Verbrechen in diesem auf. 

Der sexuelle Missbrauch von Kindern mit Todesfolge (§ 176b StGB) wird beibehalten und in § 176d StGB-E – Sexualisierte Gewalt gegen Kinder mit Todesfolge mit einer kleinen Folgeänderung neu verortet. 

Eine Verschärfung des Strafrahmens sollen auch die Straftatbestände der Kinderpornographie erfahren. Das Verbreiten, Zugänglichmachen, Besitzverschaffen, Herstellen, Beziehen, Liefern, Vorrätig halten, Anbieten, Bewerben und das Ein- und Ausführen wird zu einem Verbrechen hochgestuft (§ 184b Abs. 1 StGB-E). Die Einordnung als Verbrechen erscheine geboten, um das Maß des verwirklichten Unrechts und der Schuld besser abbilden zu können. Schließlich stehe hinter der Kinderpornographie sehr häufig eine sexualisierte Gewalt gegen Kinder. des Weiteren solle dies eine Möglichkeit bieten, potentielle Täter abzuschrecken. Die Einordnung als Verbrechen hat prozessrechtlich die Folge, dass eine Einstellung von Verfahren aus Opportunitätsgründen (§§ 153, 153a StPO) nicht mehr in Betracht kommt. Soweit lediglich Fiktivpornographie zum Gegenstand der Verbreitung geworden ist, bleibt der bisherige Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 184b Abs. 1 S. 2 StGB-E) erhalten. Entsprechend der Anhebung des Strafrahmens in § 184b Abs. 1 StGB-E soll auch der Strafrahmen für die banden- und gewerbsmäßige Begehungsformen (§ 184b Abs. 2 StGB-E) auf eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren angehoben werden. 

Neben den Neuregelungen der §§ 176b ff. und § 184b StGB-E sollen bestehende Strafbarkeitslücken geschlossen werden. Die §§ 174 bis 174c StGB (sexueller Missbrauch von Personen in Abhängigkeitsverhältnissen) sollen um Tathandlungen mit oder vor dritten Personen erweitert werden.

 

Die Änderungen in der StPO:

Aufgrund der Änderungen im StGB werden auch in der StPO Folgeänderungen vorgenommen. Das Zeugnisverweigerungsrecht für Berufsgeheimnisträger erfährt in § 53 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StPO durch die Angabe der Tatbestände der §§ 174 bis 174c, 176a, 176b StGB ein Update. 

Redaktionelle Änderungen erfahren auch die Katalogtaten der Telekommunikationsüberwachung (§ 100a StPO), Onlinedurchsuchung (§ 100b StPO) und der Erhebung von Verkehrsdaten (§ 100g StPO). Dies soll eine effektive Strafverfolgung im Bereich der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und der Kinderpornographie ermöglichen und zugleich „das Risiko der Entdeckung erhöhen und den zumeist abgeschotteten Foren für den Austausch kinderpornographischer Inhalte die tatanreizende Wirkung“ nehmen. 

Des Weiteren sieht der Entwurf vor, den Katalog des Untersuchungshaftgrundes der Schwerkriminalität in § 112 Abs. 3 StPO um den Straftatbestand der schweren sexualisierten Gewalt gegen Kinder gemäß § 176c StGBE und die sexualisierte Gewalt gegen Kinder mit Todesfolge nach § 176d StGB-E zu erweitern. Die hohe Bedeutung der geschützten Rechtsgüter werde materiell durch die Erhöhung der Mindeststrafe auf zwei Jahre Freiheitsstrafe zum Ausdruck gebracht. Prozessual soll dies auch mit der Aufnahme der Delikte in den Katalog des Untersuchungshaftgrundes der Schwerkriminalität verdeutlicht werden. 

 

Die Änderungen des GVG: 

Neben den Änderungen des StGB und der StPO sollen im GVG Qualifikationsanforderungen für Familien- und Jugendrichter, Jugendstaatsanwälte sowie Verfahrensbeistände von Kindern gesetzlich geregelt und damit konkreter und verbindlicher gefasst werden. In Kindschaftsverfahren soll grundsätzlich die persönliche Anhörung des Kindes festgeschrieben werden. 

 

Die Änderung des BZRG

Wie bereits vom Bundesrat in seinem Gesetzentwurf vom 18. März 2020 (BT Drs. 19/18019) gefordert, sollen die Fristen für die Aufnahme von relevanten Verurteilungen in erweiterte Führungszeugnisse verlängert werden (weitere Informationen zum Gesetzentwurf des Bundesrates finden Sie hier). Die Frist zur Aufnahme von Eintragungen geringfügiger Verurteilungen wegen bestimmter Straftaten wird von drei auf zehn Jahre verlängert und die Mindesttilgungsfrist für diese Verurteilungen verdoppelt. Damit sollen Stellen, die Personen mit einer beruflichen oder ehrenamtlichen Beschäftigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger beauftragen wollen, sowie Gerichten, Staatsanwaltschaften, Polizei und anderen auskunftsberechtigten Behörden (§ 41 BZRG) alle wichtigen Informationen zugänglich gemacht werden, die sie benötigen, um eine Entscheidung im Interesse der Strafrechtspflege und der öffentlichen Sicherheit zu treffen. 

 

Am 21. Oktober 2020 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder beschlossen (Regierungsentwurf). Bundesjustizministerin Christine Lambrecht

„Immer wieder erleben wir, dass Kindern durch erschütternde sexualisierte Gewalttaten unermessliches Leid zugefügt wird. Um diese Gräueltaten mit aller Kraft zu bekämpfen und Kinder besser zu schützen, haben wir ein umfassendes Paket beschlossen. Dazu gehören deutlich schärfere Strafen, effektivere Strafverfolgung und Verbesserungen bei der Prävention auch durch Qualifikationsanforderungen in der Justiz. Täter fürchten nichts mehr als entdeckt zu werden. Den Verfolgungsdruck müssen wir deshalb massiv erhöhen. Das schreckliche Unrecht dieser Taten muss auch im Strafmaß zum Ausdruck kommen. Künftig muss sexualisierte Gewalt gegen Kinder ohne Wenn und Aber ein Verbrechen sein. Gleiches gilt für die abscheulichen Bilder und Videos, mit denen diese Taten zu Geld gemacht werden. Wer mit der Grausamkeit gegen Kinder Geschäfte macht, soll künftig mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden können. Wir brauchen höchste Wachsamkeit und Sensibilität für Kinder, die gefährdet sind oder Opfer von sexualisierter Gewalt wurden. Um sicherzustellen, dass Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ihren verantwortungsvollen Aufgaben gerecht werden können, legen wir konkrete Qualifikationsanforderungen in der Familien- und Jugendgerichtsbarkeit fest.“

Am 29. Oktober 2020 brachten die Fraktionen CDU/CSU und SPD einen gleichlautenden Gesetzentwurf in den Bundestag ein (BT Drs. 19/23707). Dieser wurde am 30. Oktober 2020 in erster Lesung beraten. Christine Lambrecht betonte eingangs, dass sexualisierte Gewalt gegen Kinder erschütternde Verbrechen darstellen, die ins Mark träfen. Darum sei sie froh, einen Gesetzentwurf vorstellen zu können, der alle Möglichkeiten zum Handeln eröffne. Die Fraktionen CDU/CSU und SPD betonten, dass sie froh seien, dass man nicht bei öffentlicher Empörung stehenbleibe, sondern mit zahlreichen Maßnahmen effektiv etwas für mehr Kinderschutz tue und begrüßten den Dreiklang des Gesetzentwurfs. Die Koalition habe entschieden den Entwurf gemeinsam einzubringen, um ihn zu beschleunigen. Dirk Wiese (SPD) sprach sich insbesondere für einen starken Fokus auf die Prävention aus. Die Opposition unterstütze grundsätzlich den Gesetzentwurf. Die AfD warf jedoch der Koalition vor, zu lange gewartet zu haben und nun in Aktionismus zu verfallen. So erschließe sich nicht, warum Tatvarianten ohne Körperkontakt milder bestraft werden sollen und die Mindeststrafe für Tauschbörsenbetreiber nur bei einem Jahr Freiheitsstrafe liege. Stattdessen forderte die AfD u.a. ein öffentlich einsehbares Register von Sexualstraftätern. Dr. Jürgen Martens (FDP) kritisierte, dass zu lange von einem sexuellen Missbrauch gesprochen worden sei, da es schließlich auch keinen zulässigen Gebrauch von Kindern gebe. Die Notwendigkeit zu handeln sei da, jedoch zweifelte er daran, ob mit dem Entwurf immer das Richtige getan werde und sprach sich für eine evidenzbasierte Strafrechtspolitik aus. Die Straferhöhung ziehe schließlich Folgeprobleme nach sich. So müsse nicht nur personell in der Justiz nachgesteuert werden, auch die Ermittlungsbehörden benötigten mehr Personal und Sachmittel, damit sie überhaupt von ihren erweiterten Befugnissen Gebrauch machen könnten. Ferner bestehe bei Bagatellfällen die Gefahr der Überstrafe. Ebenso wie die SPD sah die FDP einen Schwerpunkt in der Prävention, wofür im Haushalt aber keine Mittel bereit stünden. Die Linke wies insbesondere auf einen Verbesserungsbedarf im Hinblick auf den Wegfall der minderschweren Fälle hin. Annalena Baerbock von den Grünen befand den Gesetzentwurf der Koalition als absolut richtig und wichtig, schließlich seien auch viele Vorschläge der Grünen in den Entwurf eingeflossen. Es sei an der Zeit einen Perspektivwechsel vorzunehmen und Kinder auch im juristischen Verfahren als Rechtssubjekte anzusehen und nicht nur als Objekte. Es brauche Prävention und eine Trauma-Ambulanz für Kinder. Daher könne der Gesetzentwurf nur der Beginn einer notwendigen Debatte sein. 

Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen wurde im Anschluss an die Debatte gemeinsam mit einem Entschließungsantrag der Grünen (BT Drs. 19/23676) zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. 

Am 27. November 2020 befasste sich der Bundesrat mit dem Regierungsentwurf und nahm hierzu Stellung. Er fordert insbesondere im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Neuordnung und Harmonisierung des Sexualstrafrechts sowie die Beibehaltung der bisherigen Terminologie des „sexuellen Missbrauchs“. Des Weiteren soll an dem Vorhaben der Erhöhung der Strafandrohung bei Verstößen gegen Weisungen in der Führungsaufsicht festgehalten werden (so schon der Gesetzesentwurf aus Bayern, BR Drs. 362/20). Die Stellungnahme wird nun der Bundesregierung zugeleitet. 

Am 7. Dezember 2020 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Sachverständigen begrüßten einhellig das Anliegen, Kinder besser zu schützen. Kritik übten sie jedoch insbesondere an der geplanten begrifflichen Änderung. Prof. Dr. Jörg Kinzig kritisierte, dass der Entwurf in den meisten Bereichen nicht einer evidenzbasierten Kriminalpolitik entspreche. Es drohe der Verlust der Rechtsstaatlichkeit, wenn Kriminalpolitik nach den Vorgaben der Boulevardpresse betrieben werde. Vielmehr solle zum Schutz der Kinder ein Augenmerk auf die Prävention gelegt werden. Der Begriff der „sexualisierten Gewalt“ verwische schließlich den Unterschied zwischen sexuellen Handlungen mit und ohne Anwendung von Gewalt, was zu Auslegungsproblematiken führe. Dem schlossen sich auch Rechtsanwältin Dr. Jenny Lederer und Dr. Julia Bussweiler von der GenStA Frankfurt a.M. an. Letztere führte aus, dass es zu einer falschen Bewertung in der Gesellschaft führe, wenn ein bislang durchgängig negativ besetzter Begriff, wie der sexuelle Missbrauch, plötzlich umbenannt werde. Prof. Dr. Jörg Eisele äußerte sich ebenfalls kritisch zur Änderung der Begrifflichkeit des sexuellen Missbrauchs. Der Gesetzgeber meine zwar, das Unrecht der Taten besser zu verdeutlichen, verfehle damit aber die tatbestandliche Beschreibung. Außerdem entspreche der bisher gängige Begriff der einschlägigen EU-Richtlinie. Prof. Dr. Tatjana Hörnle gab zu bedenken, dass bei der Verwendung der generellen Begrifflichkeit „sexualisierte Gewalt“ alle die Formen der sexuellen Gewalt an Kindern verloren gingen, die mit brutalen körperlichen Attacken einhergehen und zu deren Charakterisierung die Begriffe erforderlich seien. Ein „Fehlschuss“ sei insbesondere die Annahme, dass man durch den Begriff des „Missbrauchs“ einen straflosen „Gebrauch“ von Kindern impliziere. Der Begriff „sexueller Missbrauch“ sei eine Kurzfassung von „Missbrauch von Abhängigkeit und Unterlegenheit für sexuelle Zwecke“. Dr. Leonie Steinl vom Deutschen Juristinnenbund gab zu bedenken, dass der Gewaltbegriff im deutschen Strafrecht enger verstanden werde als im Völkerrecht und schlug die Verwendung des Begriffs „sexualisierte Übergriffe“ vor. Dr. Franziska Drohsel von der Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend sprach sich als einzige Expertin für die Streichung des Begriffs des „sexuellen Missbrauchs“ aus. Was die Erhöhung des Strafrahmens betrifft, so waren sich die Experten einig, dass man mit dem Vorstoß über das Ziel hinaus schieße. Insbesondere die Heraufstufung des Grundtatbestandes zum Verbrechen lehnte die Rechtsanwältin Dr. Jenny Lederer ab. Es fehle eine rationale Begründung oder der empirische Beleg einer Wirksamkeit. Auch bei der beabsichtigten Einführung einer Strafbarkeit des Erwerbs von kindlichen „Sexpuppen“ würden Verhaltensweisen kriminalisiert, von denen man gar nicht wüsste, ob sie zwangsläufig zu Hands-on-Delikten führen. Dies widerspreche dem Ultima-Ratio-Grundsatz. Barbara Stockinger vom DRB betonte, dass eine Strafandrohung allein erfahrungsgemäß wenig Abschreckungswirkung entfalte. Die Anhebung des Strafrahmens bedeute nicht zuletzt auch eine massive Mehrbelastung der überlasteten Staatsanwaltschaften und Gerichte. Sie begrüßte jedoch die vorgesehene Erweiterung der Befugnisse der Ermittlungsbehörden, auch wenn die Umsetzung der Mindestspeicherfrist für Verkehrsdaten immer noch nicht erfolgt sei und dadurch ein wichtiges Instrument im Kampf  gegen die Kinderpornografie und sexualisierte Gewalt gegen Kinder fehle. Dr. Franziska Drohsel sprach sich für eine Erweiterung des Gesetzesentwurfs im Bereich des Opferschutzes aus. Außerdem sollte der Begriff der „Kinderpornografie“ abgeschafft und den Richterinnen und Richtern mehr Fachwissen in Bezug auf den Umgang mit traumatisierten Kindern vermittelt werden. 

Am 24. März 2021 beschäftigte sich der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz mit dem Entwurf der Koalitionsfraktionen (BT Drs. 19/23707), dem Regierungsentwurf (BT Drs. 19/24901) sowie mit den Gesetzentwürfen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (BT Drs. 19/20541), zur Stärkung des Kinderschutzes im familiengerichtlichen Verfahren (BT Drs. 19/20540) und dem Antrag „Prävention stärken – Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen“ (BT Drs. 19/23676). Der Ausschuss empfiehlt in seinem Bericht (BT Drs. 19/27928) die Annahme des Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD in geänderter Fassung unter gleichzeitiger einvernehmlicher Erledigterklärung des Regierungsentwurfs. Die Gesetzentwürfe der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie deren Antrag zur Stärkung der Prävention hat der Ausschuss abgelehnt. In der geänderten Fassung des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen wurde insbesondere auf den Begriff der „sexualisierten Gewalt“ verzichtet. 

Am 25. März 2021 hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der AfD bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen beschlossen. Der Regierungsentwurf wurde nach der Abstimmung für erledigt erklärt. 

Am 7. Mai 2021 hat der Bundesrat den Gesetzesbeschluss des Bundestages gebilligt. Das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. Juni 2021 wurde am 22. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2021, S. 1810 ff.). Es tritt vorbehaltlich des Absatzes 2 am 1. Juli 2021 in Kraft. Mit Ausnahme des Artikels 4 treten die übrigen Regelungen am 1. Januar 2022 in Kraft, Artikel 4 schließlich am 1. Juli 2022. 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 63/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – 5 StR 146/19: Auch Kopie eines Ausweises für das Gebrauchen zur Täuschung im Rechtsverkehr nach § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB ausreichend

Amtlicher Leitsatz:

1. Auch durch Vorlage der Kopie oder durch elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises zur Identitätstäuschung kann ein Ausweispapier im Sinne von § 281 Abs. 1 S. 1 StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht werden.

2. Zur Fälschung beweiserheblicher Daten durch Anmeldung bei einer Auktionsplattform und durch Online-Verkaufsangebote unter falschem Namen.

Sachverhalt:

Den Sachverhalt finden Sie im KriPoZ-RR, Beitrag 21/2019.

Entscheidung des BGH:

Die Entscheidung geht aus einem Anfragebeschluss des 5. Strafsenats hervor. Dieser hielt jetzt trotz der Einwände des 2. Strafsenats an seiner beabsichtigten Entscheidung fest.

 

Anmerkung der Redaktion:

Den Anfragebeschluss finden Sie hier: KriPoZ-RR, Beitrag 21/2019.

Die Antwort des 4. Strafsenats  finden Sie hier: KriPoZ-RR, Beitrag 13/2020.

Die Antwort des 2. Strafsenats findne Sie hier: KriPoZ-RR, Beitrag 39/2020.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 62/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 27.05.2020 – 1 StR 118/20: Analoge Anwendung des § 306e Abs. 1 StGB

Amtlicher Leitsatz:

§ 306e Abs. 1 StGB ist auf die Qualifikation des § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB analog anzuwenden, wenn der Täter – anstatt den Brand zu löschen – die (konkrete) Lebensgefahr für das Opfer freiwillig durch anderweitige Rettungshandlungen beseitigt.

Sachverhalt:

Das LG Heilbronn hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten der 65-jährige Angeklagte und seine 17-jährige Freundin beschlossen, sich gemeinsam das Leben zu nehmen. Dazu hatten sich beide im Wohnwagen des Angeklagten aufgehalten, den dieser daraufhin mithilfe von Benzin entzündet hatte.

Nachdem der Fluchtweg für beide durch die Flammen versperrt worden war, entschloss sich der Beschuldigte doch noch das Leben der beiden zu retten. Ihm war es gelungen ein Fenster zu öffnen und half dem Mädchen aus dem Wagen. Anschließend konnte er sich selbst durch das Fenster retten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH änderte den Schuldspruch ab und verurteilte den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, da die abstrakte Lebensgefährdung in § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB verdrängt werde, die Gesundheitsbeschädigung des Grundtatbestandes der Körperverletzung jedoch nicht.

Den Strafausspruch hob er komplett auf, da das LG zu Unrecht eine Strafmilderung nach § 306e StGB abgelehnt habe.

Zwar erfordere die Vorschrift ihrem Wortlaut nach das Löschen des Brandes, allerdings komme eine analoge Anwendung in Betracht, wenn die Lebensgefahr für das Opfer vom Täter auf anderen Wegen beseitigt werde.

Eine Literaturansicht lehne eine solche Anwendung des § 306e StGB auf § 306a Abs. 2 StGB und § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB generell ab, da die Vorschrift andere Rechtsgüter in Bezug nehme.

§ 306e StGB beziehe sich auf den Schaden an den angezündeten oder zerstörten Gegenständen und wolle diesen verhindern, wohingegen § 306a Abs. 2 StGB und § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB Leib und Leben schützen wollten. Somit beziehe sich der „erhebliche Schaden“ in § 306e StGB auf den Sachschaden. Eine Beseitigung der Lebensgefahr komme daher nicht als Anknüpfungspunkt für die tätige Reue in Betracht.

Die Gegenansicht hält eine analoge Anwendung für möglich, da es sinnwidrig sei lediglich die Löschung des Brandes zu belohnen und andere – wahrscheinlich effektiverere und sicherere – Methoden der Gefahrbeseitigung außer Acht zu lassen.

Eine weitere Ansicht halte die analoge Anwendung der §§ 314a Abs. 2 und 3, 320 Abs. 2 und 3 StGB für die sachgerechteste Lösung.

Nach Ansicht des BGH sei die analoge Anwendung des § 306e StGB aus systematischen Gründen und nach dem Telos der tätigen Reue die vorzugswürdige Lösung.

Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der gewählten Formulierung in § 306e StGB andere Formen der Gefahrbeseitigung habe ausschließen wollen, so der Senat. Das Löschen des Brandes stelle nur einen speziellen Fall der Gefahrabwendung dar, weshalb die Interessenlage mit anderen Abwendungsmöglichkeiten vergleichbar sei.

Die Analoge Anwendung des § 306e StGB sei demnach aus systematischen Gründen die sachgerechteste Lösung.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die tätige Reue nach § 306e StGB war durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts in das StGB eingefügt worden. Dadurch sollten die Brandstiftungsdelikte umfassend neu geordnet und die Anwendung der Tätigen Reue für die jeweiligen gemeingefährlichen Straftaten besser handhabbar gemacht werden.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 61/2020

Die Pressemitteilung finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 20.08.2020 – 3 StR 40/20: Antisemitische Beweggründe sind bei der Strafzumessung zu berücksichtigen

Leitsatz der Redaktion:

Der im Jahr 2015 geänderte § 46 Abs. 2 S. 2 StGB gebietet es, antisemitische Beweggründe und Ziele als strafzumessungsrelevante Umstände in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen.

Sachverhalt:

Das LG Koblenz hat den Beschuldigten wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung sowie Verstoßes gegen das Uniformverbot nach dem VersG verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten die Angeklagten vier Schulgebäude mit rassistischen und rechtsradikalen Propagandasprüchen besprüht. Daneben waren sie bei einer Demonstration mit Fackeln hinter einem Banner mit der Aufschrift „Volkstod stoppen“ gelaufen, wobei sie absprachegemäß weiße Gesichtsmasken und dunkle Kleidung getragen hatten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da die Strafzumessungsentscheidung durchgreifende Rechtsfehler enthalte.

Es seien nur die für die Täter günstigen Umstände in die Gesamtbetrachtung eingestellt worden. Die gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 StGB explizit zu berücksichtigende fremdenfeindliche Tatmotivation der Angeklagten sei unberücksichtigt geblieben, was auch für Taten, die vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung begangen worden seien, einen Rechtsfehler darstelle, da § 46 Abs. 2 S. 2 StGB nur klarstellende Funktion habe.

 

Anmerkung der Redaktion:

§ 46 Abs. 2 S. 2 StGB ist 2015 durch das Gesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in das StGB eingefügt worden. Mittlerweile gibt es einen neuen Gesetzentwurf des Bundesrates zur Strafzumessung bei antisemitischen Straftaten. Weitere Informationen zu diesem Gesetzesvorhaben finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 60/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 05.08.2020 – 2 BvR 1985/19: Containern bleibt strafbar

Leitsatz der Redaktion:

Eine Verurteilung wegen Diebstahls aufgrund des sog. Containerns verstößt nicht gegen die Ultima-Ratio-Funktion des Strafrechts.

Sachverhalt:

Das AG Fürstenfeldbruck und bestätigend das Bayerische Oberste Landesgericht haben die Beschwerdeführerinnen wegen Diebstahls verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten sie einige Lebensmittel aus einem verschlossenen Müllcontainer eines Supermarktes entwendet, um diese vor der Müllentsorgung zu bewahren (sog. Containern).

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Angeklagten, dass die strafgerichtlichen Verurteilungen ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und ihre allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzen würde.

Das Merkmal der Fremdheit in § 242 Abs. 1 StGB sei hier einschränkend auszulegen. Zudem dürfe das Strafrecht nur als Ultima Ratio dienen, was eine Strafbarkeit in diesem Fall als übermäßig erscheinen lasse, da die noch verzehrbaren Lebensmittel nur vor der Vernichtung gerettet worden seien und der Supermarkt kein berechtigtes Interesse mehr an ihnen gehabt habe. Der nachhaltige Umgang mit Lebensmitteln sei zudem ein Gemeinwohlbelang aus Art. 20a GG.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an.

Die Annahme der Fremdheit der Lebensmittel nach einer zivilrechtsakzessorischen Betrachtung verstoße nicht gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Auch ein Fehler bei der strafrichterlichen Beweiswürdigung sei nicht ersichtlich, indem das Tatgericht einen Besitzaufgabewillen des Berechtigten nicht vermocht habe festzustellen.

Schließlich gebiete auch das Ultima-Ratio-Prinzip keine Einschränkung des Diebstahlstatbestands in den Fällen des sog. Containerns. Zwar komme dem Übermaßverbot bei Straftatbeständen eine besondere Bedeutung zu, allerdings sei es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welches Verhalten als strafbar zu bewerten sei. Diese Entscheidung könne vom BVerfG nicht im Hinblick auf Gerechtigkeit oder Zweckmäßigkeit, sondern nur anhand verfassungsrechtlicher Maßstäbe überprüft werden.

§ 242 StGB schütze das Eigentum (Art. 14 GG) als formale und zivilrechtsakzessorische Position unabhängig von seinem wirtschaftlichen Wert, was nicht gegen verfassungsrechtliche Wertungen verstoße. Die freie Verfügungsgewalt des Eigentümers über sein Eigentum sei von Jedermann zu respektieren, vor allem wenn er, wie in diesem Fall etwaige Haftungsrisiken verhindern will, indem die Lebensmittel ausschließlich an das dafür entlohnte Besorgungsunternehmen gelangen sollen.

Schließlich sei der Tatbestand auch verhältnismäßig, da er die Möglichkeit biete, Täter bei geringer Schuld dementsprechend milde zu bestrafen und von den Möglichkeiten der §§ 60, 59, 47, 56 StGB Gebrauch zu machen.

 

Anmerkung der Redaktion:

Momentan befinden sich mehrere Anträge im parlamentarischen Prozess, die das sog. Containern entkriminalisieren wollen. Weitere Informationen erhalten Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 59/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 09.07.2020 – 1 BvR 2067/17: Sog. Rocker-Kuttenverbot aus §§ 9 Abs. 3, 20 Abs. 1 Satz 2 VereinsG ist verfassungsgemäß

Leitsatz der Redaktion:

Das Verbot des Verwendens von Kennzeichen verbotener Vereine stellt zwar einen erheblichen Eingriff in die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) dar, ist jedoch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer, drei lokale „Chapter“ größerer Rockerclubs (MC Gremium, Hells Angels und Bandidos MC) sowie in den beiden letzten Fällen deren Mitglieder, haben sich gegen das Zweite Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 10. März 2017 gewendet. Sie sehen sich durch das Kennzeichenverbot in ihren Grundrechten aus Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG sowie Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG beschloss, die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung anzunehmen. Teilweise seien sie unzulässig und soweit sie zulässig seien, unbegründet.

Die Beschwerden der Vereinigungen gegen die Strafnorm seien bereits unzulässig, da die Vereinigungen als solche nicht straffähig seien. Die Beschwerden gegen das Kennzeichenverbot an sich genügten nicht den Anforderungen an die Subsidiarität, da zunächst fachgerichtlicher Rechtsschutz im Wege einer Feststellungsklage hätte ersucht werden müssen.

Zu messen sei das Verbot überwiegend an Art. 9 Abs. 1 GG, da die Selbstdarstellung und das Namensrecht vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG umfasst seien und ein Kennzeichenverbot in diesen Schutzbereich eingreife. Darüber hinaus könne das Tragen eines bestimmten Kennzeichens bei Privatpersonen auch die Äußerung einer Meinung nach Art. 5 Abs. 1 GG darstellen.

Der Eingriff in das Vereinigungsverbot sei jedoch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.

Einzige ausdrückliche Einschränkungsmöglichkeit des Grundrechts sei zwar das Vereinsverbot, allerdings knüpfe das Kennzeichenverbot nur formell an dieses an und diene letztlich der effektiven Durchsetzung eines solchen Verbots. Dies sei ein legitimes Ziel der Regelung.

Die Regelung fördere diesen Zweck auch, da bei der möglichen Weiterverwendung des Kennzeichens durch beispielsweis eine Schwesterorganisation, das Vereinsverbot leerlaufen würde. Damit sei die Reglung zur Zweckerreichung geeignet.

Ebenfalls bejaht das BVerfG die Erforderlichkeit, da weniger eingriffsintensive aber gleich effektive Maßnahmen nicht ersichtlich seien.

Schließlich sei die Regelung auch angemessen. Zwar stelle die Vorschrift einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Mitglieder dar, da diese sich letztlich nicht mehr nach außen der Vereinigung zugehörig und verbunden zeigen könnten, allerdings sei eine private Verwendung weiterhin erlaubt, solange diese in der Öffentlichkeit und bei Versammlungen nicht erfolge.

Zudem seien die angedrohten Strafen nicht besonders hoch und das Tatgericht könne im Einzelfall sogar von einer Bestrafung absehen und das Vereinsverbot, welches dem Kennzeichenverbot vorausgehe, sei nur unter sehr hohen Voraussetzungen und zum Schutz von Rechtsgütern hervorgehobener Bedeutung (präventiver Verfassungsschutz).

Auch das Übermaßverbot sei nicht verletzt, da es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers liege, wann er ein Verhalten als strafbar ansehe. Im vorliegenden Fall sei dies erst recht unproblematisch, da das Kennzeichenverbot nur zur Durchsetzung des unter strengen Voraussetzungen stehenden Vereinsverbots diene.

Auch ein Eingriff in Art. 5 Abs. 1 GG sei nach diesen Erwägungen gerechtfertigt, so das BVerfG.

Das Grundrecht auf Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG werde zwar ebenfalls durch das Verbot verkürzt, da bestimmte bedruckte Eigentumsobjekte nicht mehr in der Öffentlichkeit verwendet werden dürfen, allerdings sei auch dieser Eingriff gerechtfertigt, weil die bewirkte Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne der Sozialbindung des Eigentums und aus oben genannten Erwägungen verhältnismäßig sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

Das Zweite Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes finden Sie hier.

Den KriPoZ-RR Beitrag zum Beschluss des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des Verbots des Gremium Motorcycle Club finden Sie hier.

Der KriPoZ-RR, Beitrag 49/2020 beschäftigt sich mit den Anforderungen an den Vorsatz für eine Strafbarkeit nach § 20 VereinsG.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 58/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

KG Berlin, Beschl. v. 27.07.2020 – 4 Ss 58/20: Strafbarkeit des sog. Stealthing

Amtlicher Leitsatz:

Das sog. Stealthing erfüllt jedenfalls dann den Tatbestand des sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 1 StGB, wenn der Täter das Opfer nicht nur gegen dessen Willen in ungeschützter Form penetriert, sondern im weiteren Verlauf des ungeschützten Geschlechtsverkehrs darüber hinaus in den Körper des bzw. der Geschädigten ejakuliert.

Sachverhalt:

Das AG Tiergarten hat den Angeklagten wegen sexuellen Übergriffs verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte zunächst einvernehmlichen vaginalen Geschlechtsverkehr mit der Zeugin, nachdem diese ihm mitgeteilt hatte, nur unter Benutzung eines Kondoms mit ihm schlafen zu wollen.

Dies war zunächst vom Beschuldigten akzeptiert worden.

Bei einem Stellungswechsel hatte der Angeklagte dann jedoch heimlich und von der Zeugin unbemerkt das Kondom von seinem Glied abgezogen und danach ungeschützten Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen an dessen Ende er in die Vagina des Opfers ejakuliert hatte.

Entscheidung des KG Berlin:

Das KG bestätigte die Verurteilung wegen sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB.

Der Schutzzweck des § 177 Abs. 1 StGB erlaube es beiden Sexualpartnern nicht nur über das „ob“ der sexuellen Aktivitäten zu entscheiden, sondern auch über die Art und Weise, sodass letztlich ein konsensuales Verhalten beider Sexualpartner vom Gesetz nach dessen Reform im Jahr 2016 gefordert werde.

Aus dem Verhalten der Zeugin sei für den Angeklagten klar erkennbar hervorgegangen, dass sie mit dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs nur unter Verwendung eines Kondoms einverstanden gewesen sei. Insbesondere sei dies dadurch unmissverständlich gewesen, da sie den Versuchen des Angeklagten, ungeschützt in sie einzudringen eindeutig widersprochen und diese blockiert hatte.

Das zunächst vorliegende Einverständnis habe auch nicht nach Entfernung des Kondoms fortgewirkt. Es sei gerade nicht nur auf die Penetration als solche gerichtet gewesen, sondern auf die bestimmte sexuelle Handlung des vaginalen Geschlechtsverkehrs mit Kondom. Der Geschlechtsverkehr ohne Kondom sei demnach eine neue sexuelle Handlung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB gewesen und nicht bloß eine Begleiterscheinung desselben Geschlechtsverkehrs.

Dabei sei der Streit, ob schon das Eindringen ohne Kondom einen sexuellen Übergriff darstellen könne, in diesem Fall nicht zu entscheiden gewesen, da zumindest die ungeschützte Ejakulation des Täters in die Vagina des Opfers eine gänzlich neue und von ihr nicht gewollte sexuelle Handlung darstelle, da sie die Prägung und Intimität des geschlechtlichen Verkehrs komplett verändere.

Auch das Argument, dass im Moment des Kondomabstreifens der entgegenstehende Wille des Opfers nicht erkennbar gewesen sei und auch der früher geäußerte Wille nicht fortwirke, da dies zu einer unzulässigen Gesamtbetrachtung führen würde, ließ das KG nicht gelten. Eine solche Ansicht würde dem Rechtsgutträger aufbürden bei jeder neuen sexuellen Handlung einen etwaigen entgegenstehenden Willen äußern zu müssen, was es ihm gerade vor dem Hintergrund des unbemerkten und sehr schnellen Wechsels der sexuellen Handlung beim Stealthing nahezu unmöglich machen würde, seine Bestimmungsmacht über die eigenen Rechtsgüter wahrzunehmen.

Abschließend wies das KG darauf hin, dass zwar tatbestandlich auch die Voraussetzungen der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB vorgelegen hätten, es von ihm jedoch hinzunehmen sei, dass das AG diese Strafzumessungsregel als nicht erfüllt angesehen hat.

 

Anmerkung der Redaktion:

§ 177 StGB ist durch das 50. Strafrechtsänderungsgesetz reformiert worden, wobei das Konsensprinzip eingeführt worden war. Weitere Informationen erhalten Sie hier.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 57/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 28.07.2020 – 6 StR 114/20: Zur Zwischenfrist des § 229 Abs. 1 StPO

Leitsatz der Redaktion:

Die Drei-Wochen-Frist des § 229 Abs. 1 StPO beträgt als eigenständige Zwischenfrist 21 Tage.

Sachverhalt:

Das LG Hannover hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs verurteilt. Für die Entscheidung relevant ist, dass das LG die Hauptverhandlung am achten Verhandlungstag (Montag den 23.09.2019) unterbrochen und nach 22 Tagen am Mittwoch den 16.10.2019 fortgesetzt hatte.

Dies hat die Revision als Verstoß gegen § 229 Abs. 1 StPO gerügt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da eine Verletzung des § 229 Abs. 1 StPO gegeben sei.

Der Vorschrift komme als Zwischenfrist eine eigenständige Bedeutung zu, weil die Unterbrechungsfrist keine Frist im Sinne der §§ 42, 43 StPO darstelle.

Dabei sei bei der Berechnung der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet werde, und der Tag, an dem die Hauptverhandlung fortgesetzt werde, nicht mitzuzählen.

Die Fristenregeln des BGB seien erst recht nicht anzuwenden, da die Einführung des § 229 Abs. 4 Satz 2 StPO zeige, dass der Gesetzgeber die Regelungen des BGB, insbesondere die entsprechende Vorschrift des § 193 BGB, nicht führ anwendbar gehalten hatte.

Nach dem natürlichen und juristischen Sprachgebrauch umfasse eine Woche 7 Tage, was zu einer Frist von 21 Tagen führe. Beispiele für eine solche Auslegung finden sich in § 339 Satz 1 SGB III und § 359 Abs. 2 HGB. Da der Normzweck des § 229 Abs. 1 StPO die Verwirklichung der Konzentrationsmaxime und des Beschleunigungsgebots in sich trage, sei eine enge Auslegung auch nach dem Telos geboten, was das Ergebnis von 21 Tagen stütze.

Anmerkung der Redaktion:

Ebenso von einer 21 Tagesfrist gehen die anderen Senate aus: BGH, Beschl. v. 22.05.2013 – 4 StR 106/13; Beschl. v. 29.11.2016 – 3 StR 235/16; Beschl. v. 24.09.2019 – 2 StR 194/19; Beschl. v. 26.05.2020 – 5 StR 65/20.

 

KriPoZ-RR, Beitrag 56/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 28.05.2020 – 3 StR 364/19: Zur Einziehung von Wertersatz ggü. Tatbeteiligten

Amtlicher Leitsatz:

Die Einziehung von Wertersatz gegenüber dem Tatbeteiligten ist auch dann zulässig, wenn bei dem Drittbegünstigten die Einziehung des aus der Tat erlangten Gegenstands in Betracht kommt.

Sachverhalt:

Das LG Koblenz hat die Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten sich die Angeklagten zusammengeschlossen, um Autoverkäufern nach Vertragsverhandlungen und Übergaben der Fahrzeuge vorzuspiegeln, dass sie eine Online-Überweisung getätigt hatten. Zahlungswillig waren sie jedoch nie gewesen und die Überweisung war nie ausgeführt worden.

Die Fahrzeuge waren dann von den Angeklagten mit gefälschten Papieren weiterverkauft worden.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da nicht nachvollziehbar geprüft werden könne, ob die Käufer – eventuell auch gutgläubig – Eigentümer der Fahrzeuge geworden seien und ihnen somit kein Schaden entstanden sei. Das LG hätte sich näher mit den Voraussetzungen der §§ 929 BGB ff. befassen müssen.

Die Einziehungsentscheidung hielten einer rechtlichen Nachprüfung jedoch stand.

Es sei zulässig gegenüber dem Tatbeteiligten die Einziehung von Wertersatz anzuordnen, auch wenn bei dem Drittbegünstigten die Einziehung des aus der Tat erlangen Gegenstands noch in Betracht komme, so der BGH.

Diese Frage sei bisher umstritten gewesen und unterscheide sich von den bisher entschiedenen Fallkonstellationen dadurch, dass der durch die Tat erlange Gegenstand körperlich noch vorhanden sei und die Voraussetzungen des § 73b Abs. 1 StGB erfüllt seien.

In der Literatur werde zum einen die Meinung vertreten, dass in solchen Konstellationen die Einziehung des Wertersatzes bei dem einen Beteiligten und die Einziehung des Originalgegenstandes bei dem Dritten nebeneinander anzuordnen seien. Dadurch entstünde eine gesamtschuldnerische Haftung.

Eine andere Meinungsgruppe wolle den Drittbegünstigten nur subsidiär haften lassen, soweit eine vollständige Vermögensabschöpfung beim Tatbeteiligten möglich sei.

Die Gegenposition gehe davon aus, dass eine Einziehung von Wertersatz beim Tatbeteiligten nur möglich sei, wenn die Einziehung des Originalgegenstandes beim Drittbegünstigten nicht in Betracht komme, da nur in diesem Fall Unmöglichkeit gemäß § 73c Satz 1 StGB eintrete. Nach dieser Meinung hafte der Tatbeteiligte nur subsidiär.

Der Meinungsstreit sei dahingehend zu entscheiden, dass die Wertersatzeinziehung beim Tatbeteiligten gemäß § 73c Satz 1 StGB auch dann angeordnet werden kann, wenn die Einziehung des aus der Tat erlangten Gegenstandes beim Drittbegünstigten gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB noch möglich sei, so der BGH.

Dies ergebe sich zunächst aus dem Wortlaut der Vorschriften, da sich diesem kein Rangverhältnis zwischen beiden Arten der Vermögensabschöpfung entnehmen ließen. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm, die 2017 durch das Gesetz zur Reform der Vermögensabschöpfung neu geregelt worden sei, lasse keinen Schluss auf ein vom Gesetzgeber gewolltes abgestuftes Verhältnis zu.

Aus der Systematik der Vorschriften könne jedoch abgeleitet werden, dass § 73c Satz 1 StGB auf die Unmöglichkeit der Einziehung des Gegenstandes bei dem jeweiligen Empfänger abstellt und nicht auf die generelle Unmöglichkeit der Einziehung des körperlichen Gegenstands.

Da der Gesetzgeber das Recht der Vermögensabschöpfung mit der Reform effektivieren und bestehende Lücken schließen habe wollen, sei eine subsidiäre Haftung weder des Tatbeteiligten, noch des Drittbegünstigten mit dem Telos der Norm zu vereinbaren. Nur so könne jeder Anreiz zur Begehung gewinnorientierter Straftaten vermieden werden.

 

Anmerkung der Redaktion:
Informationen zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung finden Sie hier.

 

 

Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche

Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 9. März 2021: BGBl. I 2021, S. 327 ff. 

Gesetzentwürfe: 

 

Das BMJV hat am 11. August 2020 einen Referentenentwurf zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche auf den Weg gebracht. Damit soll zugleich der seit dem 2. Dezember 2018 in Kraft getretenen Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober 2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche Rechnung getragen werden, die bis zum 3. Dezember 2020 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die Richtlinie enthält Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Sanktionen. Der Tatbestand des § 261 StGB entspricht zwar schon in weitern Teilen der EU-Richtlinie, die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche soll jedoch weiter verbessert und neu gefasst werden und über die internationalen Mindestvorgaben hinausgehen. Der Entwurf sieht vor, künftig alle Straftaten als Geldwäschevortaten einzubeziehen. Durch einen Verzicht auf einen Vortatenkatalog wird eine effektiverer Kriminalitätsbekämpfung im Bereich der organisierten Kriminalität erwartet. Entsprechend soll die Beweisführung erleichtert werden. Gerade im Bereich der banden- oder gewerbsmäßigen Strukturen war ein Nachweis in der Strafverfolgungspraxis oft schwierig. 

Die Ausweitung der Norm macht es aus Gründen der „Eingrenzung und Ausgewogenheit der Strafandrohung“ notwendig, den Anwendungsbereich einzuschränken. So soll etwa die leichtfertige Geldwäsche nicht erfasst werden. Auch die straprozessualen Eingriffsbefugnisse der §§ 100a, 100b und 100g StPO wurden an den ausgeweiteten Anwendungsbereich der Geldwäsche angepasst und ermöglichen eine Telekommunikaationsüberwachung oder eine Online Durchsuchung nur im besonders schweren Fall, bzw. wenn die Vortat eine der in den Nr. 1 bis 11 genannten schweren Straftaten darstellt. Eine Überarbeitung der Umschreibung tauglicher Tatobjekte und eine Neugliederung der Tathandlungen soll den Tatbestand des § 261 StGB in seiner Handhabung vereinfachen. Ebenso wurden im Entwurf die durch das BVerfG geprägten Vorsatzanforderungen bei der Annahme von Honoraren durch Strafverteidiger berücksichtig. Weiterhin sieht der Entwurf eine Modifizierung der selbstständigen Einziehung (§ 76a StGB) vor, die zudem an die neue Terminologie angepasst werden soll. Flankiert werden die Neuregelungen durch eine Zuständigkeitsregelung der Wirtschaftsstrafkammern. Durch die Aufnahme des § 261 StGB in den Katalog des § 74c Abs. 1 S. 1 Nr. 6 lit. a GVG soll die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammern immer dann begründet sein, wenn die „Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich“ macht. 

§ 261 StGB soll schließlich künftig wie folgt gefasst werden: 

„§ 261 – Geldwäsche

(1) Wer einen Tatertrag, ein Tatprodukt oder einen an dessen Stelle getretenen anderen Vermögensgegenstand

1. verbirgt,

2. in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,

3. sich oder einem Dritten verschafft oder

4. verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Dies gilt nicht in Bezug auf einen Vermögensgegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine Straftat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Vermögensgegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 5 nur dann bestraft, wenn er den Vermögensgegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(7) Den Vermögensgegenständen im Sinne des Absatzes 1 stehen Taterträge und Tatprodukte einer im Ausland begangenen Tat sowie an deren Stelle getretene andere Vermögensgegenstände gleich, wenn die Tat

1. auch am Tatort mit Strafe bedroht ist oder

2. nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:

a) Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),

b) Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),

c) Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),

d) Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,

e) Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bek.mpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),

f) Artikel 2 und 3 der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),

g) Artikel 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder

h) Artikel 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b sowie Artikel 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3 2017, S. 6).

(8) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt.“

 

Bundesfinanzminister Olaf Scholz erklärte: „Geldwäsche ist ein schwerwiegendes Problem, weil der Staat und damit alle ehrlichen Bürgerinnen und Bürger geschädigt werden. Kriminelle Profite dürfen keinen Weg in die Legalität finden. Oft ist es aber kompliziert, Geldwäsche wirksam zu bekämpfen. Die grundlegende Reform des Geldwäschestraftatbestands nun ist ein wichtiger Schritt für den Kampf gegen Geldwäsche, weil es das Vorgehen vereinfacht. Die Reform ist ein Herzstück der Strategie der Bundesregierung zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, die wir im vergangenen Herbst beschlossen haben. Mit unserem kürzlich vorgelegten 16-Punkte-Aktionsplan wollen wir überdies auf EU-Ebene die Regeln, Aufsichtsstruktur und den Informationsaustausch im Bereich der Geldwäsche ausweiten und stärken.“

Am 14. Oktober 2020 hat die Bundesregierung den vom BMJV vorgelegten Gesetzentwurf angenommen und am 11. November 2020 in den Bundestag eingebracht (BT Drs. 19/24180). Dort wurde er am 20. November 2020 erstmals beraten und im Anschluss an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zwecks weiterer Beratung überwiesen. Der Regierungsentwurf beinhaltet nun eine geänderte Fassung. Während die Absätze 1-5 wortgleich erhalten geblieben sind, fügt sich nun Abs. 6 mit dem Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit ein:  

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Vermögensgegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe be- straft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

Die Beteiligung an der Vortat rückt damit auf Abs. 7 und in Abs. 8 wurde die Regelung zur Strafbefreiung bei freiwilliger Abgabe oder Veranlassung eine Anzeige der Tat (aktuell in § 261 Abs. 9 S. 1 StGB geregelt) wieder eingefügt. Die dortigen Abs. 7 und 8 sind nun in den Abs. 9 und 10 wiederzufinden:  

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1. wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2. in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Vermögensgegenstandes bewirkt. 

 

Der Bundesrat hat am 27. November 2020 der Empfehlung des Rechtsausschusses sowie des Ausschusses für Innere Angelegenheiten entsprechend zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen (BR Drs. 620/1/20). Die Gegenäußerung der Bundesregierung finden Sie hier (BT Drs. 19/24902).

Am 9. Dezember 2020 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Experten kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Prof. Dr. Jens Bülte machte deutlich, dass die Bekämpfung der Geldwäsche ein wichtiges Instrument sei, um der organisierten Kriminalität die finanzielle Grundlage zu entziehen. Mit jeder Änderung des § 261 StGB entferne sich die Strafgesetzgebung jedoch von diesem Ziel und richte sich auch gegen geringfügige und mittlere Kriminalität, was zu einer „Zersplitterung“ der Kräfte und einer zusätzlichen Belastung der Justiz führe. Der Entwurf sieht vor, künftig auch den Ladendiebstahl und andere Kleinkriminalität als Vortat zu erfassen. Damit werde das Strafrecht als Mittel zur Abschöpfung missbraucht, so Bülte. Ähnlich äußerte sich auch Prof. Dr. Matthias Jahn zu dem Entwurf. Die Konzeption flächendeckender Kriminalisierung sei nach europäischem Recht durch die Geldwäscherichtlinie 2018/1673 nicht indiziert. Dies sei vielmehr kriminal- und justizpolitisch bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität dysfunktional. Ein „All-Crime-Ansatz“ führe zu viel „Beifang“, der die ohnehin belasteten Ressourcen mit bagatellhaften Vortaten überstrapaziere. Dr. Matthias Dann führte die bestehenden Defizite bei der Geldwäschebekämpfung in erster Linie auf mangelnde Ressourcen und nicht auf unzureichende Regelungen im Strafrecht zurück. Richter am Bundesgerichtshof Marcus Köhler begrüßte den Entwurf. Mit der Streichung des Vortatenkatalogs und der Erweiterung der selbstständigen Einziehung werde ein schlüssiges Konzept verfolgt. So sah auch Joachim Lüblinghoff, Vorsitzender des DRB, den Entwurf. Der „All-Crime-Ansatz sei vor allem geeignet, Schwierigkeiten bei der Beweisführung zu beseitigen und finde auch in anderen europäischen Ländern Anklang. Allerdings sah auch er eine deutlich höhere Belastung bei den Staatsanwaltschaften und den Gerichten. Dem stimmte Oberstaatsanwalt Dr. Klaus Ruhland zu. Sebastian Fiedler vom BDK gab zu bedenken, dass ein „All-Crime-Ansatz“ nicht die Aufklärung komplexer Sachverhalte erleichtere, bei denen die Herkunft von Vermögen durch internationale Strukturen und Briefkastenfirmen verschleiert werden. Das Problem sei in diesen Fällen nicht die Begrenzung der Strafbarkeit, sondern die Nachweisbarkeit der Quelle. Jedoch dürfe kriminell erwirtschaftetes Vermögen nicht bei den Tätern verbleiben.

Am 5. März 2021 stimmte der Bundesrat dem Regierungsentwurf zu, nachdem der Bundestag bereits am 11. Februar 2021 das Gesetz beschlossen hatte. Es wurde am 17. März 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat einen Tag später in Kraft. 

 

 

 

 

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